Ces Chers Voisins. Benelux, Deutschland und Frankreich im 19. und 20. Jahrhundert

Ces Chers Voisins. Benelux, Deutschland und Frankreich im 19. und 20. Jahrhundert

Organisatoren
Historisches Seminar II der Universität zu Köln; Staatskanzlei NRW; Université Robert Schuman Strasbourg; Université catholique de Louvain
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.11.2008 - 21.11.2008
Url der Konferenzwebsite
Von
Jens Ruppenthal, Jürgen Nielsen-Sikora, Universität zu Köln

Ziel dieser Konferenz war es, die besonderen Beziehungen der Benelux-Staaten im Spannungsfeld der deutsch-französischen Beziehungen im 19. und im 20. Jahrhundert aus politischer, ökonomischer, rechtlicher und kultureller Perspektive zu untersuchen. Diese Konferenz schloss eine Serie von vorangegangenen Tagungen ab. Auf ihr sollte das Thema nun in seiner ganzen Breite und Tiefe untersucht und so ein Ausgangspunkt für künftige vertiefende wissenschaftliche Studien bestimmt werden. Der Titel „Benelux, Deutschland und Frankreich im 19. und 20. Jahrhundert“ sollte im Rahmen der bestehenden Konferenzreihe „Ces Chers Voisins“ einen speziellen Schwerpunkt auf die Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen, Frankreich und den Benelux-Staaten legen. Ziel des Kongresses war es, die Zusammengehörigkeit dieses Großraumes in Europa zu betonen. Zugleich war der Kongress Bestandteil des Frankreich-Nordrhein-Westfalen-Jahres 2008/2009.

Die Tagung „Ces chers Voisins“ wurde durch Bürgermeister JOSEF MÜLLER eröffnet. Müller sagte, Köln sei eine europäische und weltoffene Stadt. Durch ihren einstigen Oberbürgermeister Konrad Adenauer, einer der Väter des europäischen Einigungsprozesses, sei die Stadt als Veranstaltungsort für eine solche Tagung prädestiniert. Die Konferenz könne dazu beitragen, die Beziehungen zu den Partnerstädten in den Benelux-Ländern und Frankreich zu vertiefen. Analog dazu betonte der Prorektor der Universität zu Köln, HORST SCHELLHAAß, die hervorragend funktionierende Zusammenarbeit zwischen Stadt und Hochschule.

In seiner Einführung in das Thema skizzierte der Organisator JÜRGEN ELVERT Geschichte und Gegenwart jenes europäischen „Raumes“, der im Fokus der Veranstaltung stand: Deutschland, Frankreich, Benelux. Diesen Raum verbinde eine lange, gemeinsame Geschichte. Ausgehend von den ökonomischen Handlungen der Hansestädte im Mittelalter über die Ausprägung einer gemeinsamen europäischen Denkweise im 16. Jahrhundert bis hin zur Herausbildung des modernen europäischen Staatensystems im 19. Jahrhundert haben sich die ehemals verschiedenen Interessen der fünf Staaten zu einem immer stärker ausgeprägtem Gemeinschaftsinteresse verdichtet. Im 19. Jahrhundert sei es im Zuge der erstarkenden und in Rivalität stehenden Nationalstaaten zu einem europäischen Mächtegerangel gekommen, das schließlich in zwei Weltkriegen mündete. Dank den „Vätern Europas“ konnten jedoch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erste Annäherungen und im weiteren Verlaufe ein immer weiter voranschreitendes Zusammenwachsen innerhalb dieses Raumes initiiert werden.

MARK GELEYN, Botschafter des Königreichs Belgien in Berlin, glaubte, die Benelux-Staaten wirkten auf den ersten Blick „wie eine alte Tante“, die nicht mehr gebraucht werde und längst von der EU überholt worden sei. Trotz bilateraler Konflikte in jüngster Zeit hätten sich Luxemburg, Belgien und die Niederlande entschlossen, den Benelux-Vertrag zu erneuern. Damit gehe jedoch keine Abwendung vom Nachbarn Deutschland einher, sei man doch in Belgien vielmehr „froh über die deutsche Politik“, die die europäische Politik ernst nehme und gerade die Beziehungen zu den kleineren Nachbarländern zunehmend höher bewerte.

Seine luxemburgische Amtskollegin MARTINE SCHOMMER griff diesen Aspekt auf. Trotz der Größe Luxemburgs engagiere und behaupte sich Luxemburg innerhalb der Gemeinschaft. Es zeichne sich als bedeutendes Finanzzentrum und durch den Sitz mehrerer europäischer Behörden auch als internationales Verwaltungszentrum aus. Innerhalb der Geschichte des europäischen Einigungswerkes habe Luxemburg als einer der sechs Gründerstaaten die Entwicklung und Ausgestaltung der Europäischen Einigung maßgeblich mitgestaltet und zum Europäischen Frieden, zu Wohlstand und Wachstum beigetragen.

Der Generalkonsul der Republik Frankreich in Düsseldorf, GILLES THIBAULT, plädierte ebenfalls dafür, nahe liegende geographische Zusammenhänge nicht aus den Augen zu verlieren, auch wenn andere Diskussionen wie die um die zunehmende Bedeutung Chinas in der Welt stets die „Faszination des Neuen“ in sich trügen. Besonders dem Dreieck Benelux-Frankreich-Deutschland, auf dessen Territorium in der Vergangenheit so viele Grausamkeiten begangen wurden, komme die wichtige, politische Funktion zu, die Besinnung auf „die einzige Macht, die wirklich zählt“, nämlich die gemeinsame Macht, zu fördern. Dementsprechend sollten gemeinsame Erfolge wie der vermittelnde Einfluss nach dem Krieg in Georgien im Sommer dieses Jahres oder das vereinte Auftreten in der gegenwärtigen Finanzkrise dazu genutzt werden, die „Lust an Europa zu schüren“.

Abschließend hob ROB DE LEEUW, Generalkonsul des Königreichs der Niederlande in Düsseldorf, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen als besonders wichtig und intensiv hervor. So spiele vor allem der Exporthandel zwischen den beiden „Ländern“ eine große Rolle. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland, insbesondere NRW, und den Niederlanden funktionierten so gut, da beide über ähnlich strukturierte Wirtschaftsordnungen verfügten.

GENEVIÈVE DUCHENNE kehrte mit ihrem Vortrag zu den Wurzeln des europäischen Engagements in der Region Frankreich-Belgien zurück und gab zu bedenken, dass das europäische Projekt bereits in der Zwischenkriegszeit zahlreiche europäische Initiativen angestoßen habe, obwohl der Einigungsprozess erst in den 1950er-Jahren konkrete Konturen aufzuweisen hatte. Zu den Intellektuellen, die bereits zwischen 1919 und 1939 europäischen Plänen nachgingen, gehörten auch einige der belgischen Gründungsväter der EGKS, unter ihnen Paul-Henri Spaak, Paul van Zeeland und Emile Vandervelde. Dem europäischen Anliegen korrespondierte jedoch die Tatsache, dass von einer stärkeren wirtschaftlichen und politischen Öffnung der Staaten in der Zwischenkriegszeit noch nicht gesprochen werden konnte. Eine solche verwirklichte sich in der Tat erst nach 1945.

CORINNA FRANZ widmete sich Konrad Adenauers Überlegungen zu Europa als Kölner Oberbürgermeister. Sie stellte heraus, dass „Europa“ bereits ein Leitgedanke in seiner Zeit als Kölner Oberbürgermeister war. Obwohl sein Blick auf die Entwicklungen in Deutschland und Europa in den 1920er-Jahren eher pessimistisch waren, sah er insbesondere in seiner Heimatstadt die Nahtstelle der Verständigung und Versöhnung, die durch die Neugründung der Universität im Jahre 1919 unterstrichen werden sollte. Auch in den Beziehungen zu Frankreich, so Franz, sah Adenauer eine Schlüsselfunktion für ein gemeinsames Europa. Vor der Folie der Grenzstreitigkeiten jener Jahre zwischen den beiden benachbarten Staaten schien dieser Beziehung in der Tat eine herausragende Bedeutung zuzukommen. Adenauer dachte in diesem Zusammenhang bereits früh eine wirtschaftliche Verflechtung an. Sein europäisches Denken in wirtschaftlichen Dimensionen war darüber hinaus eingespannt in die Kooperation mit Unternehmern aus dem Kölner Umland.

GEORGI VERBEEK fokussierte die langen Schatten des Zweiten Weltkriegs in Belgien und zeigte, dass die deutsch-belgischen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg weitaus entspannter und insgesamt auf dem Wege der Normalisierung waren. Ein reges Forschungsinteresse an diesem Tatbestand ließ sich jedoch nicht verzeichnen. Im Vordergrund standen vielmehr die belgische Nationalitätenproblematik und der Umgang mit den Kollaborateuren. Der innerbelgische Identifikationsprozess sei zudem eine starke Belastung für Belgien gewesen und habe maßgeblichen Einfluss auf das belgische Föderalismusmodell gehabt. Schließlich spaltete die „Königsfrage“ das Land und führte zu einer Art Don Quijoterie der belgischen Verhältnisse. Einigkeit bestand jedoch weitestgehend über die Wahrnehmung vom und die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Hier zeichneten sich allenthalben im Hinblick auf die wissenschaftliche Behandlung der „Vergangenheitsbewältigung“ Probleme ab.

In seinem Abendvortrag zeichnete Kulturstaatssekretär THOMAS GROßE-BROCKHOFF die Rolle NRWs als Bindeglied und politischer Mitgestalter der Region in einem zusehends zusammenwachsenden Europas nach. Dabei griff er nicht nur auf die historische Rolle der Region zurück, sondern betonte, dass die politische Verflechtung zwischen den Staaten heute enger denn je sei. An dieser Stelle hob er vor allem den belgischen Opern- und Theaterintendant und einstigen künstlerischen Leiter der Salzburger Festspiele Gerard Mortier sowie den derzeitigen Intendanten der Kölner Philharmonie Louwrens Langevoort, der ebenso wie Mortier bereits die Salzburger Festspiele leitete, hervor, und sprach von einer transnationalen Gesellschaftsverflechtung, die beide in ihrer Person paradigmatisch zum Ausdruck brächten. NRW käme in diesem Zusammenhang eine Drehscheibenfunktion zu, so Große-Brockhoff. Die Verpflichtung auf Kultur reiche jedoch in alle europäischen Regionen hinein. Europa wäre Anspruch und Wirklichkeit. Gerade in jenen Zeiten, in denen der deutsch-französische Motor ins Stocken geriete, müsse man sich dies wieder vor Augen führen. Auch spiele die Vertrautheit mit der Kultur des Nachbarlandes eine entscheidende Rolle und habe Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen. Es gelte, so Große-Brockhoff, in Zukunft neue Formen einer europäischen Großregion anzudenken.

WILFRIED LOTH akzentuierte die Bundesrepublik Deutschland und ihre Politik gegenüber den Benelux-Staaten und Frankreich. Er betrachtete die Entwicklung der Dreiecksbeziehungen von Benelux, Frankreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Dach der europäischen Integration aus der Perspektive der deutschen Politik. Hinsichtlich der deutschen Außenpolitik bemerkte Loth eine klare Abstufung, in der Frankreich an erster Stelle stehe; erst dahinter träten die Beziehungen zu den Benelux-Staaten hervor. Zielsetzung gegenüber Frankreich waren seit den 1950er-Jahren die Verbesserung und Stabilisierung der Beziehungen. Der Weg dahin führte über die Gründung einer gemeinsamen europäischen Dachorganisation. Die Rolle der Benelux-Staaten im europäischen Einigungsprozess interpretierte Loth nicht nur als Vermittlerrolle. Vielmehr kann Benelux als eine „organisatorische Macht“ bezeichnet werden, die durchaus gestaltend in die Integration eingriff. So betrieben die Benelux-Staaten eine aktive Politik für die „Römischen Verträge“. Stets blieb ihre Politik jedoch personenabhängig. Dies betrifft nicht zuletzt die erhebliche Vergrößerung des deutschen Staatsgebietes durch die Wiedervereinigung im Jahr 1990, die in Frankreich und den Benelux-Staaten alte Ängste weckte. Die Zugeständnisse des deutschen Bundeskanzlers Kohl bezüglich der europäischen Währungsunion können, so Loth, als Absichtserklärung, sich zumindest mittelfristig aktiv am europäischen Einigungsprozess zu beteiligen, verstanden werden.

„Kultur und Zivilisation üben einen großen Einfluss auf den Integrationsprozess aus“, konstatierte Sektionsleiter MICHEL DUMOULIN zu Beginn seines Impulsreferats im Hinblick auf noch immer vorherrschende Stereotype bzw. Vorurteile und Feindbilder, welche die Dreiecksbeziehungen Frankreich – Deutschland – Benelux gegenwärtig belasten. Insbesondere die Erfahrungen der beiden Weltkriege spielten diesbezüglich eine große Rolle, so Dumoulin. Immer wieder verdeutlichten die spannungsreichen Nachbarschaftsverhältnisse die Grenzen gegenwärtiger europäischer Zusammenarbeit. Ein Phänomen, das im Kontext von Migration aktuell besondere Relevanz erlange.

NATASCHA WITTORSKI thematisierte „Paul-Henri Spaak et la construction européenne dans la caricature politique, Juin 1955–May 1957“. Ausgangspunkt ihrer Untersuchung stellte die Konferenz von Messina dar. Dabei galt es zum einen, bestehende Konstanten in Bezug auf die karikaturistische Darstellung Spaaks, andererseits die chronologische Illustration von Ereignissen in Betracht zu ziehen. In diesem Kontext analysierte sie die Zeitungen „De Standaard“, „La Libre Belgique“, „Le Drapeau Rouge“, „Pourquoi-pas?“, „`t Pallieterke“ sowie „Pan“. Von 152 berücksichtigten Karikaturen, so das Fazit, beschäftigten sich allein 120 mit der Person Paul-Henri Spaaks, 62 Zeichnungen konzentrierten sich im Rahmen dessen mit Europa im weitesten Sinne. Die häufige Verwendung der Spaak-Figur zu Darstellungszwecken, so Wittorskis Vermutung, sei unter anderem auf seine einfache Identifikation zurückzuführen: sowohl Nase und Leibesfülle als auch Brille und Kleidung machten ihn für den Leser von Tageszeitungen eindeutig erkennbar. Im europäischen Kontext werde er häufig als „Mr. Europe“ präsentiert, an anderer Stelle ist Spaak der Flickennäher der einzelnen Staaten Europas, Wecker oder Taktgeber, der über das Tempo der Integration entscheidet.

JAKOB VOGEL betonte in seinem einführenden Referat, dass das 19. Jahrhundert grundlegend für das 20. gewesen sei. Insbesondere der Einfluss der Französischen Revolution sowie die kriegerischen Auseinandersetzungen Napoleons machten das 19. Jahrhundert zu einer Firmierungsepoche der Nationalismen. Vogel begriff diese Zeit aber auch als Sattelzeit für die Grenzregionen, in der transnationale Beziehungen bis in die Populärliteratur hinein wirksam gewesen sind und zu globalen Verflechtungen geführt haben. Er erinnerte darüber hinaus daran, dass vor allem Frankreich, Benelux und die Niederlande wichtige Kolonialmächte im 19. Jahrhundert waren.

In diesem Rahmen sprach JÖRG ENGELBRECHT über die kaum bekannte Region Neutral-Moresnet als ein „Kuriosum im deutsch-belgischen Grenzraum“. Das nur wenige Quadratkilometer kleine Gebiet trug aufgrund reicher Zinkerzvorkommen zu den Problemen bei der Grenzziehung zwischen Preußen und den Niederlanden auf dem Wiener Kongress bei. Das Moresnet-Gebiet zerfiel durch eine Dreiteilung zunächst in einen niederländischen – später belgischen –, einen preußischen sowie einen mittleren neutralen Teil, der von beiden Staaten gemeinsam verwaltet werden sollte. Neutral-Moresnet besaß den Status einer Sonderwirtschaftszone und erwies sich im Laufe der Jahre als „El Dorado für seine Bewohner“; zeitweise war nirgendwo in Europa die Kneipendichte höher, illegales Glückspiel und Schmuggel florierten. Anhaltende Versuche Belgiens und Deutschlands, das Gebiet enger an sich zu binden, führten in Neutral-Moresnet zu bisweilen skurrilen Bemühungen um Eigenständigkeit, die von der Herausgabe eigener Briefmarken bis zu Plänen zur Errichtung einer Esperanto-Republik reichten und erst mit der endgültigen Angliederung an Belgien nach dem Versailler Vertrag endeten.

CHARLES BARTHEL thematisierte die interregionale Firmenverflechtung als Grundstein internationaler Entspannungspolitik und fokussierte den luxemburgischen Stahlkonzern „Arbed“ und das „Locarno“ der Stahlbarone (1918-1926). Dabei spielten die nach dem Ersten Weltkrieg unter Emil Mayrischs Regie erworbenen Beteiligungen der luxemburgischen Firma im Aachener und Kölner Raum eine überragende Rolle. Sie erlaubten Mayrisch nach der Wiederherstellung der deutschen Zollhoheit am 10. Januar 1925 direkte Kontakte zu den führenden Herren der Düsseldorfer Rohstahlgemeinschaft aufzunehmen und das sogenannte Privatabkommen auszuhandeln. Diese für die Arbed-Filialen äußerst günstige Abmachung beinhaltete auch reichlich politischen Zündstoff, besonders mit Blick auf Frankreich und die angespannte Lage im Saarland bzw. wegen des lothringisch-luxemburgischen Eisenkontingents. Mayrisch, so Barthel, zögerte denn auch nicht lange, die grenzüberschreitende Sonderstellung seines Konzerns auszunutzen, um dem für ihn gefährlichen deutsch-französischen Bilateralismus ein Ende zu bereiten. Mitte 1925 gelang es ihm, ein erstes, echt europäisches Gipfeltreffen der Stahlbarone zu veranstalten und damit den Grundstein für die weitere Verständigung der westlichen Stahlindustrie zu legen. Gleichzeitig schuf er damit, wenige Jahre vor seinem Tod (1928), den Durchbruch zu internationaler Anerkennung und Ruhm mit europäischer Dimension.

In seinem Vortrag über „Geokulturelle und -politische Betrachtungen aus dem deutsch-belgischen Grenzraum 1920-1940“ skizzierte PHILIPPE BECK zunächst die grundsätzlichen Spannungen zwischen der pro-deutschen und der pro-belgischen Position und analysierte darauf aufbauend die Aktivitäten der beiden Schriftsteller Josef Ponten und Peter Schmitz. Während Ponten von Eupen-Malmedy als einem „Zwangsbelgien“ und „volksdeutschen Gebiet“ sprach, beteiligte sich Schmitz an zahlreichen antinationalistischen Publikationen, in denen er sich gegen eine Rückgabe des Landes an Deutschland wandte. Schmitz bemühte sich wiederholt um die Offenlegung diesbezüglicher Geheimpläne, Ponten wiederum argumentierte im Sinne einer Revision der Grenzen durch die eigenwillige Interpretation des Locarno-Vertrags, in dem Deutschland lediglich auf die Anwendung militärischer Gewalt zur Erreichung ebensolcher Ziele verzichtet habe. Nach 1933 lassen sich für die pro-deutsche Seite zunehmend nationalsozialistische Einflüsse nachweisen. Dass schließlich sogar eine volkstümliche Landesbeschreibung Eupen-Malmedys aus Pontens Feder als Feldpostausgabe für die Wehrmacht erschien, wertete Beck als Beleg für die Konstruierbarkeit nationaler Zugehörigkeit.

BIRTE WASSERBERG beschäftige sich mit „L'impact des programmes INTERREG sur la coopération transfrontalière dans l'espace du Rhin supérieur (1989-2008)“, speziell mit dem Programm INTERREG in der Grenzregion Oberrhein. Es ist ein Programm der Europäischen Union, das die besonderen Problematiken in Grenzregionen durch räumlich Begrenzte, von der Region selbst entwickelte und durchgeführte Projekte lösen helfen soll. Die Pilotphase lief von Oktober 1990 bis Dezember1991 in 10 Grenzregionen, darunter die Oberrhein-Region Panina. 1992 wurde mit der Region Oberrhein-Mitte/Süd eine zweite Oberrhein-Region in INTERREG aufgenommen. Im Wesentlichen entstehen in dieser Region zwei Arten von Projekten: Raumentwicklungsprojekte wie z.B. die Verbesserung der Verkehrsanbindung und Projekte für die Annäherung der Bevölkerung wie z.B. die kulturelle Zusammenarbeit. In beiden Regionen wurde durch INTERREG eine neue regionale Identität aufgebaut. Zudem konnte eine beispielhafte Entwicklung in der Oberrhein-Region festgestellt und ein wirtschaftlicher Mehrwert erreicht werden. INTERREG ist zu einem wichtigen Teil der lokalen Zusammenarbeit geworden und soll deshalb weitergeführt werden.

Gleich zu Beginn seines Impulsreferats betonte SYLVAIN SCHIRMANN die enge Verbindung zwischen grenzüberschreitender Kooperation und europäischer Einigung. Im Kontext dessen, so Schirmann, stelle sich die Frage, inwiefern bereits vor dem Zweiten Weltkrieg Initiativen grenzüberschreitender Zusammenarbeit existierten und welche Formen man entwickelte, um bestehende Grenzen zu überwinden. Resultierend daraus bestünde nun die Aufgabe für den Historiker in einer näheren Untersuchung der Zwischen- und Nachkriegszeit: Inwiefern fungieren regionale Projekte als Vorreiter nationalstaatlicher grenzüberschreitender Zusammenarbeit? Des Weiteren: Wer ist in diesem Kontext wichtigster Akteur – der Nationalstaat oder die jeweilige Region? In Bezug auf die außenpolitische Kompetenzfrage, gab der Sektionsleiter zu bedenken, beinhalteten grenzüberschreitende Initiativen überdies genügend Zündstoff für innenpolitische Divergenzen. So zum Beispiel im Falle einer Zusammenarbeit zweier unterschiedlich regierten Gebiete. Abschließend verwies Schirmann auf die Motive grenzüberschreitender Zusammenarbeit. In Betracht seien hier sowohl die Verschiebung spezifischer Zuständigkeiten sowie Gesichtspunkte der Friedenssicherung und des Vorhandenseins eines Feindbildes Nationalstaat zu ziehen. Generell eröffne sich allerdings auch die Frage, auf welche Weise sich eine eigenständige grenzregionale Identität äußere.

Am Beispiel des Oberrheins ging JOACHIM BECK der Frage nach einer gemeinsamen grenzüberschreitenden Verwaltungskultur nach. Existiert eine nationale Verwaltungskultur bzw. wie wirkt sich diese auf eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit aus? Darüber hinaus: Wie werden verschiedene Verwaltungsmuster verarbeitet? Beck analysierte sowohl spezifische Handlungsmotive als auch Symbol-, Normen- und Wertesysteme. Um die Differenz der einzelnen Regierungsapparate aufzuzeigen, bediente sich Beck dreier Kabinett-Darstellungen, die ihm zufolge Ausdruck der mannigfachen Prioritätensetzung seien. Während Frankreich den Fokus erheblich auf die personelle Besetzung der Regierung lege, stünde in Deutschland vielmehr die inhaltliche Ausrichtung im Vordergrund. Die Schweiz wiederum, konstatierte der Referent, rücke die Bevölkerung maßgeblich in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Von elementarer Bedeutung für eine grenzüberschreitende Kooperation sei ferner die generelle Problemwahrnehmung, sprich: was definiert sich in der alltäglichen Praxis überhaupt als Schwierigkeit? Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, so Becks Fazit, sei vielfach geprägt durch einen deutlich geringeren verwaltungskulturellen Integrationsrad als die supranationalen Institutionen. Des Weiteren setze die Entwicklung einer gemeinsamen grenzüberschreitenden Verwaltungskultur einen horizontalen Kompetenztransfer sowie eine Institutionenbildung im Sinne einer integrierten Gouvernance voraus.

CLAUDE GENGLER stellte in seinem Vortrag über die Großregion Saar-Lor-Lux die Stärken und Schwächen einer europäischen Kernregion heraus. Die Großregion mit insgesamt 11,3 Millionen Einwohnern und drei Sprachen umfasst die fünf Regionen Luxemburg, Lothringen, Saarland, Rheinland-Pfalz und Wallonien. Trotz großer Gegensätze der wirtschaftlichen Kennzahlen muss von einem transnationalen Wirtschaftsraum, gekennzeichnet durch die große Zahl von Grenzgängern (Arbeitnehmer sowie Dienstleistungsbetriebe) und erhebliche Konsumentenströme, gesprochen werden. Auf organisatorischer Ebene bestehen ein Gipfel der Ministerpräsidenten, ein Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie ein Städtenetz. Da den Gremien aber keine Kompetenzen übertragen wurden, sind sie nicht beschlussfähig. Der Gipfel der Ministerpräsidenten hat mit Schwierigkeiten wie den unterschiedlichen Kompetenzen (z.B. zwischen dem Ministerpräsidenten von Luxemburg und von Rheinland-Pfalz) und der zum Teil großen Distanz der Teilnehmer zur Großregion umzugehen. Sinnvoll wäre die Gründung einer Solidargemeinschaft für die gesamte Großregion, da Problematiken wie z.B. Armut Auswirkungen über die nationalen Grenzen hinweg haben. Geplant sind eine polizeiliche Zusammenarbeit in der Region, ein Deutsch-Luxemburgisches Lycee sowie eine gemeinsame Kläranlage. Es fehlt aber noch eine systematische Lösung mit Grenzüberschreitenden Projekten und kompetenten Gremien.

Für FRANÇOISE BERGER bildet die Region Benelux, Deutschland, Frankreich bereits seit dem 19. Jahrhundert eine wirtschaftliche Einheit. Damit war sie sowohl ein Raum von Konflikten, beispielsweise des deutsch-französischen Konflikts 1870-1945, als auch ein Raum des Austausches. Diese beiden Faktoren korrelieren in gewisser Weise miteinander. Es existierte eine Konkurrenz in einem über lange Zeit instabilen Umfeld, die daraus entstehenden Kriege nähren aber auch die Ausbildung der Eisen- und Stahlindustrie. Schließlich wurden bewusst wirtschaftliche Gemeinsamkeiten wie das Stahlkartell von 1926 geschaffen, mit denen gleichzeitig eine Form von Solidarität innerhalb der Region geschaffen wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die wirtschaftliche Verflechtung ausgebaut und im Zuge dessen bildeten sich zwei Einheiten, eine deutsch-französische und eine belgisch-luxemburgische, während die Niederlande eine wirtschaftliche Sonderstellung einnahmen. Es stellt sich nun die Frage, wie die Perspektiven der Region in einem Europa der 27 und unter verschärften Wettbewerb zu sehen sind.

Im Anschluss referierte JEAN-FRANCOIS ECK über „Aspekte der kommerziellen und finanziellen Beziehungen zwischen Nordfrankreich, Wallonien und Nordrhein-Westfalen im 20. Jahrhundert“. Die wirtschaftlichen Beziehungen dieser drei Regionen markierten zeitgleich ein zentrales Element ihrer Beziehungen untereinander. Zum einen werde die grenzüberschreitende Verflechtung der Unternehmen in den drei Regionen immer bedeutsamer, zum anderen die Verbindung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber ohne nationale Grenzen. Diese Entwicklungen haben Konsequenzen für den wirtschaftlichen Raum: Obwohl er im Kern immer homogener geworden sei, bleibe er jedoch in bestimmten Aspekten stark heterogen. Daher blieben bis heute – aufgrund der Heterogenität dieser Räume – Probleme in der Vergleichbarkeit und gemeinsame Probleme, für die es Lösungen zu finden gelte.

Ausgehend von der Frage, ob in den Niederlanden im 20. Jahrhundert eine eigene niederländische Ökonomie existiert habe, beleuchtete HEIN KLEMANN die Besonderheiten der niederländischen Wirtschaft im Zusammenhang mit der deutschen Wirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert und zog Parallelen in den 1860er-Jahren bezüglich des Zollabbaus und der Förderung eines nationalen Wirtschaftsraums, bei gleichzeitiger verstärkter wirtschaftlicher Integration und Verflechtung beider Länder. Die Entstehung einer nationalen Wirtschaft in den Niederlanden war primär 1910-1939 zu beobachten, erstreckte sich aber bis in die 1950er/60er-Jahre. Dieses nationale Wirtschaftsmodell wurde jedoch nicht als Erfolg bewertet. Denn erst in den 1970er-Jahren, erneut unter Bedingungen intensiver ökonomischer Verflechtungen zu Deutschland, stieg die Exportquote, ähnlich wie etwa 100 Jahre zuvor, auf über 50 Prozent, womit die Niederlande ähnlich wie Belgien als super-trading-economy gelten.

Die Sektion beschloss PIERRE TILLY mit seinem Beitrag „La construction d‘un espace économique et social transfrontalier dans l‘Euro Meuse Rhin: débats et realisations“. Die Euregio Maas-Rhein ist besonders bedeutsam für die europäischen Wirtschaftsbeziehungen. Sie umfasst die Region Aachen, die wallonische Provinz Lüttich, die flämische Provinz Lüttich, den südlichen Teil der Provinz Limburg in den Niederlanden sowie die deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens. Seit 1976 besteht die Euregio als Arbeitsgemeinschaft. Schon vor der Errichtung der Arbeitsgemeinschaft ist es zu Abkommen zwischen Belgien, den Niederlanden und Deutschland gekommen, die sich mit der Frage des grenzübergreifenden Verkehrs, der sozialen Sicherung, des Steuerwesens und der Kooperation der Gewerkschaften befasst haben. Nötig sind diese Abkommen geworden, da es in dieser besonderen Lage Europas eine lange Tradition hat, dass Menschen grenzübergreifend arbeiten und leben.

Die letzte Sektion der Konferenz befasste sich schließlich mit „Formen des Kultur- und Wissenschaftstransfers zwischen Benelux, Frankreich und Deutschland“.

HUBERT ROLAND verwies in seinem Impulsreferat auf die jahrzehntelang bestehenden Ressentiments im Hinblick auf solche Transferleistungen. Ein ausgesprochen positives Deutschlandbild in Belgien ging mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und mit der Enttäuschung über die Beteiligung vieler deutscher Intellektueller an dem „Aufruf an die Kulturwelt“ verloren, der intensive Kulturtransfer zwischen beiden Ländern brach scharf ab. Zum Leitfaden seiner Einleitung macht Roland die Imagologie und damit die Komplementarität von Selbstbildern und Fremdbildern. Diese färbten stark auf den Kulturtransfer zwischen den Nachbarländern ab. Freilich sei bereits in der Zwischenkriegszeit eine Überwindung dieser kritischen Bipolarität und eine Neuformung der Selbst- und Fremdbilder zu erkennen gewesen, wofür das Interesse der flämischen Avant-Garde an ihrem Weimarer Pendant ein Beispiel sei.

GENEVIEVE WARLAND stellte in ihrem Vortrag die unterschiedlichen Deutschlandbilder dar, welche die Historiker P.J. Blok, Karl Lamprecht, Ernest Lavisse und Henri Pirenne in ihren Nationalgeschichten entwarfen. Es ergaben sich drei Hauptbilder, erstens „Deutschland als Land der Wissenschaft“, zweitens „2 Deutschlande“ und drittens „das „junge“ Deutschland“. Das erste Bild idealisierte die Forschungsmöglichkeiten in Deutschland. Die ausländischen Historiker benutzten es vor allem, um auf die Missstände an den Universitäten in ihren Ländern aufmerksam zu machen. Als positiv erachtet wurden vor allem die praktischen Übungen, die Leopold von Ranke eingeführt hatte. Man erhoffte sich mehr Autonomie für die eigenen Universitäten, mehr Lehr- und Lernfreiheit und mehr Interesse an der Förderung der Forschung. Das zweite Bild stellte die Widersprüche innerhalb Deutschlands und seiner Gesellschaft dar. In Deutschland standen sich u.a. Liberalismus und Autoritarismus, Kants Idealismus und Preußens Pragmatismus gegenüber. Alte Traditionen wurden aufrecht erhalten und mit neuen verknüpft. Das dritte Bild betonte das kurze Bestehen des erst 1871 gegründeten Reiches. Erst nach 1919 gelang es P.J. Blok, ein ausgewogenes Deutschlandbild zu entwerfen, welches die neugegründete Republik als Land der Wissenschaft und pragmatisch orientiert darstellte.

Zum Thema der von Roland erwähnten flämischen Avant-Garde stellte MARNIX BEYEN die Ergebnisse einer Untersuchung über die Rezeption der Weimarer Kultur in Flandern vor. Sie sei als dynamisch und kosmopolitisch und damit als Ausdruck von Großstadtkultur wahrgenommen worden und habe somit wohl eher die Verhältnisse in Berlin als jene in Weimar gespiegelt. Die Untersuchung einer breiten Auswahl belgischer kultureller Zeitschriften basiere auf einem Analyseraster von zwölf Gegensatzpaaren, darunter zum Beispiel Rationalismus versus Antirationalismus oder Individualismus versus Gemeinschaftsorientierung. Dabei sei auffallend, dass zwar in den untersuchten Organen negative Kontinuitätslinien vom Kaiserreich zur Weimarer Republik erkannt würden, demgegenüber jedoch keine positive Bewertung etwaiger Diskontinuitäten festzustellen sei. Nachdem sich die flämische Avant-Garde 1923 auf ihrem Höhepunkt befunden hatte, orientierten sich die Zeitschriften zunehmend an unpolitischen Debatten und wandten sich mehrheitlich der ländlichen Provinz zu. Ein pointiertes Ergebnis der Untersuchung sei, dass in den flämischen avantgardistischen Zeitschriften der belgische antiroyalistische Aktivismus seine Fortsetzung gefunden habe.

ALBRECHT BETZ bezeichnete sein Referat über den belgischen und den deutschen Blick auf die Kollaboration während des Zweiten Weltkriegs einleitend als „Kontrapunkt in Moll“ gegenüber der ansonsten dem Thema Kooperation verpflichteten Tagung. Zumal mit Blick auf das kulturelle Gebiet diagnostizierte er eine „erstaunliche Kraft des Vergessens“ in den von Kollaboration betroffenen Ländern. Erhellend sei die Frage, wie intellektuelle Kollaborateure versucht hätten, den Nationalsozialismus als zukunftsfähige Vision darzustellen und welche Instrumente ihnen dafür zur Verfügung gestanden hätten. Der Grad der Zustimmung zum Faschismus als europäisches Phänomen sei unterschiedlich ausgeprägt gewesen, sie lasse sich jedoch als Suche nach der Schnittmenge zwischen eigenen Feindbildern und denen des Nationalsozialismus auf den Punkt bringen. Besonders in Belgien habe die intellektuelle Kollaboration darauf hingearbeitet, sich als dessen Partner und nicht als Vasall zu positionieren. Für die Zustimmung zu dieser Haltung sei entscheidend gewesen, dass Deutschland ebenso als politische Ordnungsmacht in Mitteleuropa wie immer noch als Kulturnation angesehen worden sei. Insgesamt beurteilte Betz die Kollaboration als europäische Erscheinung mit jeweils nationalen Ausprägungen. Für das Beispiel Belgien komme freilich hinzu, dass die flämische Kollaboration weit besser als die wallonische erforscht sei.

An der abschließenden Podiumsdiskussion nahmen unter Leitung des Chefredakteurs des Kölner Stadt-Anzeigers FRANZ SOMMERFELD die Leiterin der Niederlassung der Europäischen Kommission in Bonn, BARBARA GESSLER, der Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, KARL-HEINZ LAMBERTZ, der Minister für Europäische Angelegenheiten des Großherzugtums Luxemburg, NICOLAS SCHMIT, der Botschafter des Königreiches Niederlande in Berlin, PETER VAN WULFFTEN-PALTHE, der Staatssekretär für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes NRW,-sowie der Generalsekretär der Benelux-Wirtschaftsunion in Brüssel, JAN VAN LAARHOVEN, teil.
Barbara Gessler betonte hinsichtlich der historischen Dimension des Projekts vor allem die starke Zusammenarbeit der Region, auch im kulturellen Bereich, und den Austausch in einer globalen und digitalisierten Welt. Karl-Heinz Lambertz stellte die Frage nach der interkulturellen Kommunikationskompetenz, und verlangte eine Art „Fettnäpfchenlehre“ für den Unterricht, das heißt, die Fähigkeit, andere politische und kulturelle Systeme zu verstehen. Es reiche nicht aus, zu wissen, dass wir alle von Karl dem Großen abstammen, so Lambertz. Auch Michael Mertes unterstrich, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit auf kulturelle, politische und gesellschaftliche Aspekte ausgedehnt werden müsse. Nicolas Schmit thematisierte insbesondere die Verbindung der Beneluxianer zu Konrad Adenauer, wohingegen von Wulfften-Palthe darauf verwies, dass die Grenzregion zu einem nicht geringen Teil ein Produkt des historischen Zufalls gewesen sei. Jan van Laarhoven akzentuierte die regionale Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich und stellte heraus, dass das Schengen-Abkommen in dieser Region seinen Ursprung nahm. Doch wären inzwischen neue Modelle vonnöten. In dieser Hinsicht könne die Region allerdings einen wichtigen Motor darstellen. In einem für die Zuhörer amüsanten rhetorischen Ränkespiel stritten sich Laarhoven und Lambertz darüber, ob die Region ein Laboratorium für die Zukunft bilden kann. Man müsse, so Lambertz abschließend, das Risiko des Experimentierens auf sich nehmen, denn die einzige Alternative hierzu sei das Nichtstun. Das Publikum beklagte im Anschluss an die Diskussion die fehlende überregionale Öffentlichkeit. Das Plenum wagte abschließend einen Ausblick auf 2020 für die Region. Im Zentrum standen hierbei die Themen Bildung, Mehrsprachigkeit, Jugendaustausch, Energie und Umwelt sowie Wirtschafts- und Sicherheitspolitik.

Kurzübersicht:

I. Eröffnung
Jürgen Elvert (Köln): Einführung in das Thema
Mark Geleyn (Botschafter des Königreichs Belgien in Berlin): Stellungnahme
Martine Schommer (Botschafterin des Großherzogtums Luxemburg in Berlin): Stellungnahme
Gilles Thibault (Generalkonsul der Republik Frankreich in Düsseldorf): Stellungnahme
Rob de Leeuw (Generalkonsul des Königreichs der Niederlande in Düsseldorf): Stellungnahme

II. Das Dreieck Benelux-D-F im Schatten der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts
Geneviève Duchenne (Louvaine-la-Neuve): Les intellectuels et l’idée européenne dans l’entre-deux-guerres
Corinna Franz (Rhöndorf): Konrad Adenauers Überlegungen zu Europa als Kölner Oberbürgermeister
Georgi Verbeeck (Maastricht): Die langen Schatten des Zweiten Weltkrieges in Belgien

Abendvortrag
Thomas Große-Brockhoff (Staatskanzlei Düsseldorf): Das Land Nordrhein-Westfalen zwischen Benelux, Frankreich und Deutschland

IV. Die Entwicklung der Dreiecksbeziehungen unter dem Dach der europäischen Integration
Michel Dumoulin (Louvain-la-Neuve): Impulsreferat
Wilfried Loth (Essen-Duisburg): Die Bundesrepublik Deutschland und ihre Politik gegenüber den Benelux-Staaten und Frankreich
Natascha Wittorski (Louvain-la-Neuve): „Paul-Henri Spaak et la construction européenne dans la caricature politique, Juin 1955 – May 1957“

V. Umstrittene Grenzregion im Dreieck Benelux-D-F im 19. und in der 1. Hälfte des 20. Jhdts.
Jakob Vogel (Köln): Impulsreferat
Jörg Engelbrecht (Duisburg-Essen): Neutral-Moresnet. Ein Kuriosum im deutsch-belgischen Grenzraum
Charles Barthel (Luxemburg): Interregionale Firmenverflechtung als Grundstein internationaler Entspannungspolitik: Die Arbed und das „Locarno“ der Stahlbarone (1918-1926)
Philippe Beck (Louvain-la-Neuve): Geokulturelle und -politische Betrachtungen aus dem deutsch-belgischen Grenzraum 1920-1940

VI. Grenzregionen im Dreieck Benelux-D-F im Zeichen der europäischen Integration Grenzregionen im Dreieck Benelux-D-F im Zeichen der europäischen Integration
Sylvain Schirmann (Strasbourg): Impulsreferat
Birte Wassenberg, Strasbourg (Strasbourg): L‘impact des programmes INTERREG sur la coopération transfrontalière dans l‘espace du Rhin supérieur (1989-2008)
Claude Gengler (Luxemburg): Die Großregion Saar-Lor-Lux. Stärken und Schwächen einer europäischen Kernregion
Joachim Beck (Kehl): Gibt es eine grenzüberschreitende Verwaltungskultur? Das Beispiel des Oberrheins

VII. Benelux, Deutschland und Frankreich als Wirtschaftspartner in Europa
Francoise Berger (Grenoble): Impulsreferat
Jean-Francois Eck (Lille): Aspekte der kommerziellen und finanziellen Beziehungen zwischen Nordfrankreich, Wallonien und Nordrhein-Westfalen im 20. Jahrhundert
Hein Klemann (Rotterdam): Bestond er in de twintigste eeuw een Nederlandse economie?
Pierre Tilly (Louvain-la-Neuve): La construction d‘un espace économique et social transfrontalier dans l‘Euro Meuse Rhin : débats et réalisations

VIII. Formen des Kultur- und Wissenschaftstransfers zwischen Benelux, Frankreich und Deutschland
Hubert Roland (Louvain-la-Neuve): Impulsreferat
Geneviève Warland (Bruxelles): Zwischen nationalen und europäischen Darstellungsformen des Dreiecks Benelux-Deutschland-Frankreich in den Nationalgeschichten von P.J. Blok, Karl Lamprecht, Ernest Lavisse und Henri Pirenne
Marnix Beyen (Antwerpen): Das unsichtbare Weimar. Deutschlandbilder in der flämischen Avant-Garde, 1919-1933
Albrecht Betz (Aachen): Entdämonisierung eines Stigmas? Der deutsche und der belgische Blick auf die „Collaboration“

IX. Zur Gegenwart und zu den Zukunftsperspektiven der Beziehungen zwischen den Benelux-Staaten und Nordrhein-Westfalen
Diskussionsleitung: Franz Sommerfeld, Chefredakteur des Kölner Stadtanzeigers
Teilnehmer:
Karl-Heinz Lambertz, Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens
Nicolas Schmit, Minister für Europäische Angelegenheiten des Großherzogtums Luxemburg
Peter van Wulfften-Palthe, Botschafter des Königreiches Niederlande in Berlin
Michael Mertes, Staatssekretär für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen, Bevollmächtigter des Landes NRW beim Bund
Jan P.R.M. van Laarhoven, Generalsekretär der Benelux-Wirtschaftsunion, Brüssel
Barbara Gessler, Leitung der Niederlassung der Europäischen Kommission, Bonn