Ein Bruderzwist im Hause Habsburg (1608-1611)

Ein Bruderzwist im Hause Habsburg (1608-1611)

Organisatoren
Institut für Geschichte der Philosophischen Fakultät der Südböhmischen Universität in České Budějovice (Budweis) in Zusammenarbeit mit der Historischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und mit der Arbeitsgruppe Höfe des Hauses Österreich; Prof. Dr. Václav Bůžek, Dr. Jan Paul Niederkorn und Prof. Dr. Thomas Winkelbauer
Ort
Český Krumlov (Böhmisch Krumau)
Land
Czech Republic
Vom - Bis
13.10.2008 - 15.10.2008
Url der Konferenzwebsite
Von
Miroslava Durajová, Rostislav Smíšek

In den Tagen vom 13. bis zum 15. Oktober organisierte das Institut für Geschichte der Philosophischen Fakultät der Südböhmischen Universität in České Budějovice (Budweis) in Zusammenarbeit mit der Historischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und mit der Arbeitsgruppe Höfe des Hauses Österreich sein sechstes wissenschaftliches Symposium. Im Tagungsaal des Schlosses in Český Krumlov (Böhmisch Krumau) trafen sich mehr als dreißig HistorikerInnen aus Belgien, Tschechien, Ungarn, Deutschland, Österreich und Spanien, die sich unter verschiedenen theoretischen und methodologischen Betrachtungsweisen mit der dynastischen Krise im Hause Habsburg zu Beginn des 17. Jahrhunderts befassten. Während der drei Tage wurden insgesamt zwanzig Referate, in sechs thematischen Sektionen aufgeteilt, abgehalten. Diesen gingen Bilanzvorträge der Vertreter der veranstaltenden Organisationen voraus. VÁCLAV BŮŽEK (České Budějovice) zog den thematischen Inhalt der früheren Krumauer Symposien in Betracht und wies auf die Verbindung zwischen ihnen hin. Zu den Vorzügen der regelmäßigen wissenschaftlichen Treffen in Český Krumlov gehört der interdisziplinäre Zugang. Überdies bieten sie den HistorikerInnen der jüngsten Forschergeneration genügend Raum, die Ergebnisse ihrer Arbeiten zu präsentieren. Da das Symposium gleichzeitig als der vierzehnte Workshop der Arbeitsgruppe Höfe des Hauses Österreich stattfand, fasste JAN PAUL NIEDERKORN (Wien) die Inhalte der einzelnen Workshops seit 1999 zusammen. THOMAS WINKELBAUER (Wien) befasste sich mit dem historiographischen Rahmen des Symposiums.

Die Leitung der ersten Sektion, die die Herrschaftsordnungen im frühneuzeitlichen Europa fokussierte, übernahm ANTON SCHINDLING (Tübingen). Ronald G. Asch widmete sich in seinem Beitrag der Krise der europäsichen Monarchie um die Wende des 16. zum 17. Jahrhundert. Am Beispiel Englands und Frankreichs wies er auf den Verfall des sakralen Charakters der Monarchie hin. Da im frühneuzeitlichen Europa dem Königsamt eine radikale „Entzauberung“ drohte, suchte man nach neuen Wegen, um die traditionelle „religion royale“ zu stärken und zu retten. HEINZ NOFLATSCHER (Innsbruck) konzentrierte sich auf die Erziehung der Mitglieder der habsburgischen Dynastie zur Zeit der Regierung Philipps II. Er deutete an, über welche Eigenschaften die jungen Habsburger verfügen mussten und wie der Prozess ihrer Sozialisation verlief. Dieser wurde gewissermaßen durch die stetige Gefahr eines türkischen Einfalls ins zentrale Europa und durch den Kampf gegen den „ewigen Feind des wahren Glaubens“ in Ungarn geprägt. IVO CERMAN (České Budějovice) befasste sich mit den zeitgenössischen Theorien über die soziale Struktur der frühneuzeitlichen Gesellschaft in den Ländern der Böhmischen Krone. Er betonte dabei, dass das traditionelle „Drei-Völker-Schema“ am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts bereits überholt gewesen war. Die gebildeten Juristen hatten allmählich diese „veraltete“ Theorie weiterentwickelt und wesentlich kompliziertere Gedankenstrukturen entworfen. In seinem Beitrag konzentrierte er sich weiter auf die Entwicklung der sozialen Theorien in den böhmischen Ländern, die ihren Höhenpunkt in den Werken Jan Kocíns von Kocinét und Pavel Stránskýs erreichten. Er stellte die Gliederung der vormodernen Gesellschaft aus der Perspektive dieser zwei Autoren, die in ihrer Betrachtungsweise stark von dem „jus publicum universale“ beeinflusst waren, vor. THOMAS WINKELBAUER (Wien) versuchte, die Beziehung der Obrigkeit zu ihren Untertanen um 1600 auf dem Gebiet der Habsburgermonarchie zu schildern. Er widmete seine Aufmerksamkeit der Entstehung und dem Verlauf der sozialen Unruhen in den österreichischen und böhmischen Ländern. Gleichzeitig charakterisierte er die Mittel, die die Obrigkeit benutzte, um diese Unruhen besänftigen zu können. STEFAN EHRENPREIS (Berlin) konzentrierte sich auf die Personalstruktur der Ratgeber von Rudolf II. im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts. Nach der Entlassung der führenden Berater Wolfgang Rumpf und Paul Sixt Trautson aus dem Dienst beim ältesten Sohn Maximilians II. erfolgte ein Bedeutungswandel einiger politischer Gremien am Kaiserhof. Es kam zur Aufwertung des Geheimen Rats, der angefangen hatte, alle Ebenen der kaiserlichen Politik zu koordinieren.

Die zweite Sektion, die der Reflexion des Bruderzwistes in der europäischen Politik zu Beginn des 17. Jahrhunderts gewidmet war, leitete RONALD G. ASCH (Freiburg im Breisgau). ANTON SCHINDLING (Tübingen) präsentierte auf der Grundlage des religiösen Verständnisses eine Typologie geistlicher Fürsten im Römisch-deutschen Reich, die sich im Bruderzwist 1608 bis 1611 engagiert haben. Die erste Gruppe stellten dezidiert gegenreformatorisch gesonnene Katholiken dar. In die zweite Gruppe gehörten moderate Katholiken, die auf einen Ausgleich mit den Protestanten und die Einhaltung des Augsburger Religionsfriedens bedacht waren. Die dritte Kategorie bildeten konfessionell unentschiedene Persönlichkeiten und die vierte eifrige Nichtkatholiken. Gleichzeitig hob er hervor, dass man der Lehre Martin Luthers in den geistlichen Fürstentümern im Süden, Westen und Nordwesten des Heiligen Römischen Reiches zum Nachteil der katholischen Konfessionalisierung zugeneigt war. Erst während des Dreißigjährigen Krieges begann sich die katholische Konfessionalisierung auch dort allmählich durchzusetzen. LUC DUERLOO (Antwerp/Princeton) betrachtete die Persönlichkeit des Erzherzogs Albrecht und seine Rolle in der habsburgischen Politik um die Wende des 16. zum 17. Jahrhunderts. Albrecht übernahm am Anfang des Bruderzwists die Rolle eines Mittelmanns und befürwortete eine friedliche Lösung der entstandenen Krise. Da Rudolf II. von seinen Forderungen nicht ablassen wollte, stellte er sich schließlich auf die Seite Matthias´. JAN PAUL NIEDERKORN (Wien) analysierte die Rolle der spanischen Diplomaten (Baltasar de Zuñiga, Guillén des San Clemente) und der päpstlichen Nuntien (Camillo Caetani, Giovanni Battista Salvago) als Mittelmänner in den Verhandlungen zwischen Rudolf II. und Matthias. Er, genauso wie Luc Duerloo, sah die Wurzeln des Bruderzwists im strittigen Erbvergleich unter den Söhnen Maximilians II. Den Berichten der spanischen und päpstlichen Diplomaten nach spielten auch die Unklarheiten über die Frage der Nachfolge der Habsburger im Heiligen Römischen Reich eine nicht unwichtige Rolle. An die allgemeine Charakteristik der spanischen und päpstlichen Diplomatie in der zweiten Hälfte des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts knüpfte PAVEL MAREK (České Budějovice) an. In seinem Beitrag widmete er sich der Rolle der spanischen Klienten aus den Reihen des böhmischen und mährischen Hochadels während des Bruderzwists. Zu den Führungspersönlichkeiten der an und für Spanien orientierten Politik gehörten in den böhmischen Ländern der Kardinal Franz von Dietrichstein und Zdenko Adalbert Popel von Lobkowitz. Obwohl beide Hochwohlgeborenen durch die klientelischen Bindungen an den König Philipp III. gebunden waren, hatte sich ihr Vorgehen bei den politischen Verhandlungen unabhängig von der Tätigkeit des spanischen Botschafters in Prag entwickelt. Franz von Dietrichstein und Zdenko Adalbert von Lobkowitz blieben dem Kaiser treu, da sie die Meinung vetraten, dass die Unterstützung Matthias´ das Prestige des Königreichs Böhmen und der Markgrafschaft Mähren wie auch die Stellung dieser Gebiete in der Habsburgermonarchie in Gefahr bringen würde. TOMÁŠ ČERNUŠÁK (Brno) schloss sich Pavel Marek an, indem er sich mit der Reflexion des Bruderzwistes in der Korrespondenz des päpstlichen Nuntius in Prag Antonio Caetani aus den Jahren 1608-1609 befasste. Der Diplomat sah eine der möglichen Lösungen des Streites in der Versöhnung beider Habsburger und in einer neuen Machtverteilung. Die Briefe an die Papstkurie vom Herbst 1608 zeigten jedoch, dass es nicht gelang, diese Absicht umzusetzen. Es kam zwar zur Machtverteilung, aber der Versöhnung der zerstritten Brüder konnte weder Caetanis Intervention bei den obersten Hofamtsträgern noch die Mission des Erzherzogs Leopold an der Wende der Jahre 1608 und 1609 helfen.

Die dritte Sektion, die der Repräsentation der Mitglieder des Hauses Habsburg gewidmet war, moderierte ZDENĚK VYBÍRAL (Tábor/ České Budějovice). Die Selbstrepräsentation der Habsburger in der Architektur und in der prunkvollen Ausstattung ihrer Residenzen stand im Zentrum des Interesses bei MARKUS JEITLER (Wien). In seinem Beitrag behandelte er aus der bau- und funktionsgeschichtlichen Sicht die Bedeutung der Wiener Hofburg und des Schlosses in Linz in der zweiten Hälfte des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts. In beiden Fällen wurden bereits seit den 1580er-Jahren zahlreiche Baumaßnahmen getroffen. PAVEL KRÁL (České Budějovice) thematisierte die symbolische Repräsentation, die den Kontakt zwischen dem Herrscher, der Dynastie und der anderen gesellschaftlichen Schichten durch Königskrönungen und Bestattungszeremonien zu Beginn des 17. Jahrhunderts gesichert hatte. Im ersten Teil seines Beitrags deutete er am Beispiel der Krönung Matthias´ zum König von Böhmen im Jahre 1611 an, wie der Bruderzwist und die Nichtteilnahme Rudolfs II. am Fest den Ablauf des traditionelle Krönungsrituals und die suveräne Stellung des neuen Herrschers an der Spitze des Staates verletzten. Im zweiten Teil konzentrierte er sich in ähnlicher Weise auf die Interpretation der Symbolik der Bestattung von Rudolf II. und der Auswirkung, die die Machtverschiebung innerhalb der Habsburger Dynastie auf die Wahrnehmung des Königamtes in den Augen der frühneuzeitlichen Beobachter hatte.

Der vierten Sektion, unter dem Titel Adel, Hof und Stände – Bündnispartner oder Konkurrenten der Krone?, saß THOMAS WINKELBAUER (Wien) vor. ARNO STROHMEYER (Salzburg) verglich in seinem Beitrag die Entwicklung der Religions- und Ständefreiheiten in den einzelnen Erbländern der Habsburgermonarchie um die Wende des 16. zum 17. Jahrhundert. Alle wiesen fast identische Grundzüge auf. Obwohl die Ständegemeinden bereits im 15. und 16. Jahrhundert zahlreiche Privilegien erworben hatten, erreichte ihr Ringen um Religionsfreiheit mit den Kaisern aus dem Hause Habsburg seinen Höhepunkt während des Bruderzwists. Beide, sowohl Rudolf II. als auch Matthias mussten, wenn sie die Stände auf ihrer Seite haben wollten, eine Religionskapitulation austellen als Gegenleistung für die politische oder militärische Unterstützung des Adels, der Stände und der Geistlichen des jeweiligen Erblandes. VÁCLAV BŮŽEK (České Budějovice) widmete seine Aufmerksamkeit der politischen Rolle der Residenz Peter Woks von Rosenberg in Wittingau, das seit 1602 zu seinem dauerhaften Aufenthaltsort geworden war, während des Bruderzwists. Hier trafen die Vordermänner der mitteleuropäischen Stände zusammen. Obwohl Peter Wok von Rosenberg nur ausnahmsweise an den Sitzungen des Landtags teilgenommen hatte, gehörte er zu den über das politische Geschehen in Mitteleuropa am besten informierten böhmischen Adligen. Die Informationen über religiöse und politische Konflikte erwarb er dann aus der Berichterstattung der handgeschriebenen Wochenzeitungen, aus Briefen und persönlichen Unterredungen mit eingeladenen Gästen aus dem Römisch-deutschen Reich, den österreichischen und böhmischen Ländern. Auch GÉZA PÁLFFY (Budapest) versuchte anhand seiner eigenen Forschung einige stark verwurzelte schematische Behauptungen der ungarischen Historiographie zu nuancieren bzw. zu widerlegen. Den Ergebnissen seiner Forschung nach hatte in der Lösung des Bruderzwists der von Stefan Bocskai geführte Aufstand in den Jahren 1604-1606 eine Schlüsselrolle gespielt. Pálffy versuchte auch die These aufs rechte Maß zurückzuführen, dass der Aufstand nicht nur wegen der Beschützung der religiösen und politischen Privilegien ausgebrochen sei. Er interpretierte überdies ganz neu die Beziehungen zwischen den ungarischen Ständen, Stefan Bockai und dem Erzherzog Matthias und stellte die Ereignisse, die in Ungarn stattgefunden hatten, in den Kontext des Bruderzwists.

Mit der Moderation des fünften Themenbereichs, der die Feldzüge nach Böhmen reflektierte, wurde GÉZA PÁLFFY (Budapest) beauftragt. ZDENĚK VYBÍRAL (Tábor/ České Budějovice) befasste sich mit der Rolle der Streitkräfte auf den beiden Seiten der Bruderzwistsakteuere. In Matthias´ Verständnis symbolisierte die Armee ein geeignetes Zwangsmittel, dank dessen er seine eigenen politischen Pläne realisieren und die Position Rudolfs II. im Heiligen Römischen Reich schwächen konnte. Während der Kaiser nur mit den Landesbereitschaft des Königreichs Böhmen rechnen konnte, gewann sein jüngerer Bruder ein zahlenmäßig stärkeres und erfahrenes Heer aus den anderen Ländern der habsburgischen Obergewalt. Ein wichtiges Charakteristikum des Feldzugs Matthias´ war sein ideologischer Inhalt, denn er hatte sich in die Rolle eines Friedensstifters stilisiert. Über die Reflexion des Feldzugs Matthias´ nach Böhmen im Jahre 1608 im bürgerlichen Milieu berichtete JOSEF HRDLIČKA (České Budějovice). Anhand der Erforschung der Stadtchroniken, bürgerlicher Manuskripte und des Briefwechsels deutete er zuerst an, wie die einzelnen Städte des Königreichs Böhmen die Informationen über den Verlauf der Waffenkonflikte erworben hatten. Der zweite Teil seines Beitrags fokussierte dann die Wahrnehmung der Schlacht bei Nespeky, der Konflikte bei Přelouč und Pardubice und die Entstehung und Gestaltung eines negativen Soldatenstereotyps (ein plündernder Soldat) im Verständnis des böhmischen Bürgertums. TOMÁŠ STERNECK (Praha/ České Budějovice) konzentrierte sich in seinem Beitrag auch, ähnlich wie Josef Hrdlička, auf das bürgerliche Milieu. In seiner Fallstudie befasste er sich mit der Auswirkung des Bruderzwists zwischen Rudolf II. und Matthias und des Einfalls der Soldaten des Passauer Bischofs Erzherzog Leopold auf die Auseinandersetzungen innerhalb der Königsstadt Budweis. Obwohl die politischen Repräsentaten der Stadt um die Wende des 16. zum 17. Jahrhundert von sich ein Bild einer rein katholischen Gemeinde vermittelt hatten, brachen hier einige religiös motivierte Auseinandersetzungen aus.

Die letzte, sechste Sektion, deren Teilnehmer sich mit der Rezeptionsgeschichte des Bruderzwists befassten, leitete VÁCLAV BŮŽEK (České Budějovice). BOHUMIL JIROUŠEK (České Budějovice) schenkte seine Aufmerksamkeit der Wiedergabe der erwähnten politischen Ereignisse in der tschechischen Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts. Aus der inhaltlichen Analyse der Texte ging hervor, dass der Ablauf des Konflikts faktographisch in allen Arbeiten sehr gut bearbeitet ist. Die Ansichten der Historiker über die Akteuere des Konflikts und über den Zwist selbst wandelten sich vor allem mit Hinblick auf den Kontext der Entwicklung der tschechischen Geschichte, in dem diese Werke entstanden sind. WOLFGANG HÄUSLER (Wien) befasste sich mit dem Werk des österreichischen Dramatikers Franz Grillparzer Ein Bruderzwist im Hause Habsburg. Er sann darüber nach, inwiefern sich in dieser historischen Tragödie die politischen, sozialen und nationale Prozesse und Konflikte auf dem Gebiet Deutschlands um die Mitte des 19. Jahrhunderts widerspiegelten. Diese sollten nämlich ihre tiefen Wurzeln in der Frühen Neuzeit gehabt haben. Deshalb war es notwendig, in die Vergangenheit zurückzublicken und die entstehenden Auseinandersetzungen im Spiegel des Bruderzwists zu interpretieren.

In seinem Abschlussvortrag betonte Anton Schindling, dass das Symposium eine gute Voraussetzung für die Eingliederung der dynastischen Krise im Hause Habsburg in den Jahren 1608-1611 in den Kontext der dynastischen Krisen in Europa vom 16. bis zum 18. Jahrhundert schuf. Obwohl im Programm die biographisch aufgefassten Beiträge über die Hauptakteure des Bruderzwists – Rudolf II. und Matthias - fehlten, bot die hohe Qualität der präsentierten Beiträge in mancher Hinsicht neue Betrachtungsweisen des scheinbar bekannten Themas in breiteren (mittel)europäischen Zusammenhängen. Von der internationalen Bedeutung des gewählten Themas zeugt einerseits die personelle Zusammenstellung der Symposiumsteilnehmer, unter denen Forscher aus Belgien, Tschechien, Ungarn, Deutschland und Österreich waren, andererseits der Vergleich der Betrachtungsweisen des behandelten Themas in verschiedenen europäischen Historiographien. Die einzelnen Fallstudien deuteten an, wie verschiedene soziale Schichten – der Adel, die Kleriker, das Bürgertum wie auch das gemeine Volk den Ausbruch des Bruderzwists wahrgenommen hatten. Trotz der hohen Anzahl der Beiträge, ist es den Veranstaltern gelungen, genug Raum für die Diskussion zu verschaffen. Aus der Diskussion ging das Bedürfnis nach einer neuen biographisch konzipierten Bearbeitung jener adliger Personen, die sich während des Bruderzwist politisch engagiert hatten, hervor. Die gleiche Aufmerksamkeit verdienen zukünftig auch die Fragen nach der Auswirkung des Bruderzwists auf die Reichspolitik und auf den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Eines der unerlässlichen Desiderate stellt auch die interdisziplinäre Zugangsweise dar, die die Erkenntnisse und Methoden unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen verwerten wird.

Zur freundlichen Atmosphäre des Symposiums trug auch ein interessantes Begleitprogramm bei, dass die Besichtigung des Schlosses in Böhmisch Krumau und ein Konzert der Musik aus der Zeit der Spätrenaissance und des frühen Barock einschloss. Während der Darbietung des Vokalensembles Dyškanti konnten die Symposiumsteilnehmer die wunderschöne Ausschmückung des Maskensaals des Schlosses in Böhmisch Krumau bewundern. Die präsentierten Beiträge werden in der Editionsreihe Opera historica des Instituts für Geschichte der Philosophischen Fakultät der Südböhmischen Universität erscheinen.

Kurzübersicht:

Montag 13. Oktober 2008

I. Herrschaftsordnungen im frühneuzeitlichen Europa
Moderation: Anton Schindling (Tübingen)

Ronald G. Asch (Freiburg im Breisgau), Jakob I. von England und die Krise der europäischen Monarchie um 1600

Heinz Noflatscher (Innsbruck): Kronprinzen und Kronprinzessinnen im Zeitalter Philipps II.

Ivo Cerman (České Budějovice): Nova Distributio. Die Gesellschaftsbilder in den böhmischen Ländern um 1600

Thomas Winkelbauer (Wien): Bauer, Grundherr, Landesfürst – Theorie und Praxis von Herr-schaft über Land und Leute in den habsburgischen Ländern in Mitteleuropa um 1600

Stefan Ehrenpreis (Berlin): Rudolfs II. Ratgeber zur Zeit des Bruderzwists

Dienstag 14. Oktober 2008

II. Der Bruderzwist in der europäischen Politik
Moderation: Ronald G. Asch (Freiburg im Breisgau)

Anton Schindling (Tübingen): Die geistlichen Fürsten und die Reichskirche zur Zeit des habsburgischen Bruderzwists

Luc Duerloo (Antverp/Princeton): For Dynasty, Church and Empire: Archduke Albert and the Coming of the Bruderzwist

Jan Paul Niederkorn (Wien): Spanische und päpstliche Gesandte als Vermittler zwischen Ru-dolf II. und Matthias

Pavel Marek (České Budějovice): Die Rolle der Klienten Spaniens in den Reihen des böhmi-schen Adels zur Zeit des Bruderzwists

Tomáš Černušák (Brno): Die päpstliche Politik und der Bruderzwist in der Nuntiaturkorres-pondenz des Antonio Caetani

III. Monarchische Repräsentation um 1600
Moderation: Zdeněk Vybíral (Tábor/České Budějovice)

Markus Jeitler (Wien): Linz und Wien als Residenzen Erzherzog Matthias’

Pavel Král (České Budějovice): Continuity or Discontinuity? Coronations and Funerals of Rudolf II and Matthias

Mittwoch 15. Oktober 2008

IV. Adel, Hof und Stände – Bündnispartner oder Konkurrenten der Krone?
Moderation: Thomas Winkelbauer (Wien)

Arno Strohmeyer (Salzburg): Religionsfreiheit und Ständefreiheit im europäischen Vergleich

Václav Bůžek (České Budějovice): Die politische Rolle der Residenz Peter Woks von Rosen-berg in Wittingau zur Zeit des Bruderzwists

Géza Pálffy (Budapest): Bündnispartner und Konkurrenten der Krone: Erzherzog Matthias und die ungarischen Stände 1605–1611

V. Matthias’ Feldzug nach Böhmen
Moderation: Géza Pálffy (Budapest)

Zdeněk Vybíral (Tábor/České Budějovice): Rivals in their own Land – Matthias´ and Rudolf´s Armies on the Fringe of the Bruderzwist

Josef Hrdlička (České Budějovice): Die Folgen des Feldzuges für die betroffenen Gebiete in den böhmischen Regionen

Tomáš Sterneck (Praha/České Budějovice): Zwischen Bruderzwist und Einfall des Passauer Kriegsvolks. Reflexion der politischen Turbulenzen von 1608 bis 1611 in einer königlichen Stadt am Beispiel von Budweis

VI. Rezeptionsgeschichte
Moderation: Václav Bůžek (České Budějovice)

Bohumil Jiroušek (České Budějovice): Der Bruderzwist in der Historiographie des 19. und 20. Jahrhunderts

Wolfgang Häusler (Wien): Grillparzers Drama „Ein Bruderzwist in Habsburg“ – ein zeitge-schichtliches Paradigma in der Schreibtischlade des beamteten Poeten?


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