Internationale Sommerschule: Rechtshistorische Wurzeln Europas

Internationale Sommerschule: Rechtshistorische Wurzeln Europas

Organisatoren
Prof. Dr. Jörg Wolff, Universität Lüneburg
Ort
Bad Bevensen
Land
Deutschland
Vom - Bis
27.07.2003 - 02.08.2003
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Von
Miriam Bornholdt, Martina Lippmann, Harriet von Natzmer

Jörg Wolff, Universität Lüneburg, lud vom 27. Juli bis zum 2. August 2003 zu einer unter der Schirmherrschaft des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff stehenden Internationalen Sommerschule in den Räumen der Europäischen Akademie in Bad Bevensen mit dem Thema "Die Rechtshistorischen Wurzeln Europas" ein. Ermöglicht werden konnte sie aufgrund der großzügigen Fördermittel der VolkswagenStiftung. Der Teilnehmerkreis setzte sich aus Professoren und Postgraduierten aus neun europäischen Ländern zusammen.

Eröffnet wurde die Internationale Sommerschule durch die Grußworte des Vizepräsidenten der Universität Lüneburg Joachim Reese und des Dekans des Fachbereichs II Egbert Kahle. Anschließend verlas Jörg Wolff das Grußwort des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff.

Wolff hielt als Veranstalter der Internationalen Sommerschule den Eröffnungsbeitrag zur "Rechts- und Kulturgeschichte in Europa". Angesichts der bevorstehenden Erweiterung der EU ist das Thema durchaus aktuell. Wolff ging davon aus, daß die Rechtsgeschichte in die geistes- und kulturgeschichtlichen Traditionen Europas eingebunden sei. Die abendländische Identität beruhe im wesentlichen auf der christlichen Religion und dem humanistischen Kanon. Beide verlören in der Gegenwart durch die Vorherrschaft von Effizienz und Funktionalität immer mehr an Bedeutung, so daß die europäische Identität verloren zu gehen drohe. Zur Verdeutlichung bediente sich Wolff eines Kunstbegriffs von Goethe, des Veloziferischen unserer Zeit. In der Eile der gegenwärtigen Zeit, die ein Werk Luzifers sei, läge jene Oberflächlichkeit, die den Verzicht auf die Wurzeln europäischer Identität nicht einmal bemerke. Die Internationale Sommerschule solle diesem Verlust an geistes- und kulturgeschichtlichen Denken entgegenwirken.

Der erste Schwerpunkt, unter dem die Mehrzahl der Beiträge gefasst werden können, lag in den geistigen Bewegungen Europas. Es wurden unter anderem die Aufklärungsbewegung, Professionalisierung des Rechts, Religionen, aber auch die Orientierung an Rom und dem römischen Recht betrachtet.

Knut-Wolfgang Nörr, Universität Tübingen, gab in seinen Vortrag "Roman law: Just have a browse" einen detaillierten Einblick in die 1000 Jahre währende Verfassungs- und Rechtsgeschichte Roms, die gleichzeitig auch immer ein Abbild der sozialen Struktur der römischen Bevölkerung darstellte. Zudem veranschaulichte Nörr, daß die Römer bereits das Prinzip der checks and balances nutzten, das die Sicherung des politischen und sozialen Gleichgewichts ermöglichte.

Ivan Biliarsky, Universität Sofia, Bulgarien, befaßte sich mit Staatskirche und Kirchenstaat in Bulgarien und stellte das Land als byzantinisch-orthodox geprägt dar: Bulgariens Identität sei daher weniger national oder durch ethnische Gemeinsamkeiten, als vor allem religiös geformt. Als heilbringende Institution entwickelte die Kirche Gewicht und Wirksamkeit als ecclesia. In der so entstehenden Theokratie war die rechtliche Struktur für Kirche und Staat lange ein und dieselbe.

Hans Schlosser, Universität Augsburg, trug vor zu der Professionalisierung des Juristenstandes vom Rechtskundigen zum gelehrten Juristen. Aus einer kirchlich ausgeübten Gerichtsbarkeit erfolgte erst mit dem ausgehenden Mittelalter die Entstehung und Formierung eines berufsmäßigen Juristenstandes. Diese erfolgte in Abhängigkeit von: erstens einer überregional geltenden Rechtsordnung, dem ius commune, zweitens der Gründung von Ausbildungszentren nördlich der Alpen und drittens geeigneten Aufgaben und Tätigkeitsfeldern für Juristen.

Sellert, Universität Göttingen, sprach zur Rechtsbildung in Deutschland im Zeitalter der Rezeption, die eine schubweise Verwissenschaftlichung des deutschen Rechtslebens in Theorie und Praxis durch Aufnahme des römischen Rechts bedeutete. Sie setzte ein in der Rechtskirche des Mittelalters. Eine steigende Nachfrage nach Profanjuristen führte zur Ausbildung an Universitäten und zur Verwissenschaftlichung. Das Ende der Vollrezeption setzte erst mit Aufklärung und Vernunftrecht ein, erlebte in der Historischen Schule eine erneute Hinwendung und endete mit der Aufnahme des Pandektenrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch.

Gábor Hamza, Universität Budapest, Ungarn, führte in seinem Vortrag in die Rezeption des römischen Rechts in Zentral- und Osteuropa ein. Das gemeinsame Ziel war die Vereinheitlichung, Strukturierung und Systematisierung der vorhandenen Rechtstexte und deren Anwendung. Hamzas Darstellung wurde eher eine Geschichte des Scheiterns dieser Anstrengungen. Gemeinsames Vehikel des durch Einzelpersonen getragenen Fortbestehens rechtlichen Wissens waren die Universitäten und die ursprünglichen Rechtsfamilien, denen ein Land zugehörte.

Christoph Link, Universität Erlangen/Nürnberg, legte dar, daß Glaubensspaltung und Reichsspaltung die Trennung und Verselbständigung von Kirche und Staat bewirkten, auch wenn die Staatskirche zunächst ein Instrument der Sozialdisziplinierung blieb. Auf der Grundlage vernunftgeleiteten rationalen Naturrechts und der Aufklärung konnte erst aus dieser Trennung das neuzeitliche Verständnis des säkularen Staates entstehen, sich sein neutralisiertes Rechtsvokabular entwickeln.

Jürgen Brand, Bergische Universität, Gesamthochschule Wuppertal, besprach Gerechtigkeit als kollektive Erinnerung - Darstellungen des Jüngsten Gerichts in geistlichen und weltlichen Gerichtsstätten. Ziel der Darstellungen aus christlich-religiösem Fundamentalbestand war die Stabilisierung von Erwartungen der Rechtsgenossen auf längste Sicht mit Hilfe überzeitlicher, transzendenter Gerechtigkeitsideen. Mit Humanismus und Reformation verdrängte das qualitative Merkmal "sola fide" das hergebrachte Zählen und Wiegen, der Seelenwäger Erzengel Michael trat in den Darstellungen zurück.

Bela Szabó, Universität Debrecen, Ungarn, referierte zur rechtskundigen Intelligenz in Ungarn. Über den Ausbildungsgang, die Rechtsprechung an sogenannten "glaubwürdigen Orten", über juristisch ausgebildete, die Verwaltung tragende und stabilisierende protonotarii und die Rechtsprechung durch rechtsunkundige Magnate entstand das Bild einer über Jahrhunderte sich durch Praxisnähe bestimmenden juristischen Ausbildung und praktischen Rechtsanwendung. Es bestand politisch kein Interesse an der theoretischen Weiterentwicklung des gelehrten Rechts.

Sellert, referierte in seinem Abendvortrag, dem der Ausspruch Goethes zugrunde lag "...Der Pöbel hätte mich fast gesteinigt, wie er hörte, ich sei ein Jurist" über den Ruf, den der juristische Berufstand seit dem ausgehenden Mittelalter genoß. Der Vorwurf lautete auf Willkür und Unberechenbarkeit im Umgang mit dem Recht sowie auf Ausuferung und Verfälschung des ursprünglichen Rechts durch die Post-Glossatoren. Diese Kritik habe sich ausschließlich gegen den Juristen gerichtet, nicht aber gegen das Recht. Eine solche Kritik habe auch heute noch Bestand.

Hans Hattenhauer, Universität Kiel, stellte dem abendländisch-christlichen den osmanisch-islamischen Rechts- und Kulturkreis gegenüber. Hier der Orient, der sich durch eine zentralistisch geprägte Militärverfassung, grenzenlose Sultansmacht und eine theokratische Rechtsordnung auszeichnete, dort der Okzident, der sowohl die geistliche als auch die weltliche Macht sowie einen dualen Rechtsbegriff anerkannte. Durch Krieg und Handel fanden Übernahmen aus der jeweils anderen Kultur statt. Das osmanische Reich lebte ein Modell eines perfekten Absolutismus, wie ihn der Okzident niemals kannte, das er sich aber, so Hattenhauers These, von den Osmanen zum Vorbild genommen habe.

Danuta Janicka, Universität Thorn, Polen stellte "Zwei aufgeklärte Herrscher Europas: die Kaiserin Katharina II. und der König Stanislaus II. August und ihre Werk" vor. Der Unterschied zwischen beiden läge darin, daß die Zarin Katharina II. sich nach außen den Anstrich einer aufgeklärten Monarchin gab, den sie im Vergleich zu Stanislaus II. August nicht wirklich verkörperte. Das von ihr beauftragte neue Gesetzbuch sicherte der Regentin weiterhin uneingeschränkte Herrschaftsgewalt zu. Stanislaus II. August dagegen ließ seinen aufgeklärten Idealen deren reale Umsetzung folgen, wie anhand der Reformen des Großen Reichstags und der Mai-Verfassung von 1791 eindeutig belegt wurde.

Peter Krause, Universität Trier, referierte über Aufklärung und Naturrecht und die Aufklärungsgesetzbücher. Er beleuchtete die Entstehungsgeschichte und Unterschiede der Kodifikationen des preußischen Allgemeinen Landrechts (ALR), des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) und des französischen Code civile. Krause legte dar, daß Aufklärung ein überaus schwieriger Begriff sei, der aufgrund seiner verfehlten Umsetzung in der französischen Revolution sehr beschädigt und auch sonst im Laufe der Zeit sehr strapaziert wurde, den er jedoch positiv, d.h. durch Ratio, Religionsabweichung, Humanisierung und Abwendung von Gewohnheitsrecht geprägt verstanden wissen möchte.

Florian Gärtner, Universität Trier, nahm eine Bewertung der Rolle Joachim Georg Darjes mit Hilfe des Naturrechts im 18. Jhrdt. und des Gesetzgebungsverfahren vor. Insgesamt, so sein Fazit blieb Darjes zu sehr im Denken Christian Wolffs verhaftet, um den Kritischen Idealismus zu überdauern. Gärtner würdigte ihn aber als ein bedeutendes Beispiel in der Geschichte der Naturrechtskodifikationen für die Beteiligung der akademischen Rechtswissenschaftler an Gesetzgebungsverfahren.

Hans-Peter Haferkamp, Universität zu Köln, sprach über den Systembegriff Georg Friedrich Puchtas (1798-1846). Seine Beweisführung führte in ein Streitgespräch über die Systembildung zwischen Puchta und Friedrich Julius Stahl. Haferkamp nutzte neuere Untersuchungen zu Schelling für den Nachweis, dass Puchta bei diesem, nicht bei Wolff, Kant oder anderen, die entscheidenden Anhaltspunkte für sein Systemverständnis fand. Deutlich wurde in den teilweise schwierigen Einzelerwägungen, wie tief die Juristen der historischen Rechtsschule der idealistischen Philosophie ihrer Zeit verpflichtet waren.

Hattenhauer, widmete sich in seinem Abendvortrag der Historischen Schule der Rechtswissenschaften und juristischen Entscheidungsfindung im 19. Jhrdt. Personalisiert wurde diese Thematik durch Friedrich Carl von Savigny und Anton Friedrich Justus Thibaut. Im Streit darüber, welche Rechtsquelle an die Stelle des mit dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation untergegangen ius commune treten solle, kann sich Savigny durchsetzen und somit dem römischen Recht und dessen zugrunde liegenden Rechtssystematik zur neuer und zukünftiger Geltung verhelfen.

Unter dem zweiten Schwerpunkt Rechtsquellen fanden sich Vorträge wieder, die sich den Rechtsbüchern, dem Stadtrecht als auch dem kirchlich gewonnenen Recht widmeten.

Jan Hallebeek und Harry Dondorp, beide Freie Universität Amsterdam, Niederlande, referierten über die Kirche als Rechtsanregerin und Rechtsquelle im Mittelalter. Sie zeigten das Entstehen des Kirchenrechts als unabhängige Disziplin und den daraus resultierenden Einfluß auf die Bildung der Rechtslehre. Das Decretum Gratiani war kein offizielles Gesetzbuch der Kirche, gilt aber als Ausgangspunkt der Entwicklung der Kanonistik als eigenständiger, von der Theologie sich gelöst habender Wissenschaftsdisziplin. Dondorp stellte die Weiterentwicklung des kanonischen Rechts in der Konkurrenz zum römischen Recht vor, die als Rechtsprechung der Päpste neu geschaffenes Recht war. Im Angesicht zunehmenden Konfliktlösungsbedarfs bei Anwendungsregeln und Vorrangsregelungen entwickelte sich ein Beraterwesen, dessen Arbeit die Anfänge des Gesetzespositivismus darstelle.

Klaus Richter, Humboldt - Universität Berlin, und Dr. Bernd Kannowski, Universität Frankfurt/M., widmeten sich dem Sachsen- und Schwabenspiegel. Beide beschäftigten sich mit Verfasser, Aufbau und Inhalt, Wirkungsgeschichte und den Entstehungshintergründen. Vergleichend wurde auf die Königswahl und die Zweischwerterlehre beider Rechtsspiegel eingegangen. Der Unterschied von Rechtsgewohnheit und Gewohnheitsrecht wurde thematisiert, die europäische Dimension des Sachsenspiegels aufgezeigt und die Bearbeitung des Sachsenspiegels durch Glossen betrachtet. Anhand ausgewählter illustrierter Bilderhandschriften wurde die Symbolik der Bilder, als auch die Beziehung zwischen Bildern und Text beispielhaft erläutert.

Frau Katalin Gönczi, Universität Frankfurt/M und Bernd Kannowski übernahmen den Vortrag Stadtrecht als Rechtsmodernisierung und als Rechtsexport auf der Grundlage des Vortrages von Gerhard Dilcher, Universität Frankfurt/M., der erkrankt war. Bürgereid, Souveränität und rechtsschöpfende Leistung waren die grundsätzlichen Gedanken, unter deren Blickwinkel die Frage nach Modernität städtischen Rechts gestellt wurde. Im Gegensatz zur Rechtsgewohnheit bekam städtisches Recht als Recht einer Friedensgemeinschaft Steuerungsfunktion und normativen Charakter durch die Möglichkeit verläßlicher Zukunftsplanung handeltreibender Bürger. Exportiert wurde Recht immer in der Kombination von Stadtrecht und Stadtverfassung.

Gönczi stellte in ihrem Vortrag die Städte im Königreich Ungarn im europäischen Kontext vor. Entlang von vier Thesen zur Erforschung der autokephalen und autonomen Lebensgemeinschaft Stadt: städtischer Frieden, städtische Freiheit, Stadtrecht und einer genossenschaftlichen Mentalität, widersprach Gönczi der Vorstellung, das Recht käme in Ungarn aus der Stadt. Es fehle ein politisch aktives ungarisches Stadtbürgertum, es fehle an Urbanität, das Recht der Obligationen war wichtigster Bereich der Rezeption.

Dem Themenschwerpunkt Staat und Recht waren die folgenden Vorträge zuzuordnen:

Bernhard Distelkamp, Universität Frankfurt/M., berichtete über das Reichskammergericht (RKG) im Rechtsleben des Heiligen Römischen Reiches. Die Bedeutung für die Verwissenschaftlichung des Rechts nach schon vollzogener Rezeption und die Herstellung und Wahrung des Rechtsfriedens, durch den die gewalttätige Fehde zur rechtlichen Klage wurde, beschrieben die heutige Neueinschätzung des RKG. Es waren die Verfahrensregeln, mit deren Hilfe das RKG seine Wirkung erreichte. Über den materialen Rechtsstaatsbegriff wurde politische Beteiligung, über den formalen wurden Abwehrrechte eingerichtet.

Olivier Jouanjan, Universität Straßburg, Frankreich, diskutierte in seinem Vortrag "Grundrechte und Konstitutionalismus in Frankreich" zwei französische geschichtliche Modelle der Grundrechte. Zum einen die der Menschenrechtserklärung von 1789, zum anderen die der Öffentlichen Rechte der Franzosen von 1815 bzw. 1830. Die Menschenrechtserklärung sei ein Erkenntnisakt der Nationalversammlung gewesen. Sie stünde vor und über der Verfassung, denn sie leiste die Anerkennung vorpositiver Rechte. Die Öffentlichen Rechte der Franzosen dagegen seien ein einseitiger Konzessionsakt des Königs, der sich damit selbst beschränkt habe. 1815 habe somit eine "konstitutionelle Monarchie" existiert, in der "Grundrechte" nur als vom Monarchen verliehene Rechte zu verstehen seien.

Reinhard Mußgnug, Universität Heidelberg, befaßte sich mit der Darstellung des föderalistischen Prinzips in Europa. Ein regelrechter Zwang zur verfassungsrechtlichen Homogenität der Mitgliedstaaten, die divergente Legitimation hoheitlichen Handelns, das Einverständnis mit dem Axiom des "Gemeinschaftsrecht bricht Landesrecht" und die Herabstufung der Nationalstaaten zu Verwaltungsträgern waren die vier Thesen, anhand derer, mit Beispielen weiterer supranationaler Einigungsprozesse unterlegt, vor allem Deutscher Bund von 1815 und EG bzw. EU verglichen wurden.

Günter Baranowski, Universität Leipzig, referierte über Russlands Gesetzgebung im Spannungsfeld von Bewahrung und Modernisierung am Beispiel des Svod zokonov von 1832. Die bestehende Verbindung zu der Rechtsentwicklung im westlichen Europa wurde in Gesetzgebung und Werk gleichsam als Wissenswanderung sichtbar. Daß ein allgemeiner Gesetzesbegriff nicht herausgearbeitet wurde, führte zu einer Vielzahl von Begriffen, die eine Art von Gesetzlosigkeit gefördert habe. Zwar wurden sie in einem Konkordanzkodex gesammelt, es wurde aber kein zukünftiges Gesetzbuch geschaffen.

Thomas Würtenberger, Universität Freiburg im Breisgau, führte in seinem Vortrag "Grundrechtsentwicklung und Konstitutionalismus" den Weg der Durchsetzung grundrechtlicher Freiheit in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jhrdrts. aus. Betrachtet wurden hierbei vier verschiedene Aspekte. Erstens wurde bürgerliches Freiheitsbewußtsein und bürgerliche Freiheitsbewegung erläutert. Weiterhin die Grundrechtsgewährleistungen in den deutschen Verfassungen, drittens die Grundrechtstheorie und viertens der Grundrechtsschutz im Vormärz thematisiert. Dargelegt wurde, daß die Grundrechte in den Verfassungen unter dem Druck eines liberal gesinnten Bürgertums vom Monarchen verliehen worden sind.

Das vierte Themengebiet verknüpfte die Versuche der Neuordnung Europas in Geschichte, Gegenwart und Zukunft.

Gerhard Lingelbach, Universität Jena, ging in seinem Vortrag auf die großen Verträge zur Neuordnung Europas in der Geschichte ein. Der Westfälische Frieden enthielt Gebietsverschiebungen, konfessionelle Regelungen und zum dritten reichsverfassungsrechtliche Regelungen, deren juristische Struktur den Dualismus von Kaiser und Reichstag zum Ergebnis hatten. Der Westfälische Frieden konnte bis 1806 als Reichsgrundgesetz gelten. Der Wiener Kongress 1815 - 1820 besaß Doppelfunktion: er war europäischer Friedensvollzugskongress mit dem Mittel des völkerrechtlichen Vertrags, zum anderen deutscher Verfassungskongress mit dem Versuch eines politisch-rechtlichen Aufbaus eines föderalen Systems.

Joachim Heilmann, Universität Lüneburg, betrachtete in seinem Vortrag das Verhältnis des "Europäischen und nationalen Rechts in der Zukunft". Heilmann zeigte anhand mehrerer rechtlicher Sachverhalte, daß eine fortschreitende Rechtsharmonisierung zwischen nationalem und europäischem Recht bereits gegeben ist, die nach seiner Einschätzung auch zukünftig, unterstützt durch eine Europäische Verfassung, weiter vorangetrieben werde, um eine Wertegemeinschaft Europas zu schaffen.

Janusz Justyñski, Universität Thorn, Polen, diskutierte in seinem Vortrag "Steps to a legal unification of Europe in the future" die Konstituierung einer Europäischen Verfassung in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Justiñski erläuterte beispielhaft an der Verfassung Polens, wie internationalen Vereinbarungen in einer Verfassung Raum gewährt werden, und ihnen zugleich Vorrang vor nationalem Recht eingeräumt werden kann unter Berücksichtigung nationaler Souveränität.

Zur Gestaltung eines Ausflugs, der den Lehrstoff anschaulich mit dem Leben rechtlicher Wirklichkeit vergangener Jahrhunderte füllte, konnten Kahle für eine Stadtführung durch das mittelalterliche Lüneburg, der Leiter der Ratsbücherei Rolf Müller für die Besichtigung aus dem 15. Jahrhundert stammenden Lüneburger Sachsen- und Schwabenspiegelhandschriften sowie der Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge für einen Empfang im Lüneburger Rathaus mit Besichtigung des Weltgerichtsbildes gewonnen werden. Auch wurde das ehemalige Zisterzienserinnenkloster und heute Damenstift Medingen besichtigt.

Der Internationalen Sommerschule gelang zum einen, das Konzept der Verknüpfung von Geistes-, Kultur- und Rechtsgeschichte Europas umzusetzen, so daß die Kontinuität von Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem sichtbar wurde. So konnten neue Zusammenhänge und Blickwinkel auf nur zum Teil bereits bekannte historische und gegenwärtige Personen, Ereignisse, Strömungen und Ideen gewonnen werden. Zum anderen fanden die Mitwirkenden an der Internationalen Sommerschule aus neun verschiedenen Ländern Europas beste Voraussetzungen für einen intensiven Erfahrungsaustausch und bekamen die Gelegenheit, dauerhafte Kontakte zu knüpfen und zu pflegen.

Eine längere Fassung dieses Berichts wird in Kürze unter folgender Adresse veröffentlicht werden:

http://www.uni-lueneburg.de/fb2/recht/just/frames/sommerschule.htm


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