Historische Wasserbauten im Kontext der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie

Historische Wasserbauten im Kontext der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie

Organisatoren
Mühlenverband Rhein-Erft-Rur e.V.; Rheinisches Mühlen-Dokumentationszentrum
Ort
Pulheim
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.05.2009 -
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Von
Paul Demel, Minden / Westf.

Über unseren historischen Wasserbauten schwebt das Damoklesschwert in Form der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Sie fordert die Herstellung der linearen Durchgängigkeit in allen Fließgewässern, damit die Fische und die Kleinstlebewesen, wie zum Beispiel Makrozoobenthos ungehindert von der Flussmündung bis zur Quelle oder bis zum Quelltopf gelangen können. Die maßgeblichen Verfechter dieser im Jahr 2000 in Brüssel verabschiedeten Richtlinie – welche die qualitative Verbesserung sowie einen guten ökologischen Zustand aller Gewässer bis 2015 zum Ziele hat – sehen die optimale und kostengünstigste Umsetzung der Richtlinie leider in der Beseitigung der Querbauwerke. Die historischen Querbauwerke sind aber integrale Bestandteile unseres kulturellen Erbes.

Damit die Wassermühlenbesitzer und alle an der Umsetzung der WRRL beteiligten Bürger und auch die bediensteten Mitarbeiter der Wasserbehörden und derjenigen des Denkmalschutzes für dieses heikle Thema sensibilisiert werden, wurde vom Mühlenverband Rhein-Erft-Rur e.V. mit dem Rheinischen Mühlen-Dokumentationszentrum das vierte Mühlensymposium geplant und in der Abtei Brauweiler in Pulheim bei Köln veranstaltet. Mitveranstalter waren die Frontinus-Gesellschaft e.V. und der Landschaftsverband Rheinland, sowie der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V..

Dieses Symposium, das unter der Schirmherrschaft von Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, stattfand, diente aber auch der in der Wasserrahmenrichtlinie zwingend vorgeschriebenen Einbindung der Öffentlichkeit. Es wurden Experten aus verschiedenen Fachgebieten eingeladen, die ihre Standpunkte darlegten, sowie den in den Umsetzungsprozess der WRRL involvierten öffentlichen Einrichtungen ihre Forderungen und Anregungen präsentieren und eventuelle Alternativen, wie zum Beispiel die Gewinnung von regenerativer Energie durch Wassermühlen erläutern konnten.

Die Grußworte teilten sich Werner Stump (Landrat des Rhein-Erft-Kreises), Udo Mainzer (LVR – Amt für Denkmalpflege im Rheinland), Klaus Grewe (Frontinus-Gesellschaft) und Norbert Heinen (Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz). Landrat Stump wies auf 60 Jahre Grundgesetz hin, und auch auf die verschiedenen Aktivitäten im Rheinland und das kulturelle „REGIONALE 2010“ – Projekt: „Mühlen links und rechts des Rheins“. Mainzer machte auf das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalpflege aufmerksam und erwähnte auch den berühmten Architekten und Bauingenieur des 19. Jahrhunderts Karl Friedrich Schinkel. Grewe spannte den Bogen zum römischen Staatsmann und Feldherrn Sextus Julius Frontinus, der um 100 nach Christus Wasserwerksdirektor in Rom und schließlich auch Stadthalter von Köln war. Einen wichtigen Hinweis, dass Mühlen wichtige Zeugnisse der Technikgeschichte sind, gab Heinen. Mit diesen Grußworten war auf den zu lösenden Zielkonflikt hingewiesen: Auf der einen Seite die intensive technische Nutzung der Fließgewässer/Wasserkörper durch den Menschen und die daraus resultierenden Folgen für die Umwelt; auf der anderen Seite die Forderung, die Relikte einer tausendjährigen Mühlengeschichte als Bestandteil des nationalen Kulturerbes zu bewahren.

Die Moderation der insgesamt 9 Fachreferate oblag JÜRGEN JENSEN (Forschungsinstitut Wasser und Umwelt an der Universitär Siegen). Die Inhalte der Referate waren zum Teil sehr gegensätzlich, aber auch sehr aufschlussreich. Geht es nach Vorgaben der Politik bzw. der Verwaltung, so müssten alle Querbauwerke zurückgebaut oder sogar beseitigt werden. Nach Ansicht vieler Umweltschützer führen die Querbauwerke zu ökologischen Defiziten. Die Umgestaltung historischer Querbauwerke gehöre zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Nur so könne das Ziel der WRRL erreicht werden. Es zeigte sich aber auch, dass der Denkmalschutz zu spät mit in das Boot der WRRL geholt wurde. Die Erkenntnis zum Erhalt der historischen Wasserbauten konnte schließlich sehr gut herausgearbeitet werden, auch unter dem Aspekt der „Weimarer Erklärung“ von 2001. Bemerkenswert war die Aussage von REINER PRIGGEN (MdL NRW), dass die CO2-Emission in NRW 16,1 Tonnen/Jahr je Einwohner betrüge, es in Deutschland dagegen im Mittel nur 10,3 Tonnen und in den USA immerhin 19,7 Tonnen seien. Priggen vertritt sogar die Meinung, dass eine Beseitigung oder ein Rückbau der Wasserbauten/Querbauwerke in der von der WRRL vorgegebenen Zeit nicht möglich sei. Auch der Klimawandel und das Abschmelzen des arktischen Eises wurden angesprochen. Unter diesem Aspekt sei die Nutzung der Wasserkraft nicht außer Acht zu lassen. Heute werden mit Wasser 20,7 TeraWh erzeugt, das sind 6,8 Prozent der Gesamterzeugung von 278 TeraWh/Jahr. Bis 2020 soll sich der Anteil auf 14,4 Prozent erhöhen, das sind 31,9 TeraWh. Bei dieser Betrachtung wären die in NRW vorhandenen 13.000 Querbauwerke überflüssig. So jedenfalls die Aussage vom BUND Deutschland.

Als eine besondere Maßnahme wurde durch ULRICH KERN (Erftverband) das Renaturierungs-Programm der Unteren Erft als Folge des Braunkohletagebaus dargestellt. Die Grundzüge hierfür wurden in dem Perspektivkonzept 2045 festgeschrieben. Hier zeigt sich aber, dass die von der WRRL vorgegebene Frist 2027 weit überschritten wird. Es scheint symptomatisch, dass schon alleine aus Kostengründen weit mehr Zeit notwendig sein wird, den erwünschten Gewässerzustand zu erreichen, wie er vor Hunderten von Jahren bestanden hat. Die beiden letzten Beiträge waren auch sehr aufschlussreich. Zeigte ein Praktiker die Thematik aus dem Tagesablauf in seinem Anlagenpark, so konnte ein Referent aus den Niederlanden den Teilnehmern auch einen Einblick in die Situation in belgisch und niederländisch Limburg geben.

In diesem Symposium zeigte sich erwartungsgemäß die ganze Komplexität dieses Thema. Die Ergebnisse sollten aber zugleich auch als Stellungnahme zur Umsetzung der EG-WRRL angesehen werden.

Annähernd 100 Personen aus Verwaltung, Denkmalschutz, Wasserwirtschaft und Politik haben an diesem Symposium teilgenommen. Aus dem Denkmalschutzbereich war zu vernehmen, dass ein beträchtliches Interesse an derartigen Veranstaltungen besteht.

Erstmals ist das Rheinische Mühlendokumentationszentrum des Mühlenverbandes Rhein-Erft-Rur e.V. als Veranstalter der Mühlen-Symposien aufgetreten und hat Referenten, die sich beruflich oder privat mit den Auswirkungen der WRRL befassen, unter „einen Hut“ bekommen.

Es zeigte sich, dass die teilweise sehr unterschiedlichen Interessenlagen der Referenten und somit die Aussagen ihrer Beiträge auch einen Blick auf den „Anderen“ ermöglichten und sich durch dieses „Kennenlernen“ Synergien ergeben, die bei der Umsetzung der WRRL in den nächsten Jahren hilfreich sein werden.

Unterstützung haben die Organisatoren dieses Symposium dankeswerter Weise vom Landschaftsverband Rheinland, hier vor allem von der Denkmalpflege, von der Frontinus-Gesellschaft in Bonn, und von der Stiftung Umwelt und Entwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen bekommen.

Konferenzübersicht:

Schirmherr Jürgen Rüttgers (Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen)
Moderator Jürgen Jensen (Forschungsinstitut Wasser und Umwelt, Universität Siegen)
Begrüßung und Grußworte
Werner Stump, Landrat Rhein-Erft-Kreis (Vorsitzender MVRER)
Udo Mainzer (LVR – Amt für Denkmalpflege im Rheinland)
Klaus Grewe (Frontinus-Gesellschaft e. V.)
Norbert Heinen (Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V.)

Vorträge und Diskussion

Thomas Otten: Das wasserbauliche Denkmal in der Umsetzung der WRRL. Denkmalschutz und WRRL-Kompatibilität.

Reiner Priggen: Politische Genese und Umsetzung der WRRL: Eine 1:1-Umsetzung?

Ulrike Frotscher-Hoof: Das Programm lebendige Gewässer – Baustein zur Umsetzung der EG-WRRL in NRW.

Peter Staatz: Die an den Gewässern beiderseits des Rheins erhalten gebliebenen Mühlen zwischen Bergischem Land und Erftniederung. Ergebnisse einer Studie.

Christoph Aschemeier: WRRL-konforme Gewässerumgestaltung und die Folgen für historische Querbauwerke.

Ulrich Kern: Umgestaltung der Erft in der Kulturlandschaft – quo vadis?

Klaus Brunsmeier: Umsetzung der WRRL und Durchgängigkeit = Sterben der Mühlenwehre?

Bernd Wolters: Praktische Beispiele der Reaktivierung von Kleinwasserkraftstandorten als Beispiel für Klima- und Denkmalschutz (NRW)

Hans de Mars: Zur aktuellen Situation der Kleinwasserkraftnutzung und historischen Wassermühlen in Belgien/Niederlanden

Abschlussworte
Jürgen Jensen
Paul Demel, Deutsche Gesellschaft für Mühlenerhaltung und Mühlenkunde e. V.


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