Negotiating Citizenship: Concepts and Representations of Masculinity in the Creation of Modern Western Political Culture

Negotiating Citizenship: Concepts and Representations of Masculinity in the Creation of Modern Western Political Culture

Organisatoren
Karen Hagemann (Berlin/Trier) und Stefan Dudink (Nijmegen)
Ort
Trier
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.07.2003 - 05.07.2003
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Von
Olaf Stieglitz, Universität zu Köln

Ein internationales und interdisziplinäres Symposium in Trier, 3.-5. Juli 2003

Für die Geschlechtergeschichte waren und sind 'das andere Geschlecht' die Männer. Liest man heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, die programmatischen Beiträge namhafter Historikerinnen aus den späten 1970er und 1980er Jahren, die den konzeptionellen Wandel von der Frauen- zur Geschlechtergeschichte einleiteten und begleiteten, dann fällt indes auf, wie sehr bereits in diesen Texten der Plural 'Geschlechter' und der Schlüsselbegriff der Relationalität betont wurden. Männer als vergeschlechtet zu dechiffrieren würde „manche alte Frage in ein neues Licht rücken“, hatte z.B. Gisela Bock schon 1984 angeregt. 1 Nur durch eine Männergeschichte als Geschlechtergeschichte, so argumentierten viele dieser Texte, könne die normative Konstruktion des Männlichen als Maßstab des Menschlichen aufgehoben werden. Zugleich jedoch war die praktische Umsetzung dieser Postulate in Deutschland noch weithin Zukunftsmusik.

Dies hat sich seitdem international, mit einiger Verzögerung auch in der deutschsprachigen Forschung, grundlegend geändert. Historische Untersuchungen zu Männern 'als Männer' und zu Männlichkeiten haben regelrecht Hochkonjunktur. Dabei ist es auch in diesem Feld die Vielfalt der sichtbar werdenden unterschiedlichen Entwürfe des Mann-Seins und des Mann-Sein-Sollens, welche die anregende Dynamik dieser Forschungsrichtung in besonderem Maße auszeichnet.
Das von Karen Hagemann (Berlin/Trier) und Stefan Dudink (Nijmegen) Anfang Juli in Trier vorzüglich organisierte und von der Gerda-Henkel-Stiftung sowie der Volkswagen Stiftung geförderte Symposium lieferte ein eindrucksvolles Beispiel für eine geschlechtergeschichtliche Perspektive auf Männlichkeiten, indem es das Erkenntnispotenzial, die ebenso vielfältigen wie anregenden Erträge und auch die noch vorhandenen Desiderate dieses neuen Schwerpunkts in einem internationalen und interdisziplinären Rahmen präsentierte. Die Zielsetzung des Symposiums, Konzepte und Repräsentationsformen von Männlichkeit in der Phase des Werdens der westlichen politischen Kultur(en) zu untersuchen, fügte sich darüber hinaus gut in den gegenwärtig zu beobachtenden Trend ein, den Bereich der Politik einer geschlechterhistorischen Neuinterpretation zu unterziehen, in der nicht allein nach der tatsächlichen Partizipation von Männern und Frauen in politischer Praxis, sondern auch nach der „geschlechtlichen Figurierung von Staatstheorie, politischer Ikonographie und von zeitgenössischen Politikbegriffen“ gefragt wird.2

In ihrer Einleitung zum Symposium wies Karen Hagemann zunächst noch einmal auf die umfangreiche internationale Forschung zum Thema hin. Darauf aufbauend forderte sie dazu auf, die bislang forschungspraktisch dominante Thematisierung der Ausschlüsse von Frauen (und Weiblichkeit) aus dem Bereich der modernen politischen Kultur durch einen Perspektivwechsel auf Männer (und Männlichkeit) zu erweitern, die innerhalb dieses Felds seltsam omnipräsent und unsichtbar zugleich schienen und dabei als nicht reflektiertes Muster des allgemein Gültigen fungierten. Mit der Sichtbarmachung dieser impliziten Männlichkeiten und ihre Bedeutungen für die Entstehung und Durchsetzung des vergeschlechtlichten Machtgefüges der modernen politischen Kultur sei, so Hagemann, ein notwendiger Schritt zum historischen Verständnis dieser heute global wirkungsmächtigen Konstellation getan. Dass dabei das Konzept der Staatsbürgerschaft zum Angelpunkt der Betrachtungen erhoben wird, liegt auf der Hand: das in diesem Begriff eingeschlossene, umfassende Gleichheitsversprechen und die Tatsache seiner Nichteinlösung produzierte Spannungen und Konflikte, denen eine mehrfach relationale Geschlechtergeschichte nachgehen sollte. Zu diesem Zwecke entwickelten Hagemann und Dudink drei Fragekomplexe, an denen sich die Beiträge des Symposiums orientieren sollten:

(1) Welche Rollen spielten Entwürfe und Repräsentationen von Männlichkeiten in der historischen Ausgestaltung des Konzepts Staatsbürgerschaft? Wie wurden politische und soziale Ein- und Ausschlüsse mit ihrer Hilfe legitimiert? Welche Dependenzen bestanden dabei zwischen Geschlechterentwürfen einerseits und anderen Variablen sozialer Ungleichheit andererseits?

(2) Wer sind die historischen Akteure in diesem Konstruktionsprozessen? Wie, warum und in welchen spezifischen historischen Konstellationen entfalteten Konzepte und Repräsentationsformen politischer Männlichkeiten ihre Wirkungsmächtigkeit? Wer waren Gewinner und Verlierer bei der Herstellung hegemonialer Männlichkeiten?

(3) In wie weit sind die angesprochenen Prozesse in unterschiedlichen nationalen Kontexten – konkret sind Großbritannien, die USA, Frankreich, die Niederlande, Preußen sowie Österreich angesprochen - miteinander vergleichbar? Welche Rollen spielten nationale und internationale Konflikte, etwa Kriege oder Revolutionen, welche Einflüsse gingen von transnationalen bzw. internationalen Beziehungen aus?

Seine Orientierungsfunktion erfüllte dieser umfangreiche Katalog sehr gut, vor allem dann, wenn man die verschiedenen Sektionen des Symposiums in ihrem jeweiligen Zusammenhang diskutiert. Die Abstimmung der einzelnen Beiträge aufeinander funktionierte zumeist recht gut, war dies einmal nicht der Fall, halfen die beinahe durchweg auf hohem Niveau geführten Diskussionen oder die mit bedacht ausgewählten KommentatorInnen.

Das Symposium begann mit einer Sektion mit dem Titel 'Theoretische und methodologischen Reflektionen', und nimmt man allein diese Formulierung zum Maßstab, dann erfüllten die beteiligten Vorträge die in sie gesetzten Erwartungen nicht. Eine intensive Auseinandersetzung mit übergeordneten Fragen danach, wie denn eine Geschichte von Männern im Rahmen geschlechterhistorischer Forschung zu konzeptualisieren sei, fand in ihnen nicht statt. Ohne Frage ist es richtig, die sinnvollen, erprobten und bewährten Ansätze und Methoden der Geschlechtergeschichte auch bei der Beschäftigung mit dem 'anderen Geschlecht' anzuwenden; da muss sicher nichts 'neu erfunden' werden. Andererseits gibt es aber durchaus Konzepte und Begriffe der Männlichkeitengeschichte als Geschlechtergeschichte, die in diesem Rahmen und gerade unter dem besonderen Augenmerk auf komplexe Vorstellungen von Staatsbürgerschaft zu diskutieren gewesen wären. Die Metapher von der 'Krise der Männlichkeit' oder das Konzept der 'hegemonialen Männlichkeit', beides vielfach verwandte aber sehr kontroverse Bestandteile der gegenwärtigen Debatten, seien an dieser Stelle als zwei Beispiele angeführt, deren Beleuchtung man an dieser Stelle des Symposiums vielleicht erwartet hätte.

Diese Kritik soll indes die inhaltliche Qualität der Beiträge dieser ersten Tagungssektion nicht schmälern. Dror Wahrman (Indiana University) warf einen Blick in das 18. Jahrhundert und widmete sich so vormoderner maskuliner Identitätspolitik. Anhand von Beispielen aus Großbritannien und Frankreich stellte er die These auf, dass der Wandel im idealen Männlichkeitsentwurf den politischen Transformationsprozessen voranging. Wahrman diagnostizierte für das frühe 18. Jahrhundert die Abwesenheit eines essentiellen Kerns im idealen Entwurf des Mann-Seins und verwies im Rückgriff gerade auf das zeitgenössische Theater auf eine 'Verspieltheit' im Geschlechterverhältnis und auf flexible Geschlechtergrenzen.

Einen vertiefenden Überblick über den Zusammenhang von Staatsbürgerschaft und Männlichkeit in Großbritannien zwischen 1832 und 1932 präsentierte Sonya O. Rose von der University of Michigan. Rose untersuchte die changierende politische Sprache zur Bestimmung dessen, was und wer als Staatsbürger in Großbritannien gelten konnte und unterstrich dabei die korrespondierenden Bedeutungsverschiebungen bei Vorstellungen von männlich konnotierter Unabhängigkeit und Verantwortung. Dabei thematisierte sie insbesondere drei eng miteinander verbundene Felder: die Wahlrechtsreformen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die Rolle des Soldaten und der Armee allgemein innerhalb der Debatten um staatsbürgerliche Rechte und Pflichten, sowie schließlich die Frage nach Staatsbürgerschaft für das Empire.

Das letzte Referat der Eröffnungssektion von Henk de Smaele (Universität Leuven) war in erster Linie interessant, weil es die für das Symposiumskonzept so zentrale Kategorie der Repräsentation von Männlichkeiten in der politischen Kultur ansprach und dabei als erster die gewollt enge Verbindung zur Kunstgeschichte in den Diskussionszusammenhang einbrachte. Smaeles Ausführungen zu politischen Bedeutungsdimensionen von Darstellungen nackter Männlichkeit wurden durch weitere interessante Redebeiträge des Symposiums erweitert und ergänzt. Dabei ist vor allem Alexander Potts (University of Michigan) zu erwähnen, der sich mit der französischen und britischen Bildhauerei des späten 19. Jahrhunderts auseinander setzte und deren Verarbeitung antiker Motive mit zeitgenössischen staatbürgerlichen Diskursen in Verbindung brachte.

Ähnlich wie Rose betonten weitere Beiträge die Rolle und Bedeutung von Krieg und Militär im Aushandlungsprozess vergeschlechtlichter Staatsbürgerschaft. Karen Hagemann etwa blickte auf den politischen Funktionswandel, den die Repräsentation Friedrich Wilhelms III v. Preußen seit Anfang des 19. Jahrhunderts durchlaufen hatte. Das zentrale Bild, mit dem die anti-napoleonische Mobilisierung unternommen wurde, war das der preußischen Nation als 'wehrhafter Volksfamilie'. Hagemanns Analyse zeigte, dass das zwischen 1806 und 1815 vorherrschende „Leitbild patriotisch-wehrhafter Männlichkeit so stark 'verallgemeinert' wurde, dass es selbst für den König galt. Dieser wurde gar zur leibhaftigen Inkarnation, zum 'Muster' dieses Leitbildes für alle Männer stilisiert und damit 'demokratisiert'.“ Sie konnte indes aber auch belegen, wie offen dieser Entwurf noch war und dass er von unterschiedlichen politischen Gruppen verschieden ausgelegt werden konnte.

Christa Hämmerle von der Universität Wien widmete sich der österreichischen Armee zwischen 1868 und 1914 und präsentierte die komplexen Debatten um Wehrpflicht und Rechte auf politischer Repräsentation in einem Vielvölkerstaat. Ihre Auseinandersetzung mit Vorstellungen des 'citzen-soldiers' oder der Armee als 'Schule der Nation' zeigten einerseits, wie gewichtig sie im Europa des 19. Jahrhunderts geworden waren, anderseits indes auch, dass sie im Kontext von Nationalitätenvielfalt und Nationalitätenkonflikt jeweils anders ausbuchstabiert worden sind.

Schließlich seien noch die beiden Beiträge von Carroll Smith-Rosenberg (University of Michigan) und Stefan Dudink als besonders gelungen heraus gehoben. Beide behandelten auf den ersten Blick völlig unterschiedlichen Sachverhalte: Smith-Rosenberg sprach über feierliche Umzüge patriotischer Gesellschaften in den frühen Jahren der USA, bei denen sich die teilnehmenden Männer als Indianer verkleideten; Dudink richtete sein Augenmerk auf die Ausbildung einer nationalen Identität in den Niederlanden und darauf, wie Männlichkeitsvorstellungen dort um 1800 mit Ideen des Republikanismus verwoben waren. Beide unterstrichen aber in gleichem Maße, wie notwendig Vorstellungen von Relationalität innerhalb der von ihnen thematisierten Geschlechterverhältnisse waren. Smith-Rosenberg verdeutlichte, mit theoretischen Anleihen aus Psychoanalyse und Post-Colonial Studies, warum die schauspielerische Darstellung 'edler Wilder' durch hart arbeitende, urbane Handwerker bedeutsam für deren Selbstverständnis als republikanische Staatsbürger war. Dudink demonstrierte, wie fragil Männlichkeitsentwürfe in dieser Epoche waren und verwies auf ihre ebenso notwendigen wie prekären Bezüge zur Weiblichkeit: „Masculinity was defined not so much in terms of a given difference from femininity, as in terms of a dangerous proximity to effeminacy.“

Die von den Organisatoren des Trierer Symposiums hochgesteckten Ziele konnten die Beiträge in ihrer Gesamtheit erfüllen. Zwar standen zumeist normative Ideale des Mann-Seins und hegemoniale Gruppen von Männern im Fokus der Betrachtungen, doch erstens entspricht dies durchaus dem gegenwärtigen Stand der Forschung, die erst zögerlich mit Arbeiten zu marginalisierten Entwürfen von Männlichkeiten beginnt, und zweitens zeigten die anregenden Diskussionen, dass man sich dieses Mankos zunehmend bewusst wird. Internationaler Vergleich und Disziplinen übergreifende Herangehensweise erwiesen sich als erkenntnisfördernd, und es bleibt zu hoffen, dass die Erträge dieses Symposiums bald in Buchform nachzulesen sind.

1: Gisela Bock: Der Platz der Frauen in der Geschichte, in: Herta Nagl-Docekal/Franz Wimmer (Hg.): Neue Ansätze in der Geschichtswissenschaft, Wien 1984, S. 108-127, 119

2: Gabriele Boukrif u.a. (Hg.), Geschlechtergeschichte des Politischen. Entwürfe von Geschlecht und Gemeinschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Münster 2002, S. 8


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