Intersectionality. Theorien, Methoden, Empirien

Intersectionality. Theorien, Methoden, Empirien

Organisatoren
Kommission für Frauen- und Geschlechterforschung der deutschen Gesellschaft für Volkskunde; Konzeption und Tagungsleitung: Manuela Barth, München; Sabine Hess, München; Nikola Langreiter, Wien; Elisabeth Timm, Wien
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
18.06.2009 - 20.06.2009
Url der Konferenzwebsite
Von
Andrea Ellmeier, Universität für Musik und darstellende Kunst Wien

„Intersectionality – ein neues Paradigma feministischer Theorie?“1 fragte im Jahr 2005 die Soziologin Gudrun-Axeli Knapp (Hannover). Diese Frage ist seither immer wieder gestellt worden. „Unter Intersektionalität wird die Analyse der Verwobenheit und des Zusammenwirkens verschiedener Differenzkategorien sowie unterschiedlicher Dimensionen sozialer Ungleichheit und Herrschaft in einer integrativen Perspektive verstanden“, heißt es im Gender@Wiki. Der Begriff Intersektionalität/Intersectionality stammt von der Juristin Kimberly Crenshaw, die festgestellt hatte, dass die US-amerikanischen Antidiskriminierungsgesetze entweder zu Gunsten schwarzer Männer oder zu Gunsten weißer Frauen gemacht worden seien, jedenfalls sicher nicht für schwarze Frauen, da die dabei zur Anwendung kommenden Kategorien „Gender“ und „Race“ als einander gegenseitig ausschließend gedacht würden. In einer intersektionalen Analyse gehe es hingegen darum, dass mehrere, unterschiedliche Differenzkategorien gleichzeitig in den Blick genommen werden. Meist wird von der Trias Geschlecht, Klasse und „Rasse“/Ethnizität ausgegangen, die – je nach Bedarf – um weitere Differenzkategorien wie zum Beispiel Sexualität (sexuelle Orientierung), Alter, ability/disabiliy (Befähigung/Behinderung), Religion, Nation/Staatsbürgerschaft, Lokalität, etc. ergänzt wird. Diese differenten Achsen würden sich immer wieder kreuzen. Deshalb wird Intersektionalität mitunter als „Kreuzung“ bezeichnet, ein Bild, das aber – wie ich noch zeigen werde – auch kritisiert wird. Die Diskussion um den Begriff „Intersektionalität“ ist in den letzten Jahren in der deutschsprachigen Genderforschung tatsächlich auffallend virulent geblieben.

Diese am Köcheln gehaltene Diskussion motivierte offenbar die Europäischen Ethnologinnen Michaela Barth, Sabine Hess von der Münchner Universität und Nikola Langreiter, Elisabeth Timm von der Universität Wien eine Tagung zu konzipieren, die dem Wie von Intersektionalität auf theoretischer und vor allem auch empirischer Ebene interdisziplinär nachging. Theorie geleitet wurden Eingangs- und Ausgangsphase konzipiert, dazwischen war ausreichend Raum für eine Reihe an empirischen Forschungsarbeiten, die in den Schwerpunkten – methodische Herausforderungen, Biographisches und Migration – vorgestellt wurden. Die Referentinnen und Referenten kamen aus Sozial- wie Kulturwissenschaften, der Ethnologie und Europäische Ethnologie (früher Volkskunde), Soziologie, Geschichte, Philosophie und den Gender Studies.

BEATE BINDER, die Vorsitzende der Kommission für Frauen- und Geschlechterforschung der deutschen Gesellschaft für Volkskunde, sprach in ihrem Grußwort davon, dass die An-/Verwendung der „Kategorie Geschlecht“ im Fach Europäische Ethnologie ja geradezu „normal geworden“ sei, wenngleich vielfach noch verkürzt auf „männliche“ versus „weibliche“ Aktivitäten rekurriert werde. Die Anfänge der Intersektionalitätsdebatte datierte sie bereits in die 1970er-Jahre, als jenseits einer binären Logik Formen von Ungleichheit(en) und Macht mit einem avancierten Modell der Reflexivität verbunden worden war. Binder nannte des Weiteren die Infragestellung des „nationalstaatlichen Containermodells“ als wichtigen Schritt. Beim Anspruch der Intersektionalität irritiere sie die Diskussion der Frage nach der Anzahl der Kategorien, die es zu beachten gelte. Nachdem es noch viel zu wenige empirische Studien gäbe, die dem theoretischen Anspruch nachkämen, sei insbesondere danach zu fragen, wie Intersektionalität zu einem tatsächlich reflexiven Werkzeug der Analyse werden kann? Und: Wie lässt sich eine intersektionale Analyse mit transnationalen Fragen verbinden?

ENCARNACION GUTIERREZ RODRIGUEZ (Manchester) zeigte sich in ihrem Eröffnungsvortrag überaus reserviert und skeptisch gegenüber dem Begriff „Intersectionality“ wie auch gegenüber dem Anspruch einer intersektionalen Analyse, weil Begriff und Analysemodell die geopolitische Befindlichkeit der jeweils Sprechenden zu wenig adressiere. Sie machte darauf aufmerksam, dass – auch und gerade – die feministische deutschsprachige Wissensproduktion von einer lange unausgesprochenen Exklusion von Differenzen getragen gewesen sei. So sei in der deutschsprachigen feministischen Debatte erst 1988 Race/„Rasse“/Ethnizität als Merkmal(e) aufgetaucht. Erst unter dem Signum der Postcolonial Studies sei es in den 1990er-Jahren langsam zu einer Dekolonialisierung der Frauen- und Geschlechterforschung gekommen. Die intersektionale Analyse laufe, so Gutierrez Rodriguez, aber Gefahr zu einer rhetorischen Formel zu werden, wenn wirkende/wirksame Herrschaftsmittel nicht angesprochen würden. Die Rede von Intersektionalität suggeriere eine komplexe Machtanalyse, führe aber meist zu einer Relativierung der Rassismusanalyse. Die hegemonialen Kämpfe um Definitionsmacht im akademischen Feld etwa spiegelten allgemeine Machtkämpfe wider. Wissensprojekte befänden sich niemals jenseits von Macht(-verhältnissen), wie auch die Kategorie Geschlecht niemals fern einer geopolitischen Perspektive gedacht werden könne.

Als Keynote-Sprecherinnen fungierten die Autorinnen des vor kurzem erschienenen Bandes Intersektionalität2, NINA DEGELE (Freiburg) und GABRIELE WINKER (Hamburg). Sie referierten Vorschläge zu einer gesellschafts- und gendertheoretisch begründeten Methodologie. Diese konkrete Umsetzung des Anspruchs von Intersektionalität erzeugte eine spürbare An-/Erregung in einem für das große Interesse am Thema (fast) zu kleinen Vortragssaal des Instituts für Europäische Ethnologie – ein Tagungsort mit Blick auf das imperiale Wien. Im Saal brodelte es während und nach dieser Keynote heftigst. Die beiden Soziologinnen referierten ihren Ansatz einer Mehrebenenanalyse – das heißt innerhalb einer Forschungsarbeit mehreren Ebenen nachzugehen und zu versuchen, diese aufeinander zu beziehen. Theoretische Leitfigur war ihnen dabei Pierre Bourdieu, der Theorie ohne empirische Grundlage ablehnte. Sich auf einen solchen Anspruch beziehend, nennen Nina Degele und Gabriele Winker ihren Ansatz praxeologische Intersektionalität. Konkret zeigten sie am Beispiel der Analyse von Arbeitslosigkeit ihren Ansatz der Verschränkung von sozialer Struktur, Identitätskonstruktionen und symbolischer Repräsentation auf der Grundlage der Erfassung von vier Kategorien (Geschlecht, Klasse, Rasse, Körper) in einer Acht-Schritte-Analyse. Es war gerade die Konkretheit des Ansatzes, die irritierte. Kritisiert wurde, dass die hier verwendeten Kategorien viel zu sehr als in sich abgeschlossene gedacht würden. Adäquater sei es, so regte beispielsweise Isabell Lorey an, von Gender als einer interdependenten Kategorie auszugehen.3

STEFAN WELLGRAF (Berlin), erster Referent im Schwerpunkt „Methodische Fragestellungen“, präsentierte die intersektionale Analyse einer laufenden ethnographischen Feldstudie zu Hauptschulabgänger/innen unterschiedlichen Geschlechts und unterschiedlicher Herkunft in Berlin. Er konnte zeigen, dass beide – intersektionale Analyse und ethnographische Forschung – nur gewinnen können. Das Erkenntnispotential ethnographischer Methoden liege in einer kontextsensiblen Analyse der Wirkungsweise sozialer Ungleichheit.

Den zentralen Aspekt der Selbstreflexion thematisierten ULRIKE LAHN (Bremen) und SAKINE SUBASI-PILTZ (Frankfurt am Main) in einem gemeinsam angekündigten Vortrag, der aber leider in zwei unverbundenen und zu langen Beiträgen mündete. Subasi-Piltz reflektierte sich selbst als Forscherin mit Migrationshintergrund und kritisierte die Nicht-Wahrnehmung der Differenzkategorie Religion wie auch des islamischen Feminismus in der deutschsprachigen Genderdiskussion. Lahn stellte das in Bremen angesiedelte Projekt „Universität als interdependenter Raum“ vor, in dem es darum geht, die Institution Universität als sozialen Raum erfahrbar zu machen, der von Ungleicheit(en), von Ein- und Ausschlüssen geprägt ist.

Unter dem Titel „Biographisches“ stand der Nachmittag des ersten Tages. MEIKE WOLF (Frankfurt am Main) sprach vom Alter als einem Ordnungsmuster für Strukturzusammenhänge in der Konzeption medizinischer Risikozuschreibungen. In ihrer Untersuchung werde deutlich, dass es zu ungleicher Zuschreibung medizinischer Risiken käme, je nachdem ob es sich um einen weiblichen oder männlichen Körper handle.

TANJA RIETMANN (Bern) zeigte am Beispiel des Falles von Friedrich Kohler, der fünf Jahre wegen „Liederlichkeit“ und als „Arbeitsscheuer“ in Haft war, die Relevanz der intersektionalen Analyse für eine Erforschung der „administrativen Versorgung in der Schweiz 1940-1980“, was ihr mit einer kompakten historisch-politisch-sozialen Kontextualisierung des Falles auch gut gelang. Durch eine Fallstudie könne die Kategorie „soziale Schicht“ in sich weiter differenziert werden, wodurch die Strukturkategorie ihre Starre verliere und es möglich würde zu zeigen, dass sie jeweils unterschiedliche Ausformungen annehmen könne. Rietmann erläuterte das am Beispiel der in den Quellen benutzten Bezeichnung „Liederlichkeit“ für unterschiedliche Sachverhalte. Je nachdem ob es sich um einen Mann oder um eine Frau gehandelt hatte, wurden mit „Liederlichkeit“ unterschiedliche Verhaltensformen bezeichnet und im Namen des Staates geahndet: bei Männern nicht geleistete familiäre Unterhaltspflichten und Alkoholprobleme, bei Frauen ein (unkontrolliertes) Sexualverhalten. Die Dekonstruktion von Gesetzestexten in Verknüpfung mit einer Schicht- und Genderanalyse ermöglichte eine kulturelle Analyse von gegenderten Zusammenhängen und machte Ungleichbehandlung(en) besser erzähl- und nachvollziehbar.

Im Beitrag „Geschlecht als interdependenter Kategorisierungsprozess im Gespräch im Job Center im Bereich der Unter-25-Jährigen“ zeigte UTE KARL (Hildesheim), wie die tagtägliche Herstellung von Geschlecht über Gespräche im Job Center erfolgt und wie daran beide Akteurinnen – Jobsuchende und Jobvermittlerin – beteiligt sind.

Lateinamerika war die Weltregion, die neben Europa bei dieser Tagung am häufigsten in den Blick kam. ELISABETH TRUIDER (Münster) versuchte am Beispiel der Biographie einer mexikanischen Transgender-Person Intersektionalität und Biographieforschung aufeinander zu beziehen; SARAH SPECK (Berlin) sprach über „Mutterschaft interdependent? – Ressourcen und Selbstbilder von SOS-Kinderdorf-Müttern“ und zeigte, dass ein weltweit standardisiertes Konzept einer geschlechtlichen Identität – in diesem Fall „der SOS-Mutter“ – aufgrund sozialer und kultureller Differenzen zu unterschiedlichen Ausprägungen führt.

„Migration“ bildete, wie derzeit in vielen anderen kultur- und sozialwissenschaftlichen Zusammenhängen auch, einen dritten Schwerpunkt: STEFANIE KRON (Berlin) stellte ihre Analyse politischer Subjektivitäten in den Grenzräumen der Amerikas vor; PAUL SCHEIBELHOFER (Budapest) seine Arbeit über Männlichkeit und Migration am Beispiel Wiener Migranten, wobei die intersektionale Analyse deutlich machte, dass sich migrantische Männlichkeiten in einem komplexen sozialen Raum konstitutierten, in dem sich Machtverhältnisse der Mehrheitsgesellschaft und der Migrant/innen-Communities verschränkten. CHRISTIAN KOLLER (Bangor) unterzog den in der österreichischen Frauengeschichtsschreibung der 1980er-Jahre breit rezipierten Beginn der österreichischen sozialdemokratischen Frauenbewegung – den Wiener Textilarbeiterinnenstreik von 1893 – einer intersektionalen Analyse. Er hob hervor, dass viele Streikenden aus dem südböhmischen Raum stammten, was interessanterweise bislang kaum beachtet worden war. Hier habe wohl die Herkunft/Ethnizität, so lautete die These Kollers, dazu beitragen, dass es nur zu einer sehr unvollständigen Integration der streikenden Frauen in die (österreichische) Arbeiterbewegung gekommen sei.

Abschließend präsentierten JANET KEIM (Berlin) und ISABEL LOREY (Wien) Theorie geleitete Reflexionen über die intersektionale Herausforderung. „Warum brauchen wir Kategorien, um über Herrschaftsverhältnisse zu sprechen?“, fragte Janet Keim in ihrem Beitrag. Für sie sind Interdependenz und Intersektionalität keine Analysekategorien, sondern „eine bestimmte Art, Fragen zu stellen“. Dazu gehöre auch die immerwährende Frage nach dem, was von der laufenden Wissenschaftsproduktion ausgeschlossen werde, was nicht da ist/nicht da sein kann. Keim nannte es die „doppelte Suche nach den Spuren der Subalternen und nach anderen Wegen der Wissensproduktion“. Die Subalterne sei die kritische Figur der „Unterbrechung“, des Innehaltens bei der Rasterung und Theoriegebäudeerstellung, sie sei die kritische Figur, die daran erinnere, dass niemals alles aufgehen könne, mit keiner Kategorienanzahl – und sei sie noch so hoch – ließe sich eine angemessene Beschreibungsebene für Prozesse erreichen. Als grundlegende theoretische Referenz nannte Keim Gayatri Chakravorty Spivak. Die Europäische Ethnologin plädierte für den Blick auf die Fußnoten und dafür, sich zu fragen, welches Wissen an diesen Ort verbannt wird und wie sich der Text, der Haupt-Körper der Denkbewegung ändern würde, wenn dieses Wissen nicht in die Fußnote verbannt worden wäre. Sie sprach sich schließlich für eine interdependente Haltung statt einer interdependenten Analyse aus, für eine Etcetera-Philosophie, für Marginalisierung und Subalternisierung als Methode.

Unter das Motto „Verweigerung der kategorialen Anrufung“ stellte Isabel Lorey ihre Ausführungen, denn Kategorisierung sei eine „potentielle Naturalisierung“. Es ginge um ein Entgehen, um neu ordnende Intervention; auch Intersektionalität sei eine Herrschaftsgeste. Der Anspruch einer Gesellschaftskritik sei dem Konzept zwar inhärent, werde aber zu wenig expliziert, Kreuzungspunkte seien zu wenig: „Vor und hinter der Kreuzung haben sie [die Kategorien Klasse, Rasse, Geschlecht] nicht mehr viel miteinander zu tun.“ Lorey plädierte dafür, eine Kategorie als immer schon verbunden mit anderen Kategorien zu denken und bezog sich dabei auf Überlegungen des Berliner Wissenschafterinnen-Kollektivs Walgenbach/Dietze/Hornscheidt und Palm zu Gender als interdependenter Kategorie und dezidiert nicht auf das, „Werkzeug intersektionale Analyse“, wie es von Degele/Winker vorgestellt wurde. Gender, forderte Loley, sei immer schon als rassifizierter wie auch als klassenunterlegter etc. Begriff wahrzunehmen; Kategorien müssten als Prozesse verstanden werden. Sie verwies auf die komplexe Bedingtheit von Intersektionalität, Forschung sollte auf dieser Basis nicht abbilden, sondern produzieren. Etwa neue Bezeichnungspraxen verwenden, wie dies Antje Hornscheidt4 vorgeschlagen hat, üblicherweise Nichtbenanntes bezeichnen (etwa sagen, dass Pierre Bourdieu ein weißer, westeuropäischer Soziologie ist) und das stets Bezeichnete (zum Beispiel „der schwarze US-amerikanische Schwimmstar“) _un_bezeichnet lassen. Dies könne zu paradoxen Interventionen führen – im Sinne Michel Foucaults, für den Kritik eine Praxis, kein Urteil gewesen sei.

Auch in der Auswahl der Schlusskommentatorinnen – die Soziologin Gudrun-Axeli Knapp und die Europäische Ethnologin Michi Knecht (Berlin) – spiegelte sich die Interdisziplinarität dieser anspruchsvoll designten Tagung wider. Knapp setzte Intersektionalität in ihrem Kommentar in den Kontext feministischer Gesellschaftsanalyse, sprach von Intersektionalität als „Denken in Bewegung bringen“ und von „mit Begriffen gegen Begriffe arbeiten“ (Adorno). Sie meinte, dass gerade die Offenheit des Konzepts eine enorme Produktivität ermöglicht habe und wandte sich entschieden gegen eine Kanonisierung einer „richtigen“ Verwendung der intersektionalen Analyse. Knecht wies darauf hin, dass es gerade dem forschungsmäßig mikrowissenschaftlich ausgewiesenen Wiener Institut für Europäischen Ethnologie mit dieser interdisziplinäre Tagung gelungen sei, Makro-, Meso- und Mikroebene zu verbinden, in dem es die scientific communities polarisierende Frage nach dem Entweder-Oder zurückwies und beides – Kritik wie Kategorie – in der Tagung präsent sein ließ.

Und es werden gleichwohl einige Teilnehmer/innen – so wie ich – die jeweils dem eigenen Forschungsansatz am nächsten stehenden (empirischen) Vorträge als adäquateste Umsetzungsformen von Intersektionalität empfunden haben. Die theoretisch kritische Ein- und Ausleitung der Tagung erwies sich in all ihrer Vieldeutigkeit als sehr hilfreich in einem immer neu Hervorholen von Begrenzungen, die sich allgemein bei einem Arbeiten mit Kategorien ergeben, die zudem meistens einerseits ein sozialwissenschaftliches Konkretionsbedürfnis, andererseits eine kulturwissenschaftlich-/philosophische Kritik an diesem Kategorien-Findungs-Spiel widerspiegelt. Offensichtlich wurde, dass solch kategoriale Bemühung/en Geschlechterstudien/Gender Studies weiterschreiben und eine interdisziplinäre Auseinandersetzung forcieren.

Konferenzübersicht:

Öffentlicher Abendvortrag

Encarnacion Gutiérrez Rodríguez, Manchester
Intersektionalität oder wie nicht über Rassismus sprechen – Von Rhetorik zu Kritik

Grußwort

Beate Binder, Berlin
Moderation: Sabine Hess

Keynote

Gabriele Winker, Hamburg; Nina Degele, Freiburg im Breisgau
Doing Intersectionality – intersektional analysieren. Vorschläge zu einer gesellschafts- und gendertheoretisch begründeten Methodologie

Schwerpunkt: methodische Herausforderungen
Moderation: Manuela Barth

Stefan Wellgraf, Berlin
Intersectionality als Herausforderung für die Ethnologie. Methodische Überlegungen am Beispiel einer Feldstudie zu Hauptschulabgängern in Berlin

Elisabeth Tuider, Münster
Intersektionalität und Biographieforschung. „Sitting at a crossroad“ methodisch einholen

Ulrike Lahn, Berlin / Sakine Subaşı-Piltz, Frankfurt am Main
Selbstreflexion als methodologischer und methodischer Zugang zu intersektionellen Perspektiven in Forschung und Lehre

Schwerpunkt: Biographisches
Moderation: Nikola Langreiter

Meike Wolf, Mainz
Auch Alter ist ein Ordnungsmuster – Strukturzusammenhänge in der Konzeption medizinischer Risikozuschreibungen

Ute Karl, Hildesheim
„Nicht umsonst dauert die normale Erziehungszeit drei Jahre – nur in ganz begründeten Einzelfällen kann man mal davon Abstand nehmen ...“. Geschlecht als interdependente Kategorie in Gesprächen im Job Center im Bereich der Unter-25-Jährigen

Tanja Rietmann, Bern
Fallstudien zu sozialer Devianz aus intersektioneller Perspektive

Sarah Speck, Berlin
Mutterschaft interdependent? – Ressourcen und Selbstbilder von SOS-Kinderdorfmüttern

Schwerpunkt Migration
Moderation: Sabine Hess

Stefanie Kron, Berlin
Intersektionalität oder borderland als Methode? Zur Analyse politischer Subjektivitäten in den Granzräumen der Amerikas

Paul Scheibelhofer, Budapest
Intersektionalität, Männlichkeit und Migration. Wege zur Analyse eines komplizierten Verhältnisses

Christian Koller, Bangor
Weiblich, proletarisch, tschechisch: Der Wiener Textilarbeiterinnenstreik von 1893 revisited

Schwerpunkt: Theorie und Politik
Moderation: Elisabeth Timm

Janet Keim, Berlin
Zur Produktivität des Etceteras. Eine Typologisierung intersektionaler/ interdependenter Ansätze anhand von Spivaks Konzept der Subalternität

Isabell Lorey, Wien
Kritik und Kategorie

Schlusskommentare
von Gudrun-Axeli Knapp, Hannover und
Michi Knecht, Berlin

Anmerkungen:
1 Gudrun-Axeli Knapp, Intersectionality – ein neues Paradigma feministischer Theorie? Zur transatlantischen Reise von „Race, Class, Gender“, in: Feministische Studien 23,1, S. 68-81.
2 Nina Degele / Gabriele Winker, Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleicheiten, Bielefeld 2009.
3 Vgl. Katharina Walgenbach / Gabriele Dietze / Antje Hornscheidt / Kerstin Palm, Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Opladen 2007.
4 Antje Hornscheid, Sprachliche Kategorisierung als Grundlage und Problem des Redens über Interdependenzen. Aspekte sprachlicher Normalisierung und Priveligierung, in: ebd., S. 65-105.