David Joseph Bach and Austrian Culture between the Wars

David Joseph Bach and Austrian Culture between the Wars

Organisatoren
Austrian Cultural Forum; Institute of Germanic Studies, London; Centre for German-Jewish Studies der University of Sussex; Ingeborg Bachmann Centre, London
Ort
London
Land
United Kingdom
Vom - Bis
12.02.2003 - 13.02.2003
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Von
Deborah Holmes, IFK_Junior Fellow, Wien

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "David Joseph Bach Rediscovered" am Austrian Cultural Forum in London hatte dieses zweitägige Symposium das Wirken des sozialdemokratischen Kulturpolitikers zwischen 1918-1934, also in den Jahren des "roten Wien", als zentrales Thema. Während dieser Zeit fungierte Bach als Feuilleton-Redakteur der Arbeiter-Zeitung und als Leiter der sozialdemokratischen Kunststelle. Letzere war die Verkörperung Bachs Leitspruch "Kunst fürs Volk": Er bemühte sich, mittels subventionierter Eintrittskarten und Veranstaltungen alle Arten von Kunst - Konzerte und Theater voran - den breiten Massen zugänglich zu machen. Nach dem "Anschluss" Österreichs an Nazi-Deutschland 1938 ging er ins Exil nach Großbritannien, im Gepäck die sogenannte "Box", eine handgefertige Kiste aus den Wiener Werkstätten, die ihm 1924 die dankbaren Künstler der Stadt Wien zum 50. Geburtstag geschenkt hatten. Diese Box beinhaltet fast hundert Gratulationsschriften, in Form von Gedichten, kurzen Musikstücken, Bildern und Skizzen, unter anderem eine Bleistiftzeichnung von Oskar Kokoschka, einen musikalischen Gruß von Bachs Jugendfreund Arnold Schönberg und schriftliche Grüße von John Galsworthy, Heinrich Mann, Georg Kaiser, Robert Musil u.v.m.

Wie Edward Timms vom Centre for German-Jewish Studies der Universität Sussex in seiner Einführung schilderte, war es Bach nur möglich, diese Schätze ins Exil mitzunehmen, weil nationalsozialistische Beamten sie für "wertlos" hielten. Diese Ironie der Geschichte setzte vom Anfang des Symposiums an die folgenden Kernfragen in den Mittelpunkt der Diskussion: Wer soll über Fragen der Kulturerbe entscheiden und verfügen? Wie sind oder wie sollen die Beziehungen zwischen Kultur und Parteipolitik sein? Und schließlich: wie ist heute das Erbe des vermeintlich gescheiterten "roten" Wien zu interpretieren? Edward Timms belegte anhand des Inhalts der Box, dass die Künstler, die Geburtstagsadressen an Bach schickten, ästhetisch und politisch ganz unterschiedlich sind: Es gratulierte beispielsweise nicht nur Schönberg, sondern auch Richard Strauß. Bachs Toleranz und Offenheit brachte ihm heftige Kritik von Karl Kraus ein; Kraus, Verfechter des wählerischen und individuellen Geschmacks, erschien in den Referaten des Symposiums oft als Gegenspieler Bachs. Timms folgerte, dass Bach grundsätzlich ein Konsenspolitiker war, dessen Hauptinteresse es war, die verschiedenen Traditionen, Ethnien und Klassen der Donaumetropole unter dem Zeichen der Kunst zusammenzuführen und dadurch auf demokratische Weise sozialistischen Zielen in der Volksbildung nachzugehen.

Mit seinem Beitrag "Viennese Socialist Culture as the Heritage of my Childhood" legte Ian Menzies (früher: Johannes Menzinger) ein persönliches Zeugnis über die lebenslange Wirkung der Kulturpolitik des "roten" Wien ab. Als Sohn überzeugter sozialistischer Eltern, geboren in den frühen 1920er Jahren, erlebte Ian Menzies das Jugendangebot der Partei als fundamentalen, alles beeinflussenden Teil seiner Kindheit. Als Mitglied der "roten Falken" wurde er zum idealen Bürger der sozialistischen Zukunft ausgebildet. Er hatte Zugang zu einer Vereinsbibliothek; Reproduktionen berühmter Kunstwerke aller Stilrichtungen schmückten den Vereinssaals; Theater-und Konzertkarten wurden durch die Kunststelle angeboten, und den Kindern wurden zudem Theorie und Praxis der modernen Architektur anhand des Beispiels des Wiener Wohnprogrammes vorgestellt. Laut Ian Menzies aber waren die Sozialdemokraten Tauben unter Habichten, was die nationale und internationale politische Lage betraf; unvorbereitet auf die Angriffe der Christsozialen, habe das "rote Wien" nur untergehen können, sein Erbe aber lebe fort. Als Beispiel zitierte Menzies die Inschrift "Erbaut aus den Mitteln der Wohnbausteuer", die nicht nur während der Zwischenkriegszeit, sondern auch noch lang nach dem 2. Weltkrieg die Wiener Gemeindebauten zierte.

Die nächsten beiden Vorträge setzten sich im Detail mit David Joseph Bach als Patron der Wiener Musikszene auseinander. Christian Glanz von der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien befasste sich mit "David Joseph Bach and the Viennese Debates about Modern Music", wobei er versuchte, Bachs Konzept der Volkstümlichkeit auf den Grund zu gehen. Für Bach, laut Glanz, war "volkstümlich" nicht gleich "populär", sondern beschrieb Musik vielmehr als Produkt einer Gemeinschaft, das wiederum von dieser Gemeinschaft "konsumiert" werden sollte. "Volkstümliche Musik" bedeutete daher für Bach Musik, die von allen genossen werden konnte, die aber gleichzeitig das allgemeine Verständnis sowohl für die Kunst als auch für das Gemeinschaftsleben vertiefte und letztendlich dadurch der Utopie einer sozialistischen Zukunft diente. Hier nannte Glanz Beethoven und Wagner als Bachs große Vorbilder in diesem Bereich. Bach machte in seinen Aktivitäten keinen strengen Unterschied zwischen moderner Musik und den Werken der Vergangenheit, solange letztere die obengenannten Kriterien der "Volkstümlichkeit" erfüllten. Er betonte vielmehr die Wechselbeziehung zwischen Tradition und Innovation in der Kunst, wobei er einen großen Einfluss auf Schönberg ausübte. Folglich förderte Bach viele verschiedene Musikarten in seiner Zeit als Leiter der Kunststelle und Organisator der Wiener Festwochen von 1920 und 1924, vom Volkslied bis zur Zwölftonmusik. Glanz umriss auch die Probleme, die diese Herangehensweise mit sich brachte, zum Beispiel die Aufrechterhaltung der künstlerischen Qualität, besonders was beliebte "volkstümliche", aber unleugbar "bürgerliche" Formen wie die Operette betraf.

Als Aushängeschild der Bach'schen Kulturpolitik galten die Arbeiter-Symphonie-Konzerte, die er 1905 mit der Unterstützung Viktor Adlers initiierte und die in der Zwischenkriegszeit verstärkt gefördert wurden. Julian Johnson von der Universität Oxford referierte über die Rolle Anton Weberns in diesem Unternehmen, vor allem in seiner Funktion als musikalischer Direktor des Arbeiter-Singvereins (1923-1934). Obwohl ganz von Amateuren besetzt, trat der Singverein unter Weberns Leitung mit Stücken wie Mahlers Achter Symphonie und Schönbergs "Friede auf Erden", aber auch mit Volksliedern und Werken von Johann Strauß auf. Johnson wies darauf hin, dass Weberns Aktivität als Arbeiter-Chordirektor scheinbar im Widerspruch zu seiner puristischen Konzeption der Musik als autonome Sphäre stehe und schrieb Bach das Verdienst zu, Weberns Kompositionen durch diese Veflechtung mit der aktiven und politischen Welt der Aufführungspraxis befruchtet zu haben, wie es sich z. B. in seinen späteren Kantaten und Vertonungen von "Volkstexten" zeigt.

Einige Referate über Bachs Teilnahme am Wiener Theaterleben folgten am zweiten Symposiumstag und setzten die Diskussion um "Kunst fürs Volk" fort.
John Warren von der Oxford Brooks Universität gab eine schillernde Beschreibung der Wiener Festwochen 1924 und stellte fest, dass von vielen der jungen österreichischen Dramatiker, deren Werke von Bach in diesem Rahmen gefördert wurden, nie wieder was gehört wurde. Warren stimmte aber Musil zu, der sagte, Bach sollte nicht dafür verantwortlich gemacht werden, denn junge Dichter sollten die Möglichkeit haben und ausnützen können, sich selbst ohne zu heftige Eingriffe von außen zu entwickeln. Auch Warren betonte Bachs Offenheit nach allen Richtungen der Avantgarde hin: 1924 wurde italienische Theatertechnik neben sovietrussischem Bühnendesign in Wien ausgestellt. Anschließend aber folgerte Robert Pyrah von der Universität Oxford, dass Bach in Sachen Theaterpolitik trotz aller Offenheit kein "vorsichtiger" Sozialist gewesen sei, wie aus der Korrespondenz der Kunststelle mit dem Kulturministerium und den Theaterintendanten hervorgeht. Einmal drohte er sogar mit einem Arbeiteraufstand, sollten die Subventionen der Kunststelle nicht mit besseren Aufführungen gebührend belohnt werden; auf der anderen Seite - im Sinne seiner Auffassung, dass alle qualitative Kunst im Grunde "sozialistisch" sei - brach Bach nie mit konservativen und katholischen Dramatikern wie beispielsweise Hermann Bahr. Dennoch kritisierte er sehr wohl die allgemein konservative nationale Theaterpolitik, weil sie seiner Meinung nach alle anderen politischen Weltanschauungen auszuschalten trachtete.

Schließlich sprach Judith Beniston vom University College London über Bachs Schwierigkeiten, die Komödie als Gattung in sein Bild des "volkstümlichen" Theaters einzureihen. Sie analysierte Bachs Beiträge in der Arbeiter-Zeitung, wo er fortwährend darauf bestand, dass das Revolutionäre eines Kunstwerkes einzig und allein eine Frage der Form und nicht des Inhaltes sei. Da laut Beniston die Komödie grundsätzlich eine konservative Gattung sei, die eher zum Herzen als zum Hirn spreche und wo sich Form nur schwer vom Inhalt trennen lasse, gab sich Bach damit zufrieden, keine genauen Richtlinien oder gar ein Repertoire vorzuschlagen. In seinen Rezensionen tendierte er dazu, das Tragische an komischen Stücken hervorzuheben, so z.B. bei Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig" oder Jonsons "Volpone".

Bachs Eintreten für "volkstümliche" Kunstformen schloss auch den Film als "Theater der Zukunft" ein, wie Michelle Duncan von der Cornell University in ihrem Referat über Bachs Drehbuch "Der Kugelmensch" darstellte. Letzeres lässt Bachs intellektuelle Formation im Wien der Jahrhundertwende klar erkennen, da es neben Marx auch den Einfluss Ernst Machs und Sigmund Freuds zeigt.

Auch Wolfgang Maderthaner, Leiter des Vereins der Geschichte der Arbeiterbewegung in Wien betonte diese Verbindung zwischen der Kultur der Jahrhundertewende und der österreichischen Sozialdemokratie der Zwischenkriegszeit, indem er Bach als "authentisches Produkt des Wiener Fin de Siecle" beschrieb. Die "späte Aufklärung" Freuds und Machs unterlag der sozialdemokratischen Strategie, durch Vernunft und Integration an der Emanzipation der Masse zu arbeiten, anstatt durch Gewalt an die Macht zu gelangen. Bachs Förderung der Künste war Teil eines größeren Bildungsprojekts, das die Selbstbewusstseinsstärkung der Arbeiter zum Ziel hatte. Diese zivilisierenden Maßnahmen im Sinne des humanistischen Fortschrittes waren allerdings laut Maderthaner nicht im Stande, den Druck der Weltwirtschaftskrise der frühen 1930er Jahre standzuhalten; die Grenzen des "roten Wien" waren seiner Meinung nach finanziell bedingt.

Eine Fülle von schriftlichen Zeugnissen des Bachschen Wirkens gibt es in der sozialdemokratischen Presse, die bis jetzt allerdings nur periodisch Gegenstand der kulturwissenschaftlichen Forschung war. Deborah Holmes vom IFK Internationales Forschungszentrum für Kulturwissenschaften in Wien ergänzte die Diskussion mit einem Referat über die Feuilletons der Arbeiter-Zeitung, wobei ihre Schlüsse Bachs Konsequenz in Sachen Kunst- und Kulturtheorie belegten. So wie in der Musik oder beim Theater, förderte Bach viele verschiedenen Stilrichtungen in der Literatur. Unter seiner Leitung beherbergte der Feuilleton-Teil der Arbeiter-Zeitung Kritiken, die auch gegen seine eigenen Meinungen gerichtet waren, u.a. von Ernst Fischer, der für eine Literatur plädierte, die inhaltlich explizit sozialistisch sei.

Den Abschluss des Symposiums bildeten zwei Referate über die Zeit nach 1934. Anita Mayer-Hirzberger sprach über "The Takeover of Social Democratic Cultural Institutions by the Austrian Corporate State" und kam zum Schluss, dass es dem österreichischen Ständestaat nicht möglich war, einen ähnlichen kulturellen Einfluss über die arbeitende Bevölkerung in Wien zu erlangen, obwohl sozialdemokratische Bibliotheken, Druckmedien und Vereine oft direkt übernommen wurden. Anstatt sich auf Bildung als emanzipatorische Maßnahme zu konzentrieren, wurde nun eher Gewicht auf politisch codierte Inhalte gelegt: Beispielsweise wurde moderne Musik als "zu schwierig" für die Arbeiter erklärt, und ausschließlich Volkslieder und Kirchenmusik gefördert. Die Arbeiter-Symphonie-Konzerte wurden durch Radioübertragungen ersetzt, die hauptsächlich auf die "Aufheiterung" der Bevölkerung zielten; Mayer-Hirzberger zitierte Hörerbeschwerdebriefe, die die Unzufriedenheit früherer Konzertbesucher mit dieser leichten Kost belegten. Anschließend referierte Charmian Brinson vom Research Centre for German and Austrian Exile Studies die Hochs und Tiefs des britischen Exilerlebnisses des Ehepaars Bach. Obwohl finanziell schwer benachteiligt und zunehmend kränkelnd, bemühte sich Bach weiterhin um die Zukunft der Sozialdemokratie als politische Organisation und - wie es in seiner Vision der Union von Kunst und Volk zu lesen ist - als Garant der kulturellen Vielfalt.

Eine Ausstellung des Inhalts von Bachs "Box" am Austrian Cultural Forum begleitete das Symposium, und bei einem Konzert wurden Werke aus der "Box" (ur)aufgeführt.
Tagungsbericht


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