925 Jahre Stift Göttweig – Neue Forschungen zur Geschichte der Benediktinerabtei

925 Jahre Stift Göttweig – Neue Forschungen zur Geschichte der Benediktinerabtei

Organisatoren
Stift Göttweig
Ort
Furth
Land
Austria
Vom - Bis
08.08.2008 - 10.08.2008
Url der Konferenzwebsite
Von
Karin Winter, Stiftsarchiv Lilienfeld

Anlässlich des 925 Jahr-Jubiläums der Klostergründung veranstaltete der Benediktinerkonvent unter Abtpräses CLEMENS A. LASHOFER OSB eine Tagung mit dem Titel „Neue Forschungen zur Geschichte des Stiftes Göttweig“; die Moderationen übernahmen die Kustoden der Kunstsammlungen GREGOR M. LECHNER OSB und MICHAEL GRÜNWALD. Von 8. bis 10. August öffneten Historiker/innen wie Kunsthistoriker/innen dem zahlreich erschienenen Publikum ihre „Forschungswerkstätten“ und präsentierten neue und neueste Fragestellungen, Forschungsansätze und Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit.

Einleitend führte der hochwürdigste Herr Abt Lashofer zu den Wurzeln des Klosters auf dem Göttweiger Berg, dessen über mehrere Jahre dauernder Gründungsprozess mit der Weihe der Stiftskirche am 9. September 1083 abgeschlossen war: Er skizzierte Leben und vor allem Wirken des Gründers Bischof Altmann von Passau (gest. 8. August 1091), besonders seine Rolle im Investiturstreit als Unterstützer der Reformen Papst Gregors VII., anhand der von einem Göttweiger Mönch um 1135 verfassten, berühmten „Vita Altmanni episcopi Pataviensis“.

PETER AICHINGER-ROSENBERGER (Krems) präsentierte anschließend neue Resultate der Baugeschichtsforschung zur Stiftskirche. Das Ineinandergreifen aktueller bauhistorischer Untersuchungen und neuer Vermessungen sowie die ergänzende Auswertung von mittelalterlichen Rechnungsbüchern aus dem Göttweiger Stiftsarchiv ermöglichten es, viele bisher im Wissen um das Baugeschehen der Stiftskirche klaffende Lücken zu schließen und neue Details herauszuarbeiten, wie z.B. die Rekonstruktion einer Dreikonchenanlage als Ostabschluss der romanischen dreischiffigen Basilika mit Doppelturmfassade im Westen.

Daran anknüpfend sprach ANDREAS ZAJIC (Wien) – diesen Themenkomplex mittels epigraphischer und handschriftlicher Quellen beleuchtend – über die in den Göttweiger Rechnungsbüchern belegten Informationen zur Bau- und Ausstattungsgeschichte des vorbarocken Klosters. Mittels verschiedener illustrativer Exempla konnte er nicht nur nennenswerte neue Erkenntnisse vorstellen, sondern auch die frühneuzeitlichen Bauarbeiten im Göttweiger Kloster nachvollziehbar und greifbar schildern.

Den Themenkomplex Baugeschichte zeitlich erweiternd, informierte HUBERTA WEIGL (Wien) über ihre bisherigen Erkenntnisse zur Beziehung zwischen Jakob Prandtauer (1660-1726) und Göttweig, deren durch Rechnungen belegte Planungen für den barocken Neubau der Stiftsanlage leider nicht erhalten blieben. Anhand mehrerer Beispiele versuchte Weigl die „Beratertätigkeit“ Prandtauers in den Jahren 1700 bis 1719 zu veranschaulichen und eine fiktive Bauabwicklung unter der Leitung des renommierten „Klosterbaumeisters“ (Melk, Garsten, St. Florian, Herzogenburg) zu zeigen.

WERNER TELESKO (Wien) referierte im Anschluss das vollständige Freskenprogramm der Stiftskirche, das im späten 17. Jahrhundert von den Brüdern Michael Christoph (1634-1684) und Johann Bernhard Grabenberger (1637-1710) ausgeführt wurde, und gewährte Einblicke in seine Überlegungen zum Dekorationssystem der Seitenkapellen und nuancierten Veränderungen der Programmatik während der zweiten „Barockisierung“ im 18. Jahrhundert.

Zur Ausstattung der Göttweiger Kaiserstiege mit dem Deckenfresko von Paul Troger (1739) sprach JOHANN KRONBICHLER (Brixen). Er zeigte in seinem Beitrag anhand des 1997 aus dem englischen Kunsthandel vom Stift erworbenen Bozzetto zur Apotheose Kaiser Karls VI. als Musengott Apoll interessante Denkansätze zum Arbeitsprozess des Künstlers: „zwischen Entwurf und Ausführung – zwischen Auftraggeber und Schüler“. Bei der Zuschreibung der Ölskizze tendierte Kronbichler nun eher zu einem Ricordo, möglicherweise von Trogers Werkstattmitarbeiter Johann Jakob Zeiller (1708-1783).

ULRIKE SEEGER (Stuttgart) berichtete daraufhin über ihre Arbeiten zur Raumdisposition und Ausstattung der Göttweiger Kaiserzimmer, die nach ihrer Meinung in den frühen Planungsphasen eigentlich als Teil der Prälaturäumlichkeiten für den Abt gedacht gewesen waren. Außerdem begründete sie in ihren Ausführungen die mündliche Göttweiger Tradition, die Ausstattung des heutigen Gobelinzimmers – vor allem das während des Zweiten Weltkrieges zerstörte, ehemals mit Emblemen bestickte Sitzensemble – stamme aus dem Nachlass des Prinzen Eugen.

Den Abschluss der wissenschaftlichen Vorträge bildete das Referat von FRITZ LOŠEK (Mautern/Wien/St. Pölten) über die in der „Vita Altmanni“ verarbeiteten, respektive angeschnittenen Motive aus der antiken Mythologie, vor allem hinsichtlich des Gedankens, so den vom Schreiber angenommenen Bildungshorizont der Leser fassen zu können.

Der große Verdienst der Tagung war es, einige weiße Flecken der Stiftsgeschichte, die trotz der sehr langen und berühmten Forschungstradition des Hauses nach wie vor existieren, geschlossen zu haben. Vor allem anhand von handschriftlichen Quellen wurden neue Forschungsbefunde der Öffentlichkeit präsentiert, die das Zeitgerüst der historischen Entwicklung des Göttweiger Klosters stärken, neue wissenschaftliche Gesichtspunkte beleben und nicht zuletzt den Wert archivischer Überlieferung und deren Pflege einmal mehr besonders unterstreichen. Auch lässt sich sagen, dass es den Veranstaltern mit der Themenschwerpunktsetzung gelungen ist, die Fruchtbarkeit interdisziplinärer Zusammenarbeit, des wissenschaftlichen Austausches auf hohem Niveau vorzuführen.
Die Publikation der Symposiumsbeiträge ist in den „Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige“ für das Jahr 2009 (Jg. 120, Eos-Verlag, St. Ottilien) vorgesehen.

Konferenzübersicht:

Abt Clemens A. Lashofer OSB (Göttweig): Bischof Altmann – Gründer von Göttweig

Peter Aichinger-Rosenberger (Krems): „Ecclesia beate mariae in monte kottwich.“ Zur mittelalterlichen Baugeschichte der Stiftskirche von Göttweig – Ergebnisse einer Bauforschung

Andreas Zajic (Wien): Zur Ausstattung des vorbarocken Stiftes anhand schriftlicher Quellen

Huberta Weigl (Wien): Jakob Prandtauer im Dienst des Stiftes Göttweig (1700-1719)

Werner Telesko (Wien): Das Altar- und Freskenprogramm der Stiftskirche Göttweig im 17. und 18. Jahrhundert

Johann Kronbichler (Brixen): Entwurf oder Ricordo? Zum Deckenfresko Paul Trogers in der Kaiserstiege von Göttweig

Ulrike Seeger (Stuttgart): Von Appartements, Bordüren und gestickten Devisen. Überlegungen zur Baugeschichte und Ausstattung der Göttweiger Kaiserzimmer

Friederike Hillebrand (Wien): „...nach den in allen Einzelheiten bekannten vollständigen Plänen des Lukas v. Hildebrandt auszubauen.“ Pläne zum Benediktinerstift Göttweig in der Zeit des Nationalsozialismus (wegen Erkrankung entfallen)

Fritz Lošek (Mautern/Wien/St. Pölten): „Dicitur Mars Vulcani coniugem amavisse:“ Antike Mythologie und die „Vita Altmanni”


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