Philipp von Schwaben. Internationale Tagung anlässlich des 800. Todestages

Philipp von Schwaben. Internationale Tagung anlässlich des 800. Todestages

Organisatoren
Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Institut für Österreichische Geschichtsforschung
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
29.05.2008 - 30.05.2008
Url der Konferenzwebsite
Von
Herwig Weigl, Institut fuer Österreichische Geschichtsforschung / Institut für Geschichte, Universität Wien

Am 21. Juni 1208 wurde König Philipp von Schwaben, der seinen Rivalen um die Königswürde, Otto von Braunschweig, ausmanövriert hatte und kurz vor der Anerkennung durch Papst Innocenz III. stand, in Bamberg vom bayerischen Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach ermordet. Das „Jubiläum“ nahmen die Bearbeiterinnen der Urkunden Philipps für die Diplomata-Ausgabe der Monumenta Germaniae Historica, die in Wien im Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und im Institut für Österreichische Geschichtsforschung tätig sind, zum Anlass für eine Tagung, die verschiedene Aspekte der Regierung bzw. des Regierungs-Versuchs des Barbarossa-Sohnes, aber auch das historische Umfeld, beleuchten sollte.

Es zeigte sich, dass die Forschung zwar Walthers von der Vogelweide „jungen süezen man“ hinter sich gelassen hat, bei der Behandlung Philipps dem tatsächlich die Jahre zwischen Wahl und Ermordung prägenden Thronstreit aber kaum zu entkommen ist. Dieser prägte auch immer die Forschungsmeinungen über den Staufer, wie RUDOLF SCHIEFFER (München) in seinem Eröffnungsvortrag nachzeichnete. Hier stand dem idealisierten Vorkämpfer für deutsche Selbstbestimmung gegenüber klerikaler Bevormundung schon bald der schwächliche Verschleuderer von Reichsgut gegenüber. Erst in jüngerer Zeit sieht man die Krise des Doppelkönigtums als Gelegenheit, die Funktionsweise des Reiches besser in den Blick zu bekommen.

Anlassbedingt stand das Ende am Anfang, und die ersten Beiträge waren dem Bamberger Mord gewidmet. Die alte Frage, ob er die Tat eines Einzelnen war, ob eine Fürstenverschwörung und/oder gar der Papst dahinter stand, wurde dabei eher nebenbei berührt. ANDREAS BIHRER (Freiburg) untersuchte die Darstellung des Attentats in zeitnahen historiographischen Quellen nicht, um einen Tathergang aus ihnen zu kompilieren, sondern um die Bewertung des Mordes und seiner Folgen - soweit sie überhaupt reflektiert wurden -, die verwendeten Motive und ihren Einsatz in der Darstellung zu verfolgen. Mit dem Tatmotiv des Ehrenmordes hatten die Autoren kein Problem, und das Moment der Überraschung und Wehrlosigkeit des ruhenden Königs findet sich häufig. Im Anschluss beschrieb WERNER MALECZEK (Wien), der über „Innocenz III. und die Ermordung Philipps von Schwaben“ sprach, die Bezeichnungen des Thronprätendenten in den Papstbriefen, die, nicht überraschend, zunächst von der abwartenden Haltung des Papstes, dann von scharfer Gegnerschaft und schließlich in diplomatischer Nuancierung vom sich anbahnenden Ausgleich bestimmt waren. Den Mord betrachtete Innocenz wie die Eroberung Konstantinopels als divinum iudicium: eine verwerfliche Tat mit letztlich positiven Folgen. Schließlich kontrastierte der Referent das traditionelle Verfahren gegen den Wittelsbacher mit dem peinlich korrekten kanonisch-rechtlichen Prozess, in dem der Bischof von Bamberg sich vom Verdacht der Mitschuld reinigte. OLAF RADER (Berlin) betrachtete dann die von Friedrich II. bald nach seiner Ankunft in Deutschland vorgenommene Transferierung des Leichnams Philipps von Bamberg nach Speyer und stellte sie in den Kontext anderer programmatischer Bestattungen und Umbettungen in diesen Dom, für den noch Maximilian I. ein Kaisermonument plante. Für sich selbst betonte Friedrich II. aber die dynastische Kontinuität in Palermo, so wie Karl IV. den Anschluss an die böhmischen Könige in Prag suchte.

PETER CSENDES (Wien) legte dar, dass Philipp aufgrund seines „rollenkonformen“ Verhaltens weniger plastisch wird als sein Kontrahent Otto. Dennoch versuchte er eine ansatzweise Charakterisierung einerseits aufgrund des in den Quellen oft betonten freundlichen Wesens, das kaum zum üblichen Repertoire der Herrschertugenden zählt, andererseits aufgrund des Befundes, dass der zögernde Gewählte die Initiative anscheinend oft seinen Parteigängern und Beratern überließ. Ein Herrschaftskonzept wird, außer vielleicht in einem späten Schreiben an den Papst, nicht sichtbar, was freilich in den Jahren des Konflikts wenig erstaunlich ist. GEORG SCHEIBELREITER (Wien) suchte mit kulturhistorischem Zugang in den Quellen nach „Philipp von Schwaben in höfischer Sicht“, d. h. als Exponenten der adeligen Elite und nicht nur als Thronprätendenten, wofür Walther von der Vogelweide einiges Material liefert. Auch Historiographen verwenden dezidiert höfische Terminologie im Zusammenhang mit dem Staufer, während der „Riese“ Otto literarisch weniger freundliche Assoziationen wecken konnte. THEODOR NOLTE (Passau) analysierte detailliert die auf Philipp zu beziehenden, von der Panegyrik zur bissigen Satire reichenden, Strophen im Werk Walthers von der Vogelweide, nahm kritisch Stellung zu Kontext und Datierungen und korrigierte in einem Fall die in aktuellen Ausgaben gebräuchliche Interpunktion mit relevanten Konsequenzen für das Textverständnis.

BERND SCHÜTTE (Jena), Verfasser einer grundlegenden Monographie über das personelle Umfeld Philipps, beschäftigte sich mit dessen „Königtum im Spiegel zeitgenössischer Quellen“, wobei die regionalen Horizonte und Blickwinkel der Historiographen deutlich herausgearbeitet wurden, die ebenso wie die Akteure selbst in Schreiben an den Papst zur Begründung der Rechtmäßigkeit des jeweiligen Kandidaten die nötigen Argumente - Wahlberechtigte, Insignien, Krönungsort und Coronator - fanden. Während Philipps Arengen weitgehend im Konventionellen bleiben, enthält die in Speyer formulierte militante Wahlanzeige seiner Parteigänger durchaus politische Vorstellungen. KNUT GÖRICH (München) suchte und fand das Motiv der Ehre in der Herrschaftspraxis und den Urkunden Philipps, wobei umständehalber weniger von „Herrschaftspraxis“ als von Konfliktmanagement die Rede sein sollte: Ein Schwergewicht des Referats lag auf der Spätphase des Thronstreits, als Philipp und Innocenz in einer Fülle offener Einzelkonflikte für sich und ihre Parteigänger tragbare Kompromisse finden mussten, die allen Betroffenen ihr Gesicht wahren ließen. Das konnte der pompös einen Konsens inszenierende Adventus im kriegsmüden Köln ebenso sein wie die direkten Verhandlungen mit Otto, die wegen unlösbarer protokollarischer Fragen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden mussten.

Den Kern der Tagung bildeten die Referate der drei Bearbeiterinnen der Diplome Philipps. ANDREA RZIHACEK (Wien) charakterisierte das überlieferte und erschließbare Urkundencorpus, den Forschungsstand, die zeitliche und zahlenmäßige Verteilung der Beurkundungstätigkeit - statt des üblichen Bilds einer starken Nachfrage zu Regierungsbeginn gehen die Zahlen hier erst mit der zunehmenden Durchsetzung hinauf - und zuletzt als besondere Gruppe die beurkundeten Verträge. BRIGITTE MERTA (Wien) prüfte die Möglichkeit der systematischen Einteilung der Diplome nach inneren und äußeren Merkmalen. Während die feierlichen Privilegien noch gut abgrenzbar sind, zeigen die Urkunden niedrigeren Ausfertigungsniveaus ein völlig heterogenes Bild, und auch beim Vergleich von Urkundentypen und Empfängergruppen zeichnen sich nur schwache Tendenzen ab - um so nötiger wird die genaue Kontextualisierung jedes Diploms. RENATE SPREITZER (Wien) verglich die Urkundentätigkeit Philipps und Ottos im sächsischen Raum, wo ihre Einflusssphären aneinander stießen, und analysierte die Methoden Philipps, die dortigen, meist geistlichen, Empfänger an sich zu binden, wobei er vor allem die Erlaubnis zum Erwerb von Reichsgut einsetzte. Nach Philipps Tod urkundete auch Otto für dieselben Empfänger, ohne aber auf Philipps Vorurkunden zu verweisen.

TOBIAS WELLER (Bonn) stellte die Heiratsprojekte für Philipps Töchter vor, die alle durch den Thronstreit determiniert waren. Abgesehen vom Angebot einer Tochter an einen unbenannten Neffen des Papstes wurden die Töchter in die Beziehungen zu den Fürsten im Reich „investiert“, da eine internationale Heiratspolitik noch nicht leistbar war. Dass angesichts begrenzter Ressourcen nicht alle versprochenen Verbindungen realisiert werden konnten, wurde dem Staufer zum Verhängnis, als der beim Umdisponieren übrig bleibende, dadurch in seiner Ehre verletzte Wittelsbacher zum Schwert griff. In das politische Heiratsnetz eingebunden waren auch die böhmischen Premysliden, was MARTIN WIHODA (Brno) näher ausführte, der auch die flexible und erfolgreiche Politik Ottokars I. und seines Bruders im Thronstreit nachzeichnete, die dem Erstgenannten die allgemein anerkannte Königswürde einbrachte. CHRISTIAN FRIEDL (München) untersuchte und kontrastierte das Verhalten der weltlichen und geistlichen Fürsten gegenüber den Kontrahenten Philipp, Otto und dann Friedrich, das von kompromissloser Loyalität zur Dynastie über klare Parteinahme bei gleichzeitigem Erhalt der Gesprächsbasis mit der Gegenseite bis zu mehrfachem Seitenwechsel - den auch der Papst vollzog - reichen konnte. Dabei waren vielfach lokale politische Konstellationen und rechtliche Bindungen wie die der Kleriker gegenüber dem Papst von Relevanz, so dass die Entscheidungen nicht nur auf die Prätendenten fixiert zu beurteilen sind. BERND ULRICH HUCKER (Vechta) suchte sehr direkte Bezüge zur politischen Lage außer bei Walther von der Vogelweide auch im Nibelungenlied, der Nibelungenklage und im Parzifal: einerseits die Bedrohung der knapp vor dem Erlöschen stehenden staufischen Dynastie, andererseits die als verderblich kritisierte dominierende Stellung der Ministerialen vom Marschall bis zum Küchenmeister.

CHRISTOPH EGGER (Wien) führte von der Analyse politischer Konstellationen und literarischer Produkte auf den Boden der Praxis der Kommmunikation, indem er auf die entschlossenen päpstlichen Stellungnahmen gegen unerwünschte Gerüchte verwies und den suggestiven Vorschlag machte, Pfründenvergaben auch als Mittel zur Platzierung potentieller Informanten in Erwägung zu ziehen. Weiters stellte er die Überlieferung außerhalb der Register erhaltener Briefe Innocenz’ III. in ihren kodikologischen Kontext und verfolgte die Genese einzelner „Textbausteine“ in solchen. STEFFEN KRIEB (Giessen) verglich, über das Reich nach Ungarn und Dänemark ausgreifend, die Möglichkeiten, Thronkämpfe beizulegen. Das ernüchternde Ergebnis ist, dass trotz der Beiziehung externer Vermittler und Schiedsleute - eine Möglichkeit, der sich das Reich verschloss - und trotz des Wissens um die notwendige „Reintegration der Unterlegenen“ letztlich doch nur letale Lösungen Stabilität brachten.

Mit den letzten Beiträgen wurde der sonst stark auf der Reich konzentrierte Blick etwas erweitert. Da beide Seiten Rückhalt bei auswärtigen Großmächten, Frankreich und England, suchten, und etwa aus den Briefen Innocenz’ III., namentlich an die potenten Nachbarn Ungarn und Dänemark, deutlich wird, wie die Konstellationen des Thronstreits die diplomatischen Balanceakte großflächig verkomplizierten, wäre eine stärkere Einbettung des Themas in europäische Zusammenhänge und eine Untersuchung der Wahrnehmung des Thronstreits außerhalb des Reiches, soweit gegeben, nützlich gewesen. Davon abgesehen, wurden eingefahrene Gleise der Forschung vielfach verlassen, und das auch spontan, etwa als die beharrliche Gewohnheit, von einer „staufischen“ und einer „welfischen Partei“ statt von Verbündeten Philipps oder Ottos zu sprechen, bewusst gemacht wurde.

Was ist der Ertrag der Tagung? Ein deutlicheres Bild ihres Namenspatrons ist es kaum, ein differenzierteres Bild der Jahre, in denen er um das Königtum kämpfte, aber zweifellos. Unterschiedliche Zugänge wurden nutzbar und Möglichkeiten und Grenzen mittelalterlicher Herrschaft und der Fassbarkeit ihrer Akteure anhand der Ausnahmesituation sichtbar gemacht. Auch im work-in-progress-Stadium zeigte sich das Potential, das die diplomatische Analyse der Urkunden Philipps bereit hält und dass, verbreitetem Unverständnis - mit dem man auf der Tagung freilich nicht konfrontiert war - zum Trotz, die Diplomatik der Herrscherurkunden aus seriöser Mediävistik nicht wegzudenken ist.

Die Publikation der Beiträge ist in den Wiener „Forschungen zur Geschichte des Mittelalters“ geplant.

Konferenzübersicht:

Rudolf Schieffer: Eröffnungsvortrag
Andreas Bihrer: Die Ermordung Philipps von Schwaben: Wahrnehmung - Darstellung - Instrumentalisierung
Werner Maleczek: Innocenz III. und die Ermordung Philipps von Schwaben
Olaf Rader: Der umgebettete Onkel. Der Leichnam Philipps von Schwaben und die „Reichsgrablege“ in Speyer
Peter Csendes: Aspekte der Biografie Philipps von Schwaben
Georg Scheibelreiter: Philipp von Schwaben in höfischer Sicht
Theodor Nolte: Das Bild König Philipps von Schwaben in der Lyrik Walthers von der Vogelweide
Bernd Schütte: Das staufische Königtum im Spiegel zeitgenössischer Quellen
Knut Görich: Die Ehre (honor) - ein Handlungsmotiv in Herrschaftspraxis und Urkunden Philipps von Schwaben
Andrea Rzihacek: Zur Edition der Urkunden Philipps von Schwaben
Brigitte Merta: Beobachtungen aus der Werkstatt: Gestaltung der Königsurkunden Philipps und ihre Empfänger
Renate Spreitzer: Urkundenvergabe und Herrschaftspraxis im Nordosten des Reiches während des deutschen Thronstreits
Tobias Weller: Dynastische Politik unter Philipp von Schwaben
Christian Friedl: Politischer Pragmatismus - Opportunimus - Treue? Zeugenkontinuität von Philipp von Schwaben bis zu Friedrich II.
Martin Wihoda: Philipp von Schwaben und die Przemysliden
Bernd Ulrich Hucker: Oppositionelle Reichsfürsten und Otto IV.
Christoph Egger: Innocenz III., Philipp von Schwaben und Köln – eine Nachlese
Steffen Krieb: Möglichkeiten einer Konfliktlösung bei Thronstreitigkeiten in vergleichender Perspektive


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