Venedig-Dresden. Ideale Projektion und kulturelle Modellierung

Venedig-Dresden. Ideale Projektion und kulturelle Modellierung

Organisatoren
Projekt E des SFB 537 „Institutionalität und Geschichtlichkeit“ der Technischen Universität Dresden; Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Italienzentrum der TU Dresden; Kulturamt der Stadt Dresden
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Vom - Bis
09.11.2007 - 10.11.2007
Url der Konferenzwebsite
Von
Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah, TU Dresden

Der Begriff „Elbflorenz“ für Dresden ist geläufig, „Elbvenedig“ dagegen weniger bekannt. Die Wechselwirkungen, den Kulturtransfer zwischen der Lagunen- und der Elbestadt aufzuarbeiten und zur Diskussion zu stellen, hatte sich die von Barbara Marx, Projekt E „Schriftkanon und sozialer Kanon in Renaissance und Barock“ des Sonderforschungsbereiches 537 „Institutionalität und Geschichtlichkeit“ der Technischen Universität Dresden, veranstaltete internationale Konferenz auf die Fahnen geschrieben. Entsprechend war die Besetzung mit Spezialistinnen und Spezialisten aus den USA, Italien, Polen, Österreich, der Schweiz und Deutschland. Beide Tage thematisierten verschiedene Aspekte: Kulturtransfer und Musik, Kunst und Kunstmarkt.

Die erste Sektion, überschrieben mit „Spiegelbild Venedig“, eröffnete KARL-SIEGBERT REHBERG (Dresden) mit einem einführenden Vortrag „Verschränkte Stadtspiegelungen: Venedig und Dresden“. Charakteristisch sei Rehberg zufolge die venezianisch-dresdnerische Parallelität einer mythischen Aufladung nach historischer Niederlage. In beiden Fällen wurde das Bild der Stadt auch tief geprägt in einer Zeit, als etwa die Romantiker eine „Poetisierung des Daseins“ entwarfen, so Rehberg. In diesem Prozess verschob sich die Wahrnehmbarkeit und Geltung beider Städte vom politischen Machtfeld in dasjenige der Künste. Beide Städte hängen wiederum heute in hohem Maße vom Tourismus ab, in dem Teile ihrer großen Geschichte – August der Starke und Gräfin Cosel in Dresden, der Karneval in Venedig – nur als „trivialisierte Abziehbilder“ (Rehberg) gegenwärtig sind. Aber auch dies, so das Fazit, trüge letztendlich dazu bei, kulturelle Leistungen zu bewahren, die für das gesellschaftliche Leben unverzichtbar sind.

In ihrem Vortrag „Der König als Scaramuz. August der Starke und das Carrousel comique 1722 in Dresden“ berichtete CLAUDIA SCHNITZER (Paris) über den „kurprinzlichen“ Import von Elementen des venezianischen Karnevals im Jahre 1695 nach Dresden. Der Kulturtransfer von Elementen des venezianischen Karnevals nach Dresden entwickelte, so Schnitzer, in der Elbestadt jedoch eine Hybridform, welche der commedia dell’arte entlehnte Figuren und Kostümierung in das carrousel comique integrierte. Die Vortragende interpretierte dieses 1722 erstmalig aufgeführte Ritterspiel als politisches Machtinstrument, als Versuch der Implementierung einer absolutistischen Regierung gegenüber den in Dresden versammelten Landständen. Der als Scaramuz, als Abenteurer, kostümierte sächsische Kurfürst und König von Polen konnte dabei auch die Selbstironie des Herrschers, seine Kunst der perfekten Verstellung optisch zum Ausdruck bringen.

MAUREEN CASSIDY GEIGER (New York) präsentierte „The Meißen for Venice“. Meißner Porzellan spielte in der ‚Prestige-Industrie’ eine herausragende Rolle; Tee-, Kaffee- und Schokoladenservice waren gern gesehene Geschenke an europäischen Fürstenhöfen. Daneben galten auch Vasen als „standard gift to rulers“. Meißner Porzellan wurde in höherem Maße nach Italien als an andere Orte Europas versandt. So nannte beispielsweise im frühen 18. Jahrhundert die Familie Urbani 14 unterschiedliche, aus Meißner Porzellan gefertigte Heiligenfiguren ihr Eigen. Auch spezielle Anfertigungen mit italienischen Familienwappen – so beispielsweise diejenigen der Mocenigo, Contarini oder Querini – haben sich erhalten.

ROLAND KANZ (Bonn) stellte in seinem Vortrag „Gespaltene Venezianer“ die Künstlerbrüder Francesco und Giovanni Casanova in Venedig und Dresden in den Mittelpunkt. Als Hauptquelle dienten dabei die Erinnerungen des dritten – und als Inbegriff von Freigeistigkeit berühmtesten – Casanova, nämlich Giacomo. Die Verbindung der Casanovas zu Dresden ergab sich zunächst über ihre Mutter, die seit 1738 ein Dauerengagement am Theater der Elbestadt hatte. Trotz der Tatsache, dass Giovanni Casanovas Karriere mit dem Direktorenposten der Kunstakademie Dresden ihren Höhepunkt fand, ist sein langjähriges, erfolgreiches Wirken in der Elbestadt heute kaum noch bekannt. Francesco Casanova verzeichnete zwar künstlerische Erfolge in Wien, starb im Gegensatz zu seinem Bruder jedoch verarmt. Beide Malerbrüder erlangten im 18. Jahrhundert einen größeren Bekanntheitsgrad als Giacomo, wurden jedoch durch die Publikation von dessen Memoiren aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt, so das Fazit von Kanz.

„Venezia severissima? Fremde und das medizinische System im 18. Jahrhundert“ lautete der anschließende Vortrag von KLAUS BERGDOLT (Köln/Venedig). Zeitgenössische Dokumente über körperliche und psychische Leiden im Venedig des 18. Jahrhunderts sind seiner Aussage nach kaum erhalten; erst um 1800 lässt sich von einer gewissen Renaissance medizinischer Abhandlungen sprechen. Eine wesentliche Rolle spielte dabei der Umgang mit und die Bekämpfung von Seuchen; auf diesem Gebiet hatte die Lagunenstadt eine Jahrhunderte lange Erfahrung vorzuweisen. So wurde beispielsweise für das mittelalterliche lazzaretto nuovo im 17. Jahrhundert ein von anderen Städten bereits angewandtes Passagierscheinsystem übernommen. Auch Fürsten wurden Seuchenuntersuchungen dergestalt unterzogen, dass sie während ihres Aufenthaltes in Venedig unter ständiger Beobachtung ihrer Physiognomie standen. Die ‚Schattenseiten’ Venedigs im 18. Jahrhundert seien allerdings noch viel zu wenig erforscht, wie Bergdolt abschließend betonte.

Die zweite Sektion war dem Bereich „Venezianische Musik in Dresden“ gewidmet. Nach einer Einführung von HANS-GÜNTER OTTENBERG (Dresden), der sich dem Vollzug des musikalischen Austausches über politische Grenzen hinweg widmete und die gute Dokumentation von Musikerreisen nach Venedig hervorhob, stellte MICHAEL WALTER (Graz) den „Fall Salicola“ vor. Diese Venezianische Sängerin stand im Visier gleich zweier Herrscherpersönlichkeiten: des Herzogs von Mantua und des Kurfürsten Johann Georgs III. Als letzterer sie in Venedig hörte, engagierte er sie vor Ablauf ihres Vertrages nach Dresden, da er beabsichtigte, eine italienische Operntruppe zum Zwecke der Etablierung der Venezianischen Oper in der Elbestadt einzukaufen. Walter deutete dieses Vorhaben auch als Kompensation, da der Rang Sachsens im Reich zu der Zeit nicht durch militärische Erfolge erhöht werden konnte. Durch den „Einkauf“ der Salicola und das öffentliche Interesse an den Auseinandersetzungen um ihr Engagement, die in einem Mordversuch an sächsischen Gesandten gipfelten, rückte das Dresdner Musikleben in den Fokus. Es entstand eine Kontinuität italienischer Kunst im sächsischen Opernbetrieb, der nördlich der Alpen Vorbildcharakter erlangte und Wien damit den Rang ablief.

PANJA MÜCKEs (Marburg) Vortrag lautete: „Sorgfältig arrangierter Sängerimport: Zur Ausbildung und zum Dresdner Engagement von Domenico Annibali, Venturo Rocchetti, Giovanni Bindi und Maria Rosa Negri“. Daran wurde deutlich, welchen Ausbildungsweg begabte musikalische italienische Jugendliche im Dresden des frühen 18. Jahrhunderts durchlaufen mussten, um eine Bühnenkarriere zu starten. Sie erwarben zunächst grundlegende Fähigkeiten in Gesang und Musiktheorie bei weniger bekannten Sängern, um dann in einer zweiten Phase der Ausbildung bei möglichst guten und erfahrenen italienischen Gesangslehrern, die sich unter Kurfürst Johann Georg III. in Dresden aufhielten, die italienische Gesangstechnik zu lernen. Die Sängerinnen und Sänger wurden gleichermaßen für Kirchen- und Opernmusik besetzt, wobei für letztere um die Mitte des 18. Jahrhunderts vom italienischen Opernmodell abgewichen und die dramme musiche besetzungstechnisch an Dresdner Verhältnisse angepasst wurden

INES BURDE (Berlin) sprach über „Baldassare Galuppi und die Überlieferung seiner Kirchenmusik in Dresden“. Ihrer Feststellung nach verfügt die Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek Dresden über den größten Quellenbestand dieses bedeutenden Opernkomponisten des 18. Jahrhunderts außerhalb Italiens. Der 1765 fertig gestellte Hofkirchenkatalog umfasste ursprünglich 75 Werke, von denen heute noch 49 erhalten sind und in der Copisteria Baldan abgeschrieben wurden, so unter anderem Messen, Requiemkompositionen oder Marianische Antiphonen. Auf welchem Reiseweg dieses Galuppische „Werksverzeichnis“ nach Dresden gelangte – ob es sich eventuell im „Kirchenmusikpartituren-Gepäck“ von Johann Gottlieb Naumann oder Johann Adolf Hasse befand, wie Burde spekulierte – ist nicht überliefert. Der in Dresden vorhandene Quellenbestand zeugt allerdings von Galuppis Schlüsselstellung hinsichtlich der Kirchenmusik und von einer über Venedig hinausgehenden Ausstrahlung dieses Künstlers.

Den letzten Beitrag zur Sektion „Venezianische Musik in Dresden“ lieferte ZENON MOJZYSZ (Czyzowice) zum Thema „Musikalische Reiseerfahrungen und ihre Modellfunktion für Dresden. Die Folgen der Grand Tour des Kurprinzen Friedrich August“. Der Vortragende stellte sehr ausführlich die Reiseroute Augusts des Starken derjenigen seines Sohnes und Thronfolgers Kronprinz Friedrich August gegenüber und erläuterte, dass der Italien-Aufenthalt des Prinzen auch wegen dessen dort erfolgten Konvertierung zum Katholizismus (1712 in Bologna) und der politischen Wirren mehrere Jahre ausmachte. In den Berichten über die Aufenthaltsorte, den „Reisejournalen“, die im Sächsischen Staatsarchiv-Hauptstaatsarchiv Dresden aufbewahrt werden, sind nur wenige Aussagen zur Musik zu finden, wie Mojzysz eher beiläufig erwähnte. Ein Desiderat bildet nach wie vor, so Mojzysz, die Auswertung der im Staatsarchiv Krakau befindlichen Korrespondenzen.

Der zweite Tagungstag stand zunächst unter dem Thema „Zielvorstellung: Venedig an der Elbe“. ANDREAS HENNING (Dresden) begann mit einem „Rundumschlag“, der sich der Frage widmen sollte, ob diese Zielvorstellung seitens der Dresdner Kunstsammlungen manifestiert würde. Der venezianische Einfluss auf die Dresdner Architektur bilde, so Henning, noch ein Forschungsdesiderat. Anschließend wurde anhand der bedeutendsten italienischen Künstler in Dresden wie Bernardo Bellotto, Alessandro Mauro, Giovanni Antonio Pellegrini und Giovanni Battista Grone die in ihren Werken zutage tretende ephemere, von Italien nach Dresden transferierte Festkultur präsentiert. In dieser ersten, von circa 1716-1725 dauernden Phase italienischer Künstler in Dresden, blieb jedoch der französische Einfluss durch beispielsweise Raymond LePlat und Louis de Silvestre beherrschend. Die zweite, in den vierziger Jahren auftretende Phase italienischer Kunst in Dresden war geprägt von der Entwicklung eines strukturierten Ankaufs venezianischer Kunstwerke unter der Ägide des Kunsthändlers Francesco Algarotti. Die beide Phasen verbindende Konstante bildete die Kunst der venezianischen Miniaturen- und Pastellmalerin Rosalba Carriera.

TRISTAN WEDDIGEN (Bern) sprach zu „Dresden nuova Venezia? Die Dresdner Kunstsammlungen und der Geschmackstransfer aus Italien“. Aus Venedig kommend, war der Kunsthändler Algarotti auf der Suche nach einem Hof, wo er „aufgeklärte Projekte“ verwirklichen konnte, was in Venedig unmöglich war. Sein innovatives museologisches Konzept einer galleria moderna wurde allerdings seitens Augusts III. von einer königlich-repräsentativen Auffassung verdrängt, bei dem auf kanonische „große“ Namen Wert gelegt wurde. Unter dem Aspekt eines Kulturtransfers von Stadtbildern Venedigs nach Dresden interpretierte Weddigen hingegen das Interesse Augusts III. an den Veduten Bellottos. Die sächsische Residenz sollte mittels der venezianischen Mal-Strategie verstärkt in das Licht der Öffentlichkeit rücken, sich als eine internationale Kulturstadt offenbaren. Allerdings, so die Theorie Weddigens, hat Bellotto in seinen Veduten durchaus versteckte Kritik durch gezielte Betonungen oder Auslassungen von Elementen üben können.

„Giovanni Antonio Pellegrini“, so der gleichnamige Vortrag von WOLFGANG HOLLER (Dresden), stand bisher wenig im Zentrum der Forschungen über italienische Künstler in Dresden. Pellegrini schuf um 1725 fünf Werke für die sächsische Residenz, darunter das Altarbild der katholischen Hofkirche. Darüber hinaus hat sich im Sächsischen Landesamt für Denkmalpflege ein Entwurf zur Ausmalung des Deutschen Pavillons des Zwingers – ebenfalls aus dem Jahr 1725 – erhalten, welches die Stufen der Werkvorbereitung erkennen lässt. Dieser Entwurf stand im Zentrum der Ausführungen Hollers. Die individuelle Ausgestaltung der wohl von Pellegrini selbst gemalten Figuren unterstreicht den prozessualen Charakter der Zeichnung, wobei ästhetische Merkmale relevant sind. Wenn auch die Deckenfresken des Zwinger-Pavillons verloren sind, so zeugt dieser Wandaufriss gemäß Holler von der Meisterschaft des venezianischen Malers.

Von „Sebastiano Riccis Himmelfahrt Christi in Dresden. Stilorientierungen im augusteischen Dresden und ihr Wandel“ handelte der anschließende Vortrag von STEFFI ROETTGEN (München/Florenz). Der Kunsthändler Algarotti zählte Sebastiano Ricci zu den temperamentvollen Malern, die figurenreiche Kompositionen schufen und somit die moderne maniera veneziana verkörperten. Sein Bild „Christi Himmelfahrt“ findet sich für das Jahr 1718 im Inventar der katholischen Hofkapelle in Dresden; spätestens 1751 wurde es in der Gemäldegalerie beheimatet. Es unterscheidet sich in seiner heftigen Gestik, die von der Himmelfahrt Christi des Venezianers Jacopo Tintoretto übernommen wurde, deutlich von den Kompositionen beispielsweise eines Anton Raphael Mengs. Roettgen zufolge böte sich allein wegen der nahezu quadratischen Form des Bildes als Präsentationsort wohl nur die Plafond über der Orgelempore der Dresdner Hofkirche an. Inwiefern Ricci selbst eine eigenständige „venezianische Tradition“ ausbildete – was auch die allgemeine Frage nach einem möglichen Kanon des venezianischen Stils aufwirft – ließ sich, so Roettgen, allerdings nicht beantworten.

Der letzte Beitrag dieser Sektion war „Rosalba Carriera. Il Cabinetto di Dresda“ gewidmet. BERNARDINA SANI (Siena) hob die Bedeutung dieses Kabinetts hervor und gab einen Abriss über Leben und Werk, vor allem den unverwechselbaren Stil der aus Venedig stammenden Rosalba, der Meisterin der Pastelle, des „Weiß auf weiß“. Neben Portraits, in denen sie es zunehmend vermochte, die Stimmungslage ihrer Modelle wiederzugeben, sind ihre Allegorien beispielsweise der Jahreszeiten oder der Elemente, berühmt. Rosalba Carrieras langjährige Beliebtheit und Bewunderung in Dresden – August III. besaß die größte Sammlung ihrer Werke, mehr als 150 Pastelle wurden im Cabinett/Rosalba-Saal aufbewahrt – sei ein deutlicher Nachweis des kulturellen Austausches zwischen Venedig und Dresden.

Die abschließende Sektion unter dem Titel „Venedig als Markt der Künste“ eröffnete BERNARD AIKEMA (Verona). Ein Markt als konkreter wie abstrakter Ort ermögliche generell die Zirkulation von Objekten und Ideen. Aikema definierte kenntnisreich Venedig als einen solchen zweiseitigen Marktort, da die Stadt seit dem 17. Jahrhundert ein großes Zentrum des Kunstmarktes darstellte und entscheidend für die Festsetzung eines Kanons auf dem Gebiet hauptsächlich der Zeichenkunst fungierte. Weniger die Künstler selbst, sondern eher die Vermittler und Auftraggeber von Kunstwerken spielten dabei die wesentliche Rolle. Die Definition von Kunst und Künsten stellte im 18. Jahrhundert ein wichtiges Thema dar. Wenn die Debatte über den Zusammenhang von Kunst und Wissenschaft auch größtenteils außerhalb der Lagunenstadt stattfand, so berührte sie Venedig doch, lautete Aikemas Schlusswort.

EVELYN KORSCH (Venedig) präsentierte sehr ausführlich „Venezianische Sammlungen als Vorbild und Fundus für den Dresdner Hof“. Ihrer Feststellung nach erforderte zunächst der Erwerb der polnischen Krone durch Kurfürst Friedrich August I. neue Repräsentationsstrategien und -strukturen für Dresden, während daraufhin unter dessen Sohn die italienische Kunst wieder in den Mittelpunkt gelangte und zur persönlichen Leidenschaft des Königs wurde. Der Kauf großer Gemäldesammlungen wie beispielsweise diejenige der Estensischen Galerie aus Modena, deren Transaktion in Venedig durchgeführt wurde, unterstreicht die Handelsbeziehungen zwischen Venedig und Dresden und zeigt ein ökonomisches Potential auf, das jedoch nicht zu Lasten des symbolischen Werts der Gemälde führte, so Korsch. Bei den Kunstkäufen, welche nicht nur dem Adel vorbehalten, sondern ebenso den Repräsentationswunsch der „Mittelschicht“ befriedigen sollten, entpuppten sich laut neuesten Quellenstudien auch Künstler, Restauratoren und Musiker als Kunsthändler.

BARBARA BOCCAZZI MAZZA (Triest) widmete sich intensiv „L’epistolario di Francesco Algarotti“. Viele Briefe des venezianischen Kunsthändlers geben Aufschluss einerseits über seine tatsächlichen Ankäufe unter August III., andererseits enthüllen sie dessen Positionierung zur zeitgenössischen Kunst. Auf Algarottis zahlreichen Reisen, seinen Kontakten mit den führenden Aufklärern seiner Zeit, weilte er 1742 bis 1746 in Dresden als Superintendent des Kurfürsten. Des Kunsthändlers Aufgabe dabei war der Erwerb von Gemälden für die Gemäldegalerie, wobei er trotz deutlich erkennbarer Vorliebe des Herrschers für die Alten Meister verschiedenste italienische Schulen ankaufte, darunter vor allem Venezianer und insbesondere moderne Maler wie Sebastiano Ricci oder Giovanni Battista Tiepolo.

Abschließend betrachteten KATRIN WOHLFARTH und BARBARA MARX (Dresden) „Venedig als Markt der Künste aus Dresdner Sicht”. Dabei wurden die Gemäldeerwerbungen Augusts III. in Venedig im Lichte seiner Korrespondenz mit Giovanni Pietro Minelli und Antonio Maria Zanetti interpretiert. Letzterer bewirkte die Professionalisierung des Agentenwesens. Seine 1755 an den sächsischen Premierminister Heinrich Graf von Brühl gesandte Gemäldeliste spiegelte die aktuelle Kunstsituation in Venedig. Während politische Wirren und Zanettis gesundheitlicher Zustand die geplanten Ankäufe jedoch weitgehend verhinderten, konnte Minelli auf diesem Gebiet erfolgreicher handeln. Der Bestand der italienischen Bilder der Dresdner Gemäldegalerie ist, so Wohlfarth zusammenfassend, vorwiegend auf das Wirken der Kunstagenten Lorenzo und Bonaventura Rossi sowie Pietro Guarienti, aber auch Zanetti und Minelli zurückzuführen. Gemäß Barbara Marx gehörte zu den Bedingungen der Rezeption Venedigs in Dresden die Überblendung der Elbestadt mit Bildvorstellungen der italienischen Metropole. Dresden sollte sich als „Venedig an der Elbe“ zunächst den Besuchern, dann auch den Einheimischen einprägen. Dazu gehörte auch die Aneignung der medialen Repräsentationsstrategien Venedigs durch den Dresdner Hof sowie die Verpflichtung venezianischen Personals, welches darüber hinaus die italienischen Erfahrungen der Grand Tour des damaligen Kurprinzen und späteren Königs Augusts III. von Polen erneut erlebbar machen sollte. Konnte so zum einen der alltägliche Stadtraum zum Protagonisten der Darstellung Venedigs werden, fand die Inszenierung Venedigs in Dresden als gesonderter Festraum hingegen auf einer anderen Ebene statt. Beide Bereiche verschmolzen allerdings in den Veduten des 18. Jahrhunderts.

Anhand der zahlreichen Diskussionsbeiträge wurde deutlich, dass vermeintlich Bekanntes immer wieder neu gelesen und gedeutet werden muss, um gewonnene und neue Erkenntnisse zielgerecht zu interpretieren. Die Veranstaltung wurde ihrem Untertitel, „Ideale Projektion und kulturelle Modellierung“ gerecht und konnte auf vielfältige Weise die Verbindungen zwischen beiden Städten aufzeigen. Die Vorträge waren allerdings von stark unterschiedlicher Qualität, was auch auf die gewählten Veranstaltungsorte zutrifft. Das Kulturrathaus Dresdens bot das entsprechend inspirierende Ambiente für diese Internationale Konferenz, während der Hans-Nadler-Saal im Dresdner Schloss mit seiner nahezu sterilen Atmosphäre für derartige Tagungen doch eher ungeeignet erscheint. Eine Publikation der Tagungsakten könnte das thematische Spektrum noch um literaturwissenschaftliche, technikgeschichtliche oder ökonomische Aspekte erweitern.

Konferenzübersicht:

Venedig-Dresden. Ideale Projektion und kulturelle Modellierung

Sektion Spiegelbild Venedig (Moderation: Barbara Marx)
Karl Siegbert Rehberg „Einführung“
Claudia Schnitzer „Der König als Scaramuz. August der Starke und das Carrousel comique 1722 in Dresden“
Maureen Cassidy „The Meißen for Venice“
Roland Kanz „Gespaltene Venezianer. die Künstlerbrüder Francesco und Giovanni Casanova in Venedig und Dresden”
Klaus Bergdolt „Venezia severissima? Fremde und das medizinische System im 18. Jahrhundert“

Sektion Venezianische Musik in Dresden (Moderation: Hans-Günter Ottenberg)
Hans-Günter Ottenberg „Einführung“
Michael Walter „Der Fall Salicola“
Panja Mücke „Sorgfältig arrangierter Sängerimport: Zur Ausbildung und zum Dresdner Engagement von Domenico Annibali, Venturo Rocchetti, Giovanni Bindi und Maria Rosa Negri
Ines Burde „Baldassare Galuppi und die Überlieferung seiner Kirchenmusik in Dresden“
Zenon Mojzysz „Musikalische Reiseerfahrungen und ihre Modellfunktion für Dresden. Die Folgen der Grand Tour des Kurprinzen Friedrich August“

Sektion Zielvorstellung: Venedig an der Elbe (Moderation: Harald Marx)
Andreas Henning „Einführung“
Tristan Weddigen „Dresden nuova Venezia? Die Dresdner Kunstsammlungen und der Geschmackstransfer aus Italien
Wolfgang Holler „Giovanni Antonio Pellegrini“
Steffi Roettgen “Sebastiano Riccis ‚Himmelfahrt Christi’ in Dresden. Stilorientierungen im augusteischen Dresden und ihr Wandel”
Bernardina Sani, „Il Cabinetto di Rosalba Carriera a Dresda“

Sektion Venedig als Markt der Künste (Moderation: Maria Lieber)
Bernard Aikema „Einführung“
Evelyn Korsch „Venezianische Sammlungen als Vorbild und Fundus für den Dresdner Hof“
Barbara Boccazzi Mazza „L’epistolario di Francesco Algarotti“
Barbara Marx/Kathrin Wohlfarth „Venedig als Markt der Künste aus Dresdner Sicht”