Perceptions of Labour in Late Medieval and Early Modern Europe

Perceptions of Labour in Late Medieval and Early Modern Europe

Organisatoren
Institut für Geschichte, Universität Salzburg
Ort
Salzburg
Land
Austria
Vom - Bis
23.05.2003 - 24.05.2003
Url der Konferenzwebsite
Von
Thomas Buchner, Institut für Geschichte, Universität Salzburg

Debatten über den Stellenwert und die Bedeutung von Arbeit, ihrer Transformation und ihrem möglichen Ende sind fester Bestandteil der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen in Europa. Neben einer breiten sozialwissenschaftlichen Diskussion hat sich seit einigen Jahren auch in den historischen Wissenschaften eine Debatte über die Bedeutung und Bewertung von Arbeit in der Geschichte entwickelt 1. Im Rahmen einer von Josef Ehmer (Salzburg) und Catharina Lis (Brüssel) organisierten internationalen Konferenz, die vom 23. bis 24.5.2003 unter dem Titel 'Perceptions of Labour in Late Medieval and Early Modern Europe' am Institut für Geschichte der Universität Salzburg abgehalten wurde, sollten sozial-, wirtschafts-, ideen- und kulturgeschichtliche Bemühungen fokussiert werden 2. Ziel dieser Konferenz war es einerseits, eine Reihe von aktuellen Ergebnissen stärker als bislang aufeinander zu beziehen, andererseits aber auch, Defizite und Entwicklungsmöglichkeiten von Forschungen zur Geschichte der Arbeit aufzuzeigen.

Ein Teil der Vorträge näherte sich dem Thema aus den in der Forschung auch bislang dominierenden Perspektiven des Eliten- bzw. Intellektuellendiskurses. Catharina Lis (Brüssel) betonte in ihrer Untersuchung griechischer Autoren der Antike, die einen grundlegenden Bezugsrahmen neuzeitlicher und aktueller Überlegungen darstellen, dass der Topos der negativen Bewertung von Arbeit in der Antike in seiner Eindeutigkeit nicht haltbar ist. Vielmehr wäre diese Perspektive jene einer Minorität gewesen und im Kontext antiker Debatten um das Ausmaß politischer Partizipation zu verorten. Gleichfalls korrekturbedürftig ist die Dominanz des Bildes einer eindimensionalen Entwicklung des Konzeptes 'Arbeit', wie der Vortrag von Torsten Meyer (Cottbus) deutlich machte. Am Beispiel der 'Hausväterliteratur' des 16. bis 18. Jahrhunderts zeigte er, dass Arbeit nicht zwingend mit Produktion oder Erwerb in Bezug zu setzen war. Arbeit diente im Rahmen der 'Hausväterliteratur' vielmehr als Ausdruck der sozialen Hierarchie des 'ganzen Hauses'. Welch unterschiedliche Bewertungen von Arbeit in der Frühen Neuzeit alleine auf der Ebene gelehrter Texte offenkundig sind, ließ sich am Gros der Vorträge erkennen. Deutlich wurde dies etwa bei den von Thomas Buchner (Salzburg) verglichenen merkantilistischen und kameralistischen Texten aus den Niederlanden und Zentraleuropa im 17. Jahrhundert. Während Arbeit im niederländischen Kontext als individuelle Handlung aufgefasst wurde und auf soziale Mobilität und Konsum verweisen konnte, wurde Arbeit in den kameralistischen Texten vor allem als eine Ressource des Hofes verstanden. Cynthia J. Koepp (New York) demonstrierte am Beispiel eines frühneuzeitlichen Bestsellers, der nunmehr kaum beachteten, 1732-1751 erschienenen, französischen Enzyklopädie des Abbé Pluche, welch hoher Stellenwert qualifizierter handwerklicher Arbeit zugewiesen werden konnte. Ein Handwerk zu betreiben, erschien darin - im krassen Gegensatz zu manchen niederländischen Merkantilisten - als eine der edelsten menschlichen Tätigkeiten überhaupt.

Ein zweiter Schwerpunkt der Konferenz lag auf der Perspektive jener, die im Spätmittelalter bzw. der Frühen Neuzeit tatsächlich arbeiteten. Dass diese 'Innensicht' deutlich schwerer als Eliten- oder Gelehrtenperspektiven festzumachen ist, wurde insbesondere im Referat von James Amelang (Madrid) deutlich. Amelang betonte, dass Arbeit in den Texten frühneuzeitlicher worker autobiographers eine nur periphere Rolle einnahm. Seiner Ansicht nach wäre dieses 'Fehlen' von Arbeit weniger als Versäumnis, Fehler oder Zufall zu interpretieren, sondern vielmehr als bewusste Ausblendung, die sich erst im späten 18. Jahrhundert änderte. Die Beziehungen zwischen dem Selbstverständnis der Arbeitenden und der Auffassung jener, die Arbeit beobachteten und beschrieben, erwies sich an mehreren Beispielen als höchst komplexes Beziehungsgefüge. Josef Ehmer (Salzburg) etwa zeigte am Beispiel von Arbeitsmigration im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit, dass das breite Spektrum obrigkeitlicher Bewertungen von Ablehnung bis hin zu positiver Einschätzung und Lenkung reichte. Ähnlich komplex gestaltete sich die 'Innensicht' der Akteure: Die grundsätzliche Selbstverständlichkeit von Arbeitsmigration konnte sich mit der Ablehnung spezifischer Migrationsformen oder dem Versuch, Arbeit zu vermeiden, verbinden. Wie perspektivenabhängig die Bewertung von Arbeit war, zeigte auch der Vortrag von Luca Mocarelli (Mailand) über soziale Beziehungen im Mailand des 18. Jahrhunderts. Einerseits etwa betrachteten die Eliten der Stadt die aus Bergdörfern stammenden Träger als rüde und gefährlich, andererseits jedoch ist diese elitäre Sicht wiederum selbst zu differenzieren. Während die politischen Eliten der Stadt Adel und Handel als miteinander grundsätzlich unvereinbar betrachteten, war der städtische Adel letztlich doch für Händlerfamilien offen, wobei sich diese Offenheit aber wiederum grundsätzlich nur auf bestimmte Formen des Handels beschränkte. Die Fokussierung auf die 'Innensicht' einer sozialen Gruppe stand bei Jaume Aurell (Navarra/Pamplona) im Zentrum. Auf der Basis so unterschiedlicher Quellengruppen wie Handbüchern oder Notariatsakten zeigte Aurell, dass spanische Händler des Spätmittelalters den Handel als eine Kunst betrachteten, damit aber unterschiedliche Werte wie Loyalität, Können oder Frömmigkeit verbanden. Der Konnex von Arbeit, Lohn und Leistung am Beispiel des deutschsprachigen Handwerks stand im Zentrum des Vortrags von Reinhold Reith (Salzburg). Reith betonte, frühneuzeitliche Auseinandersetzungen über Lohnformen hätten zwar Vorstellungen etwa vom 'faulen' Gesellen inkludiert, doch wären die realen Ursachen und die Bedeutung unterschiedlichster Lohnformen in anderen Bereichen zu verorten. Die Löhne im Handwerk hätten allerorts Leistungskomponenten inkludiert und seien überwiegend als eine Antwort auf die spezifische Nachfrage in der frühneuzeitlichen Wirtschaft zu verstehen.

Ein dritter Schwerpunkt der Konferenz lag in der Interpretation visueller Quellen. Gerhard Jaritz (Budapest/Krems) betonte in seiner Analyse von mitteleuropäischen Bildquellen des 14. bis 16. Jahrhunderts die Kontextgebundenheit dieses Quellentypus'. Durch die Darstellung bekannter Arbeitsformen oder -schritte sollte eine Verbindung von Bildern und Betrachtern hergestellt und die Übermittlung von Botschaften erleichtert werden. Arbeit stand damit in einem spezifischen Zusammenhang: we are the right ones doing the right work at the right time in the right way. Ilja M. Veldman (Amsterdam) zeichnete am Beispiel niederländischer Druckgraphiken des 16. Jahrhunderts die secularization of the work ethic nach. Bis ins dritte Viertel des 16. Jahrhunderts wurde Arbeit als Verpflichtung gegenüber Gott dargestellt, wofür ein jenseitiger Lohn in Aussicht gestellt wurde. Mit dem Wandel der städtischen Bürgerschaft lässt sich jedoch eine Säkularisierung der Arbeitsethik feststellen: Arbeit und der rechte Gebrauch von Zeit schlugen sich nunmehr in weltlichem Lohn (Wohlstand, Selbstvertrauen, etc.) nieder.

Die Grundlage für ein abschließendes Resümee legte Jan Lucassen (Amsterdam). Er untersuchte jene zwischen 1840 und 1940 in Westeuropa entstanden Versuche, eine Globalgeschichte der Arbeit und der Arbeitsbeziehungen zu schreiben. Lucassen beschrieb diese Versuche als einerseits inspirierend für neuere Ausgangspunkte, andererseits jedoch als aus mehreren Gründen sehr beschränkt: Sie wären geprägt von einem ausgeprägten cultural prejudice, seien darum nur in den seltensten Fällen als Globalgeschichte zu bezeichnen und würden zahlreiche Formen von Arbeit oder Arbeitsbeziehungen ausklammern. Die Diskussionen, sowie die von Sylvia Hahn (Salzburg), Steven L. Kaplan (Ithaca), Hugo Soly (Brüssel) und Sir Keith Thomas (Oxford) präsentierten Kommentare zu den Referaten wiesen auf manche, mit Lucassens Ergebnissen korrespondierenden, Problemfelder hin. So zeigte sich, dass die Abgrenzung von work, etwa gegenüber labour nur schwer möglich ist. Auch bestand Einigkeit darüber, dass die Analyse der 'Innenperspektive' der Arbeitenden nach wie vor zu wenig vorangetrieben ist.

Deutlich wurde jedoch, dass die Bedeutungen und Bewertungen von Arbeit nicht nur innerhalb eines Zeitraumes, sondern auch innerhalb einer sozialen Gruppe und selbst eines Menschen widersprüchlich sein konnten. Die Geschichte der Arbeit lässt sich nicht mehr in ein lineares Verlaufsschema pressen, dessen Grundaussage die stetig steigende Bedeutung und eindeutige Bewertung von Arbeit in den westlichen Gesellschaften ist. Künftig wird somit eine noch stärkere Betonung auf die polyphony of voices im Rahmen einer Geschichte der Arbeit gelegt werden müssen.

1 Vgl. etwa Josef Ehmer, Helga Grebing und Peter Gutschner (Hg.): "Arbeit". Geschichte - Gegenwart - Zukunft. Wien 2002 (=ITH Tagungsberichte 36); Jürgen Kocka und Claus Offe (Hg.): Geschichte und Zukunft der Arbeit. Frankfurt/M.; New York 2000.
2 Dieser Tagungsbericht erscheint auch in der Zeitschrift Frühneuzeit-Info 1(2003).


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