Historische Bedingungen und gesellschaftliche Entwicklungen der Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes in Deutschland und Österreich im Vergleich. Kooperationstagung von deutschen und österreichischen Gedenkstätten

Historische Bedingungen und gesellschaftliche Entwicklungen der Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes in Deutschland und Österreich im Vergleich. Kooperationstagung von deutschen und österreichischen Gedenkstätten

Organisatoren
Stiftung Topographie des Terrors, Verein Schloss Hartheim
Ort
Linz
Land
Austria
Vom - Bis
19.03.2003 - 22.03.2003
Url der Konferenzwebsite
Von
Magdalena Bogner, Dokumentationsstelle Hartheim des Oberösterreichischen Landesarchivs

Vom 19. bis 22. März 2003 fand im Bildungszentrum St. Magdalena in Linz eine Tagung mit dem Thema „Historische Bedingungen und gesellschaftliche Entwicklungen der Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes in Deutschland und Österreich im Vergleich“ statt. Getragen wurde die Veranstaltung von der Stiftung Topographie des Terrors und dem Verein Schloss Hartheim, die Leitung hatten Thomas Lutz (Stiftung Topographie des Terrors, Berlin) und Hartmut Reese (Verein Schloss Hartheim).

Reese nutzte die Begrüßung, um den 1995 gegründeten Verein Schloss Hartheim und dessen Ziele vorzustellen. Er verwies auch darauf, dass die Tagung der Beginn eines intensiveren Dialogs mit den deutschen Gedenkstätten sein solle. Die Vorträge konzentrierten sich auf den Umgang mit der NS-Zeit in Deutschland und Österreich und in diesem Zusammenhang auf die Vorstellung von Gedenkstätten an den Orten ehemaliger Konzentrationslager und „Euthanasie“-Anstalten. Der Schwerpunkt lag bei der Vorstellung österreichischer Gedenkstätten; Exkursionen nach Hartheim und Mauthausen waren Teil des Programms.

I. Vorträge

Helmut Konrad (Graz) eröffnete die Tagung mit einem Vortrag über die „Ostmark“ während der NS-Zeit, wobei er eine zentrale These problematisierte, die die Nachkriegszeit in Österreich lange dominierte: die Interpretation des Nationalsozialismus als Fremdherrschaft. Österreich wurde dieser These zufolge 1938 erobert und 1945 von den Alliierten befreit; der Staat Österreich habe zwischen 1938 und 1945 nicht existiert. Es handelt sich hier um die sogenannte „Opfertheorie“, mit der das offizielle Österreich versuchte, jegliche Verantwortung und Schuld von sich zu weisen. Diese „Opfertheorie“ wurde bis in die 1980er Jahre vertreten und begann erst durch die Waldheim-Affäre zu zerbröckeln. Aus diesem Komplex resultierte die Leitfrage, die Helmut Konrad am Beginn seines Vortrages in den Raum stellte: „Gibt es überhaupt eine österreichische Geschichte zwischen 1938 und 1945?“

Annette Leo (Berlin) warf am folgenden Tag einen Blick auf die ehemalige DDR und die Bundesrepublik Deutschland, wobei der sehr unterschiedliche Umgang mit dem Nationalsozialismus erkennbar wurde. Sie verwies jedoch auf zunehmend gemeinsame Deutungen der HistorikerInnen im vereinten Deutschland. Der Vortrag von Heidemarie Uhl (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien) knüpfte direkt an Konrads Eröffnungsvortrag an. Sie konzentrierte sich auf die Opfertheorie und zeigte Analogien zur Erinnerungskultur der ehemaligen DDR auf.

In den weiteren Vorträgen wurden verschiedene Gedenkstätten vorgestellt, wobei es um die Geschichte der ehemaligen Lager und Anstalten, vor allem aber um die Konzeptionen der heutigen Gedenkstätten ging. Brigitte Kepplinger (Linz) setzte sich am zweiten Veranstaltungstag mit der Geschichte der ehemaligen Vernichtungsanstalt Schloss Hartheim bei Linz auseinander. Christiane Hoss (Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin) referierte über die Geschichte der „Euthanasie“-Verbrechen und deren Rezeption in Deutschland. Thomas Stöckle stellte die „Euthanasie“-Gedenkstätte Grafeneck (Baden-Württemberg) vor.

Als Abschluss des zweiten Tages präsentierte Wolfgang Neugebauer Projekte des 1963 gegründeten „Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes“ (DÖW), das als zentrale Anlaufstelle für die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Österreich gilt.

Der dritte Tag stand ganz im Zeichen von Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager. Thematisiert wurden die KZ-Gedenkstätte Dachau (Barbara Distel), die weniger bekannte KZ-Gedenkstätte Oberer Kuhberg in Ulm (Silvester Lechner) und die Gedenkstätte Ebensee (Wolfgang Quatember). Peter Gstettner (Universität Klagenfurt) beschäftigte sich schließlich mit Bildungsarbeit an historischen Orten, aufgezeigt an Mauthausen und seinen Nebenlagern in der Steiermark. Anita Farkas griff als Beispiel das steirische Mauthausener Nebenlager Peggau heraus, wobei sie vor allem das Projekt der Personalisierung der scheinbar namenlosen KZ-Opfer erläuterte. Dieses Projekt stützt sich auf gerichtsmedizinische Akten der unmittelbar vor Kriegsende exhumierten Leichen.

II. Exkursionen

Ein wesentlicher Programmpunkt der Tagung war die Besichtigung zweier österreichischer Gedenkstätten. Brigitte Kepplinger, Hartmut Reese und Gerhart Marckhgott führten durch die Gedenkstätte Schloss Hartheim. Die Teilnehmer erhielten Informationen über die Geschichte des Schlosses als NS-Euthanasieanstalt, über die Konzeption der Gedenkstätte und über die kommende Ausstellung „Wert des Lebens“, die am 7. Mai 2003 im Schloss Hartheim eröffnet wird und den Auftakt einer Neubestimmung als Lern- und Gedenkort bilden soll.

Bertrand Perz (Wien) führte die Gruppe durch die Gedenkstätte des ehemaligen KZ Mauthausen. Er erläuterte die Geschichte des Lagers und der Gedenkstätte nach 1945 und problematisierte dabei die wechselvollen Konzeptionen, die oft unterschiedlichen Auffassungen zwischen den verschiedenen Gruppen, die Rolle der Lagergemeinschaften und die im Jahr 2000 vom Bundesministerium für Inneres eingesetzte „Reforminitiative“. Diese hat die Errichtung eines Besucherzentrums empfohlen, das im Mai 2003 fertiggestellt werden soll, in seiner konzeptionellen Ausrichtung aber weiterhin umstritten ist.

III. Abschlussdiskussion

Gerhard Botz (Wien) und Edgar Wolfrum (Mannheim) formulierten bilanzierende Thesen zur Situation der Erinnerungskulturen in Deutschland und Österreich. Außerdem wurden die Möglichkeiten weiterer Zusammenarbeit diskutiert. Konsens bestand darüber, dass der Austausch zwischen deutschen und österreichischen Gedenkstätten und anderen Initiativen wichtig sei. Es wurde jedoch auch auf die Schwierigkeiten des gegenseitigen Verstehens hingewiesen. Diese Schwierigkeiten zeigen sich in Sprache und Ausdrucksweise, vor allem aber in verschiedenen historischen und politischen Zugängen. Der Dialog innerhalb und zwischen den beiden Ländern sowie der weitere europäische Dialog sollen verstärkt werden.

Ein Teil der Vorträge wird voraussichtlich ab Mitte Mai 2003 auf der Internet-Seite des Gedenkstättenforums der Topographie des Terrors abrufbar sein (http://212.68.78.12/Gedenkstaettenforum/index.htm).

Kontakt

Magdalena Bogner
E-Mail: <jo3@nusurf.at>


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Deutsch
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