Völkerrecht und Weltwirtschaft im 19. Jahrhundert. Die Internationalisierung der Ökonomie aus völkerrechts- und wirtschafts(theorie-)geschichtlicher Perspektive

Völkerrecht und Weltwirtschaft im 19. Jahrhundert. Die Internationalisierung der Ökonomie aus völkerrechts- und wirtschafts(theorie-)geschichtlicher Perspektive

Organisatoren
Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“; in Kooperation mit der Goethe Universität Frankfurt am Main; dem Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.09.2009 - 04.09.2009
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Von
Manuel Wörsdörfer, Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Der Workshop “Völkerrecht und Weltwirtschaft im 19. Jahrhundert. Die Internationalisierung der Ökonomie aus völkerrechts- und wirtschafts(theorie-)geschichtlicher Perspektive”, der vom 3. bis 4. September 2009 in Frankfurt am Main stattfand, thematisierte die Interdependenzen von Völkerrecht und internationalen Wirtschaftsbeziehungen in Bezug auf die Herausbildung normativer Ordnungen im 19. Jahrhundert. Die Organisatoren dieses interdisziplinären Workshops waren der Ökonom Rainer Klump und der Jurist Miloš Vec. Veranstaltungsort war das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte.

Das erste Panel „Die Ordnung der Weltwirtschaft im 19. Jahrhundert – zwischenstaatliche Handelsregulierungen“ wurde eröffnet von BERTRAM SCHEFOLD (Frankfurt am Main). Sein Vortrag „Die Bedeutung des Freihandels in wirtschaftstheoretischen Debatten in Deutschland während des 19. Jahrhunderts“ nahm die Zuhörer mit auf eine Zeitreise durch die wirtschaftstheoretische Dogmengeschichte – beginnend in der Antike über den Kameralismus, die deutsche Physiokratie, den deutschen Smithianismus, die deutsche Freihandelsschule um John Prince Smith und die Historische Schule um Schmoller. Ein besonderes Augenmerk wurde auf die sich im Zeitverlauf wandelnde Argumentation pro Freihandel (also Adam Smiths Effizienz-Argument der Arbeitsteilung, der Marktausdehnung und der Unsichtbaren Hand, Ricardos und Storchs Argument der komparativen Kostenvorteile) und contra Freihandel (Serras in der merkantilistischen Tradition stehende Argumentation und Lists Entwicklungszollargument) gelegt. Diese wurde dann wiederum mit den in der Gegenwart vorgebrachten Argumenten (ordnungs- versus prozessorientierte Marktregulierung) kontrastiert.

In einem zweiten, gleichfalls wissenschaftsgeschichtlichen Vortrag referierte LAURI MÄLKSOO (Tartu) über die „Ökonomie bei russischen Völkerrechtslehrern“. Laut Mälksoo spielte die Ökonomie im Rahmen des (russischen) Völkerrechts zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur eine marginale Rolle. Zunehmende Bedeutung erlangten allerdings Handelsverträge. Dennoch verneinte Mälksoo die Frage, ob überhaupt eine spezifisch russische Völkerrechtswissenschaft in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts existiert habe – und dies trotz der Zunahme diplomatischer Schriften. Im weiteren Verlauf seiner Präsentation befasste sich Mälksoo intensiv mit dem Völkerrechtler Friedrich von Martens, der bestrebt war, den Dualismus von Positivismus und Naturrecht zu überwinden und eine Synthese beider Stränge zu verwirklichen. Bemerkenswert an Martens sei darüber hinaus die Thematisierung der Ambivalenz und Interdependenz von Macht, Politik und (Völker-)Recht sowie die Rezeption Adam Smiths und der Freihandelstheorie. Allerdings sollte hinzugefügt werden, so Mälksoo, dass Russland – neben den USA – eines der protektionistischsten Staatengebilde im 19. Jahrhundert war. So findet sich denn auch in Martens’ Völkerrechtslehre („Das Völkerrecht der zivilisierten Nationen“, auf Deutsch 1883/1886 erschienen) die Legitimation von Schutzzöllen sowie eine Verteidigung des ordnungs- und machtpolitischen Status quo. In der hieran anschließenden Diskussion verwies Michael Stolleis auf die sukzessive Verwissenschaftlichung der Jurisprudenz durch eine zunehmende Autonomie von bzw. Exklusion politik- und wirtschaftswissenschaftlicher Aspekte. Vec wiederum fragte nach einem semantischen Wandel des Begriffs Freihandel im 19. (und 20.) Jahrhundert: Gab es Bewegungen weg von einer negativen Definition (als Abwesenheit von Zwängen und Restriktionen) hin zu einer positiven Begriffsbestimmung (als Stabilisierung von internationalen Handelsmärkten via Rechtsstrukturen)?

OLIVIER ACCOMINOTTIs (Paris/Berkeley) Vortrag über „Bilateral Treaties and the Most-Favoured Nation Clause. The Myth of Trade Liberalization in the Nineteenth Century” komplettierte schließlich den ersten Konferenztag. Im Zentrum seines Vortrags stand die Frage, ob der Cobden-Chevalier-Handelsvertrag von 1860 und die hierin enthaltene Meistbegünstigungsklausel initialisierenden Einfluss auf die Herausbildung einer Ära der Handelsliberalisierung hatten. Die empirische Studie von Olivier Accominotti und Marc Flandreau1 steht dabei konträr zur herkömmlichen Sichtweise, dass es in den beiden Folgejahrzehnten des Vertrages zwischen Frankreich und Großbritannien zu einer ökonomisch blühenden weltweiten Freihandelsepoche gekommen sei, die schließlich in die erste Globalisierungsphase mündete. Folgt man Accominotti/Flandreau, so sanken vielmehr die Wachstumsraten in den USA, in Großbritannien und in Kontinentaleuropa, während das Protektionsniveau im gleichen Zeitraum insbesondere in den USA und Russland erheblich zunahm. Bilateralismus und Meistbegünstigungsklauseln hätten also demnach keinen signifikanten Einfluss auf die Beförderung des Welthandels in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehabt. In der nachfolgenden Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass Freihandelsverträge häufig in Zeiten einer ohnehin stattfindenden Liberalisierung und zum Schutz des liberalen Status quo abgeschlossen werden. In den Jahren nach 1860 gab es eine Reihe von militärischen Auseinandersetzungen und Konflikten, die wiederum negative Auswirkungen auf den ökonomischen Wachstumspfad der beteiligten Volkswirtschaften hatten und als eine Teilerklärung niedriger Wachstumsraten dienen können. Darüber hinaus verdeutlichte die Diskussion die unterschiedliche Methodik der beteiligten Disziplinen Jurisprudenz/Rechtsgeschichte und Volkswirtschaftslehre – dieser im Kleinen geführte ‚Methodenstreit’ erinnerte an die zuletzt in der Volkswirtschaftslehre öffentlich geführte Diskussion zwischen Modelltheoretikern, Ökonometrikern und Wirtschaftspolitikern.

Das zweite Panel mit dem Titel „Handelsverträge und ihre Wirkungen in außereuropäischen Regionen“ stand ganz im Zeichen der Internationalisierung des Völkerrechts und der Wirtschaftsbeziehungen sowie der Ökonomisierung der Weltordnung. DANIEL BERNHOFEN (Nottingham) sprach zunächst über den „Japanischen Außenhandel im 19. Jahrhundert“, genauer: über den japanischen Transformationsprozess und die allmähliche Integration Japans in die Weltwirtschaft – beginnend mit den ungleichen ‚Friedens-, Freundschafts- und Handelsverträgen‘, die Japan gezwungenermaßen mit den USA 1854 abschließen musste. Spätestens seit der Meiji-Periode adaptierte die marktbasierte, jedoch technologisch rückständige, weil autarke und isolationistische Wirtschaftsordnung Japans westliche Technologiestandards. Ein bis dato ungeahnter sozioökonomischer Aufholungsprozess setzte ein, der Japan innerhalb kürzester Zeit in die Weltwirtschaft integrierte. Bernhofen wies jedoch auch auf die mit einem derartigen industriell-revolutionären Wandel normativer Ordnungen einhergehenden soziopolitischen Spannungen hin, die sich mit den idealtypischen Begriffen Kaikoku und Sakoku umschreiben lassen. Während Sakoku für eine protektionistische und eher abschottende Außen- und Wirtschaftspolitik steht, beschreibt Kaikoku eine offene, internationale und lernwillige Haltung der Gesellschaft insgesamt. In der Diskussion kritisierte Kenichi Moriya (Osaka) diese Gegenüberstellung, die einen innenpolitischen Antagonismus suggeriere, der nicht in dieser Schärfe bestanden habe. Zudem sei der technische Transformationsprozess weniger reibungslos verlaufen.

STEFAN KROLL (Frankfurt am Main), der zweite Referent des Panels, referierte über „Chinas internationale Schulden und das Völkerrecht“. Der Anfang von Chinas ‚Schuldenpolitik’ datiert auf das Jahr 1861 – resultierend aus dem Taiping-Aufstand (1850-1864). Aufgrund fehlender nationaler Finanzinstitutionen sahen sich die lokalen Gouverneure gezwungen, bei ausländischen Handelsvertretern kleinere Kreditsummen zur Kriegsfinanzierung aufzunehmen. Eine Explosion der Schuldensumme schließlich erfolgte erst 1894/5 nach der Niederlage Chinas im Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg und den hiermit verbundenen Entschädigungszahlungen. China war jedoch stets in der Lage, seinen Zins- und Tilgungsverpflichtungen nachzukommen. Dies änderte sich erst 1911, dem Jahr der Chinesischen Revolution, die in eine (internationale) Schuldenkrise mündete. Im zweiten Teil seines Referats thematisierte Kroll die völkerrechtlichen Regulierungsinstrumente und die Entstehung des internationalen Finanzrechts. Im Anschluss an die zeitgenössische Debatte zwischen Karl Neumeyer auf der einen und Gustav Lippert bzw. Hugo Preuss auf der anderen Seite diskutierte Kroll, inwiefern das internationale Finanzrecht in Analogie zum Internationalen Privatrecht als Kollisionsrechtsordnung nationaler Normen verstanden wurde (Neumeyer), oder aber als internationale Ordnung interpretiert werden sollte, die durch ein Nebeneinanderwirken nationaler und internationaler Gesetze gekennzeichnet sei. Kroll knüpfte seine Ausführungen an ein Bonmot Gustav Lipperts, der in Bezug auf seinen Kollegen Karl Neumeyer schrieb: „Neumeyer sucht das Internationale im Finanzrecht, im Gegensatz zu mir, der ich das Finanzrecht im Internationalen behandle.“ Im Anschluss daran verglich Kroll den chinesischen Customs-Service mit anderen zeitgenössischen Schuldenverwaltungen. Im dritten Teil des Referats erörterte Kroll die Frage, inwieweit der internationale Schuldendienst Chinas als Finanzimperialismus zu interpretieren sei, der sich in der Folge ungleicher Verträge und der (systematischen) Diskriminierung Chinas im Völkerrecht des 19. Jahrhunderts entfaltet habe. Kroll betonte hier vor allem die Funktion des „christlich-zivilisierten“ Völkerrechts als Rechtfertigungsnarrativ für die Verletzung chinesischer Souveränitätsrechte. Die anschließende Debatte kreiste um die Wechselwirkung von Märkten, Macht, Imperialismus und völkerrechtlich verankerter Vorurteile. Auch wurde der Begriff ‚ungleiche Verträge’ expliziert: demnach sind sowohl die Umstände des Vertragsabschlusses (das ist Machtungleichgewichte) als auch die Vertragsinhalte (das ist fehlende Reziprozität) für die Charakterisierung maßgeblich.

THOMAS DUVE, Direktor des Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte (Frankfurt am Main), referierte als Abschlussredner des zweiten Panels über den Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen Preußen, den Zollvereinstaaten und der argentinischen Konföderation von 1857. Bemerkenswert ist die Komplexität der Interessen und Motive, die zu diesem Vertragsabschluss führte. Neben der Sicherung von Absatzmärkten und Rohstoffvorkommen, also geopolitischen und strategischen Gründen sind hier ebenfalls migrations-, bildungs- und kulturpolitische Motive anzuführen. So ging es den deutschen Vertragspartnern auch um den Schutz der Auswanderer und ihrer Identität und um einen weit reichenden Wissenschafts- und Kulturtransfer. Erwähnenswert sind weiterhin das hiermit eng verbundene freiheitsschaffende und -sichernde Potenzial (völkerrechtlicher) Verträge sowie die Tatsache, dass der oben genannte transatlantische (Handels-)Vertrag nicht unter die zuvor bereits eingehend thematisierte Kategorie der ungleichen Verträge fiel: Das so genannte soft law, die Schaffung von Anreizstrukturen und die Reziprozität der Interessenbefriedigung standen im Mittelpunkt dieses Vertrages, nicht aber Sanktionen und Zwang.

Mit einem Vortrag von ANDREAS FAHRMEIR (Frankfurt am Main) begann das dritte und abschließende Panel des Workshops „Wirtschaftsbeziehungen und internationale Konflikte“. Fahrmeirs Vortrag „Und was passiert im Ausnahmezustand? Krieg und der Status ausländischen Eigentums im 19. Jahrhundert“ setzte sich mit der Frage der Eigentumssicherung in Kriegs- und Krisenzeiten auseinander. Zum Common Sense des ‚langen 19. Jahrhunderts‘ (1789-1914) gehörte, laut Fahrmeir, die ungeschriebene Norm der Nicht-Intervention in private Eigentumsrechte. Insbesondere ausländisches Vermögen und Privatbesitz unterlagen einem weit reichenden Rechtsschutz. Fahrmeir sprach in diesem Zusammenhang von der „Krisenresistenz des Eigentums“. Er wies jedoch auch auf die Probleme der faktischen Durchsetzbarkeit informeller Normen hin (und berührte damit, so Klump, einen zentralen Aspekt der Forschungstätigkeit des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“): zu nennen sind an dieser Stelle die Unsicherheit informeller Regeln, die Schwierigkeit der Implementierbarkeit aufgrund fehlender formaler Institutionen sowie die staatliche Willkür.

OLIVER EBERL (Darmstadt) thematisierte „Die ökonomischen Motive bei der völkerrechtlichen Ächtung des Sklavenhandels im 19. Jahrhundert“ Auch hier zeigte sich wiederum die Komplexität des moralischen und außermoralischen (also ökonomischen) Motiv- und Interessenbündels. Ausgangspunkt der Überlegungen war erneut Adam Smith, der, gemäß Eberl, keine menschenrechtliche Argumentation für die Abschaffung der Sklaverei offerierte, sondern eine ausschließlich nationalökonomische: demnach sei Sklaverei – im Gegensatz zur freien Lohnarbeit, von deren Überlegenheit Smith überzeugt war – aufgrund ihrer Unrentabilität und Monopolisierung des Arbeitsmarktes zu beseitigen. Dabei müsse jedoch auf eine kostenneutrale Abschaffung der Sklaverei geachtet werden. Bei Voltaire und den Enzyklopädisten finden sich erste Anzeichen für eine moralisch-humanitäre Verurteilung bzw. Anklage der Sklaverei. Die Abolitionismus-Bewegung des 19. Jahrhunderts, „eine der ersten Nichtregierungsorganisationen der Welt“ (Eberl), wiederum griff die ethischen und nicht-ethischen Argumentationen der genannten Autoren auf, vereinte und integrierte sie schließlich in ihre politischen Agitationen und in ihre Lobbyarbeit: nur bei einer weit reichenden Kompatibilität von humanitären, nationalen und ökonomischen Interessen, so die Abolitionisten, sei die Abschaffung des Sklavenhandels bzw. der Sklavenarbeit gerade vor dem Hintergrund des Kolonialismus erfolgsversprechend (Eberl sprach in diesem Zusammenhang von der „Instrumentalisierung des Völkerrechts“). Ein alleiniger Appell an die Empathiefähigkeit, die Mitmenschlichkeit oder andere hehre, ethische Ideale sei hingegen nicht ausreichend. Der Sieg der Moralität im Völkerrecht, so Eberl, sei nicht alleine mit Moral erklärbar.

Der Schlussredner der Konferenz NIELS P. PETERSSON (Sheffield) schließlich fragte nach den „Normativen Grundlagen überstaatlicher Handelsintegration um 1900“. Im Mittelpunkt des komplexen Vortrags von Petersson stand die Interdependenz von privater Autonomie, selbst geschaffenem und autonomem Recht der Wirtschaft, nationalstaatlicher Souveränität und Völkerrecht. Gerade in einem Zeitalter der beginnenden ökonomischen Internationalisierung und Institutionalisierung sei es die Aufgabe des Rechts gewesen, internationale Wirtschaftsbeziehungen zu normieren und ein Weltverkehrsrecht in Analogie zur Weltwirtschaftslehre zu etablieren. Dazu führte er unter anderem die Pläne für ein Weltwechselrecht vor 1914 an, das ein „ideologisches Pilotprojekt“ gewesen sei. Der Traum eines „merkantilen Internationalismus“ sei demnach teilweise juristisch umgesetzt worden, aber nicht immer von praktischem Erfolg gekrönt gewesen. Neue Normen hätten auch Regelungskonflikte und Rechtsunsicherheiten erzeugt. Immerhin könne man aus heutiger Sicht an den Normsetzungen in den verschiedenen Sphären den „Barometerstand der internationalen Beziehungen“ ablesen. Im Rahmen der Abschlussdiskussion verwies Michael Stolleis auf die Parallelität und den Synchronismus der Gründung der Institute für Völkerrecht (durch Theodor Niemeyer) und des Instituts für Weltwirtschaft (durch Bernhard Harms): beide Institute wurden beinahe zeitgleich in Kiel 1912 bzw. 1912-1917 gegründet. Neben der erneut zur Sprache gebrachten Komplexität der Motive und Interessen wurde lebhaft über das Verhältnis von Ethik, Jurisprudenz und Ökonomie diskutiert. In seinem Schlusswort betonte Vec die Komplexität der regional, kontextual und geografisch zum Teil stark abweichenden juristischen Regelungsmodelle und er unterstrich nochmals die Notwendigkeit, Völkerrecht immer im Zusammenklang mit anderen normativen Ordnungen wie beispielsweise der Moralität und der Ökonomie zu betrachten. Rainer Klump bezog sich in seinen Schlussbemerkungen auf den Titel des aktuellen Buchs von Jürgen Osterhammel „Die Verwandlung der Welt“ und auf die sich im 19. Jahrhundert bildenden divergierenden Ordnungsformen der ökonomischen Internationalisierung. Abschließend sei vermerkt, dass der Workshop eine ganze Reihe von Überschneidungen der beteiligten Disziplinen verdeutlichte und so zukünftige Projekte gemeinsamer Zusammenarbeit aufzeigte – zu denken ist hier beispielsweise an Adam Smith, der im Verlauf der Tagung einen prominenten Platz einnahm und dessen Werk sowohl für Ökonomen, Philosophen, Politikwissenschaftler und Rechtshistoriker einschlägig ist. Jedoch kamen auch die Grenzen der Interdisziplinarität zur Sprache: Jedes Fach hat seine eigenen Methoden und verfolgt fallweise andere Fragen und Perspektiven, es lässt sich nicht ohne weiteres den Standards anderer unterwerfen. Dass die Ergebnisse eines solchen Workshops dennoch für andere Disziplinen interessant sein können, die sich etwa für die optimale Regulierung globaler Handelsbeziehungen oder das Zusammenwirken normativer Ordnungen interessieren, bleibt von der Frage methodischer Autonomie unberührt und wurde vielfach sichtbar.

Konferenzübersicht:

Begrüßung/Eröffnung des Workshops (Thomas Duve, Rainer Klump, Miloš Vec)

Panel I: Die Ordnung der Weltwirtschaft im 19. Jahrhundert – zwischenstaatliche Handelsregulierungen

Bertram Schefold (Frankfurt am Main): Die Bedeutung des Freihandels in wirtschaftstheoretischen Debatten in Deutschland während des 19. Jahrhunderts

Lauri Mälksoo (Tartu): Ökonomie bei russischen Völkerrechtslehrern

Olivier Accominotti (Paris): Bilateral Treaties and the Most-Favoured Nation Clause. The Myth of Trade Liberalization in the Nineteenth Century

Panel II: Handelsverträge und ihre Wirkungen in außereuropäischen Regionen

Daniel Bernhofen (Nottingham): Japanischer Außenhandel im 19. Jahrhundert

Stefan Kroll (Frankfurt am Main): Chinas internationale Schulden und das Völkerrecht

Thomas Duve (Frankfurt am Main): Handelsverträge mit den ‚La-Plata-Staaten‘ in der Mitte des 19. Jahrhunderts

Panel III: Wirtschaftsbeziehungen und internationale Konflikte

Andreas Fahrmeir (Frankfurt am Main): Und was passiert im Ausnahmezustand? Krieg und der Status ausländischen Eigentums im 19. Jahrhundert

Oliver Eberl (Darmstadt): Ökonomische Motive bei der völkerrechtlichen Ächtung des Sklavenhandels im 19. Jahrhundert

Niels P. Petersson (Konstanz): Normative Grundlagen überstaatlicher Handelsintegration um 1900

Schlusswort (Rainer Klump/ Miloš Vec)

Anmerkung:
1 Olivier Accominotti / Marc Flandreau, Bilateral Treaties and the Most-Favored-Nation Clause. The Myth of Trade Liberalization in the Nineteenth Century, in: World Politics 60 (2008), S. 147-188.