Revisiting Indian Nations: Transatlantic and Transcultural Perspectives in Native American History

Revisiting Indian Nations: Transatlantic and Transcultural Perspectives in Native American History

Organisatoren
Michael Hochgeschwender, Christof Mauch, Ursula Prutsch, Britte Waldschmidt-Nelson, Amerika-Institut, Ludwig-Maximilians-Universität München; Deutsche Gesellschaft für Amerikastudien Akademie für Politische Bildung, Tutzing
Ort
Tutzing
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.02.2009 - 08.02.2009
Url der Konferenzwebsite
Von
Ursula Prutsch, Privatdozentin am Amerika-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)

In den 1960er-Jahren, im Kontext des Civil Rights Movement und der entstehenden Sozialgeschichte, begannen Historiker und Historikerinnen alte Paradigmen in der Geschichtsschreibung über den Umgang mit indianischen Gesellschaften in den USA kritisch zu hinterfragen. 20 Jahre später präsentierte sich die Forschungslandschaft – mit beeinflusst durch methodische und theoretische Ansätze anthropologischer und ethnohistorischer Studien – bereits in weit größerer Vielfalt. Im Jahr 1980 veranstaltete die Deutsche Gesellschaft für Amerikastudien eine erste Konferenz zu „Indianern in Nordamerika“.

Neueste Publikationen und Debatten spiegeln auch im deutschsprachigen Raum eine stärkere interdisziplinäre und theoretische Ausrichtung sowie ein Interesse an kulturhistorischen Perspektiven wider. Die Themenvielfalt reicht von Krieg und Genozid, Gender, indigenen Gruppen und ihrem Umgang mit der Natur, über indigene Küche und Musik bis hin zur kulturellen, religiösen und politischen Interaktionen zwischen „Alter“ und „Neuer Welt“.

Die Konferenz in Tutzing setzte sich nun zum Ziel, Themengebiete deutscher (Kultur-) Historiker/innen im Bereich der Native American History unter dem Blickwinkel transatlantischer und transkultureller Sichtweisen zu präsentieren. Die Konferenzbeiträge sollten wiederum mit US-amerikanischen Kollegen diskutiert werden, die in der Tradition der seit den 1970er-Jahren entwickelten New American Indian History stehen bzw. diese mitgeprägt haben. Die New American Indian History differenzierte die historischen Darstellungen komplexer Interaktionen und Konflikte zwischen europäischen Siedlern und indigenen Nationen aus, indem sie den Fokus stärker auf den kulturellen und sozialen Einfluss indigener Nationen auf die nicht-indigenen Gesellschaften richtete. Diese Neuorientierung basiert wesentlich auch auf der stärkeren Präsenz von Wissenschaftlern indianischer Herkunft in der Scientific Community. Eine erste und zentrale Fragestellung in der Vorbereitung dieser Konferenz lautete, welchen spezifischen Beitrag denn die Arbeiten deutscher Historiker und Historikerinnen zur aktuellen Debatte in der Native American History leisten könnten. Damit verknüpft war die Frage nach der Genese eigener, europäischer Sichtweisen auf indigene Gesellschaften.

Das Panel I „European Perspectives of Native Americans“ widmete sich deshalb den europäischen Vorstellungen von indigenen Amerikanern, die im deutschsprachigen Raum wohl am stärksten durch das von Karl May kreierte Stereotyp des „Guten Wilden“ in der Gestalt von Winnetou geprägt sind. CHRISTOPH STRUPP (Forschungsstelle für Zeitgeschichte, Hamburg) analysierte in seinem Vortrag „Karl May’s Indians in German Popular Culture“ die Mechanismen einer fast 100 Jahre dauernden Karl-May-Rezeption in der deutschsprachigen Populärkultur. Es war vor allem die frühe geschickte Vermarktung seiner Romane und Romanhelden, die andere Autoren dieses Genres aus dem Kanon fallen ließen. Horst Wendtlands filmische Umsetzung des Schatz im Silbersee (1962), die geschickte Wahl der Hauptdarsteller, der (pseudo-authentischen) Landschaft und des Soundtrack waren, so STRUPP, für den Winnetou-Hype der 1960er- und 1970er-Jahre verantwortlich. Gesteigert wurde der Erfolg durch die Ausstrahlung im Farbfernsehen. Dass das Karl-May-Interesse 1980 zu verebben begann, hatte nach STRUPPS Interpretation damit zu tun, dass es für das Schauspielerduo – Pierre Brice als Winnetou und Lex Barker als Old Shatterhand – keinen adäquaten Ersatz mehr geben konnte. Die beiden hatten sich, mehr als die Romanhelden, in die Vorstellungswelt der deutschen Karl-May-Fans eingeschrieben. WINFRIED FLUCK (JFK-Institut, Freie Universität Berlin) verglich in seinem Vortrag über „German Artists and Native Americans“ die Indianerporträts der beiden amerikanischen Maler Charles Bird King und George Catlin mit jenen des Schweizers Karl Bodmer. Während King die Native Americans als „Edle Wilde“ mit republikanischen Tugenden vor Landschaftshintergrund auf konventionelle Weise porträtierte, transformierte Catlin die Porträtierten zu farbintensiven, ästhetischen Objekten. In Karl Bodmers Bildern hingegen manifestiere sich laut FLUCK die transatlantische Perspektive, da sie die europäische Tradition der Porträtmalerei widerspiegle und deshalb vielmehr indigene Charaktere als Individuen abgebildet habe. Alle behandelten Indianerporträts seien, so FLUCK, keine authentischen ethnographischen Darstellungen, sondern müssten vor dem Hintergrund kunsthistorischer Ästhetik und Tradition betrachtet werden. FRANK USBECK (Universität Leipzig) untersuchte in seinem Vortrag „Germans, Indians, and the Forest: The German Oak as a Link between Cultures“ die Bedeutung des Waldes für die NS-Ideologie und die Art und Weise, wie Mythen vom germanischen, in der Natur verwurzelten Erbe mit umweltschützerischen Aspekten, der NS-Rassen-Seelenkunde, der Interpretation indigener Welten und der Mission der „White Man’s burden“ verquickt wurden.

Im Panel II „Indians on Display – Multinational Perspectives“ wurde nach der musealen Darstellung indigener Gesellschaften, der Anordnung von Artefakten und der Visualisierung von Geschichte gefragt. LARISSA FÖRSTER (Universität Köln) zeigte in ihrem Vortrag „The „Pequot War Theater“: War and Survival on Display in a Museum“ aus europäischer, anthropologischer Perspektive bilderreich die museale Darstellung des Pequot War (1637) durch Mitglieder der indigenen Gemeinschaft in Connecticut. Das an ihr Casino angeschlossene Museum will den Besuchern durch die Hypervisualisierung von Geschichte, unter anderem in Form von Dioramas und Filmen – insbesondere der filmischen Rekonstruktion des Massakers von 1637 – die Lebenswelt der Pequots vor und nach diesem Genozid vor Augen führen.

Durch das Panel III „Continental Perspectives“ wurde der räumliche Bezug um Kanada und am Rande auch um Mexiko erweitert. Während PETRA DOLATA-KREUTZKAMP (King’s College, London) in ihrem Beitrag „Resource Interests and Indigenous Communities in the Arctic since the 1970s – Blessing or Curse?“ zeigte, dass die kanadischen Aborigines keine homogene Gemeinschaft von Naturschützern und damit Partnern von NGO’s wie Greenpeace, sondern eine fragmentierte Gemeinschaft darstellen, weil einige ihrer Gruppen durch ihre Macht über Gasressourcen als wohlhabende Akteure einer kapitalistischen Energiepolitik auftreten, beschrieb HEIKE BUNGERT (Universität Münster) in ihrem Beitrag „An American People in America: Panindian Movements in the Early Twentieth Century“ die politisch integrativen Ziele der Society of American Indians (SCI) und ihr Bemühen um die Konstruktion einer supraindigenen Identität. Die sich als Teil des Progressive Movement verortende Gesellschaft der SCI distanzierte sich von den in Reservaten lebenden indigenen Gruppen. Sie versuchte durch kulturalistische Ansätze (Franz Boas) eine amerikanische Identität zu generieren, die nicht in Opposition zur weißen Gesellschaft der USA stand. Ihre Versuche, sich mit den lateinamerikanischen Indigenismus-Strömungen auszutauschen, scheiterten an den vom SCI divergierenden Konzepten im Süden des Rio Grande.

Die Verbindung der transnationalen, kontinentalen Perspektive mit dem Konzept des „Empire“, wie es von Jürgen Osterhammel, Boris Barth und Herfried Münkler kürzlich redefiniert wurde, bildete die Grundlage für Panel IV „Native Americans and Imperial Visions“. VOLKER DEPKAT (Universität Regensburg) wählte Henry Sargents Gemälde Landing of the Pilgrim_s und Thompkins Harrisons Werk The Last of the Race als visuelle Beispiele für den “Vanishing Indian in the Visual Household of Settler Imperialism”. Er stellte sie Andrew Jacksons Politik des Indian Removal gegenüber, dessen programmatischer Text das Paradigma des Fortschritts und damit verbunden der Unvermeidbarkeit indigenen Verschwindens durch die Expansion der Zivilisation deutlich illustriert. Mit seinem als „Settler Imperialism in the United States and Australia“ betitelten theoretischen Vortrag schlug NORBERT FINZSCH (Universität Köln) eine Neudefinition des Genozid-Begriffes vor. Ausgehend von Cains und Hopkins’ Imperialismusdefinition, in Anlehnung an Michel Foucaults Strategiekonzept sowie Ilya Prigogines, durch die irreversible Thermodynamik, beeinflusste Darstellung offener Systeme stellt er die These auf, dass Genozid die Konsequenz unstabiler Verhältnisse sei und es keiner expliziten Intentionalität bedürfe, um Genozid auszulösen. AKIM D. REINHARDT (University of Maryland at Towson) zeigte in seinem Beitrag „The Changing Nature of Colonialism in Native America“, wie das Nations-Konzept von indianischen Ethnien gegenüber der US-amerikanischen Regierung und gegenüber anderen Ethnien eingesetzt wird. Er ging vom Indian Reorganization Act von 1934 aus, der die Politik eines kolonialistischen, in den Reservaten manifesten Konzeptes beendete und eine „neue Ära“ des indirekten Kolonialismus begründete, in der die indianische Bevölkerung eine Art Junior partnership mit den USA eingehen sollten.

Das Panel V „Narratives and Literature“ gründet auf der Tradition des Münchner Amerika-Instituts, die ausgewählte Thematik auch mit literaturwissenschaftlichen Methoden und Theorien zu beleuchten und literarische Manifestationen historischer Ereignisse in den Kontext einzubeziehen. ALLISON DAVIS-WHITE EYES (Oregon State University) und PHILIPP KNEIS (Universität Potsdam) erklärten in ihrem gemeinsamen Vortrag „Exiled on their own Land“ zunächst die Bedeutung des Erzählens für ethnische und interethnische Identität, zur Tradierung von Gedächtnis und zur Selbst-Ermächtigung, die DAVIS-WHITE EYES und KNEIS am besten durch den Begriff Survivance (Gerald Vizenor) erfasst sehen. Simon Ortiz’ Werk From Sand Creek, die Werke von Sherman Alexie und James Welch manifestieren einerseits die Konstruktionen indigener Nationen und andererseits die Hybridität ihrer Identitäten. Sie fiktionalisieren den Umgang mit dem eigenen Erbe und traumatischen Erfahrungen, versetzen sich in Lebenswelten und historische Erfahrungen anderer Native Americans hinein und reflektieren das Leben außerhalb von Reservaten und die Frage einer möglichen Rückkehr.

Da die fünf Panels vor allem durch die Blickwinkel deutscher Amerikanisten konstituiert waren, haben zwei führende amerikanische Experten der Native American History, DANIEL H. USNER Jr. (Vanderbilt University, Nashville) und R. DAVID EDMUNDS (University of Texas, Dallas) einen Einblick in die state-of-art Forschung in den USA gegeben. EDMUNDS betonte die große Bedeutung der Oral History und mündlich überlieferter Quellen sowohl für die Geschichtswissenschaft wie auch für die Verteidigung indigener Landrechte vor Gericht. Nach seinem Plädoyer, präkolumbische Geschichte stärker im Unterricht der USA zu verankern, forderte er dazu auf, postkoloniale Ansätze im Bereich der Native American History kritisch zu hinterfragen, da sich jede indigene Gemeinschaft als einzigartig und als Nation verstehe. DANIEL H. USNER rekonstruierte anhand zeitgenössischer Quellen die Bedeutung von indigenen Korbwaren in den Haushalten von Louisiana und die Interdependenz von Kultur und Kommerz in indigenen Gesellschaften. Sein Beitrag gab Aufschluss über die Handelsbeziehungen zwischen Native Americans und Weißen sowie über veränderte künstlerische Ausdruckweisen der Flechtarbeiten. Die von ihm zitierten Dokumente manifestierten vor allem die Wertschätzung dieser Objekte durch ihre weißen Sammler, welche diese oftmals als Symbol vergangener kultureller Größe interpretierten. USNER betonte darüber hinaus auch die wichtige Bedeutung des Korbwarenhandels als zusätzliche Einkommensquelle der Native Americans und als Mittel der intertribalen Kultur- und Traditionspflege.

Die Tutzinger Konferenz folgte auch der Tradition, Nachwuchsamerikanisten und– amerikanistinnen in Workshops Raum für die Präsentation ihrer Forschungsgebiete zu geben. Aufgrund der Fülle an spannenden Themenvorschlägen wurden die Workshops diesmal auch als Foren für die Tagungsthematik genützt. Die Konferenz bot ein breites Spektrum von historischen und aktuellen Themen, von neuen methodischen und theoretischen Ansätzen zur Native American History aus deutscher wie US-amerikanischer Perspektive. Kulturelle Selbst- und Fremd-Erfahrungen wurden mit Ergebnissen historischer Forschung verglichen. Stereotypen wurden dekonstruiert und kulturwissenschaftliche Theorien zum Teil hinterfragt. Supranationale, panindianische Zusammenschlüsse kontrastierten mit gegenwärtigen indigenen Positionierungen auf dem wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Feld. Literarische Verarbeitungen spiegelten historische Erfahrungen wider und zeigen einen teils ironischen, postkolonialen Umgang mit indigener Erfahrung, während die Definition und Abgrenzung vom nicht-indigenen Anderen in der Politik – gerade in Fragen von Landrechten – essentiell ist.

Konferenzübersicht:

Panel I: European Perspectives of Native Americans
Chair: Hartmut KEIL, University of Leipzig

Karl May’s Indians in German Popular Culture
Christoph STRUPP, Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg

German Artists and Native Americans
Winfried FLUCK, John-F.-Kennedy-Institut, FU Berlin

Germans, Indians, and the Forest: The German Oak as a Link between Cultures
Frank USBECK, University of Leipzig

Keynote Address
A Place at the Table: Native American History in the 21st Century
R. David EDMUNDS, University of Texas, Dallas

WORKSHOPS:

1. Politics and International Relations
Chairs: Ursula PRUTSCH, LMU Munich, and Michael WALA, University of Bochum
Discussants:
Stefan HEUMANN, Race, Imperialism and Nation-Building: National Integration in the 19th Century United States;
Jens WEGENER, The Carnegie Endowment for International Peace and German-French Reconciliation: Transnational Elite Discourses, 1920-1933;
Nina WEISSER, A Red Threat Looms over Italy – The United States and the Italian Parliamentary Elections of 1976

2. Gender
Chairs: Michael HOCHGESCHWENDER, LMU Munich, and Nadine KLOPFER, John-F.-Kennedy- Institut, FU Berlin
Discussants:
Lüder TIETZ, Two-Spirit: Queer Self-Concepts in Indigenous North America;
Patricia WIEGMANN, Gender and Nationalism in the “Black Atlantic”;
Jane PREUSS, Lesbian Identity Construction in “The Ladder”, 1956-60

3. Native American Society and Culture
Chairs: Christof MAUCH and Britta WALDSCHMIDT-NELSON, LMU Munich
Discussants:
Anne GROB, The Emergence and Evolution of Tribal Colleges;
Marin TRENK, Indians Eating Sauerkraut – Native American Cuisine (as seen by the Moravian Brethren)

Panel II: Indians on Display – Multinational Perspectives
Chair: Philipp GASSERT, German Historical Institute Washington D.C.

The “Pequot War Theater”: War and Survival on Display in a Museum
Larissa FÖRSTER, University of Cologne

Panel III: Continental Perspectives
Chair: Britta Waldschmidt-Nelson, LMU Munich

“An American People in America”: Panindian Movements in the Early Twentieth Century
Heike BUNGERT, University of Münster

Resource Interests and Indigenous Communities in the Arctic since the 1970s – Blessing or Curse?
Petra DOLATA-KREUTZKAMP, King’s College, London

Panel IV: Native Americans and Imperial Visions
Chair: Ursula LEHMKUHL, John-F.-Kennedy-Institut, FU Berlin

The Vanishing Indian in the Visual Household of Settler Imperialism
Volker DEPKAT, University of Regensburg

Settler Imperialism in the United States and Australia
Norbert FINZSCH, University of Cologne

The Changing Nature of Colonialism in Native America
Akim D. REINHARDT, University of Maryland at Towson

Panel V: Narratives and Literature
Chair: Berndt OSTENDORF, LMU Munich

Exiled on Their Own Land
Allison DAVIS-WHITE EYES, Oregon State University
Philipp KNEIS, Potsdam University/Humboldt University Berlin

Final Paper:
Identity and Authenticity: American Indian Basket Makers in the New South
Daniel H. USNER, Jr., Vanderbilt University


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