Zwischen adliger Handlungslogik und territorialer Verdichtung: Fehdeführung im spätmittelalterlichen römisch-deutschen Reich

Zwischen adliger Handlungslogik und territorialer Verdichtung: Fehdeführung im spätmittelalterlichen römisch-deutschen Reich

Organisatoren
Lehrstuhl für Spätmittelalterliche Geschichte / Deutsche Landesgeschichte, Justus-Liebig-Universität Gießen
Ort
Gießen
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.05.2009 - 07.05.2009
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Von
Michael Rothmann, Lehrstuhl für Spätmittelalterliche Geschichte / Deutsche Landesgeschichte, Justus-Liebig-Universität Gießen,

Seit Oktober 2007 ist am Lehrstuhl für Spätmittelalterliche Geschichte / Deutsche Landesgeschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen ein DFG-gefördertes Forschungsprojekt zum Thema „Fehdeführung und Territorialisierungsprozeß“ angesiedelt. Die von der Thyssen-Stiftung finanzierte Tagung diente zum einen dazu, die Ergebnisse des Projektes für die ersten beiden Untersuchungsphasen – 1320-1350 sowie 1380-1420 – vorzustellen und an den aktuellen Forschungsdiskussionen zu überprüfen, zum anderen den Untersuchungsgegenstand und die Fragestellungen räumlich über die im Projekt bearbeiteten Regionen – Hessen, Trier, Meißen und Thüringen – hinaus zu erweitern und zeitlich vor allem auf die noch zur Bearbeitung anstehende zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts auszudehnen, der sich denn auch die meisten Vortragenden widmeten. Neben den im Gießener Forschungsprojekt untersuchten Regionen wurden gewaltsame Konflikte am Ober- und Niederrhein, im Erzbistum Mainz, in den Grafschaften Nassau, Katzenelnbogen, Sponheim und Eppstein, in Franken, Schwaben und der Schweiz sowie in Ungarn in den Blick genommen. Thematische Schwerpunkte bildeten neben der Fehdeorganisation, Fehdekommunikation und den Begriffen, mit denen Fehde bezeichnet wird, auch die Beziehung zwischen adliger Eigenmacht und Etablierung und Konsolidierung von Landesherrschaft. Analysiert wurden ferner die jeweils zugrundeliegenden Handlungslogiken, soziale und wirtschaftliche Folgen von Fehde und Krieg, die prosopographische Verortung von Fehdeführern und Fehdehelfern sowie der normative Diskurs über die Definitionen und Formen rechter Gewalt und die zunehmende Verrechtlichung und Delegitimierung der Fehde in theologischen, juristischen und politischen Textsorten. Methodisch changierten die Vorträge zwischen mikrohistorischen Fallstudien und Datenbank gestützten regionalen Untersuchungen.

STEFFEN KRIEB widmete sich den Funktionen von Fehden in der Markgrafschaft Baden und arbeitete an zwei Beispielen des späten 14. und frühen 15. Jahrhundert, Wolf von Wunnenstein und Heinrich Göldlin, zentrale adlige Strategien heraus. Ebenso wie Kauf oder die Pfandschaft nutzten Landesherr, Adel aber auch landsässige Stadtbürger Fehdeführung zur Arrondierung oder Verteidigung von Besitz sowie als letztes Mittel der Konfliktregulierung.

KURT ANDERMANN entwickelte seinen Vortrag entlang einer Schlüsselquelle, einem 71 Blätter umfassenden Kopialbuch, das systematisch Absagebriefe für die Zeit des Pontifikats Bischofs Reinhard von Speyer (1440-1456) erfasste. Verzeichnet wurden in 135 Absagetexten insgesamt 300 Helfer, die sich wiederum auf 61 Hauptleute verteilten. Absagegründe wurden unterschiedlich detailliert genannt, wobei das Scheitern eines rechtlichen Ausgleichs nie unerwähnt bleibt. Das räumliche Einzugsgebiet von Fehdeführern und -helfern reichte neben dem Schwerpunkt Pfalz von den Niederlanden über den Mittelrhein und Frankfurt bis nach Zürich; in sozialer Beziehung dominierten Hauptleute aus dem Ritteradel, doch fanden sich auch niedriger stehende Personen; dies gilt besonders für die Fehdehelfer. Die gemittelte quantitative Fehdedichte pro Jahr gegen den Speyrer Bischof Reinhard gerichteter Fehden lag bei vier Fehden pro Jahr. Ob das Manuskript freilich alle Fehden beinhaltet, muss offen bleiben.

JULIA EULENSTEIN behandelte die Formen der Fehdeführung im Erzstift Trier um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert. In einem Überblick über ihr Projekt charakterisierte sie als zentrale Entwicklungslinien die Konkretisierung der Begrifflichkeiten, die Professionalisierung der Fehdeführung und der handelnden Personen sowie die zunehmende rechtliche Eingrenzung des Phänomens. Diese Veränderungen hatten zwei in unterschiedliche Richtungen laufende Auswirkungen auf die Fehdeführung des Adels. Einerseits führte die Professionalisierung von Fehdeführung zur Entwicklung einer neuen Schicht von Fehdehelfern. Ihnen bot der Dienst als Helfer sowohl in territorialer als auch personeller Beziehung die Möglichkeit zur eigenen Verdichtung ihrer Herrschaft. Andererseits wurde dem Adel Fehdeführung vermehrt als Handlungsoption zur Klärung von Rechtsstreitigkeiten genommen.

DIETER SCHELER untersuchte für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts den Wandel des Phänomens unter den Bedingungen einer bereits entwickelten Ämterverwaltung am Beispiel des Herzogtums Kleve-Mark. Obwohl den Amtleuten Fehdeführung verboten war, gab es weiterhin Adelsfehden. Offenbar hatten Amtleute ihrerseits Personen an der Hand, die an ihrer Stelle Fehden führten. Zur Hilfe bei landesherrlichen Fehden waren sie ohnehin verpflichtet. Adelsfehden gegen den Landesherrn sind nicht nachweisbar.

Im ersten Abendvortrag beschäftigte sich MICHAEL JUCKER mit den fatalen Nebenwirkungen der Kriegs- und Fehdepraxis in der Eidgenossenschaft vor allem während der Burgunderkriege. Plündern und Brandschatzen hatten nicht nur die eigene Beute und die ökonomische Schädigung des Gegners im Blick, sondern zielten zugleich auf eine symbolische Abschreckung vor zukünftigen Angriffen. Häufig wurden nach wichtigen Schlachten die erbeuteten zentralen Symbole des Gegners in einer öffentlichen Inszenierung zur Schau gestellt und in die eigene Schatzkammer als Zeichen der Stärke integriert.

REGINA SCHÄFER widmete sich der sozialen Schichtung von Fehdenden und hier vor allem der Fehdehelfer in den Grafschaften Nassau, Katzenelnbogen, Sponheim und Eppstein. In einem Perspektivenwechsel fokussierte ihre Analyse nicht Einzelfehden, sondern auf der Basis von Verwaltungsschriftgut die territorialen Organisationsformen der Fehdeführung. Fehden erwiesen sich dabei als Alltag. Besonders in Grafschaften mit Besitzungen in Gemengelage eskalierten Grenzstreitigkeiten häufig zu gewaltsamen Konflikten. Die Grafen versuchten dem mit verschiedenen Mitteln Herr zu werden: Zu nennen sind Nicht-Angriffspakte für bestimmte Dörfer, spezielle Friedensbündnisse bzw. bis zu einjährige Waffenstillstandsvereinbarungen sowie diverse Sicherheitsvorkehrungen, um Land und Leute bei Fehden zu schützen. Entsprechend heterogen formierte sich der Helferkreis. Neben den berittenen Dienern und Amtleuten wies Regina Schäfer bereits eine Bereitschaftstruppe nach, die bei Fehdehandlungen schnell, lokal und mit Unterstützung der ansässigen Bauern zum Einsatz kam.

NIKLAS KONZEN analysierte auf der Basis von Fehdebriefen und reichsstädtischen Feindlisten die prosopographischen Beziehungen zwischen den Helfern des Heinrich von Eisenburg, der 1451 eine Fehde gegen den schwäbischen Städtebund begann. Die auf Eisenburgs Seite kämpfenden Personen waren, formal gesehen, parallel an mindestens sechs verschiedenen Fehden beteiligt. Indem die Fehdeführenden sich gegenseitig unterstützten, untereinander koordinierten – etwa durch gegenseitige Öffnung von Burgen und der Vereinigung von Bewaffneten – verschmolzen diese räumlich eher begrenzten Einzelkonflikte zu einem multipolaren, überregionalen Großkonflikt. Die führenden Protagonisten der einzelnen Fehden – insbesondere Hans von Rechberg-Hohenrechberg und die Herren von Geroldseck-Sulz – hatten bereits in Lauf der 1440er-Jahre in mehreren Fehden kooperiert. Vor allem die Kontinuität der Bündnisbeziehungen ermöglichte eine Verknüpfung der verschiedenen Einzelfehden. Diese besonderen personellen Netzwerkstrukturen erklären sowohl die außerordentlichen Erfolge der Fehdeführenden bei der Mobilisierung von Helfern als auch die beträchtliche geographische Ausdehnung ihres Netzes befestigter Stützpunkte zwischen Neckar, Bodensee und Oberrhein.

GABRIEL ZEILINGER beschäftigte sich mit dem Alltag des Krieges am Beispiel des zweiten süddeutschen Städtekriegs von 1449/50, einer der größten militärischen Auseinandersetzungen im Reich des 15. Jahrhunderts. Ein insgesamt 31 Mitglieder umfassender Städtebund und zahlreiche in Einung stehende Adlige kämpften seit Anfang Juli 1449 ein Jahr lang an verschiedenen Schauplätzen gegeneinander. Der von den Konfliktparteien beschrittene formal-rechtliche Rahmen war der einer Fehde, phänomenologisch klassifiziert Zeilinger den Konflikt aber als Krieg. Während der Auseinandersetzungen versuchten die Städte zwar trotz der massiven Behinderungen den „normalen“ Alltag aufrechtzuerhalten. Doch sank die Mobilität des Handels und brachen in Folge die städtischen Einnahmen aus Zöllen und Verbrauchssteuern massiv ein; ebenso stiegen im Gegenzug die Ausgaben für städtische militärische Schutzmaßnahmen und entsprechend der Steuer- und Kreditbedarf. Kriege waren mit regelmäßigen Einnahmen kaum finanzierbar, wie Zeilinger mittels einer quantitativen Analyse der wirtschaftlichen und finanziellen Aspekte der Fehdeführung selbst sowie der Folgen dieses Städtekriegs eindrucksvoll belegen konnte.

EBERHARD ISENMANN demonstrierte in seinem Vortrag, dass ein reichsweites Fehdeverbot nicht erst auf dem Wormser Reichstag 1495 fixiert wurde. Die Wormser Reichsgesetzgebung schrieb lediglich durch einen Gesetzgebungsakt fest, was seit drei Generationen hindurch grundsätzlich gedacht, gefordert und teilweise schon praktiziert wurde, und reduzierte dennoch den Frieden in der Präambel auf das Erfordernis und den Zweck des Türkenkriegs, ohne ihn als Selbstwert rechtsgedanklich zu begründen. Die eigentliche Bedeutung des Landfriedensgesetzes von 1495 lag in der Entfristung eines seit 1467, mit nur einer Unterbrechung in den Jahren 1480-1485, bestehenden absoluten Fehdeverbots. Zudem beruhe die Einbettung des Landfriedens in ein durchdachtes, komplementär aufeinander bezogenes Gesetzgebungspaket mit Kammergerichtsordnung, Gemeinem Pfennig und der Handhabung von Frieden und Recht als Exekutionsordnung auf einer inneren Sachlogik, die in der Reichsreformdiskussion seit dem frühen 15. Jahrhundert entfaltet wurde und bereits in den staufischen Reichslandfrieden von 1158 und 1235 in Teilen grundgelegt war. Der Berechtigungsgrund für eine Fehde bis zu ihrem reichsrechtlichen ewigen Verbot gründete nach Isenmann demnach außerhalb des Regulären und rechtlich Ordnungsgemäßen, nämlich in der durch das Scheitern des Rechtsweges angesichts unzureichender Gerichtsbarkeit entstandenen Rechtsnot.

ALEXANDER JENDORFF beschrieb die höchst unterschiedlichen argumentativen Strategien der beteiligten Parteien in einem Mainzer Prozess aus dem Jahre 1574/75 gegen Barthold von Wintzingerode, nachdem dieser in einem eskalierenden Streit seinen Widersacher mit der Büchse erschossen hatte. Weniger von adliger Eigenmacht als von eigensinnigem Adelsstolz inspiriert, gestand Wintzingerode offenkundig ohne jedes Unrechtsbewusstsein vor Gericht die Tötung und rekurrierte dabei auf ein adliges Widerstands- oder mindestens Notwehrrecht. Das Gericht folgte aber dieser Argumentation keineswegs, sondern ließ ihn nach dem Geständnis umgehend enthaupten.

DANIEL BAGI stellte zunächst fest, dass in Ungarn Fehde nicht gebräuchlich war. Heerhaltung und Kriegswesen galten als Königsrecht, Nobilität erreichte man durch Kriegsdienst im königlichen Heer, bewaffnete Selbstjustiz war verboten. Die Schwäche des Königtums ließ jedoch auch dort Privatheere der Barone entstehen und hatte fehdeähnliche „Privatkriege“ zur Folge. Ein gewaltsame Konflikte regulierendes Fehderecht wie im römisch-deutschen Reich habe sich jedoch nicht entwickelt. Das einzige Gegenbeispiel findet sich in Westungarn in der ersten Hälfte des 15. Jahrhundert, als Friederich III. Ödenburg und die Umgebung der Stadt besetzte und Fehderecht in seinen Konflikten anwandte.

CHRISTINE REINLE bot einen systematischen regionalen Überblick über die Landgrafschaft Hessen und damit über eine vergleichbar junge Herrschaft. Deren mühsame Etablierung gegen innere wie äußere Konkurrenz ließ lange Zeit Handlungsspielräume für adlige Eigenmacht. Landfriedensbündnisse mit den Nachbarn banden die vertragschließenden Fürsten und brachten sie in die Lage, auch die unabhängig von ihnen von ihrem werdenden Territorium ausgehende Fehdetätigkeit unterbinden zu können. Hier kam zunächst den eigenen Amtleuten Bedeutung zu, bevor auch den Amtleuten des Vertragspartners „Folge“ ins eigene Territorium bei der Bekämpfung von Friedensbrechern gestattet wurde. Fürstliche Bündnisse gegen adlige Fehdeführer traten hinzu. Im 14. und verstärkt im 15. Jahrhundert sind landgräfliche Interventionsversuche in Fehden des Adels zu fassen, die oft auf Bitten von Fehdebetroffenen unternommen wurden. Gleichwohl behielt das Fehderecht seine Residuen, nicht zuletzt blieb ein – an Bedingungen geknüpftes – subsidiäres Selbsthilferecht Bestandteil des Lehnswesens.

HILLAY ZMORA konstatierte, aufbauend auf seiner wirkmächtigen, quantitativ gestützten Regionalstudie über die hierarchisierenden Wirkungen von Fehdeführung im fränkischen Adel des ausgehenden 15. Jahrhundert, zunächst eine „feindselige Vertrautheit“ innerhalb des fränkischen Adels. Dies veranlasste ihn zu der Frage, weswegen Fehden – zumal in so großer Zahl – im 15. Jahrhundert und besonders in den 1470er-Jahren zwischen den vielfach untereinander verbundenen fränkischen Adelsfamilien geführt wurden. Seiner Meinung nach bestand eine Korrelation zwischen zunehmender Fehdehäufigkeit, einem durch demographischen Druck verursachten erschwerten Zugriff auf hochrangige Lehen und in der Folge einem erschwerten Zugang zu vermögenden Frauen. Ein durch dieses Bevölkerungswachstum und Erbrecht bewirkter Anstieg der Zahl unverheirateter Männer steigerte die ohnehin latent vorhandene Bereitschaft der männlichen „Jugend“ zur Gewalt. Die wachsende Tendenz zur Gewaltausübung war jedoch nicht auf die Jugend allein beschränkt. Ebenso sei im Turnier und in der dort rituell gefassten Preisvergabe eine Verbindung von Partnerwahl und Gewalt offensichtlich. Die zunächst auf soziobiologischen Prämissen gegründete These untermauerte Zmora durch einen Abgleich zwischen den am häufigsten fehdeführenden Familien, ihrer Kopfstärke und ihrer Vermögenssituation, die sich über die Würzburger Lehnsbücher teilweise fassen lassen. Hierbei trat ein hohes Maß an familiärer Übereinstimmung zu Tage.

UWE TRESP analysierte, wie die Fehde eines Bürgers namens Alschauer sich zu einem großen sächsisch-böhmischen Grenzkonflikt entwickelte. Obwohl Herzog Georg von Sachsen Alschauer zugestand, prinzipiell nicht unrecht zu handeln, wollte er doch eine mit der Fehde verbundene Geleitsverletzung nicht dulden und schritt gegen den Fehdeführer ein. Dies genügte den Geschädigten jedoch nicht, die weiteren Schadensersatz verlangten. Seitens Böhmens geriet das albertinische Sachsen zunehmend in den Verdacht der Fehdebegünstigung, so dass der auf böhmischer Seite eigentlich mit der Landfriedenswahrung betraute Adlige Lobkowitz seinerseits mit Fehde drohte. Die Gewaltspirale war nur mit Mühe zu unterbrechen. Gleichwohl wirkte sich die böhmisch-sächsische Erbeinung letztlich stabilisierend aus, da sie funktional einem Landfriedensbündnis entsprach.

Mit Markgraf Wilhelm I. von Meißen widmete sich HARALD WINKEL dem wohl konsequentesten Strategen landesherrlicher Fehdepolitik für Meißen und Thüringen am Beispiel zweier Fehden: der Schönburgischen und der Dohnaschen Fehde. Die Schönburgische Fehde entwickelte sich aus einem zunächst inneradligen Konflikt zwischen Albrecht Burggrafen von Leisnig, Herr zu Rochsburg und Veit von Schönburg, Herr zu Glauchau, weil der Leisniger dem Schönburger die Herausgabe seiner zur Ehe versprochenen Tochter verweigerte. Diesen Kernkonflikt instrumentalisierte Markgraf Wilhelm, um den aufstrebenden Schöneburger zu disziplinieren. Er war aber nur bedingt erfolgreich, da der Schöneburger in der Sühne in all seinen Rechten bestätigt wurde. Weitaus härter traf es die Grafen von Dohna, deren Burgen, Eigen und Erbe Markgraf Wilhelm I. eroberte und nie wieder zurückgab. Er nutzte dabei die momentane Schwäche König Wenzels als böhmischer Landesherr, der die Grafen als ihr böhmischer Lehnsherr bisher in ihrer Mehrfachvasallität immer geschützt hatte.

MICHAEL ROTHMANN untersuchte die konkurrierenden Interessen zwischen adliger Eigenmacht und landesherrschaftlicher Strategie in Thüringen und Meißen sowie die Rolle der Fehde in dieser Gemengelage. Das rigide, bereits in Meißen erprobte Herrschaftskonzept der Wettiner, das bereits im Weißenfelser Friedensertrag von 1249 sichtbar geworden war, welcher den Herrschaftsantritt der Wettiner in Thüringen markiert, stieß beim thüringischen Adel auf heftigen Widerstand. Nahezu 100 Jahre weigerten sich vor allem die Grafenfamilien und die Vögte, die beanspruchte Landesherrschaft anzuerkennen. Lediglich die Lehnsherrschaft wurde, wenn auch widerwillig, geduldet. Erst die Grafenfehde von 1342-1346 beendete diesen Dauerkonflikt zugunsten der Wettiner und schränkte die Handlungsspielräume des thüringischen Hochadels empfindlich ein. Er wurde weitgehend mediatisiert. Danach widmeten sich die Wettiner systematisch deren Aftervasallen, gliederten diese in ihre Ämterverwaltung ein. Für viele ehemals eigenmächtigen Niederadlige sagte nun als deutliches Zeichen ihres Machtverlustes der lokale Amtmann die eventuelle Fehde ab. Ihre Konflikte wurden an das land- bzw. markgräfliche Gericht oder an das des zuständigen Amtmannes verwiesen. Nur wenige Adelsfamilien behielten ihr Recht auf Selbsthilfe (selbswult).

Eine durch die Diskussionsvorlagen der Sektionsleiter KLAUS GRAF, JÖRG ROGGE und MALTE PRIETZEL vorstrukturierte äußerst lebhafte Schlussdiskussion fasste noch einmal die wesentlichen Ergebnisse und Forschungsdiskussionen der Tagung zusammen. Klaus Graf regte 1. im Sinne einer historischen Semantik eine systematische Sammlung der gewaltsame Konflikte bezeichnenden Begrifflichkeit an; 2. betonte er die Wichtigkeit quantifizierender Aspekte; 3. wünschte er sich eine internetbasierte Quellenkunde und ein Quellenkorpus zur Fehde, die auch zur Erfassung der zunehmenden Professionalisierung von Fehdeführern und Fehdehelfern, aber auch zur Erfassung der Fehdeberater beitragen könnte; 4. regte er eine konsequent historisierende Betrachtung der Fehde an; 5. hob er auf die symbolischen Aspekte der Fehde (Ritualisierung, Semiotik, Erinnerungskultur der Fehde) ab und 6. stellte er Überlegungen zu einem möglichen Zusammenhang zwischen der erhöhten Fehdehäufigkeit um 1480 und der zunehmenden ständischen Abgrenzung zwischen Grafen und Herren einerseits und Ritteradel andererseits an.

Malte Prietzel verwies 1. auf die immer wieder virulente Frage nach der expliziten oder immanenten Strategie und nach den Handlungslogiken der Beteiligten; 2. fragte er nach der Rolle der Ehre in gewalttätigen Konflikten, vor deren Überschätzung er warnte; 3. stellte er die Notwendigkeit eines europäischen Vergleichs und der Klärung der Frage heraus, ob nicht auch in anderen europäischen Regionen sich fehdeähnliche Formen rechter Gewalt etabliert hätten; 4. fragte er nach der Komplementarität von Fehde, Gerichtsbarkeit und Lehnswesen im Sinne einer politischen Verfassungsgeschichte.

Jörg Rogge betonte die Vielfalt der Fehdeformen und deren ereignishaften und prozesshaften Charakter. Ebenso erweiterte er die Zusammenfassung der Tagungsergebnisse um eine grundsätzliche Beobachtung und fragte, ob gewaltsame Konflikte immer sinnhaftes Geschehen seien oder ob sie nicht bisweilen kontingent zustande gekommen seien. In Anbetracht der hohen Risikobehaftung von Fehden sei es zweifelhaft, in welchem Umfang von aktiver Fehdepolitik ausgegangen werden könne. Erfolgversprechender sei eventuell die planvolle und vorausschauende Instrumentalisierung zufälliger Entwicklungen gewesen. Auch sei es fraglich, ob Adlige im Zuge von Fehden bzw. Sühnen wirklich domestiziert worden seien, oder ob die Form der Sühne nicht eher auf die schichtspezifische Vertrautheit der jeweiligen Feinde und auf die Tatsache zurückzuführen gewesen sei, dass man nach Ende des Konflikts wieder miteinander habe auskommen müssen.

Allgemeiner Konsens der Tagungsteilnehmer war, dass Fehderecht und Friedensbewegung im spätmittelalterlichen Diskurs eng verwoben waren. Die Beiträge werden in einem Tagungsband zeitnah veröffentlicht werden.

Konferenzübersicht:

Sektion I: Fehde und Frieden im Schatten von Hegemonialmächten: Die Lage am Oberrhein

Steffen Krieb (Gießen): Fehden am Oberrhein.

Kurt Andermann (Karlsruhe/Freiburg): Absagen an Bischof Reinhard von Speyer, 1438-1456

Sektion II: Adel und Landesherrschaft im königsfernen Westen des Reichs

Julia Eulenstein (Gießen): Statt Krummstock das Schwert: Erzbischöfliche und adlige Fehdeführung im Erzstift Trier am Ende des 14. und im beginnenden 15. Jahrhundert.

Dieter Scheler (Bochum): Amt und Fehde im späten Mittelalter: Beobachtungen an niederheinischen Quellen.

Michael Jucker (Luzern): Plündern und Brandschatzen: Kriegs- und Fehdepraxis im Spannungsfeld von Recht, Ökonomie und Symbolik.

Sektion III: Sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekte der Fehde

Regina Schäfer (Mainz): Fehdeführer und ihre Helfer - Versuche zur sozialen Schichtung von Fehdenden.

Niklas Konzen (Tübingen): Die Helfer des Heinrich von Eisenburg: Prosopographischer Querschnitt eines Fehdebündnisses um die Mitte des 15. Jahrhunderts.

Gabriel Zeilinger (Universität Kiel): Die wirtschaftlichen Folgen einer überregionalen Fehde im 15. Jahrhundert. Handel und städtische Finanzen im Alltag des zweiten süddeutschen Städtekriegs 1449/50.

Sektion IV: Rechtliche Begründung und rechtliche Delegitimierung der Fehde

Eberhard Isenmann (Köln): Weshalb wurde die Fehde seit 1467 reichsgesetzlich verboten?

Alexander Jendorff (Gießen): Fehde oder Mord ? Argumentative Strategien im Fehde-Prozeß des Mainzer Kurfürsten gegen Barthold von Wintzingerode 1574/75.

Sektion V: Adlige Fehden in Regionen wenig verdichteter Herrschaft

Daniel Bagi (Pecz): Adlige und hochadlige Fehde in Ungarn und in Polen im Mittelalter.

Christine Reinle (Gießen): Die mühsame Etablierung einer „neuen“ Herrschaft: Die Landgrafen von Hessen im Ringen mit dem hessischen Adel.

Hillay Zmora (Beer-Sheva): Nam und Stamm: Adel, Fortpflanzungserfolg und Zunahme der Fehden in Franken am Ende des 15. Jahrhunderts.

Sektion VI: Adlige Handlungsspielräume trotz starker Landesherrschaft? Fehden in den wettinischen Landen und an der sächsisch-böhmischen Grenze

Uwe Tresp (Münster): Erbeinung und Fehde zwischen Sachsen und Böhmen: Die Fehde des Jan von Lobkowitz auf Hassenstein gegen die Albertiner (1493-1496).

Harald Winkel (Gießen): Die Fehdepolitik Markgraf Wilhelms I. von Meißen.

Michael Rothmann (Gießen): Adlige Eigenmacht und Landesherrschaft: Fehde als politisches Instrument in Thüringen und Meißen.


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