Tag der Verlage

Organisatoren
Gunilla Eschenbach, Marbach; Ute Schneider, Mainz
Ort
Marbach
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.05.2009 - 08.05.2009
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Von
Saskia Bodemer, Stuttgart

Die Übernahme eines Verlagsarchivs stellt meist eine enorme Herausforderung für die betreffende sammelnde Institution dar, sowohl in finanzieller als auch in personeller und räumlicher Hinsicht. Bevor die Verlagsarchive der Forschung zugänglich gemacht werden können, werden die Archivalien gesichtet, Kassationskriterien erstellt und endlich eine Ordnung nebst Verzeichnis verfertigt. Die Unterlagen, Briefe, Manuskripte etc., die in den Verlagen erhalten sind, liefern einerseits wichtige Informationen zum Zeitgeschehen und zum Verlagswesen an sich, andererseits können die bewahrten Papiere Aufschluss über Entstehungsbedingungen und -verläufe literarischer Werke geben. Der Aufwand zum Erhalt des kulturellen Erbes ist für die meisten sammelnden Institutionen nur schwer zu meistern. Hier gilt es, Verbesserungen zu erarbeiten, die vor allem in einer frühzeitigen Kooperation zwischen Unternehmen und Archiv liegen können. Im Zuge einer Sensibilisierung der Verlage für ihre Archivalien entstünde eine Entlastung zu Gunsten der Archive. Darüber hinaus gilt es auch an den technischen Instrumenten zu feilen, die neben der Erschließung dann überwiegend der Forschung zu Gute kämen.

Fragen der Erwerbung und Erschließung von Verlagsarchiven standen beim „Tag der Verlage“ vom 07. bis 08. Mai 2009 im Deutschen Literaturarchiv Marbach (DLA) im Mittelpunkt der Diskussion. Organisiert wurde die Tagung von GUNILLA ESCHENBACH (Marbach) und UTE SCHNEIDER (Mainz). Dabei verhandelten die Buchwissenschaftler, Verleger und Archivare das Problem einer besseren Vernetzung zwischen Archiven und Verlagen. Erreicht werden könnte dieses Ziel, indem das Problembewusstsein im Umgang mit späteren Archivalien bereits vorher bei den Verlagen geweckt wird.

Dieses Thema sprach CHRISTOPH LINKS (Berlin) in seinem Vortrag „Das Schicksal der Archive der ehemaligen DDR-Verlage und die Schlussfolgerungen daraus für einen jungen ostdeutschen Verlag“ an. Von 78 ehemaligen DDR-Verlagen sind heute nur 36 Archive erhalten, 23 mehrheitlich vernichtet und 19 für immer verloren. Doch gelangen die Verlagsbestände in ein Archiv, so Links, dann sei häufig in den Kaufverträgen nicht festgelegt, wie mit den Archivalien umzugehen sei. Deshalb plädierte er für die Erstellung eines Katalogs von Grundregeln, die jedem Verlag nahe gelegt werden sollen und bereits im Vorfeld klären, was ein Verlag aufbewahren soll und was ‚kassiert‘ werden kann.

IRMGARD WIRTZ EYBL (Bern), Leiterin des Schweizerischen Literaturarchivs in Bern, konstatierte in ihrem Vortrag, dass die Verlage selbst keine Zeit für eine Archivierung haben, und erst bei der Liquidation des Unternehmens gehe ein „Notruf“ im Archiv ein. Zu Problemen bei Ordnung und Erschließung von Verlagsarchiven soll dann auch der Verlag selbst miteinbezogen werden, dabei wird im Schweizerischen Literaturarchiv eine Private Public Partnership angestrebt. Wirtz Eybl plädierte für die Gründung einer Stiftung, durch die größere Verlage die Finanzierung der Verlagsarchivübernahme kleinerer, insolventer Verlage sichern sollten.

THEKLA KLUTTIG (Leipzig) zeigte in ihrem Vortrag am Beispiel des Verlagshauses Brockhaus Strategie und Umgang einer kurzfristigen Übernahme eines Verlagsarchivs auf. Hierbei unterstützten vor allem Mitarbeiter der Firma Brockhaus die Bestandsaufnahme freiwillig, was die Übernahme deutlich erleichterte. Kluttig plädierte auch dafür, dass die vorhandene Ordnung der Verlagsarchive beibehalten wird.

Für einen frühzeitigen Vertrauensaufbau zwischen Verlag und Archiv sprach sich ebenfalls VOLKER KAUKOREIT (Wien) aus. Eine engere Zusammenarbeit zwischen beiden Institutionen soll etwa auch für das Problem der Aufbewahrung elektronischer Datensätze Lösungen unterbreiten. Mit der Notwendigkeit zum Aufbau eines Online-Portals, in dem sämtliche Verlagsarchive verzeichnet sind, schnitt Kaukoreit einen weiteren Diskussionspunkt der Tagung an.

Denselben Vorschlag unterbreitete auch MARCUS CONRAD (Halle an der Saale) in seinem Vortrag „Zu Struktur, Umfang, Erschließung und wissenschaftlichem Verwertungspotential des Verlagsarchivs Gebauer-Schwetschke im Stadtarchiv Halle“. Dabei zeigte Conrad, dass vom Gebauer-Schwetschke-Nachlass erst ein Viertel erschlossen und in einer eigenen elektronischen Datenbank verzeichnet ist.

RALF BRESLAU (Berlin) berichtete über „Verlagsarchive des 18. bis 20. Jahrhunderts. Verwaltung und Erschließung, gezeigt u.a. an den Archiven des Walter de Gruyter-Verlages, des Nachlasses Friedrich Nicolais sowie des Archivs des Aufbau-Verlages in der Staatsbibliothek zu Berlin“. Anhand des Archivs des Aufbau-Verlages stellte Breslau dar, dass die Sicherheitsverfilmung von Archivalien in bedenklichem Zustand eine gute Möglichkeit zum Erhalt der Materialien darstellt. Gleichzeitig entstand dabei eine digitale Datenbank, die nun einen schnelleren und gezielten Zugriff auf das Archiv bietet.

In „Produktionsarchive in der Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs. Verlegerische Vielfalt als philologische Quelle“ machte NICOLAI RIEDEL (Marbach) deutlich, dass eine gute Erschließung und Zugänglichkeit der sammelnden Institution notwendig ist. Im DLA Marbach sei ein Ziel, alle Bestände im elektronischen Katalog Kallías zu verzeichnen. Riedel sprach sich ebenfalls für eine Vernetzung der Archive aus, die mittels eines Online-Portals herzustellen wäre.

Für eben dieses Online-Portal setzte sich auch HERMANN STAUB (Frankfurt am Main) in seinem Beitrag ein. Insgesamt 30 Verlagsarchive bewahrt das Historische Archiv des Börsenvereins auf, darunter befinden sich neben Broschüren, Verordnungen und Firmenschriften auch Bildnisse und Kleinstdokumente. Staub machte ebenfalls auf das Problem einer langfristigen Sicherung der Archivalien aufmerksam sowie auf das Desiderat einer zentralen Sammelstelle vergleichbar dem MEC in Deutschland.

Gunilla Eschenbach (Marbach) und STEPHAN FÜSSEL (Mainz) stellten die Kooperation des DLA mit dem Mainzer Institut für Buchwissenschaft bei der Übernahme des Rowohlt-Archivs vor. Die Vortragenden stellten das Mengenproblem als Grund heraus. Die für das DLA einschlägigen Bereiche Belletristik und Verlagskorrespondenz sind in Marbach, während etwa die Bereiche Sachbuch und Trivialliteratur in Mainz archiviert werden.

HELEN MÜLLER (Gütersloh) zeigte in ihrem Beitrag die Schwierigkeiten der Archivarbeit in einem großen Unternehmen wie dem Bertelsmann Verlag auf. Dabei verdeutlichte sie, dass eine zentrale Sammelstelle für Verlagsarchive in Deutschland fehlt und damit auch keine einheitliche Archivkultur existiert.

Neben der Notwendigkeit ein Problembewusstsein bei den Verlagen zu wecken und den Desideraten einer zentralen Sammelstelle und eines Online-Portals, war es vor allem das Problem einer adäquaten Erschließung und Zugänglichkeit, das die Teilnehmer diskutierten. Als eine der größten Aufgaben stellte sich das Verzeichnis aller Verlagsarchive dar. Für Forscher wäre somit ein Überblick gewährleistet, der ihnen die Recherche enorm erleichtern könnte. Herausgestellt wurde auch, dass sowohl in Ost- bzw. Westdeutschland als auch im internationalen Raum ein sehr unterschiedlicher Umgang mit Verlagsarchiven besteht. Aus diesem Grund scheint hier einerseits die Erstellung von Aufbewahrungsregeln für die Verlage und andererseits ein einheitliches Prinzip im Umgang mit den Archivalien in den sammelnden Institutionen selbst, dringend notwendig. Auch eine bessere Vernetzung unter den Verlagen bzw. zwischen Verlag und Archiv wäre ein erstrebenswertes Ziel.

Deutlich wurde, dass zwischen Verlag und sammelnder Institution noch viele Punkte ungeklärt sind. Eine Fortsetzung des Tags der Verlage als Austausch- und Diskussionsforum wäre also wünschenswert.

Konferenzübersicht:

Ute Schneider: Begrüßung

Thekla Kluttig: Überreste einer Buchstadt. Zur Verlagsüberlieferung im Staatsarchiv Leipzig

Christoph Links: Das Schicksal der Archive der ehemaligen DDR-Verlage und die Schlussfolgerungen daraus für einen jungen ostdeutschen Verlag

Marcus Conrad: Zu Struktur, Umfang, Erschließung und wissenschaftlichem Verwertungspotential des Verlagsarchivs Gebauer-Schwetschke im Stadtarchiv Halle

Volker Kaukoreit: Verlags- und Redaktionsarchive am Österreichischen Literaturarchiv. Fragestellungen aus der Praxis

Irmgard Wirtz Eybl: Rösser aus Papier. Literaturarchiv und Verlagsarchive

Gunilla Eschenbach und Stephan Füssel: 1.000 Kästen Rowohlt. Zur Übernahme und Erschließung des Rowohlt Verlagsarchivs

Helen Müller: Verlagsnachlässe und -korrespondenzen im Unternehmensarchiv der Bertelsmann AG

Hermann Staub: Das Historische Archiv des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – ein Branchenarchiv?

Ralf Breslau: Verlagsarchive des 18. bis 20. Jahrhunderts. Verwaltung und Erschließung, gezeigt u.a. an den Archiven des Walter de Gruyter-Verlages, des Nachlasses Friedrich Nicolais sowie des Archivs des Aufbau-Verlages in der Staatsbibliothek zu Berlin

Nicolai Riedel: Produktionsarchive in der Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs. Verlegerische Vielfalt als philologische Quelle


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