Religiöse Vielfalt und soziale Integration. Die Bedeutung der Religion für die kulturelle Identität und die politische Stabilität im republikanischen Italien

Religiöse Vielfalt und soziale Integration. Die Bedeutung der Religion für die kulturelle Identität und die politische Stabilität im republikanischen Italien

Organisatoren
Martin Jehne (Technische Universität Dresden), Bernhard Linke (Technische Universität Chemnitz), Jörg Rüpke (Universität Erfurt)
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.11.2007 - 24.11.2007
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Von
Claudia Tiersch, Ludwig-Maximilians-Universität München

In der neueren Forschung ist mehrfach herausgestellt worden, dass die Integration Italiens in der römischen Republik keineswegs eine von allen Bundesgenossen gewünschte Vereinigung darstellte, sondern ein konfliktreicher und spannungsvoller Prozess war. Viele socii sahen sich einem immer machtvolleren Rom gegenüber, das zwar punktuell in Italien intervenierte, sobald eigene Interessen tangiert waren, sich weiterreichenden Integrationsangeboten aber verschloss. Angesichts der fundamentalen Bedeutung, welche die Kultausübung für die Identität von Städten und Stämmen in der Antike besaß, stellt sich die Frage, wie sich die römische Expansion in den religiösen Beziehungen zwischen Römern und Italikern niederschlug. Nutzte Rom diesen Bereich zur besseren Integration der Italiker oder drückte sich mögliches Resistenzpotential frustrierter socii umgekehrt vielleicht gerade in dieser Sphäre aus? Welches waren die Felder römischer Initiativen und deren Grenzen? Inwieweit war religiöser Integrationsbedarf seitens der Verbündeten überhaupt gegeben? Mit all diesen Fragen befasste sich eine internationale Tagung, die vom 22.–24. November in der Technischen Universität Dresden stattfand.

Die Komplexität römisch-italischer Kultkontakte zeigte bereits JOHN SCHEID (Collège de France, Paris) in seinem Eröffnungsvortrag auf. Seinen Ausgangspunkt bildete Augustus und dessen Bemühen um politische Legitimation durch die Restaurierung italischer Kulte. Dieses Vorgehen folgte jedoch zumeist, wie Scheid nachweisen konnte, alten römischen Traditionen. So bestraften die Römer zwar einige italische Heiligtümer, die sich im Bundesgenossenkrieg als Widerstandsnester erwiesen hatten, doch waren dies eher Einzelfälle. Generell bestand das römische Interesse eher in der Kontrolle besonders markanter italischer Heiligtümer. Erreicht wurde dies oftmals dadurch, dass man bedeutende Kultorte politisch mit neu gegründeten Kolonien verband, welche somit eine Kultkontrolle ermöglichten. Auf diese Weise vermochte man, die Legitimationskraft bedeutender Heiligtümer zu nutzen und diese sakralen Kräfte zugleich für Rom zu monopolisieren. Nichts anderes tat auch Augustus; neu war nur die Systematik, die er hierbei walten ließ.

Eignete sich die religiöse Sphäre überhaupt zur Artikulation von Widerstand gegen die römische Herrschaft? Gegen diese These plädierte NICOLA TERRENATO (University of North Carolina, Chapel Hill). Terrenato hob hervor, dass religiöse Aspekte generell keine Form lokalen Widerstands gegen die römische Eroberung bildeten, da Religion eher ein Diskursmedium darstellte, welches an wechselnde Bedürfnisse adaptierbar war. Zum einen bestanden durchaus gemeinsame Interessen von römischen und italischen Eliten. Zum anderen verwies Terrenato zu Recht darauf, dass ja auch Rom keineswegs religiös abgeschottet gewesen sei, sondern sich dessen Religiosität im Zuge der Expansion tiefgreifend gewandelt habe. Zu grundsätzlicherem Protest sei es erst dann gekommen, wenn sich bei lokalen Eliten das Gefühl verfestigt habe, dass traditionelle Lebenszusammenhänge infolge der römischen Intervention verloren zugehen drohten. Trotz aller zutreffenden Argumente unterschätzt diese ausschließliche Konzeptionalisierung von Religion jedoch den Handlungsaspekt antiker Religiosität sowie den gemeinschaftsstiftenden Aspekt lokaler Kulte. Zudem bestanden zwischen den jeweiligen lokalen Eliten erhebliche Interessenunterschiede. Demzufolge ist durchaus davon auszugehen, dass lokale Kultzentren wichtig für die Stabilisierung kultureller Identitäten waren. Diese Heiligtümer waren nicht zwingend gegen Rom gerichtet, konnten aber im Konfliktfall als Resistenzzentren genutzt werden.

Das religiöse Konfliktpotential im Verhältnis zwischen Römern und Bundesgenossen verdeutlichte BERNHARD LINKE (Technische Universität Chemnitz). Er wandte sich gegen die These, dass politische Integrationsbereitschaft und religiöse Toleranz Grundlagen für den Aufstieg Roms im 4. und 3. Jahrhundert v.Chr. gewesen seien. So zeigte er am Beispiel des Latinerfestes, dass dessen Weiterführung nach der Niederlage der Latiner 338 v.Chr. gerade nicht als Symbol für die privilegierte Integration der Latiner durch die Römer zu deuten ist. Die Latiner und ihr religiös fundierter Bund wurden im 4. Jahrhundert v.Chr. als religiöse Gegenwelt zu den Kulten im römischen Zentrum wahrgenommen. Die Fortführung des Latinerfestes diente somit keineswegs der Memorierung einer engen kulturellen Verbundenheit, sondern einer religiösen Demonstration der hierarchischen Integration dieser Gegenwelt in den sakralen Kosmos der Römer. Eine stärkere religiöse Homogenisierung der Bürgerschaft vollzog sich dann erst im Laufe des 3. Jahrhunderts v.Chr. als die Bedrohung durch die Punischen Kriege ein stärkeres Zusammenwirken aller Italiker nötig machte. Konsequenterweise finden sich nun Kulte, die die Einheit und Gleichberechtigung aller römischen Bürger betonten.

Gegen die Annahme einer gezielten umfassenden Integration fremder Gottheiten durch den römischen Senat argumentierte auch VEIT ROSENBERGER (Universität Erfurt): Er wies nach, dass die allmähliche geographische Ausweitung der Gebiete, aus denen Prodigien nach Rom gemeldet wurden, keineswegs ein Indiz für die wachsende religiöse Integration Italiens vor dem Bundesgenossenkrieg, sondern lediglich für die zunehmende Ausdehnung des ager Romanus ist. Rom kommunizierte durch Prodigien vor allem mit seinen Bürgern außerhalb der Stadt, nicht mit den Bundesgenossen. Ebenso zu revidieren sind moderne Annahmen einer entscheidenden Bedeutung von evocationes für die römische Kriegführung. Die Quellen bieten nahezu keine Beispiele dafür, wohl deshalb, weil das Ritual – zumindest in der römischen Überlieferung – nur ein Schattendasein führte. Dieses Phänomen ist jedoch nur Teil des generellen Befunds, dass Götter ehemaliger Feinde durch Rom nicht systematisch und vor allem gerade nicht nach eigenen Siegen transferiert wurden. Vielmehr reagierten die Römer mit der Übernahme neuer Kulte auf Krisensituationen, wie etwa die Übernahme der Venus Erycina nach der Niederlage am Trasimenischen See zeigt. Die Basis dafür bildete in wesentlichem Maße die Kontrolle durch den Senat.

Mit der Bacchanalienaffäre von 186 v.Chr., und damit der schwersten religiösen Krise des republikanischen Rom, befaßte sich ANDREAS BENDLIN (University of Toronto). Er deutet den Konflikt vor allem durch eine intensive Analyse des senatus consultum de Bacchanalibus in vielem konträr zu bisherigen Interpretationsansätzen: So weist er nach, dass ein situatives Eingreifen des Senats auch in die religiösen Belange der Bundesgenossen durchaus möglich war. Allerdings lieferte der Senat hierfür nur das basale Regelwerk, welches den lokalen Eliten erhebliche Freiheiten bei Auslegung und Anwendung ließ. Im konkreten Konflikt plädiert der Referent aber dafür, die Adressaten der Invektiven des Senats eher in Angehörigen der eigenen sozialen Schicht zu sehen. Ausschlaggebend sei hier die Befürchtung führender Politiker gewesen, dass die geheimen Kultverbindungen Vernetzungen gebildet hätten, die durch die Nobilität nicht mehr zu kontrollieren waren und deren Angehörige Interessen verfolgten, die nicht nur das Wohl Roms im Blick hatten. Entscheidend ist aber die Anmerkung Bendlins, dass gerade das ebenso energische wie kurzatmige Eingreifen des Senats ein Indiz dafür ist, wie nachhaltig die römische Expansion bereits zu einer Diversifizierung römischer Kultpraktiken geführt hatte. Es verdeutlicht, dass die imperiale Aneignung von Menschen und deren Kulturen durch Rom zu einem Eindringen zahlreicher Kulte nach Rom führte, ohne dass der Senat diese Entwicklung wirksam zu steuern vermocht hätte.

Einen interessanten Einblick in die langfristigen evolutionären Veränderungen italischer Heiligtümer in Lukanien und Bruttium als Folge der römischen Expansion bot OLIVIER DE CAZANOVE (Université de Bourgogne, Dijon). Dieser Wandel ist durch unterschiedliche Entwicklungen gekennzeichnet. Er umfasste einerseits den Niedergang zahlreicher kleiner italischer Kultplätze seit dem 3. Jahrhundert. Deren Aufgabe war Ausdruck eines umfassenderen Phänomens: des Schwunds zahlreicher befestigter italischer Siedlungen im Zuge der römischen Eroberungen. Die wachsende Durchsetzung Italiens mit römischen und latinischen Kolonien führte zwar nicht zu einer generellen Entvölkerung, wohl aber zu einer Destrukturierung gewachsener Siedlungsplätze als Folge demographischer Verschiebungen und damit auch zu politischen und kultischen Umorganisationen. Andererseits galt dieser Niedergangsprozess keineswegs für alle italischen Heiligtümer. Kultkontinuitäten bis in die Kaiserzeit sind insbesondere für größere Heiligtümer feststellbar, deren Bedeutung auch seitens der Römer anerkannt wurde. Es kam somit zu kultischen Konzentrationsprozessen. Dies verdeutlichte der Referent exemplarisch an den Mefitisheiligtümern von Ansanto im Hirpinerland sowie von Rossano di Vaglio in Lukanien. Beide sind als Kultplätze vom 3. bzw. 4. Jahrhundert v.Chr. bis in die frühe Kaiserzeit bezeugt. Dabei durchliefen sie jedoch mehrere Transformationsstufen, welche von den politischen Veränderungen jener Zeit geprägt sind. So wurde zu Ende des Zweiten Punischen Krieges das gesamte umliegende Territorium des Heiligtums von Ansanto als ager Romanus konfisziert und in den gracchischen Reformen verteilt. Auch das Heiligtum von Rossano di Vaglio erlebte eine entscheidende Zäsur, als die ursprünglich damit verbundene Siedlung spätestens Mitte des 3. Jahrhunderts v.Chr. aufgegeben wurde. Dennoch wurden beide Heiligtümer nach diesen grundlegenden Wandlungen baulich prachtvoll monumentalisiert. Es stellt sich somit die Frage, welche Gemeinschaften nun die Kontrolle über die Kultstätten übernahmen und für das finanzielle Engagement verantwortlich zeichneten.

Im Falle des Mefitiskults von Ansanto verweisen Indizien auf das 18 km entfernte, durch Sulla geschaffene municipium Aeclanum. Für diese Gemeinde ist nicht nur ein suburbanes Heiligtum, bei dem offenbar der Mefitiskult mit den Kulten von Mars und Faunus verknüpft wurde, sondern auch die religiös tätige Stifterfamilie der Magii bezeugt. Noch spektakulärer stellt sich jedoch die Situation im Falle des anderen Heiligtums dar, da hier eine große Zahl von Inschriftenfunden aus dem 2. Jahrhundert auf eine institutionell organisierte oskischsprachige Gruppierung verweisen, deren religiöse Vorstellungen von den in Rom üblichen erheblich abwichen. Letzte Klarheit über die kulttragende Volksgruppe ist nicht zu gewinnen; doch de Cazanove plädiert dafür, diese Gemeinschaft nicht mit einer konkreten Siedlung zu verbinden, sondern mit einem Siedlungsverbund. Bemerkenswert bleibt der explizit öffentliche Charakter dieses Kultes, der zumindest bis zum Ende des 2. Jahrhunderts v.Chr. in der Verwaltung der socii und ihrer Institutionen verblieb und erst später in die Verwaltung des municipium von Potentia überging.

Den kultischen Aktivitäten römischer und latinischer Kolonien widmeten sich die Vorträge von EVA-MARIA LACKNER (Universität Heidelberg) sowie DANIEL J. GARGOLA (University of Lexington, Kentucky). Hierbei wies Lackner eine prägnante Entwicklungstendenz für Anzahl und Identität der in den Kolonien verehrten Gottheiten nach. So verfügten die frühesten latinischen Kolonien über eine erhebliche Kultvielfalt. Manche der hier archäologisch nachweisbaren Kulte sind sogar älter als entsprechende Kultstätten in Rom. Das 4. Jahrhundert markiert eine Übergangsphase, für die die Quellenlage problematisch ist. Offenbar nutzten neugegründete Kolonien bereits existente extraurbane Heiligtümer, akkulturierten sich also eher religiös, als eigene Kultplätze zu gründen. Ab dem 2. Jahrhundert v.Chr. ist dann aber eine Kultkonzentration zugunsten des Iupiterkults bzw. der kapitolinischen Trias zu beobachten. Erst ab dieser späten Zeit wurde also die römische Siegesgottheit zum dominanten Kult, der alle Kolonien miteinander und mit Rom verband.

Dem Handlungsaspekt kolonialer Kulte wandte sich Daniel J. Gargola (University of Kentucky, Lexington) zu. Ausgehend von der Beobachtung, dass insbesondere die Koloniegründungen des 1. Jahrhunderts v.Chr. versuchten, römische Institutionen und Magistraturen auch in Kolonien so weit als möglich nachzubilden, warf er die Frage auf, ob dies auch für den religiösen Bereich galt und welche Bedeutung sich damit verband. In der Tat vermag er diese kultische Assimilation an zwei Beispielen zu zeigen, die jedoch nur stellvertretend für eine Fülle weiterer Quellenzeugnisse stehen. So lässt die lex Ursonensis aus der Zeit nach dem Tod Caesars eine genaue Nachahmung römischer Bräuche bei der Aufteilung kultischer Obliegenheiten zwischen Duumvirn und Dekurionen erkennen, insbesondere bei der Organisation von religiösen Festen und Opfern. Dass sich damit auch der Versuch verband, die in Rom üblichen Handlungen so weit als möglich zu imitieren, zeigt eine andere Inschrift aus dem Jahr 137 n.Chr., die von der Weihung eines Tempels für Jupiter Optimus Maximus aus dem illyrischen Salona berichtet. Hier wurden nicht nur die Verwaltungsregeln vom römischen Dianatempel auf dem Aventin übernommen, sondern auch die Sprache römischer Weiheformeln sorgfältig imitiert. Diese Inschriften können durch zahlreiche weitere Zeugnisse ergänzt werden. Sie zeigen, dass Priester und Magistrate vieler Kolonien in ihrer Erfüllung öffentlicher und religiöse Aufgaben römische Praktiken sorgsam imitierten und damit auch eine andauernde Verbindung zum Zentrum dieser Praktiken schufen.

Einen entscheidenden Aspekt für die andauernde Attraktivität italischer Kultorte beleuchtete MARTA GARCÍA MORCILLO (Technische Universität Dresden), indem sie auf deren ökonomische Bedeutung hinwies. So waren Kultorte erstaunlich oft in Grenzgebieten, an Flussübergängen oder wichtigen Handelswegen gelegen bzw. standen in Verbindung mit Transhumanz (etwa Tibur mit Verbindung bis zum Adriaticum). Deshalb sind in den Quellen oftmals Handelsaktivitäten in Verbindung mit Kultstätten belegt, darunter gerade auch der Viehhandel. Sowohl die gemeinsam vollzogenen Rituale, der Status als Treffpunkt und Kommunikationsforum als auch die ökonomischen Aktivitäten sicherten vielen ländlichen Heiligtümern ihre Kontinuität, zuweilen sogar nach der Zerstörung der benachbarten Siedlung, wie der Fall von Fregellae und dem angrenzenden Minturnaetempel zeigt. Die Beziehungen zwischen Römern und Italikern spiegeln sich hier ganz unterschiedlich. So besaßen die Heiligtümer einerseits eine integrative Funktion für die Kontakte zwischen Römern und Italikern, doch kamen hier auch lokale Spannungen zum Ausdruck (etwa Angriffe von Sabinern auf römische negotiatores beim lucus Feroniae). Zuweilen instrumentalisierten die Römer mercatores sogar gezielt als politische Informanten, um angesichts der politischen Funktion einiger Kultorte (z.B. dem etruskischen fanum Voltumnae als Sitz des concilium principum Etrurium) die Stimmungslage der Verbündeten zu erkunden. Der Status einiger Heiligtümer ist auch Ausdruck der zunehmenden ökonomischen Bedeutung der Italiker innerhalb Italiens. Insofern überrascht es keineswegs, dass die Römer tendenziell versuchten, den innerlatinischen Handel stärker unter Kontrolle zu bekommen.

Der abschließende Vortrag von JÖRG RÜPKE (Universität Erfurt) zeigte Perspektiven für die Reichsreligion der römischen Kaiserzeit auf, verwies zugleich aber auch auf längerfristige Entwicklungen. So belegte er eine ambivalente Tendenz: Einerseits führte das massive Wachstums Roms zur Umstellung auf Rituale mit der Möglichkeit größere Menschenmengen zu beteiligen, zur Monumentalisierung von Religion in Gestalt größerer Tempel sowie zur Einführung von neuen Gottheiten, die oftmals nicht mehr mit lokalen Traditionen verbunden waren (z.B. Concordia-Tempel). Parallel dazu blieb aber die inhaltliche Unbestimmtheit der römischen Religion, die der privaten Wahl weiten Raum eröffnete. Ähnliche Entwicklungen vollzogen sich innerhalb Italiens. Auch hier führte die römische Dominanz nicht dazu, dass neue Kulte vorgeschrieben wurden. Vielmehr wurde bestehenden Heiligtümern eine römische Administration übergestülpt. Gesetze wie die lex Ursonensis legten Rahmenregelungen für Feste und Rituale fest. Entscheidend waren Handlungen, gemeinsame Kommunikation sowie die gemeinschaftliche Geschichte der Kolonien. Insofern deutet Rüpke die Beziehungen zwischen Zentrum und Peripherie nicht als hierarchische Beziehung zwischen Zentrale und Ableger, sondern als Instrumentarium, mit dem beide Seiten zur Erzeugung gemeinsamer Vergangenheit auf Texte und Erzählungen, aber auch auf nichtverbale symbolische Präsenzformen zurückgriffen. Ebenso wenig führten die Kulttransfers zu einer religiösen Entleerung der Peripherie, sondern zu einer religiösen Reduplizierung der Peripherie im Zentrum. Selbst innerhalb der Reichsreligion ist eine starke Kontinuität von Praktiken als Anknüpfung an existente Traditionen erkennbar. So äußerte sich die Romanitas oft durch die Pflege jeweiliger lokaler Kulte, nicht durch den Transfer römischer Götter. Mitgebracht wurden hingegen römische Feste, Kulte, Daten. Auch hier vollzog sich die Romanisierung wahrscheinlich weniger über feste Strukturen (Bauten, Statuen), als vielmehr durch Rituale sowie das Sprechen über Rom. Insofern ist es kein Widerspruch, dass Religion einerseits zur wichtigsten Form öffentlicher Kommunikation wurde, sie andererseits aber gerade wegen ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit viel individuellen Spielraum ließ. Rüpke fasste dieses Phänomen unter dem Begriff der Metareligion.

Insgesamt verdeutlichten die Beiträge nicht nur die Komplexität und Widersprüchlichkeit der religiösen Beziehungen zwischen Römern und Italikern, sie ließen auch die nachhaltige Bedeutung gerade dieses Feldes für die Integration Italiens deutlich werden. Diese vollzog sich aber weniger über eine gezielte religiöse Integrationspolitik Roms als vielmehr über seine weitgehende Akzeptanz italischer Kulte sowie über die ungeplanten Kulttransfers, die die Peripherie im Zentrum reduplizierten. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Debatte über den Prozess der italischen Integration von dieser Konferenz zahlreiche neue Impulse erhält.


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