Das politische System Genuas / Il sistema politico genovese

Das politische System Genuas / Il sistema politico genovese

Organisatoren
Matthias Schnettger, Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Dr. Carlo Taviani, Università degli Studi di Teramo, Deutsches Historisches Institut Rom
Ort
Genua
Land
Italy
Vom - Bis
18.04.2008 - 19.04.2008
Url der Konferenzwebsite
Von
Romy Kunert, SFB 600 TP B6, Universität Trier; Giustina Olgiati, Archivio di Stato Genova Italia

Das politische System Genuas: Beziehungen, Konflikte und Vermittlungen in den Außenbeziehungen und bei der Kontrolle des Territoriums

Der internationale Kongress zur politischen Geschichte Genuas, der am dortigen Staatsarchiv vom 18. bis zum 19. April 2008 veranstaltet wurde, ist vom Deutschen Historischen Institut in Rom organisiert worden in Zusammenarbeit mit dem Dipartimento di Cultura Giuridica „Giovanni Tarello“ der Universität Genua und mit der finanziellen Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung und der Region Ligurien. Er widmete sich dem politischen System Genuas: Einerseits wurden die politischen Beziehungen mit dem Ausland analysiert, andererseits das Verhältnis zum eigenen Herrschaftsgebiet. Insbesondere bot der Kongress die Möglichkeit für die Teilnehmer (mehrheitlich deutsche und italienische, aber auch englische und französische), laufende und abgeschlossene Projekte zu präsentieren. Ergänzt wurden die Vorträge durch die Kommentare von RODOLFO SAVELLI, GIORGIO CHITTOLINI, MARIA ANTONIETTA VISCEGLIA, GIUSEPPE FELLONI und CINZIA CREMONINI. Eine Publikation der Vorträge ist vorgesehen.
Nach den Grußworten von MICHAEL MATHEUS (Direktor des Deutschen Historischen Institutes in Rom) und RODOLFO SAVELLI (Professor des Dipartimento di Cultura Giuridica der Universität Genua) führten die Veranstalter MATTHIAS SCHNETTGER und CARLO TAVIANI in die Thematik des Kongresses ein.

Einführende Sektion

MARCO VERONESI ging in einem langen und ausgreifenden Exkurs in der einführenden Sektion durch die Werke der deutschen Historiker – Zeitgenossen Camillo Manfronis – der Frage nach, was die Motive für deren Interesse an der politischen und kommerziellen Geschichte Genuas waren. Ausgehend von den Arbeiten über das italienische Mittelalter im Allgemeinen sowie den institutionell-rechtlichen Studien von Gregorovius, Bethmann-Hollweg, Leo und Hegel im Speziellen, richtete Veronesi sein Augenmerk zunächst auf die Untersuchungen Wilhelm Heyds zur Verfassungsgeschichte und den kommerziellen Verflechtungen Genuas mit seinen Kolonien. In Heyds historiographischen Untersuchungen kommt – so Veronesi – erstmals die „deutsche Methode“ zum Einsatz, die darin besteht, dass vor dem Hintergrund deutscher Kulturgeschichte auf dokumentarische Quellen zurückgegriffen wird. Sie ist gleichzeitig aber auch das Ergebnis einer Art Leidenschaft für das Sammeln dokumentarischer Quellen. Die Überzeugungen, dass das Handelsrecht eng mit der verfassungsrechtlichen Entwicklung verknüpft ist und dass beide Thematiken bei historiographischen Untersuchungen herangezogen werden müssen, spiegeln sich insbesondere in den Arbeiten von Gustav Lastig wider. Georg Caros Werk „Genua und die Vorherrschaft im Mittelmeer 1257-1311“ steht beispielhaft für die politische Geschichtsschreibung. Die Studie von Heinrich Sieveking – ein Schüler Brentanos, Schmollers und Webers – über die Finanzpolitik Genuas und den Banco di San Giorgio stellt dagegen eine Art Synthese zwischen den verschiedenen Denktraditionen und Schulen der deutschen Historiker dar, die sich zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert mit der Geschichte Genuas beschäftigten.

Ausgehend von den berühmten Istorie Fiorentine (VIII, XXIX) Nicolò Machiavellis beschäftigte sich CARLO TAVIANI mit der Außenwahrnehmung des politischen Systems Genuas und der Rolle, die hierbei dem Banco di San Giorgio zwischen der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts zufiel. Taviani vertrat die These, dass Machiavellis offensichtliche Sympathie für den Banco di San Giorgio – als Beispiel einer guten Regierungsführung, die Gunst der Stadtbevölkerung zu gewinnen – die Folge eines ausgefeilten historiographischen Bildes sei, das von den Botschaftern und den damaligen Machtzentralen entwickelt und konzipiert wurde, die enge Beziehungen zur Stadt Genua unterhielten. Im Lichte dieser Bewertung und bezogen auf das Problem der Zirkulation von Informationen zwischen Genua, Mailand und Florenz lenkte Taviani die Aufmerksamkeit auf den im Oktober 1453 von Spinetta Campofregoso an Francesco Sforza in Mailand adressierten Brief. Darin ist von einem möglichen Umsturz des Regimes von Pietro Campofregoso zu Gunsten Spinettas oder des Banco di San Giorgio die Rede. Darüber hinaus befasste sich Taviani auch mit den Memoiren des Stadtrates Giovanni Capello und seinen Analysen bezüglich der politischen Instabilität Genuas: Diese sei zum einen eine unmittelbare Folge finanzieller Spekulationen der luoghi des Banco di San Giorgio, zum anderen dürften die Schwächen der Republik aber auch mit dem Briefwechsel der florentinischen Botschafter während des Streits um den Besitz von Sarzana zusammenhängen.

Die Darstellung der politischen Elite und Institutionen Genuas bei fremden politischen Mächten während der Neuzeit sowie die Kluft zwischen Vorstellung und Wirklichkeit waren Themen von CARLO BITOSSIs Untersuchungen. Bitossi analysierte einige Beispiele der fehlerhaften Darstellungen des politischen Systems Genuas in weit verbreiteten Druckwerken und in den Berichten der nach Genua entsandten Diplomaten. Aus den veröffentlichten Werken von Fra Leandro Alberti (Descrittione dell’Italia, 1550), Francesco Sansovini (Del governo et aministration di diversi regni, 1566 und 1578), Gregorio Leti (Dialoghi Politici, 1666), Richard Lassels (The Voyage of Italy, 1670) ergibt sich ein Bild ungenauer, unvollständiger und teilweise völlig falscher Informationen. Von großem Interesse sind die Berichte, die in den 1730er Jahren von den Botschaftern Spaniens, Don Francisco de Melo und dem Marquis di Castaneda, an ihren Herrscher gesendet wurden. Darin werden die Regierenden und Honoratioren Genuas bezüglich ihrer Sympathien in der Außenpolitik analysiert und zwischen bien afectos und mal afectos gegenüber Spanien differenziert. Die Analyse der städtischen Faktionen ist auch Gegenstand in den Berichten der französischen Gesandten Melchior de Sabran (ein Zeitgenosse de Melos) und Jacques de Campredon, die nach ungefähr 11 Jahren Aufenthalt in Genua 1737 verfasst worden waren. Trotz der direkten Erfahrung mit dem politischen Umfeld Genuas mangelt es den Berichten nicht an Fehlern und Ungenauigkeiten. Damit wurde wiederum das Bild von der beschränkten Qualität der Informationen über das politische System Genuas bestätigt, wie es schon in dem analysierten Sample von Werken festgestellt worden war.

2. Sektion: Die Außenbeziehungen der Republik Genua

CHRISTINE SHAW analysierte die kurzzeitige Unterwerfung Genuas unter französische Herrschaft zwischen 1458 und 1461 in ihren wesentlichen Phasen, ausgehend von der Genese (über einen Vergleich mit der vorherigen Herrschaft von 1396–1409) bis hin zu den nachfolgenden Entwicklungen und ihrem ziemlich raschen Ende. Die Unterwerfung durch den französischen Herrscher erfolgte in einem Klima allgemeiner Unsicherheit. Erstens als Folge der Entscheidung des Dogen Pietro Campofregoso, die Macht aufzugeben, nur weil er keine Möglichkeit sah, sie zu behalten (aber ebenso lange unfähig war, sich zwischen Mailand und Frankreich zu entscheiden). Zweitens kam die Zustimmung der Stadtbewohner hinzu, die nur durch die gemeinsame Abneigung gegen den Dogen verbunden waren, und drittens war die Unterwerfung durch den französischen Herrscher auch die Folge des persönlichen Interesses des Statthalters Giovanni d’Angiò, die Situation auszunutzen, um seinen Vater Renato wieder auf den Thron Neapels zu bringen. Nicht zufällig begannen sich erste Spannungen zu zeigen, als Pietro Campofregoso 1459 starb, während er versuchte, die Macht zurückzuerobern, und nachdem Giovanni d’Angiò mit der Flotte losgefahren war, um Neapel anzugreifen, und den Posten des Statthalters Louis de Laval überlassen hatte. Die Feindseligkeit der Genuesen gegenüber den ständigen Geldforderungen, ihre Angst vor der Auswirkung der Politik des französischen Königs auf die wirtschaftlichen Beziehungen mit England, der Misserfolg der Armee gegen Neapel, die fehlende Unterstützung seitens des neuen Königs von Frankreich bei der Interessendurchsetzung der Angiovinen waren Gründe für die kurze Dauer der französischen Herrschaft und ihr Ende im März 1461.

Arturo PACINI stellte die Situation nach der Verabschiedung der Gesetze von Casale von 1576 und ihre Auswirkungen auf die institutionelle Struktur der Republik Genuas sowie auf die inneren Beziehungen der regierenden Schicht dar, insbesondere in Hinblick auf das Nachlassen der Spannungen während des Wahlverfahrens und die schwindende destabilisierende Wirkung des Gegensatzes zwischen neuen und alten Adligen. An der Festigung der politischen Ordnung und der Macht der Republik wirkte die quasi symbiotische Einbindung Genuas in den politischen, militärischen und finanziellen „Apparat“ der spanischen Monarchie mit. Dies hatte das Passieren der Häfen Liguriens mit tausenden Soldaten, das Versorgen und Beladen von Schiffen mit Gold und Silber sowie die Zufuhr von enormen Geldsummen aus Zolleinnahmen zur Folge. Die Verwicklung der neuen Adligen in die finanziellen Geschäfte mit Spanien führte zu einem Generationswechsel wie auch einem sozialen Wandel unter den hombres de negocios in Madrid und darüber hinaus zum Überwinden der Wettbewerbsordnung, die noch bis Mitte der 1670er Jahre wirkte. Beweis dafür ist die Analyse der Auseinandersetzung zwischen den Unterhändlern und Philipp II. von 1575, der Zahlungseinstellung von 1596 und des „abgemachten Bankrotts“ von 1607. Bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts hatte also die Einbindung des gesamten Patriziats in den „Apparat“, der seinen Einfluss über die drei Städte Madrid, Genua und Piacenza ausübte, die Streitigkeiten zwischen den Faktionen der neuen und alten Adligen aufgehoben.

MATTHIAS SCHNETTGER illustrierte die angespannten, im Spätmittelalter wurzelnden Beziehungen zwischen dem Reich und Genua in ihrer historischen Entwicklung und ihrem Fortbestand als ein noch aktuelles Problem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Das Verhalten der Genuesen machte die Komplexität der Beziehungen zwischen den zwei Mächten offensichtlich. Die Genuesen interpretierten ihre Reichszugehörigkeit als eine alternative politische Option unter anderen, als Garantie eines nicht von entsprechenden Pflichten begleiteten Freiheitsstatus und als Gelegenheit, Privilegien zu erhalten, ohne die eigene Autonomie zu beeinträchtigen. Das Reich wiederum nutzte die Verweigerung der Erneuerung der Privilegien und der Lehen als Druckmittel, vor allem bei Konflikten bezüglich der Rechtssprechung. Die Republik dagegen widersetzte sich dem Anspruch des Reichs, seine Macht in den inneren Angelegenheiten der Genuesen durchzusetzen und verteidigte ihre Freiheit auch in Zeiten großer Probleme (wie beim Konflikt um Finale und bei den Unruhen der Jahre 1575-1576). Die Ambivalenz dieser Beziehung wurde betont, indem Genua den Kaiser in seiner Rolle als Verteidiger der Christenheit gegen die Türken finanziell unterstützte, mit dem Ziel, die kaiserliche Anerkennung der eigenen Rangerhöhung, durch die Verleihung des „Serenissimus“-Titels an den Dogen von Genua, zu erreichen. Ein fragiles Gleichgewicht, das in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts verloren ging, als veränderte Verhältnisse in der Innen- und Außenpolitik Genua dazu bringen sollten, jeden Schein von Souveränität des Reichs abzulehnen.

JULIA ZUNCKEL analysierte die Komplexität, die Widersprüche, die Prozesse politischer Kommunikation und die Protagonisten in der Beziehung zwischen Genua und dem Papst, zwischen politischer und kirchlicher Macht im Zusammenhang mit dem Ereignis der Krönung der Madonna zur Königin Genuas im Jahr 1637. Sie stellte das Geschehen der Investitur der Jungfrau in das irdische Königtum Genua dar als Element eines eklatanten Aktes von Selbsterhöhung des eigenen Ranges und der Proklamation eines königlichen Herrschaftsanspruchs. Dieser Akt hatte die Anerkennung eines Rechtstitels zum Ziel, der die volle Souveränität der Republik geltend machen konnte, abgesehen von den Lehnsbeziehungen, die sie mit dem Heiligen Römischen Reich verbanden. Analysiert wurde diese Begebenheit vor dem Hintergrund der Spannungen mit dem päpstlichen Hof nach 1634 und der Vermittlerrolle der Durazzo. Die ebenso konfliktgeladene Beziehung zwischen politischer und kirchlicher Macht im Ancien Régime verrät, dass beide Hierarchien der gleichen sozial-politischen Ordnung angehörten, zumal sie durch eine latente persönliche Durchdringung eng verbunden waren. Die häufig von gegenseitigem Einverständnis gekennzeichneten Beziehungen zwischen der römischen Kurie und der Republik verwoben sich zu einem stabilen und dichten Netz von informellen Verwandtschafts-, Patronage-, Freundschaftsbeziehungen (von Menschen gleicher Herkunft) sowie der zahlreichen, am päpstlichen Hof anwesenden Geschäftsmänner, Prälaten und Kardinäle.

3. Sektion: Formen der Herrschaft

San Giorgio

ANTOINE-MARIE GRAZIANI untersuchte San Giorgios Regierung in Korsika zwischen 1453 und 1561, indem er als Schlüssel die Überlegungen benutzte, die Marcantonio Ceccaldi in seiner 1594 unter dem Namen Filippini veröffentlichten Historia di Corsica angestellt hatte. Dort zog man die Aufgabe der anfänglich guten Verordnungen in Betracht, eines moderaten Steuerregimes, der Beteiligung lokaler Vertreter an der Richterschaft der Sindicatori und an der Regierungstätigkeit und der Beachtung der mit den Korsen abgeschlossenen Konventionen – all das, was später im 18. Jahrhundert Anlass für die Unzufriedenheit und Ansatzpunkt für die Argumentationen von Pascal Paoli und Gregorio Salvini werden sollte. Ausgehend vom Jahre 1453 rekonstruierte Graziani einen Kontext extremer politischer Aufsplitterung im Spiel von Faktionen nach innen und außen. Auf Korsika befanden sich Gebiete, die unter dem Einfluss verschiedener Autoritäten standen: der Republik Genua, des Galeazzo Campofregoso, des Caporale Carlo de Castas, der Signori Cinarchesi, der Aragonesen. Im Folgenden analysierte Graziani auch die direkte Verwaltung Korsikas seitens des Herzogs von Mailand seit 1464 nach der Überlassung der Insel an San Giorgio; die Ambitionen von Tommasino Campofregoso und der Faktion Leca und della Rocca; die mangelnde Einheit der Korsen und die Strategien der Herren des Südens und der Caporali des Nordens.
Im administrativen Bereich beschrieb Graziani die Intervention des lokalen Elements bei der Justizausübung in den Sprengeln, die Institution der Dodici, die starke Präsenz der Korsen unter den Sindicatori, bis zu den Veränderungen nach 1520, mit der größeren Kontrolle seitens des Ufficio di San Giorgio durch die regelmäßige Entsendung von außerordentlichen Kommissaren auf die Insel.

ANDREA BERNARDINI analysierte die verschiedenen Phasen der Entwicklung der politischen Rolle der Casa di San Giorgio bezüglich des Territoriums der Lunigiana in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Er zeigte die Strategien, welche von der Casa verwendet wurden, um ihre Kontrolle über das Salzmonopol auszudehnen und um die einzige Salz-Versorgungsquelle für die Bewohner des genuesischen Territoriums und der Nachbarbevölkerungen zu werden. Bernardini beschrieb, wie die Casa als territorialer Akteur die Verwaltung ab 1460 gestaltete und so die Funktion des Schutzes und der Verteidigung des Monopols aufnahm. In diesem Jahr wurde den Protettori der Kauf von Lerici vorgeschlagen, das zu dieser Zeit ein Unterpfand Ludovico Fregosos war. Die Herrschaft San Giorgios in der Lunigiana festigte sich in den darauffolgenden Jahren vor dem Hintergrund dynamischer, komplexer und sich abwechselnder Spannungs- und Kooperationsbeziehungen mit den Fregoso und den Herzögen von Mailand. Bernardini beschäftigte sich mit diesen Beziehungen ausgehend vom Kauf von Ameglia durch den Mailänder Herzog 1476 (der drohte, die Stadt den Florentinern zu verkaufen) bis zur Eroberung von Lerici 1479 und der Abtretung von Sarzana 1484 seitens der Fregoso. Die letzteren hatten Florenz 1479 die Herrschaft über Sarzana entrissen, konnten aber im Jahr 1484 ihren Besitz nicht gegenüber den Florentinern verteidigen.

Die Lehen

Objekt von ANDREA ZANINI* Untersuchung waren die Lehen der Apenninischen Gebirgskette an der Grenze zwischen den ligurischen, lombardischen, piemontesischen und toskanisch-emilianischen Territorien. Der Referent stellte die Inhomogenität der Lehen bezüglich der Ausdehnung, der Größe der Bevölkerung, der orographischen Eigenschaften sowie der geographischen Lage dar. Er analysierte die Unterschiede in einer politisch-rechtlichen Perspektive und fragte nach den Institutionen, dem eigentlichen Besitzer (Kaiserhof oder genuesischer Staat) und dem Inhaber des Lehens (ein Adliger oder die Republik). Die unterschiedlichen Ziele, welche die Republik oder die Exponenten der Aristokratie durch die Investitur mit einem Lehen verfolgten, wirkten sich auf die Verwaltung des Lehens aus. Ein Beispiel dafür sind die Daten einer Zeitspanne von fünf Jahren (zwischen 1768 und 1773) für das Lehen von Busalla, das an die Republik vergeben worden war, und für das Lehen von Ronco, das im Besitz eines Zweiges der Spinola di Luccoli war. Für die Republik war das Lehen vor allem in politischer Hinsicht von Bedeutung, indem es ein Mittel für die Herrschaft über Territorium und Untertanen darstellte. Das primäre Ziel der Verwaltung war die Kontrolle über das Territorium zur Verteidigung gegen den Druck der auswärtigen Mächte, auch wenn das hieß, dass die Ausnutzung des Lehens für Ziele des Profits vernachlässigt werden musste. Für eine adlige Familie dagegen war das Lehen Bestandteil einer Strategie der Diversifikation der Investitionen. Um eine Rendite zu erhalten, dehnte die aristokratische Familie die Formen der Kontrolle über die Untergebenen und die Abgabenerhebung aus, investierte innerhalb des eigenen Territoriums und verwaltete die Wirtschaft des Lehens mit Unternehmergeist.

Anders als der Titel des Vortrags vermuten ließ, ging VITTORIO TIGRINO in seinem Vortrag nur am Rande auf den unterschiedlichen rechtlichen Status (Sanremo war eine vertraglich gebundene Stadt, Campofreddo war ein Reichslehen, das nur zur Hälfte der Republik gehörte) und die problematischen Beziehungen zu Genua ein – in den Kontext dieses angespannten Verhältnisses ist beispielsweise einzuordnen, dass Sanremo in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen völlig erfundenen Status als Reichsstadt konstruierte. Tigrino äußerte eher seine Überlegungen über den Forschungsstand zu dem Problem der Beziehungen zwischen Herrscher und Territorium; die Vermischung zwischen inneren und äußeren Problemen in den Zuständigkeiten der Kontrolljunten (Grenze, Jurisdiktion, Marine); das Bedürfnis, die Dynamik der Konflikte und die Verbindungen zwischen den territorialen und den politisch-diplomatischen Angelegenheiten zu rekonstruieren. In der teilweisen kontroversen Debatte mit der Kommentatorin Cinzia Cremonini und dem Moderator Carlo Bitossi versuchte er, sein Modell einer lokalen Geschichte der Institutionen genauer zu konturieren.
Die Organisatoren danken der Fritz Thyssen Stiftung (Köln) und der Regione Liguria für die finanzielle Förderung sowie dem Dipartimento di cultura giuridica “Giovanni Tarello” (Università degli studi di Genova) für die wissenschaftliche Zusammenarbeit.

Konferenzübersicht:

Begrüßung: Michael Matheus (Rom)/ Rodolfo Savelli (Genua)
Einführung: Matthias Schnettger (Mainz)/ Carlo Taviani (Teramo)

Einführende Sektion
Marco Veronesi (Tübingen): Die deutsche Historiographie und Genua (19. Jh.)
Carlo Taviani (Teramo): Die Institutionen der Republik und der Banco di San Giorgio. Bilder Genuas zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert.
Carlo Bitossi (Ferrara): Die Darstellung des politischen Systems Genuas in den Berichten zweier Gesandter: Melo und Campredon (1630 – 1730)
Kommentar: Rodolfo Savelli
Diskussion

2. Sektion: Die Außenbeziehungen der Republik Genua
Christine Shaw (Cambridge): Die französische Herrschaft (1458-61)
Arturo Pacini (Pisa): La “macchina non si può fermare” (“Der Apparat kann nicht anhalten“): Politik und Geschäfte in Genua vom Ende des 16. Jahrhunderts bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts
Kommentar: Giorgio Chittolini
Diskussion

Matthias Schnettger (Mainz): Freiheit und Reichsherrschaft. Die Republik von Genua und das Heilige Römische Reich im späten 16. Jh.
Julia Zunckel (Genua): Zwischen Bodin und der Madonna. Das genuesische Zeremoniell und der Papsthof
Kommentar: Maria Antonietta Visceglia (Rom)
Diskussion

3. Sektion: Formen der Herrschaft
San Giorgio
Antoine-Marie Graziani (Corsica): San Giorgio und Korsika: “bon gouvernement”?
Andrea Bernardini (Pisa): „Le cose nostre de Lurisana“: Die Herrschaft von San Giorgo in der äußersten ligurischen Levante
Kommentar: Giuseppe Felloni (Genua)
Diskussion

Die Lehen
Andrea Zanini (Genua): Lehen, Feudalherren und Gemeinschaft: Territorien und Ökonomie in den Bergen Liguriens
Vittorio Tigrino (Alessandria): Politische Probleme und territoriale Anspannungen im 18. Jahrhundert: Genua, das Lehen von Campofreddo und die „Reichsstadt“ Sanremo
Kommentar: Cinzia Cremonini (Mailand)
Diskussion

Einen weiteren Bericht finden Sie in italienisch unter <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2214>

Un’altra versione in italiano si trova nel link sottostante
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2214>

Kontakt

Dr. Carlo Taviani
Università degli Studi di Teramo
c/o Istituto Storico Germanico di Roma
Via Aurelia Antica, 391
I-00165 Roma
Tel.: 0039/0666049226
e-Mail: taviani@dhi-roma.it
www.dhi-roma.it

Prof. Dr. Matthias Schnettger
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Historisches Seminar, Abteilung I
Jakob-Welder-Weg 18
D-55128 Mainz
Tel.: 0049-6131-39 22612
e-Mail: schnettg@uni-mainz.de
www.uni-mainz.de/FB/Geschichte/hist1/305.php

Archivio di Stato di Genova
Complesso Monumentale di Sant’Ignazio
Via di Santa Chiara, 28 r
I-16128 Genova
Tel.: 0039/010595758
http://www.archivi.beniculturali.it/ASGE/asge.htm


Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Französisch, Italienisch
Sprache des Berichts