Die wissenschaftliche Selbstbeschreibung der sozialistischen Gesellschaft: Soziologie und Ethnologie/Ethnografie in Ostmittel- und Südosteuropa 1945-1989

Die wissenschaftliche Selbstbeschreibung der sozialistischen Gesellschaft: Soziologie und Ethnologie/Ethnografie in Ostmittel- und Südosteuropa 1945-1989

Organisatoren
Collegium Carolinum
Ort
Bad Wiessee
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.11.2008 - 23.11.2008
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Von
Jan Arend, München

Der Themenkomplex „Wissenschaft im Staatssozialismus“ kann von großem Interesse für eine Historiografie der sozialistischen Systeme sein, wenn die vielfältigen, für diese Systeme spezifischen Verschränkungen von Politik, Gesellschaft und Wissenschaft in den Blick kommen. Besonders aufschlussreich ist dabei eine Beschäftigung mit der Geschichte derjenigen Disziplinen, welche die historische und gegenwartsorientierte Selbstbeschreibung einer Gesellschaft leisten, allen voran der Soziologie, aber auch der Ethnografie und Ethnologie. Wie verständigt sich ein Sozium wissenschaftlich über seine kulturelle und soziale Identität? Und wie leisteten Sozialwissenschaften gesellschaftliche Selbstbeschreibung im Rahmen von autoritären Systemen, die sich die grundlegende Umgestaltung sozialer Verhältnisse auf die Fahnen geschrieben hatten? In welchem Verhältnis standen Sozialwissenschaften zu einer Ideologie, die sich selbst als „wissenschaftlich“ verstand?

Die hier skizzierten Fragestellungen bildeten den inhaltlichen Rahmen der Jahrestagung des Collegium Carolinum 2008, die von Claudia Kraft (Erfurt), Ulf Brunnbauer (Regensburg) und Martin Schulze Wessel (München) konzipiert worden war und vom 20. bis 23. November 2008 in Bad Wiessee Wissenschaftler aus Mittel- und Osteuropa, Deutschland und den USA zum wissenschaftlichen Austausch zusammenbrachte.

In seinem Einstiegsreferat gab MICHAEL VOŘÍŠEK (Florenz, Prag) am Beispiel der Fachgeschichte der Soziologie im sozialistischen Europa wichtige konzeptionelle Anregungen zum Umgang mit der Tagungsthematik. Er kritisierte ein in der Historiografie verbreitetes Narrativ, das auf einer dichotomen Gegenüberstellung von „Ideologie“/„Regime“ einerseits und „Wissenschaft“ andererseits basiere. Zwar lasse sich ein solcher Antagonismus teilweise tatsächlich nachweisen, doch gebe es auch Beispiele für ein Mit- und Nebeneinander. Vielversprechender als von einem gegebenen Unterwerfungsverhältnis auszugehen sei es, jeweils die spezifischen modi vivendi, welche sich zwischen Wissenschaft und Politik einspielten, zu untersuchen. Eine Überwindung der herkömmlichen Narrative und ihrer problematischen binären Setzungen (Wissenschaft versus Ideologie, Wissenschaftler versus Regime, Westen versus Osten) könne mithin durch einen Perspektivenwechsel gelingen: Statt in eine Reproduktion der – oft den erwähnten Narrativen folgenden – Selbstbeschreibung historischer Akteure zu verfallen, sollte die Forschung vermehrt die wissenschaftliche Praxis im institutionellen und beruflich-persönlichen Alltag in den Blick nehmen.

Mehrere Referenten stellten länderspezifische Aspekte der Fachgeschichte der Soziologie bzw. Ethnologie/Ethnografie vor. Deutlich wurden dabei nicht nur die jeweiligen wissenschaftlichen Traditionen und Rezeptionsbedingungen für das sowjetische Gesellschafts- und Wissenschaftsmodell, sondern auch, dass fachgeschichtlicher Wandel nicht reflexartig auf gesellschaftliche Bedingungen zurückgeführt werden sollte, sondern immer auch als wissenschaftsimmanenter Prozess gedacht werden muss.

MICHAŁ BUCHOWSKI (Poznań/Posen, Frankfurt/Oder) skizzierte die theoretische und methodische Entwicklung der Ethnologie in der polnischen Volksrepublik. In den ersten Nachkriegsjahrzehnten habe hier ein positivistisch geprägtes, ethnografisches Interesse für die bäuerliche Welt dominiert: Angesichts der ebenso unvermeidlichen wie erwünschten sozialistischen Modernisierung sollte eine traditionale, dem Untergang geweihte Lebenswelt dokumentarisch erfasst werden. Doch dieser Ansatz war auch von ideologischen Ambivalenzen geprägt: Zwar sollte das alte bäuerliche Polen mit seiner Volkskultur in der sozialistischen Transformation notwendigerweise verschwinden, doch zugleich sah man in den bäuerlichen Traditionen auch die Wurzeln der Kultur eines künftigen „Arbeitervolkes“. Die zeitgenössische Ethnografie versuchte, diese widersprüchlichen Vorgaben in Einklang zu bringen, indem sie einzelne „rationale“ Elemente der traditionellen Lebensweise als fortschrittlich und nützlich darstellte, während andere, „rückständige“ Bräuche ausdrücklich nur noch im Sinne einer Musealisierung dokumentiert wurden. Diese Ambivalenzen boten jedoch auch Raum für alternative, weniger konforme Deutungsweisen der Tradition: So schwangen in den ethnografischen Schriften der Zeit durchaus auch rückwärtsgewandt-romantisierende und nationale Töne mit, wenn auch meist nur unterschwellig.

In den 1970er-Jahren erfolgte dann ein Paradigmenwechsel vom ethnografisch-positivistischen Zugang hin zu einer kulturtheoretisch informierten Sozialanthropologie. Laut Buchowski ist dieser Wandel weniger mit einer Veränderung politischer Rahmenbedingungen als mit innerakademischen Entwicklungen (Generationenwechsel) und der Rezeption von Innovationen aus dem westlichen Ausland zu erklären. Wichtig ist insbesondere Buchowskis Befund, dass hier lange vor dem Zusammenbruch des Staatssozialismus eine innerwissenschaftliche Entwicklung möglich war und insofern insbesondere für den polnischen Fall die These von einer vollständig dogmatisierten und erstarrten Sozialwissenschaft revidiert werden muss.

Auch KLÁRA KUTI (Pécs) thematisierte am ungarischen Beispiel Ambivalenzen im ethnografischen Diskurs. Sie zeigte, dass die historisierende Darstellung einer vermeintlich dem Untergang geweihten bäuerlichen Volkskultur offen für unterschiedliche Lesarten war und sowohl als sozialistische Erzählung von der ersehnten und historisch notwendigen Modernisierung als auch als Darstellung eines nationalen Erbes verstanden werden konnte. In letzterer Interpretation funktionierte die Ethnografie als Teil eines nationalen Gedächtnisses, welches in der Umbruchszeit Ende der 1980er-Jahre ein großes gesellschaftliches Mobilisierungspotential entfalten sollte.

BLANKA KOFFER (Berlin) und GABRIELA KILIÁNOVÁ (Bratislava) analysierten die Entwicklung der Ethnografie/Ethnologie in der ČS(S)R. Koffer machte deutlich, dass die Periodisierung der Fachgeschichte hier anders ausfallen muss als in anderen ostmitteleuropäischen Ländern. Markierten etwa in Polen die 1970er-Jahre eine methodische Öffnung gegenüber westlichen Ansätzen, wurde in der ČSSR im Zeichen der „Normalisierung“ unter Gustav Husák die Disziplin auf einen linientreuen Kurs eingeschworen. Koffer argumentierte, dass aus fachgeschichtlicher Perspektive die Umbrüche von 1948 und 1970/71 unterschiedlich bewertet werden müssen. Zwar habe nach 1948 zunächst eine Orientierung an sowjetischen Vorbildern vorgeherrscht, zugleich aber sei es der tschechoslowakischen Ethnografie während der 1950er- und 1960er-Jahre möglich gewesen, sich für Impulse aus dem nichtsozialistischen Ausland zu öffnen. Neben einem intensiven blockinternen Wissenstransfer etablierte sich auch hier eine Rezeption der angelsächsischen Sozial- und Kulturanthropologie. Die blockübergreifend internationale Ausrichtung der tschechoslowakischen Ethnografie lässt sich etwa an der Frequenz der Kongress- und Tagungsreisen ins westliche Ausland und an den ausgeprägten Fremdsprachenkenntnissen der Wissenschaftler ablesen. Die 1970/71 einsetzende politische Repression der Wissenschaft hatte – anders als die Zäsur von 1948 – für die Volkskunde eine langfristige dogmatische Verhärtung zur Folge, die sich in einem Verzicht auf theoretische und methodische Experimente und einer Dominanz des deskriptiven Paradigmas äußerte. Erst Ende der 1980er-Jahre setzte hier ein Wandel ein.

JAROSLAV OTČENÁŠEKs (Prag) Beitrag illustrierte die Entwicklung der tschechoslowakischen Ethnologie am Beispiel des disziplinären Umgangs mit der belastenden Thematik der nach den Vertreibungen der Nachkriegszeit in der Tschechoslowakei verbliebenen Deutschen. Nur in der liberaleren Phase in den späten 1960er-Jahren sowie gegen Ende der sozialistischen Periode galt die deutsche Minderheit als legitimer Gegenstand für ethnografische Untersuchungen. JANA NOSKOVÁ (Brno/Brünn) ging auf die ethnografische Erforschung des böhmischen Grenzlandes in den 1980er-Jahren ein. In der Beschreibung dieser nach 1945 – unter anderem von remigrierenden Tschechen aus Wolhynien – neu besiedelten Gebiete als „Laboratorium“ sozialer und „ethnischer“ Prozesse, die in Richtung einer sozialistischen Gesellschaft führen sollten, habe sich die enge und durchaus gesuchte Anbindung der tschechoslowakischen Ethnologie an die sozialistische Nationalitätenpolitik Prags ausgedrückt. Eine Nähe zur politischen Praxis kennzeichnete laut HANA HAVELKOVÁ (Prag) auch die tschechoslowakische Geschlechterforschung, deren durchaus fortschrittliche Vorgaben (Emanzipationsparadigma) in eine paternalistisch-technokratische Geschlechterpolitik übersetzt wurden.

ZDENĚK NEŠPOR (Prag) und ONDŘEJ MATĚJKA (Genf, Prag) widmeten sich in ihren fachgeschichtlichen Beiträgen der Entwicklung der Religionssoziologie in der ČS(S)R. Diese Disziplin verdient besondere Beachtung, stand doch aus sozialistischer Perspektive die Legitimität ihres Gegenstandsbereiches ständig in Zweifel. Nach der kommunistischen Machtübernahme 1948 wurde die Religionssoziologie – wie übrigens die als „bourgeois“ diffamierte Soziologie als Ganzes – als Fach abgeschafft. Als jedoch im Laufe der 1950er-Jahre zunehmend deutlich wurde, dass Religiosität auch im tschechoslowakischen Sozialismus ein relevantes gesellschaftliches Phänomen war, ging man zu einer pragmatischen Duldung religionssoziologischer Forschung über. Die Religionssoziologie sollte dabei nicht zuletzt die Ursachen für die anhaltende Attraktivität religiöser Lebensentwürfe offen legen, um so der staatlichen antireligiösen Politik Informationen zu liefern. So entstand in den 1960er-Jahren rund um Erika Kadlecová und Ivan Sviták an der tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften eine Gruppe von Religionssoziologen, die eng mit der Kommunistischen Partei zusammenarbeitete. Matějka thematisierte die biografische Spannung, die aus der Stellung dieser Forscher „zwischen Praxis und Wissenschaft“ resultierte: Die Eingebundenheit in die Regimepolitik einerseits und ein wissenschaftlich-kritisches Ethos andererseits konnten als konfligierende Momente erlebt werden. Die Politik der „Normalisierung“ schließlich brachte die erneute institutionelle Liquidierung der tschechischen Religionssoziologie.

LIBORA OATES-INDRUCHOVÁ (Budapest) beschäftigte sich eingehender mit der ideologischen Regulierung der Sozialwissenschaften in dieser repressiven Phase. Ausgehend von der These, dass während der „Normalisierung“ der autoritative ideologische Diskurs dem wissenschaftlichen Sprechen und Schreiben enge Grenzen setzte, arbeitete sie die persönlichen Strategien heraus, mit denen Wissenschaftler in dieser Situation ihr berufliches Überleben sicherten, sich aber auch Handlungs- und Deutungsspielräume schaffen konnten. Diese konnten von der Beschäftigung mit politisch unverfänglichen Nischenthemen bis hin zur Selbstzensur reichen. Viele Wissenschaftler bewegten sich mit ihrem Schaffen charakteristischerweise in einer „Grauzone“ zwischen Affirmation des Regimes und Dissidenz.

Auf die Entwicklung der Soziologie im sozialistischen Rumänien ging CALIN NICOLAE COTOI (Bukarest) ein. Er betonte die fachlichen Kontinuitäten, die zur rumänischen Soziologie der Zwischenkriegszeit – und dabei insbesondere zum Werk Dimitrie Gustis – bestanden. Anknüpfend an die Vorstellungen Gustis sollte die Soziologie den rumänischnationalen Weg in die Moderne mitsteuern, womit seit den späten 1960er-Jahren immer auch „Nationalkommunismus“ gemeint war. Wissenschaftliche Selbstbeschreibung bedeutete hier also die Objektivierung eines rumänischen Sonderwegs innerhalb des sozialistischen Blocks.

Zu einem ähnlichen Befund kam MLADEN LAZIC (Belgrad) mit Bezug auf die jugoslawische Soziologie. Auch hier trugen die Sozialwissenschaften zur Legitimierung des Abweichens vom sowjetischen Gesellschaftsmodell bei. Dabei bestand unter dem Deckmantel eines orthodoxen Marxismus durchaus ein gewisser Methodenpluralismus. So argumentierte etwa eine „marxistisch-humanistische“ Strömung mit dem „jungen Marx“. Daneben gab es auch eine funktionalistisch-positivistische Denkschule in der Soziologie.

Dem transfergeschichtlichen Aspekt der Tagungsthematik widmeten sich MIHÁLY SÁRKÁNY (Budapest) und CALIN GOINA (Los Angeles). Sárkány schilderte mit Bezug auf eigene berufliche Erfahrungen aus den 1970er- und 1980er-Jahren in Ungarn die wissenschaftlichen Kontakte zwischen einheimischen Ethnografen und westlichen Sozialanthropologen, die die ländliche Kultur Ungarns und ihre sozialistische Transformation erforschten. Er zeichnete ihre zum Teil enge und auch in Methodentransfers resultierende Zusammenarbeit nach, wies aber andererseits auf Begrenzungen des Austausches hin, die sich etwa aus unterschiedlichen disziplinären Hintergründen (Ethnografie versus Sozialanthropologie) ergaben. Die Prägekraft unterschiedlicher Fachkulturen betonte auch Calin Goina, der für das Rumänien der 1970er-Jahre zwar durchaus eine hohe Kontaktdichte zwischen rumänischen Ethnografen und westlichen Gastwissenschaftlern nachwies, jedoch wenig Theorie- und Methodentransfers feststellen konnte.

STÉPHANE VOELL (Marburg), NIKOLAI VUKOV (Sofia) und ILIA ILIEV (Sofia) fragten in ihren Beiträgen nach neuen Sichtweisen der „Tradition“: Wie wurde kulturelles Erbe in sozialistischer Zeit wissenschaftlich beschrieben? Voell analysierte die albanische Ethnografie zum nordalbanischen Gewohnheitsrecht „Kanun“ und konnte zeigen, wie sich im ethnografischen Diskurs nationale und sozialistische Argumentationsmuster verbanden. Daraus resultierte eine ambivalente Wertung des Kanun, der zuweilen als rückständig und primitiv verteufelt, zuweilen als Grundlage der sozialistischen Volkskultur Albaniens mythisiert wurde. Vukov befasste sich mit Konzeptualisierungen des „Volkes“ und der „Volkskultur“ in der bulgarischen Ethnografie und zeigte, wie ein ideologisch-diskursiver Rahmen das Beschreiben von Volkskultur leitend begrenzte, um zugleich gewisse Deutungsspielräume zu belassen. Die Interpretation der Folklore als Ausdruck „jahrhundertealter demokratischer Traditionen“ macht die Einbettung dieser Ethnografie in den ideologischen Diskurs deutlich. Dass die Möglichkeit des Aushandelns von interpretativen Spielräumen auch an die Stellung prominenter Einzelner im System gebunden sein konnte, demonstrierte Vukov am Beispiel des Ethnografen Todor Ivanov Živkov, der wissenschaftlich relativ selbstbestimmte Wege gehen konnte, nachdem er Loyalitätsbeweise erbracht hatte.

Ebenfalls anhand Živkovs Forschungen zur Volkskultur zeigte Ilia Iliev, wie in der bulgarischen Volkskunde in den 1970er- und 1980er-Jahren eine vorsichtige Umdeutung des Kollektivbegriffs gegenüber dem sowjetischen Vorbild erfolgte. In Živkovs Arbeiten wurde der Kollektivbegriff zunehmend pluralisiert, Führungspersönlichkeiten spielten – anders als in der zeitgleich gängigen sowjetischen Forschungskonzeption – eine untergeordnete Rolle. Iliev stellte die These auf, dass diese semantischen Verschiebungen im wissenschaftlichen Kollektivbegriff in Bulgarien auch politisch ein vorsichtiges Abweichen vom sowjetischen Kurs widerspiegelten und insbesondere auf Dezentralisierungstendenzen in der bulgarischen Wirtschaft verwiesen.

Das Collegium Carolinum hat mit dieser Tagung seine vor einigen Jahren begonnene Auseinandersetzung mit Wissenschaftsgeschichte als einem wichtigen Bereich einer erweiterten Sozialismusforschung fortgesetzt. Im übernationalen Vergleich wurden dabei einige Grundmuster „sozialistischer“ Soziologie und Ethnologie/Ethnografie sehr deutlich – wie zum Beispiel das Bemühen um eine wissenschaftliche Konzeptualisierung des „Volkes“, in der Elemente „traditioneller Lebensweise“ und des „modernen Kollektivs“ zu wirkungsmächtigen Vorstellungen von den Grundlagen sozialistischer Gesellschaften verschmolzen wurden. Sichtbar wurde auch das große Potential, das in akteursorientierten, etwa biografischen und alltagsgeschichtlichen Studien liegt: Eine ganze Reihe von Beiträgen zeigte Wissenschaftler in ihrem beruflichen Alltag zwischen Theorie und (politischer) Praxis, deren Lebenswege ein Licht auf das spannungsreiche Neben-, Mit- und Gegeneinander von Wissenschaft und Politik im Staatssozialismus werfen. Gerade für den Vergleich hätten jedoch die Rezeptionsbedingungen, auf die das sowjetische Wissenschaftsmodell nach 1948 in den verschiedenen Ländern Ostmittel- und Südosteuropas stieß, noch schärfer herausgearbeitet werden können. In einem weiteren Schritt wäre es wünschenswert, auch die Bezüge zur westeuropäischen und angelsächsischen Forschung im Sinne einer vergleichenden Transfergeschichte länderspezifisch zu kontrastieren.

Konferenzübersicht:

Begrüßung: Martin Schulze Wessel
Soziologie und Ethnologie im Staatssozialismus
Moderation: Martin Schulze Wessel

Michael Voříšek: Sociology in Soviet Europe: Perspectives on the Historiography of Sociology and its Problems

Michal Buchowski: Polish Ethnology in Late Socialism: From Ethnography towards Socio-Cultural Anthropology

Klára Kuti: Ungarische Ethnographie: wissenschaftlicher Diskurs über die Nation und/oder über die sozialistische Gesellschaft?

Wissenschaftliche Selbstbeschreibung und ideologische Steuerung
Moderation: Pavel Kolář

Ondřej Matějka: „Wir sind mit Euch, kommt mit uns!” Die tschechische Religionssoziologie in den 1960er-Jahren

Libora Oates-Indruchová: Ideological Regulation of Social Sciences during Czech Normalization (1969-1989)

Jaroslav Otčenášek: Auf Messers Schneide – die tschechische Ethnologie und die böhmischen Deutschen/Sudetendeutschen in den Jahren 1953-1989

Mladen Lazic: Sociology in Yugoslavia: Difficult Transformation of Ideology into Social Science

Die Deutung der sozialistischen Transformation
Moderation: Joachim von Puttkamer

Calin Nicolae Cotoi: The Avatars of Sociology and Modernization in Socialist/National-Communist Romania

Mihály Sárkány: Social Anthropologists on the Hungarian Countryside in the 1970s and 1980s

Jana Nosková: „Das Laboratorium” für schwierige gesellschaftliche Prozesse einer entstehenden neuen Gesellschaft”. Zu den Forschungen über die Neubesiedlung des Grenzlandes der böhmischen Länder aus den 1980er-Jahren.

Neue Sichtweisen der „Tradition“
Moderation: Ulf Brunnbauer

Nikolai Vukov: Conceptualizing Folklore, “Disciplining” the Folk: Folklore Studies and Political Embeddedness in Socialist Bulgaria

Stéphane Voell: „… denn darum, wie um eine Achse, drehte sich fast alles andere“. Das nordalbanische Gewohnheitsrecht ‚Kanun‘ in der albanischen Ethnologie im Sozialismus

Ilia Iliev: Rethinking the Traditional Collectivities in Socialist Bulgaria (1970s-1980s)

Zdeněk R. Nešpor: Tschechische Religionssoziologie im kommunistischen Regime 1948-1989

Methodische Innovation und Transfers
Moderation: Claudia Kraft

Hana Havelková: (Ein)gebundenes Geschlecht: soziologische Behandlung der Geschlechterfragen ohne Geschlechterzugang

Gabriela Kilianová: New methodology? Ethnology in Slovakia in the Socialism

Calin Goina: A Tale of two Stories: Ethnographic Encounters between East and West

Blanka Koffer: Ethnographie in der ČSSR: Verwissenschaftlichung durch Sowjetisierung?


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