Between parallel society and integration: diaspora and transcultural agency in the Eastern Mediterranean between the late middle ages and the early modern era

Between parallel society and integration: diaspora and transcultural agency in the Eastern Mediterranean between the late middle ages and the early modern era

Organisatoren
Transcultural Studies, Forschungsgruppe „Kaufmannsdiasporas im östlichen Mittelmeer 1350-1450“ / Georg Christ / Exzellenzcluster „Asia and Europe in a Global Context“, Projekt D1 / Stefan Burkhardt, Universität Heidelberg
Ort
Heidelberg
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.05.2009 - 09.05.2009
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Von
Roberto Zaugg, Historisches Seminar, Universität Basel

Die Feststellung, dass sich der östliche Mittelmeerraum im Laufe seiner Geschichte als pluralistischer Kontaktraum ausgezeichnet hat, ist sicherlich nicht neu. Die zeitgenössische Sensibilität für die kulturelle Mittlerfunktion von Migranten, der Impuls, die mediterranen Begegnungen und Konflikte nicht nur im Bezug auf Makro-Entitäten wie Religionen, Reiche und Zivilisationen zu verstehen, sowie das Engagement, neue empirische Quellen ausfindig zu machen, zeigen jedoch, dass das Thema längst nicht erschöpft ist, sondern ganz im Gegenteil ein innovationsträchtiges Forschungsfeld konstituieren kann.

Krieg, Religion und Handel waren wiederkehrende Reflexionselemente im Rahmen des Workshops, wobei die Art und Weise, in der diese mit dem Thema der Diaspora in Verbindung gebracht wurden, durchaus originelle Aspekte beleuchtet hat. Das Wortpaar Diaspora-Religion wird zum Beispiel meist mit religiös motivierten Zwangsmigrationen in Verbindung gebracht, in primis mit denjenigen der Juden. Die westlichen Kleriker, welche im 13. Jahrhundert in die von den Franken eroberten Gebiete des byzantinischen Reiches zogen, als Migranten und Mitglieder einer Diaspora zu analysieren, ist hingegen weniger geläufig. Das Potential eines solchen Versuchs ist von GUILLAUME SAINT-GUILLAIN (King’s College, London) hervorgehoben worden, der die Fähigkeit dieser Kleriker unterstrichen hat, sowohl mit den höheren Instanzen der Westkirche als auch mit der lokalen Bevölkerung ausgedehnte Netzwerke aufzubauen. Die Beziehungen zwischen Franken und Griechen standen zudem im Zentrum von MARGIT MERSCHs (Universität Erlangen-Nürnberg) kulturarchäologischen Beitrag, der die Existenz von gemeinsamen Sakralräumen und hybriden Kunstformen in zypriotischen und peloponnesischen Kirchen nachwies.

Im Bezug auf Krieg und Diaspora werden die Mitglieder der letzteren fast immer als Opfer des ersten identifiziert. JULIEN LOISEAU (Universität Montpellier III) hingegen hat in seinem Vortrag über tscherkessische Mamluken im spätmittelalterlichen Kairo die Akteure des Krieges als Diaspora untersucht. Dabei hob er sowohl deren Doppelstatus als Militärsklaven und ethnischem „Adel“ hervor, als auch die Spezifizität der Mamluken, die – im Unterschied zu anderen Diasporas – weder die Möglichkeit hatten, sich als Gruppe transgenerationell zu reproduzieren (die Kinder der Mamluken wurden nicht als solche erachtet), noch über eine religiöse Differenz im Bezug auf die lokale Gesellschaft verfügten. Das Mamlukenreich wurde des Weiteren von JOHANNES PAHLITZSCH (Universität Mainz) thematisiert, der die mamlukisch-byzantinische Mediationsrolle der orthodoxen Patriarchen von Jerusalem und Alexandria rekonstruierte, welche ihrerseits über einen wichtigen Doppelstatus verfügten – als religiöse Führer einer auf Konstantinopel zentrierten Kirche und als politische Oberhäupter der christlichen Einwohner des Sultanats.

Neben Krieg und Religion hatte natürlich der Handel in diesem Diaspora-Workshop einen prominenten Platz. Um die Beziehungsstränge, die im Hafen von Alexandria verflochten wurden, besser greifen zu können, hat FRANCISCO APELLÁNIZ (Universität Provence) aufgrund der Notariatsakten des venezianischen Konsulats (1360-1450) eine Datenbank aufgebaut und eine Reihe von Netzwerkanalysen durchgeführt. Die Resultate bestätigen zum einen das Primat der Venezianer (vor allem in der ersten Phase), sie heben jedoch auch hervor, dass die Rollen der einzelnen Kaufmannsnationen nur in ihrer Interaktion verstanden werden können und unterstreichen zudem die entscheidende Verbindungsfunktion, die von kleineren Akteuren wahrgenommen wurde. Kaufleute standen auch im Zentrum von zwei Beiträgen, die etwas aus dem geographischen Rahmen fielen: demjenigen von ANGELIKI TZAVARA (Istituto Ellenico di Studi Bizantini e Postbizantini, Venedig) zum Schwarzmeerhafen von Tana im 14.-15. Jahrhundert und demjenigen von ROBERTO ZAUGG (Universität Basel) zum westmediterranen Neapel im 18. Jahrhundert. Tzavara eröffnete einen mikrohistorischen Einblick auf das Leben von venezianischen Kaufleuten, die an den Grenzen der Tatarengebiete Handel trieben. Sie skizzierte dabei nicht nur die jeweiligen Migrationsmuster, sondern rekonstruierte auch die Schicksale der Nachkommen von Venezianern und tatarischen Sklavinnen, die trotz ihrer außerehelichen Geburt als Venezianer und Erben anerkannt wurden, und oft die Rolle von Dolmetschern und Mittelleuten einnahmen. Zaugg präsentierte eine prosopographische Analyse der British Factory und der Nation Française – denen sich auch oft Kaufleute anschlossen, die gar nicht Briten bzw. Franzosen waren, sondern aus dem Deutschen Reich oder der Alten Eidgenossenschaft kamen – und zeigte an diesem Beispiel den manipulatorischen Gebrauch von Rechtsressourcen und dessen Einfluss auf die heterogene Zusammensetzung der Kaufmannsnationen.

Der taktische Gebrauch von „Identitäten“ wurde auch im Beitrag von ALEXANDER BEIHAMMER (Universität Zypern) hervorgehoben. Seine Studie über das Königreich Zypern zeigt nämlich, dass die herrschenden Lusignan – je nach Situation und Publikum – diskursive Strategien entfalteten, die sowohl auf griechische als auch auf westeuropäische Traditionen und Symbole zurückgriffen: Ein Beispiel, das auf einleuchtende Art beweist, dass Konflikte und kulturelle Austauschprozesse sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern oft als zwei Seiten der gleichen Medaille auftreten.

Im Laufe des Workshops wurden zudem drei Dissertationsprojekte vorgestellt, die im Rahmen der Forschungsgruppe „Kaufmannsdiasporas im östlichen Mittelmeer 1350-1450“ von Georg Christ betreut werden. ANNA K. ANGERMANN beabsichtigt die Interaktion von verschiedenen Gruppen (christliche und jüdische Venezianer, orientalische Juden, muslimische Perser und Inder) im mamlukischen Ägypten zu untersuchen und so die ethnisch-religiösen Segmentierungen zu überwinden, die allzu oft im wissenschaftlichen Diskurs (re)produziert werden. FRANZ-JULIUS MORCHE wird anhand der kaufmännischen Korrespondenz des Staatsarchivs Venedig den Einfluss transkultureller Informationsflüsse auf die im Seehandel involvierten Institutionen analysieren. TERESA SARTORE beabsichtigt – am Beispiel der in Rhodos lebenden Venezianer, Griechen, Juden und Hospitalrittern – die transkulturelle Interaktion im Kontext des vormodernen Rechtspluralismus unter die Lupe nehmen.

Die von Jenny Oesterle (Universität Bochum) und den Organisatoren Georg Christ (Transcultural Studies) und Stefan Burkhardt (Cluster „Asia and Europe in a Global Context“/Historisches Seminar) koordinierten Debatten untersuchten gezielt einige Kernfragen, die es wert sind, kurz widergegeben zu werden. Ausgehend von den verschiedenen Fallbeispielen, die während des Workshops vorgestellt wurden, haben die Teilnehmer übereinstimmend festgestellt, dass „Integration“ und „Parallelgesellschaft“ nicht notwendigerweise im Widerspruch zu einander stehen. Viele Diaspora-Gruppen formen tatsächlich separate Gemeinschaften. Gleichzeitig fügen sie sich aber als solche in die lokale Gesellschaft ein und knüpfen oft relevante Beziehungen mit dieser.

Des Weiteren versuchten die Teilnehmer den Begriff der Transkulturalität expliziter zu definieren. Betrachtet man Kulturen nicht als objektiv abgrenzbare Container, wo liegt dann die spezifische Dimension transkultureller Beziehungen? Anders ausgedrückt: Wenn wir die Existenz von essentialistisch definierten Grenzen zwischen separaten Kulturen verneinen, inwiefern können wir gewisse Interaktionen als trans-kulturell bezeichnen, andere aber als intra-kulturell? Reproduzieren wir auf diese Weise nicht gerade die Abgrenzungen und Container, die wir eigentlich überwinden wollen? Dieser Knotenpunkt konnte nicht gänzlich gelöst werden. Als Ansatz wurde vorgeschlagen, dass Kultur einerseits zwar eine flüssige Materie ist, deren Segmentierung immer von der jeweils eingenommenen Perspektive, Skala und Bezugsdimension abhängt, sich aber andererseits als realitätswirksamer Faktor auf Perzeptionen und Aktionen sozialer Akteure niederschlägt. Gerade weil Kulturgrenzen Artefakte sind, müssen wir uns fragen, wie diese von historischen Subjekten imaginiert wurden und inwiefern dieselben ihre Aktionen als „Grenzübergänge“ wahrnahmen. Zuletzt nahmen die Teilnehmer den Diaspora-Begriff ins Visier. Einerseits wurde kritisiert, dass durch eine kriterienlose Ausdehnung des Etiketts auf alle Migranten eine konzeptuelle Verwässerung gefördert wird, die schließlich zur analytischen Insignifikanz führen muss: Es wurde darum vorgeschlagen, den Begriff ausschließlich für Gruppen zu gebrauchen, die auf transgenerationeller Ebene eine gesonderte gemeinschaftliche Identität reproduzieren, während man andere Migranten, die keine gemeinschaftlichen Aggregate bilden, besser nicht miteinbeziehen sollte. Andererseits wurde argumentiert, dass gerade ein dehnbarer und konzeptuell schwacher Diaspora-Begriff nützlich sein kann, um verschiedenartige Phänomene in einem einheitlichen Rahmen lesbar und vergleichbar zu machen. Die Debatte ist also ganz und gar offen und birgt mit Sicherheit große Potentiale. Die Veröffentlichung der Workshop-Beiträge (in Englischer Sprache) ist für Ende 2010 vorgesehen.

Konferenzübersicht:

STEFAN WEINFURTER: Begrüssung

ANGELIKI TZAVARA: ...nunc habitator Tane. Les marchands vénitiens habitants à Tana, XIVe-XVe siècles

JOHANNES PAHLITZSCH: Byzantium and the Mamluks

MARGIT MERSCH: Shared spaces in rural churches in the Eastern Mediterranean (14th-15th Centuries)

ALEXANDER BEIHAMMER: Der König der Deutschen – Gott verfluche ihn. Kreuzfahrende Kaiser im Spiegel islamischer Quellen Gastvortrag)

JULIEN LOISEAU: The Circassians in the Mamluk Sultanate. Soldiers diaspora or Cairene nobility?

FRANCISCO APELLÁNIZ: Collaboration between networks in Alexandria (14th-15th centuries)

ANNA K. ANGERMANN: Au-delà de la religion? Groupes diasporiques dans l’Empire Mamelouk

FRANZ-JULIUS MORCHE: Profit and commitment. Economic agency relations in Venitian Mediterranean trade (1350-1450)

TERESA SARTORE: Rhodes. Diasporic communities, transcultural agency and international trade

ALEXANDER BEIHAMMER: Lordship and hegemonial identity in the Byzantine-Frankish discourse on the formation of the Kingdom of Cyprus

GUILLAUME SAINT-GUILLAIN: In partibus schimaticorum. Évêques et clergé canonial latin en Romanie à la fin du Moyen Âge

ROBERTO ZAUGG: On the manipulatory use of juridical resources and institutional classifications. The case of foreign nations in eighteenth-century Naples


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