Digitale Editionen – Methodische und technische Grundfertigkeiten. Summer School

Digitale Editionen – Methodische und technische Grundfertigkeiten. Summer School

Organisatoren
Institut für Dokumentologie und Editorik, Professur für „Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung“, Thomas Institut, Zentrum für Mittelalterstudien
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.09.2008 - 05.09.2008
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Von
Patrick Sahle, Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung, Universität zu Köln

Geisteswissenschaftliche Forschung, die im Wesentlichen mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung betrieben wird, hat sich international unter der Bezeichnung „Digital Humanities“ früher „Humanities Computing“, neuerdings auch „eHumanities“ - als ein ebenso eigenständiger wie interdisziplinärer Forschungsbereich etabliert. Dabei verfügt in Deutschland die philosophische Fakultät der Universität zu Köln mit der Professur für „Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung“ (HKI) über den bis heute einzigen regulären Lehrstuhl für eine solche geisteswissenschaftliche Fachinformatik. Im weiteren Umfeld hat sich vor einiger Zeit mit dem „Institut für Dokumentologie und Editorik“ (IDE) ein Netzwerk gebildet, das sich ausdrücklich auch der Förderung digitaler Editionsformen verschrieben hat, da hier das Interesse der einzelnen Fachdisziplinen an digitalen Verarbeitungs- und Präsentationsformen in besonderer Weise zutage tritt. Ähnliche Institutionalisierungstendenzen, zuletzt in Erlangen, Heidelberg, München und Berlin, zeugen von der hohen Relevanz, die diesem Arbeitsfeld zur Zeit beigemessen wird.1

Vom 1. bis zum 5. September fand vor diesem Hintergrund die erste Summer School „Digitale Editionen – Methodische und technische Grundfertigkeiten“ statt, die vom IDE, der HKI, dem „Thomas Institut“ (TI) und dem interdisziplinären „Zentrum für Mittelalterstudien“ (ZfMs) und konzipiert, organisiert und durchgeführt und mit Mitteln der Fakultät und des universitären Fördervereins finanziert wurde.

In einem übergreifenden Ansatz zielte die Veranstaltung in besonderem Maße auf eine interdisziplinäre Zusammenarbeit wie auch auf die Entwicklung und Verbreitung neuer Methoden und Technologien aus dem Bereich der „Digital Humanities“ über den lokalen und regionalen Zusammenhang hinaus. Die trotz eines früh bekannt gegebenen Anmeldestopps eingegangenen 75 Anmeldungen zeigen ein breit gestreutes Interesse, das sich auch geographisch von Cambridge über Kopenhagen bis Kapstadt erstreckte. Aus Kapazitätsgründen konnten zwar nur die ersten 30 Anmeldungen berücksichtigt werden. Bereits diese Gruppe deckte aber den gesamten deutschsprachigen Raum ab (und ging sogar darüber hinaus): drei Teilnehmer/innen kamen aus der Schweiz, vier aus Österreich, eine aus Dänemark und 22 aus verschiedenen deutschen Bundesländern.

Dass digitale Editorik ein interdisziplinäres Bedürfnis ist, zeigt die Verteilung der vertretenen Fächer. Die Teilnehmer/innen (überwiegend Promovierende und Habilitierende) brachten Projekte aus der Geschichte (15), der Rechtsgeschichte (2) und der germanistischen (4), romanistischen (2), anglistischen (1), skandinavistischen (2), lateinischen (3) und altgriechischen (1) Philologie in die gemeinsame Debatte ein. Zwei Teilnehmer/innen waren von philosophischen Forschungseinrichtungen entsandt worden und repräsentierten damit auch diesen Bereich. Der zeitliche Rahmen reichte von der klassischen Antike bis hin zu Texten des 20. Jahrhunderts mit einer gewissen, wenig überraschenden, Überrepräsentanz des Mittelalters (17) gegenüber früher Neuzeit (8) und der Zeit nach 1800 (7). Nimmt man insbesondere die „historischen“ Editionsprojekte in den Blick, so zeigte sich auch hier ein sehr breites Spektrum, das alle Zeiträume vom Frühmittelalter bis zum 20. Jahrhundert und die unterschiedlichsten Quellengattungen, von Einzelurkunden über Inschriften, kanonistische Texte, historiographische Werke, Briefe, Nachlässe und spezielle Archivbestände umfasste.

Für die historischen Editionsprojekte waren die gleichen, nur scheinbar gegenläufigen Grundtendenzen zu beobachten, die auch für die Vorhaben aus den anderen Disziplinen gelten: Auf der einen Seite wird die digitale Edition als Fortsetzung der traditionellen Ansätze verstanden und soll jene Materialien, die auch bisher Gegenstand des Interesses waren, besser, schneller, rationeller, zeitgemäßer und in neuen Medien aufbereiten und verfügbar machen. Hier geht man von der etablierten Methode aus, das heißt man zielt in der Regel auf die Rekonstruktion einer Werkintention, und versucht diese zunächst nur mit neuen Werkzeugen zu erreichen. Auf der anderen Seite nutzen die Editoren digitale Formen, um neue Materialien zu erschließen oder andere Leitvorstellungen von der Überlieferung zu operationalisieren. Dabei geht es dann weniger um die Wiederherstellung ursprünglicher abstrakter Autorintentionen als um die Bewahrung der materiellen, visuellen oder skriptographischen Faktizität der tatsächlich erhaltenen Dokumente. Faszinierend ist die Beobachtung, dass sich durch den Einsatz gemeinsamer Technologien und Medien beide Tendenzen aufeinander zu bewegen.

Die Veranstaltung legte besonderen Wert auf die Vermittlung und Diskussion neuerer theoretischer Konzepte und methodischer Ansätze, die sich im Bereich der Editorik zunächst durch zunehmend computergestützte Arbeitsweisen und insbesondere digitale Publikationsformen seit einigen Jahren entwickeln und allmählich zu einem eigenständigen Modell verfestigen. Dieses beruht zwar auf den gefestigten Erkenntnissen und Traditionen der etablierten historisch-kritischen Edition, hinterfragt aber zugleich deren historische und technischen bzw. medialen Grundlagen und Rahmenbedingungen und kommt in der neuen Alternativität vieler editorischer Haltungen, Arbeitsweisen und Zielstellungen zu einer insgesamt erweiterten Editionstheorie und einer deutlich veränderten Praxis. Das aktuelle Paradigma in einer digitalen Editorik im engeren Sinne, die sich nicht auf den Computer als Werkzeug oder Medium beschränkt, basiert auf einer Editionserstellung auf der Basis von eXtensible Markup Language (XML), die zunächst unabhängig von der Form der Ausgabe (der „Medialisierung“) ist. Aus solchermaßen verallgemeinerten und für die langfristige Nutzung aufbereiteten Editionsdaten werden dann über Transformationsroutinen digitale oder analoge Präsentationsformen generiert. Dies können ebenso statische oder dynamische Online-Anwendungen auf der Basis von XML-Datenbanken oder direkt erzeugtem HTML sein, wie auch Drucke auf der Grundlage von LaTeX, PDF oder zwischengeschalteter Software wie dem „Classical Text Editor“ (CTE).

Den Schwerpunkt der Summer School bildete dem entsprechend die Vermittlung von Kenntnissen in nicht-trivialen Technologien, die für anspruchsvolle und nachhaltige digitale Editionen notwendig sind. Hier wurden in vormittäglichen Vorträgen vier Bereiche systematisch abgedeckt: erstens Internet-Technologien und Digitalisierung (Internet-Architektur, HTML, CSS, Zeichencodierung, Bild- und Textdigitalisierung, Veröffentlichung digitaler Projekte), zweitens spezialisierte Software und generische XML-Editoren für den Einsatz in Editionsprojekten, drittens die Beschreibung und Codierung editorischer Befunde und Deutungen nach den Richtlinien der Text Encoding Initiative (TEI), Version P5 sowie vierstens XML als generische Auszeichnungssprache und weitere, sie begleitende Technologien (XPath, XSLT, XSL-FO, XQuery, XML-Datenbanken).

Insbesondere die Anwendung der X-Technologien auf die Editionsvorhaben der Teilnehmer/innen war auch Gegenstand der nachmittäglichen, durch die Dozent/innen (Bernhard Assmann (Trier), Christiane Fritze (Berlin), Patrick Sahle (Köln), Torsten Schaßan (Wolfenbüttel) und Philip Steinkrüger (Köln)) und Tutoren intensiv betreuten Übungseinheiten und stellte für den durchweg geisteswissenschaftlichen Teilnehmerkreis eine echte Herausforderung dar. Dass die Codierung der mitgebrachten Teilnehmermaterialien in XML nach den Regeln der TEI und ihre Transformation mittels XSLT in digitale (potentiell auch gedruckte) Publikationsformen als ein aktuelles und zukunftsträchtiges Modell digitaler Edition in nur fünf Tagen erlernt und erfolgreich auf den eigenen Problemkreis angewandt werden konnte, zeugt vor allem vom großen Engagement der einer neuen Generation von Editoren, zugleich aber auch davon, dass die aktuellen, teilweise auch sehr komplexen Technologien in diesem Bereich auch ohne Informatikstudium sehr wohl beherrschbar sind und zum fortgeschrittenen Handwerkszeug eines modernen Editors bzw. einer modernen Editorin gerechnet werden können.

Wegen der großen Nachfrage und der positiven Resonanz der Teilnehmer/innen wird eine Wiederholung der Veranstaltung im Jahr 2009 angestrebt.

Anmerkung:
1 Erlangen: „Interdisziplinäres Zentrum Editionswissenschaft“, Heidelberg: Masterstudiengang „Editionswissenschaft und Textkritik“, München (Ludwig-Maximilians-Universität): „Müchener Zentrum für Editionswissenschaft“, Berlin (Freie Universität): „Masterstudiengang Editionswissenschaft“

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