Banken in Krisenzeiten: Herausforderungen und Lösungsansätze

Banken in Krisenzeiten: Herausforderungen und Lösungsansätze

Organisatoren
Gesellschaft für Unternehmensgeschichte, Frankfurt am Main; Institut für bankhistorische Forschung, Frankfurt am Main
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.09.2008 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Frank Bauer, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Historische Banken- und Währungskrisen bieten in Geschichts- wie Wirtschaftswissenschaften stets vielversprechende, interdisziplinäre Forschungsfelder und Arbeitsansätze. Durch die akute Krise des internationalen Finanzmarktes, charakterisiert durch zahlreiche Insolvenzen von Kreditinstituten, weltweite Unsicherheit und staatliche Interventionen in Milliardenhöhe, gewinnen sie in jüngerer Vergangenheit zudem an Aktualität und Brisanz, sind aus ihnen doch eventuell allgemeine und anwendbare Aussagen abzuleiten. An dieser Schnittstelle setzte die 7. Sitzung des Arbeitskreises Bank- und Versicherungsgeschichte an, welche am 5. September 2008 mit dem Thema "Banken in Krisenzeiten: Herausforderungen und Lösungsansätze" in Frankfurt am Main stattfand. Die Veranstaltung wurde gemeinsam von der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte und dem Institut für bankhistorische Forschung organisiert.

Im Eröffnungsvortrag gab CARSTEN BURHOP (Bonn) einen Überblick über den theoretischen Hintergrund von Bankenkrisen, ihre Ausprägung im 19. und 20. Jahrhundert und historiographische Forschungsansätze. In einer Gegenüberstellung der Krisen von 1873 und 1907 legte er dar, dass eine Ausweitung der amerikanischen Krise von 1907 in Europa aufgrund der Erfahrungen von 1873 bzw. der Schaffung von Zentralbanken verhindert werden konnte. Im Anschluss daran seien verstärkte Forschungen zu jenen frühen Bankenkrisen und deren Aussagekraft in Bezug auf heutige Entwicklungen anzuregen. Bezüglich der Krise 1931 stellte Burhop die bestehenden Interpretationsansätze der Bankenkrise, Währungskrise, Doppelkrise und Auslandsschuldenkrise gegenüber. Als zentrale Erkenntnis dieses Vergleichs bemerkte er, dass sämtliche Ansätze makroökonomisch orientiert seien und durch mikroökonomische Detailanalysen ergänzt werden müssten. Insbesondere seiner Forderung, wonach diesem Forschungsfeld aufgrund der Bedeutung für den Untergang der Weimarer Republik besondere Bedeutung beizumessen sei, ist zuzustimmen. In einer anschließenden Kritik der ökonomischen Forschung betonte Burhop, dass selbige auf ihre Prognosefähigkeit überprüft und stärker mit der Geschichtswissenschaft verknüpft werden müsse. Die anschließende Diskussion regte ferner eine Analyse wirtschaftspolitischer Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit in historischen Krisensituationen und eine Erweiterung der Perspektive in den Osten Europas an.

Der Kernteil der Tagung fokussierte in besonderem Maß einzelne Banken als Akteure in Krisenzeiten und analysierte deren spezielle Geschichte und Auftreten. So vermittelte DIETER ZIEGLER (Bochum) auf Basis zurückliegender Forschungen überzeugend, wie die Bank of England die Jahre von 1866 und 1878 durch die relativ isolierte Ausprägung der jeweiligen Krisen und ein geschicktes Auftreten am Markt bestehen konnte; Somit sei das allmähliche Hineinwachsen in die Rolle einer Zentralbank begründet worden. Ziegler gelang die Verteidigung der These, wonach der Peelęs Act und die hiermit verbundene Trennung in eine Notenbank- und eine Depositengeschäftsabteilung als ein zentrales Hinderungselement dieser Entwicklung einzuschätzen ist. Eine gesteigerte Verantwortung gegenüber den Finanzmärkten und der Status der Bank of England als "lender of last resort" habe sich also erst nach dessen Aufhebung 1914 durchsetzen können.

Die beiden Vorträge HARALD WIXFORTHs (Bochum) und JOHANNES BÄHRs (Berlin) beschäftigten sich schließlich mit zwei Falluntersuchungen der deutschen Wirtschafts- und Bankengeschichte der Weimarer Republik. Bährs Exposé zur Entwicklung der Bayerischen Gemeindebank in Folge der Krisenerfahrung 1925 stellte im Rahmen einer Kritik der vorangegangenen Geschäftspolitik den Mangel an internen Prüfmechanismen, die Nichtwahrnehmung bestehender Formen von Kontrolle und eine Entprofessionalisierung des Vorstandes als maßgebliche Ursachen heraus. Er bekräftigte überzeugend die Annahme, dass die Bayerische Gemeindebank aufgrund der Lehren aus der Krise von 1925 von der folgenden Weltwirtschaftskrise relativ unberührt blieb und erst 1931 unverschuldet in Zahlungsunfähigkeit geriet. Wenngleich die Hervorhebung der personellen Bedeutung des Direktors Friedrich Döhlemann und seiner konservativen Geschäftspolitik mit langsamer Zunahme der Liquidität überzeugte, wurde in diesem Zusammenhang die – im Tagungsablauf von verschiedener Seite geäußerte – Forderung nach einer stärkeren Verknüpfung von personen- und strukturgeschichtlicher Perspektive besonders deutlich. Im Einklang mit der Meinung des Autors wird Bährs Vergleich der Geschäftspolitik von Rheinischer Landesbank und Bayerischer Gemeindebank um eine breit angelegte, vergleichende Untersuchung struktureller und regionaler Geschäftsgrundlagen von Banken im Umfeld der Weltwirtschaftskrise zu ergänzen sein.

Die einleitende Aufforderung, der öffentliche Sektor sei in künftigen wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Darstellungen weit stärker als bisher zu fokussieren, wurde von Wixforth am Beispiel der Rolle der Reichskreditgesellschaft in den Jahren 1929 bis 1931 hinterfragt. Anhand einer detaillierten Analyse des deutschen Bankensystems und der Wirtschaftspolitik der späten 1920er-Jahre zeigte er auf, dass die Reichskreditgesellschaft als öffentlicher Akteur eine bedeutende Rolle in der Rettung und Sanierung illiquider Privatbanken wie der Dresdner Bank und des Halleschen Bankenvereins spielte. Wixforth verwies auf den Umstand, dass das heutige private Bankenwesen ohne das Eintreten öffentlicher Banken 1929 bis 1931 nicht entstanden wäre; Dies sei insbesondere auch bei der heutigen Beurteilung öffentlicher Banken zu berücksichtigen. Es erwies sich in Bezug auf die Reichskreditgesellschaft eine terminologische Abgrenzung und Schärfung der Begriffe Bank bzw. staatlich intervenierende Finanzierungsagentur als notwendig.

Durch die Behandlung der aktuellen Finanzkrise als einem gegenwärtigen wie zeitgeschichtlichen Thema bildete der Abschlussvortrag BERND RUDOLPHS (München) einen thematischen Gegensatz zum übrigen Tagungsprogramm. Über dies hinaus widersprach er im Rahmen eines strukturbezogenen Ansatzes explizit einer personengeschichtlichen Deutungsweise und betonte die Charakteristika des amerikanischen Immobilien- und Hypothekenmarktes sowie die Ausweitung der privaten Hypothekenfinanzierung als maßgeblich. Überzeugend legte Rudolph ferner die Orientierung der indikativen Ratings von Schuldnern als eine zentrale Ursache der Krise dar. Diese seien von den Ratingagenturen unter Orientierung an statistischen Werten der Vergangenheit und oftmals im Interessenkonflikt erstellt und nach Marktveränderungen nicht flexibel korrigiert worden. In einer abschließenden Ursachenanalyse legte er den Fokus insbesondere auf Möglichkeiten der Krisebewältigung und -vermeidung. Hierbei müssten zusätzliche Kontrollmechanismen und eine größere Differenzierung innerhalb des "Triple A"-Ratingcodes eingeführt werden, um zukünftige Krisen zu verhindern.

Als letztes Merkmal der Tagung sind die Überlegungen in Bezug auf die Gegenwärtigkeit der Thematik zu nennen. So war stets deutlich, dass eine Veranstaltung mit dem Thema historischer Bankenkrisen im aktuellen Ausnahmezustand des Finanzmarktes unter dem Licht der Nutzbarmachung von Erkenntnissen für aktuelle und zukünftige Wirtschaftsentwicklungen stehen muss. Der erste Schritt hierzu ist nach Ansicht des Autors der von Burhop angeregte Abgleich wirtschaftswissenschaftlicher Modelle von Finanzmärkten und -systemen mit geschichtswissenschaftlichen Analysen von Banken- bzw. Wirtschaftskrisen. Wie von verschiedener Seite geäußert, verspricht die damit einhergehende Interdisziplinarisierung und Erweiterung der Perspektive letztlich eine Erhöhung der allgemeinen Prognosefähigkeit. Infolgedessen könnte eine angewandte Geschichtswissenschaft an Bedeutung gewinnen und als Berater in aktuellen Fragestellungen bezüglich des internationalen Finanzmarktsystems und - dies zeigte sich insbesondere bei Wixforth - Formen staatlicher Intervention auftreten. Als weiteres Ergebnis der Tagung ist das gewachsene Bedürfnis nach einer neuen, umfassenden deutschen Abhandlung zur Währungs- und Bankengeschichte der Weimarer Republik und speziell der Weltwirtschaftskrise zu nennen; Entsprechende Entwicklungen und Forschungsarbeiten wurden angeregt und werden zu verfolgen sein.

Kurzübersicht:

Carsten Burhop (Bonn): Bankenkrisen in der historischen Forschung – Forschungsstand und Desiderata

Dieter Ziegler (Bochum): Eine öffentliche Bank im privaten Eigentum unter Beschuss: Die Bank of England und die Finanzmarktkrisen 1866 und 1878

Johannes Bähr (Berlin): Die Bayerische Gemeindebank in den Krisen von 1925 und 1931

Harald Wixforth (Bochum): Sanierer und Sanierte. Die Rolle der öffentlichen Banken und Bankiers in der Bankenkrise 1931

Bernd Rudolph (München): Anmerkungen zur aktuellen Krise der internationalen Finanzmärkte