Geschlecht hat Methode

Geschlecht hat Methode

Organisatoren
Universität Bern
Ort
Bern
Land
Switzerland
Vom - Bis
13.02.1998 - 14.02.1998
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Von
Ulrike Jureit

Zu wenig Methode

«Geschlecht hat Methode» - so lautete das Thema der diesjaehrigen 9. Schweizerischen Historikerinnentagung in Bern. Die Mehrdeutigkeit des Titels war von den Organisatorinnen bewusst gewaehlt. Zum einen sollte es um die Vielzahl der methodischen Zugaenge innerhalb der Frauen- und Geschlechterforschung gehen, zum anderen wollte die Tagung auch die Forderung nach kontinuierlicher Verankerung der «Gender Studies» innerhalb der Geschichtswissenschaft untermauern.

Knapp 250 TeilnehmerInnen fanden sich zu einem attraktiven Angebot in der Universitaet Bern zusammen. Nach einem einfuehrenden Referat zum aktuellen Stand der Frauen- und Geschlechtergeschichte von Brigitte Studer (Universitaet Bern), folgte das erste Hauptreferat der Konferenz. Wohl fuer die meisten TeilnehmerInnen ein Leckerbissen: Susanna Burghartz (Universitaet Basel/Bielefeld) referierte abweichend von der Ankuendigung im Programm zur aktuellen Debatte ueber die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Ihre bestechende Analyse dieses symboltraechtig aufgeladenen Diskurses zeigte, wie (nicht nur) in der Schweizerischen Forschungsdebatte um Krieg, Kollaboration und Widerstand mit geschlechtsspezifischen Konstruktionen und Bildern operiert wird. Ihr anregender Vortrag streifte das Tagungsthema allerdings zu wenig, denn ihr methodisches Vorgehen erschloss sich den ZuhoererInnen nur indirekt. Diese Tendenz verstaerkte sich leider noch in den anschliessenden workshops. Zu den insgesamt vierzehn Themenkomplexen (Alltagsgeschichte; Biographien; Diskurs; Ideengeschichte; Oral History; Politischer Diskurs & Kulturelle Normen; Religions- und Sozialgeschichte, Rechts-, Militaer- und Medizingeschichte; Konstruktionen von Weiblichkeit/Maennlichkeit) stellten mehr als vierzig ReferentInnen ihre Forschungsprojekte vor. Schon allein fuer die Vielfalt der bearbeiteten Themen hatte sich die Reise nach Bern gelohnt, doch die klaren Vorgaben der Organisatorinnen veranlassten nur wenige Beteiligte, ihre Projekte unter methodischen Gesichtspunkten zu durchleuchten.

Damit bestaetigte sich in der Schweiz, was auch in anderen Zusammenhaengen immer wieder zur Kritik veranlasst: Historiker und Historikerinnen scheinen ueber methodische Probleme nicht gern zu debattieren, schlimmer noch: Eine forschungspraktisch unverzichtbare Methodendiskussion bleibt weiterhin an Expertinnen und Experten delegiert. Als solche erwiesen sich auch die beiden Referentinnen der weiteren Hauptvortraege. Eleni Varikas (Universitaet Paris VIII) referierte unter dem Titel «Le scepticisme du genre face aux ‹axiomes› de la modernite politique» und Elke Kleinau (Universitaet Hamburg/Bielefeld) verwies auf das Revival der Ideengeschichte in (einigen) diskursanalytischen Untersuchungen. Ihre Kritik richtete sich ueberwiegend an diejenigen, die meinen, mit Foucault im Gepaeck ‹klassische› sozialgeschichtliche Konzepte ueber Bord werfen zu koennen, wodurch sie der traditionellen Ideengeschichte zu einer unerfreulichen Wiederbelebung verhelfen. Den Abschluss der Tagung bildete eine Podiumsdiskussion, die das Dilemma der Veranstaltung nochmals auf den Punkt brachte. Plenum und Podium ereiferten sich ueber die juengsten Forschungen zur «Maennergeschichte» sowie ueber das schwierige Verhaeltnis zwischen feministischer Forschung und politischer Frauenbewegung. Das angekuendigte Thema der methodischen Vielfalt und Probleme der Frauen- und Geschlechtergeschichte blieb dabei allerdings weitgehend auf der Strecke. Den Organisatorinnen ist hier kein Vorwurf zu machen: Fuer ihr Bemuehen um den methodologischen Zuschnitt der historischen Forschung sei ihnen gedankt.


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Deutsch
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