3. Workshop Historische Spanienforschung

3. Workshop Historische Spanienforschung

Organisatoren
Martin Baumeister (München); Walther Bernecker (Nürnberg); Christian Windler (Bern)
Ort
Kochel am See
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.09.2007 - 09.09.2007
Url der Konferenzwebsite
Von
Marie Luisa Allemeyer, Max-Planck Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften, Göttingen

Vom 7. bis 9. September 2007 fand der dritte Workshop zur historischen Spanienforschung statt. Wie in den vorangegangenen Jahren bildete auch diesmal wieder die Georg-von-Vollmar-Akademie in Kochel am See den Rahmen für das Treffen, das durch das spanische Ministerio de Cultura (Pro Spanien) und die Junta de Castilla y León gefördert wurde. Die Organisatoren, Martin Baumeister (München), Walther Bernecker (Nürnberg) und Christian Windler (Bern), möchten mit dieser Veranstaltung Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen aus dem deutschsprachigen Raum, die zur spanischen Geschichte arbeiten, zusammenführen, ihren Austausch untereinander verbessern und institutionalisieren.

Den Auftakt übernahm THOMAS WELLER (Münster), der sich mit den kastilischen Cortes und ihrer in der Historiografie gezeichneten Niedergangsgeschichte auseinander setzte. Weller stellte fest, dass diese Verlustgeschichte, an dessen Ende Kastilien sogar als „territorio sin cortes“ bezeichnet wurde, aus einer Perspektive heraus aufgebaut wurde, die die Ständeversammlung vor allem als ein Organ der politischen Beschlussfassung und Entscheidungsfindung ansah und sie folgerichtig an ihrer Effizienz und ihren Kompetenzen maß. Grade diese wurden den Cortes de Castilla indes abgesprochen, deren Versammlungen seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durchschnittlich zwei Jahre, in Einzelfällen sogar bis zu sechs Jahre andauerten. Weller forderte dazu auf, die Cortes nicht bloß unter technisch-instrumentellen Gesichtspunkten als Beschlussorgane zu betrachten, sondern sie als bedeutungsträchtige Handlungszusammenhänge zu begreifen, die nicht nur politische Entscheidungen fällten, sondern Sinn und Legitimation stifteten.

MARC-ANDRÉ GREBE (Bielefeld) widmete sich in seinem Beitrag dem Archivo General de Simancas. Im Mittelpunkt seines Dissertationsprojektes steht die Frage nach der Funktion dieses frühneuzeitlichen Archivs in der Herrschaftspraxis Philips II. und damit seine Entwicklung, Organisation und Nutzung im Zeitraum von 1516-1598. Grebe geht davon aus, dass Philipps Herrschaft zu einem großen Teil auf der Macht der Schrift basierte. In Anknüpfung an die andernorts wieder in Frage gestellte These der Durchsetzung absolutistischer Herrschaft mittels der Ausweitung und Professionalisierung eines Verwaltungsapparates stellte Grebe fest, dass sich die Habsburger-Verwaltung durch die Akkumulation von Daten und Informationen neue potenzielle Handlungsmöglichkeiten eröffnete, die durchaus eine Durchdringung der Lebenswelt der Untertanen und damit ihre stärkere Kontrolle ermöglichte. Ohne damit in die Diskussion zurückzufallen, ob und in welchem Ausmaß absolutistische Herrschaft stattfand, fragte Grebe danach, wie Herrschaft in der Frühen Neuzeit funktionierte und welche Rolle die Archive in der territorialstaatlichen Ausübung von Herrschaft – namentlich in der Regierung Philipps II. – spielten.

In der zweiten Sektion referierte EVA OTT (Bern) über Elisabetta Farnese, die 1714 den spanischen König Philipp V. heiratete. Auf der Grundlage vorangegangener Untersuchungen über Elisabetta Farneses Rolle innerhalb des Machtgefüges am spanischen Hof und die Leitlinien ihres Handelns fragte Ott nach den konkreten Netzwerken der Königin und ihren außenpolitischen Einflussmöglichkeiten. Zwischen den Interessen, die von ihrer Herkunftsfamilie an sie herangetragen wurden und denen, die sie als spanische Königin zu verfolgen hatte, setzte sich Elisabetta nach der Geburt ihres Sohnes erfolgreich dafür ein, für den Fall ihrer Witwenschaft Vorkehrungen für ihre Absicherung und die Zukunft ihres Sohnes zu treffen. Elisabetta Farnese stellte sich damit als eine Protagonistin weiblicher Diplomatie dar, die innerhalb des Machtgefüges am spanischen Hof deutlich weniger lenkbar war, als dies vor ihrer Ankunft angenommen wurde.

KATHRIN ZIMMERMANN (Dresden) stellte in ihrem Vortrag „Die Künstler der Familie Barberini – den Spaniern ein Wohlgefallen?“ die Rezeption und Wertschätzung italienischer Künstler am spanischen Hof in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts vor. Zu den Hauptauftraggebern dieser Künstler gehörte die Familie Barberini, der auch der derzeitige Papst, Urban VIII. angehörte. Zimmermann untersuchte den Erfolg der italienischen Künstler in Spanien vor dem Hintergrund der politischen Spannungen zwischen der spanischen Krone und dem Papst und fragte danach, inwiefern das Spannungsverhältnis zwischen ihren Auftraggebern die Wertschätzung und Wahrnehmung der Künstler in Spanien beeinflusste. Sie kam zu dem Schluss, dass sich die spanische Krone tatsächlich am Geschmack der Papstfamilie orientierte, als sie für die königliche Sammlung großformatige, von Künstlern aus dem Umkreis der Barberini geschaffene Gemälde erwarben. Ob die Spanier dies taten, um sich und ihren Kunstgeschmack auf diese Wiese zu nobilitieren oder sie lediglich auf bereits bewährte Qualität zugreifen wollten, formulierte Zimmermann abschließend als noch offene Forschungsfrage.

Den ersten Beitrag der dritten Sektion lieferte SINA RAUSCHENBACH (Berlin / Halle). In ihrem Vortrag „Spanien für Kaufleute. Johannes von Laets ‘Hispania’ (1629) und ‘Portugallia’ (1641) im Kontext der ‘Elzevirschen Republiken’“ befasste sie sich mit zwei der 35 Länderbeschreibungen, die das Leidener Verlagshaus Elzevir herausgab. Die so genannten „Elzevirschen Republiken“ richteten sich an Amsterdamer Kaufleute. Autor der 1629 erschienenen Spanienbeschreibung und der 1641 erschienenen Portugalbeschreibung war Johannes van Laet (1581-1649), einer der ersten Direktoren der Westindischen Kompanie. Rauschenbach stellte heraus, dass van Laet ein Spanienbild zeichnete, das – ungeachtet des derzeitigen Krieges der Niederlande mit Spanien – deutlich weniger emotional und stärker von Vernunft geprägt war als andere niederländische Spanienbilder jener Zeit. Rauschenbach geht davon aus, dass van Laets Sichtweisen derjenigen der Amsterdamer Kaufmannschaft entsprachen, die während des gesamten Kriegs ihre Geschäftsbeziehungen zu Kaufleuten auf der Iberischen Halbinsel fortsetzte und daher ihrerseits eine Mittelposition zwischen nationalen und wirtschaftlichen Interessen beziehen musste. Die Hispania und die Portugallia – so Rauschenbachs These – stehen daher für einen Amsterdamer Kaufmannspragmatismus, der nicht nur am Anfang einer gewissen religiösen Toleranz in den Niederlanden stand, sondern auch neue Möglichkeiten im Umgang mit nationalen Feinden eröffnete.

JORUN POETTERING (Hamburg) befasste sich in ihrem Vortrag mit Hamburger Kaufleuten in Lissabon. Im Mittelpunkt ihres Interesses stand dabei die religiöse Haltung der Hamburger Lutheraner. Obgleich sie als Andersgläubige bei ihrer Ankunft in Lissabon von der Inquisitionsbehörde registriert wurden, waren sie nicht gezwungen, den katholischen Glauben anzunehmen. Tatsächlich konnte Poettering aber eine ganze Reihe von Konversionen nachweisen und stellte die Frage nach den Motiven für diese Handlung. Sie stellte fest, dass es offenbar nicht zwangsläufig eine langfristige Bleibeabsicht war, die die Lutheraner zu einer Konversion motivierte, auch wenn einzelne solcher Fälle nachweisbar sind. Ihre vorsichtig formulierte These ging vielmehr in die Richtung, bei den Konvertiten einen gewissen Pragmatismus zu vermuten, der es ihnen einerseits ermöglichte, sich durch die Konversion bessere Lebens- und Handelsbedingungen im katholischen Umfeld zu verschaffen, der ihnen aber gleichzeitig erlaubte, bei einer Rückkehr nach Hamburg wieder den protestantischen Glauben anzunehmen.

Kaufleute standen auch im Mittelpunkt des Vortrages von GERALD GROMMES (Trier). Mit den am Messeort Medina del Campo im 16. Jahrhundert aktiven Bankiers und Wechslern (cambios) nahm Grommes eine für die kastilische Wirtschaft der Frühen Neuzeit zentrale Gruppe von Akteuren in den Blick, wobei ihn insbesondere die wirtschaftlichen Verbindungen und die Solidarität dieser Kaufleute, d.h. das zwischen ihnen bestehende persönliche Beziehungsgeflecht interessierten. Trotz gewisser Lücken in den Netzwerkdaten konnte Grommes feststellen, dass die Bankiers und Wechsler in Medina del Campo in ein komplexes System wirtschaftlicher Beziehungen eingebunden waren. Dabei wies er darauf hin, dass gegenseitige Bürgschaften für Banken und Bankgesellschaften besonders deutlich die engen Verbindungen innerhalb der Gruppe der cambios in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erkennen lassen.

Die vierte Sektion eröffnete STEFAN SCHLELEIN (Berlin) mit einem Vortrag über ein Phänomen, das sich an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert in erstaunlicher Übereinstimmung in fast ganz Europa finden lässt: Italienische Gelehrte wurden an die Höfe auswärtiger Nationen berufen, um in deren Auftrag die Geschichte ihres jeweiligen Gastlandes im Sinne einer erneuerten – humanistischen – Historiographie zu schreiben und sich somit einem ganz zentralen Feld herrschaftlicher Repräsentation und Selbstdarstellung zuzuwenden. Dabei mussten die Autoren die heikle Aufgabe bewältigen, sich als Ausländer zu Kernpunkten der Selbstdefinition ihrer Gastländer zu äußern, ein Problem, das immer dann brisant wurde, wenn „nationale“ Gründungsmythen infrage gestellt wurden. Auf der Iberischen Halbinsel übernahm Lucius Marineus Siculus (ca. 1445–1533/36) – neben anderen – diese Rolle eines „intellektuellen Gastarbeiters“. Schlelein widmete sich insbesondere der prekären Situation, in der sich Siculus als Ausländer im Dienst „nationaler“ Repräsentation befand. Seine Situation stellte dabei allerdings keineswegs einen Einzelfall dar, sondern kann vielmehr beispielhaft auch für andere italienische Gelehrte im Ausland stehen, die unter ähnlichen Bedingungen arbeiteten und trotz oder wegen der Auseinandersetzungen um ihre Person für die weitere Entwicklung der jeweiligen Nationalgeschichten von großer Bedeutung waren.

MARTIN BIERSACK (Regensburg) befasste sich mit der Rezeption Pico della Mirandolas in Spanien. Seit dem 14. Jahrhundert kämpften die Humanisten mit dem Problem, das Studium der Antike mit der christlichen Theologie und Frömmigkeit ihrer Zeit zu vereinbaren. Zur Rechtfertigung für die Beschäftigung mit den studia humanitatis konnten die Kirchenväter herangezogen werden. Deren christliche Strenge lag jedoch im Widerspruch zur Antikebegeisterung vieler Humanisten. Vor diesem Hintergrund vertrat Pico della Mirandola die Ansicht, dass dem Menschen die Freiheit gegeben sei, seinen eigenen Weg zu Gott und zur Wahrheit zu suchen, wobei alles Wissen und alle religiöse Überlieferung letztlich zu diesem Ziel führten. Damit errichtete Mirandola ein Gedankengebäude, das es erlaubte, nicht nur Christentum und Antike miteinander zu versöhnen, sondern auch andere Traditionen wie die jüdische Kabbala und die arabische Philosophie als wertvoll und wahr anzuerkennen. Biersack stellte fest, dass Pico della Mirandola in Spanien bereits zu Anfang des 16. Jahrhunderts als wissenschaftliche Autorität anerkannt war, obwohl die in seiner Philosophie angelegte synkretistische und kritizistische Tendenz in Spanien von Beginn an problematisch gewesen und auf Widerspruch gestoßen sein dürfte.

Die fünfte Sektion eröffnete JENS SPÄTH (München). Im Mittelpunkt seiner Untersuchung stand der Kampf zwischen Absolutismus und Konstitutionalismus, der in den Jahren 1820/21 in revolutionären Aufständen in Italien und Spanien ausgefochten wurde. In den von Späth miteinander verglichenen liberalen Bewegungen diente die sogenannte Verfassung von Cádiz als Vorbild, obschon noch andere Verfassungsmodelle wie die französische Charte Constitutionnelle von 1814 oder die am britischen Vorbild angelehnte sizilianische Verfassung von 1812 als mögliche Grundordnungen für das Zusammenleben zur Verfügung gestanden hatten. Späth stellte die zentrale Rolle der Verfassung von Cádiz innerhalb der Entwicklung des europäischen Liberalismus im frühen 19. Jahrhundert heraus und fragte nach ihrer zeitgenössischen, aber auch ihrer historiografischen Bewertung. Während Späth feststellen konnte, dass der Verfassung von Cádiz im zeitgenössischen liberalen Diskurs eine sehr viel größere Bedeutung beigemessen wurde als in den späteren Jahrhunderten, hofft er in seinen weiteren Forschungen Antworten auf die Frage zu finden, welche Bedeutung die drei Revolutionen mit der Verfassung von Cádiz als verbindendem Element für das Europa der Restauration hatten.

CHRISTIANA BRENNECKE (Berlin) knüpfte an die Verfassung von Cádiz an, indem sie auf die verkannte Bedeutung des Trienio Liberal von 1820-1823 im Hinblick auf die Herausbildung eines europäischen Liberalismus einging. Während in der Regel an der Vierergruppe England, Frankreich, Deutschland und Italien die Entwicklung des europäischen Liberalismus aufgezeigt wird, erscheint die spanische liberale Bewegung als Marginalie der Geschichte. In ihrer Dissertation verfolgt Brennecke das Ziel, den frühen spanischen Liberalismus aus seiner Vergessenheit zu lösen und ihn in seiner europäischen Dimension zu beleuchten. Sie wies zum einen auf die große symbolische Bedeutung der ersten liberalen Herrschaft in Spanien (1820-1823) hin. Daneben blickte sie auf das sich anschließende Exil der Jahre 1823-1833, das die führenden Köpfe des spanischen Liberalismus im europäischen Ausland verbrachten.

Im Mittelpunkt der Ausführungen von BIRGIT ASCHMANN (Kiel) stand die Bedeutung der alljährlich in der Karwoche durchgeführten Bußprozessionen, die bis heute als Ausdruck einer vermeintlich unerklärlichen „Andersartigkeit“ Spaniens wahrgenommen und inszeniert werden. Aschmann versuchte diese Wahrnehmung zu durchbrechen, indem sie zunächst die Genese dieses Bußrituals und dessen Hauptbestandteile darstellte, um anschließend eine Deutung auf der Basis der Ritualtheorie von Victor Turner vorzunehmen. In diesem Sinne lässt sich die Semana Santa als Ausnahmezustand beschreiben, in dem die tradierte Ordnung aufgehoben ist. Aus der Perspektive der religiösen und weltlichen Obrigkeit konnte die damit einhergehende temporäre Auflösung Ordnung stiftender sozialer Grenzen durchaus eine Gefahr darstellen. Dementsprechend konnte Aschmann obrigkeitliche Bemühungen um die Einhegung des Rituals beobachten. Den von ihr festgestellten schleichenden Domestizierungsprozess der Semana Santa bezeichnete sie als Teil der sozialen Disziplinierung, in deren Verlauf das Ritual sein subversives Potenzial einbüßte, um letztlich im 19. und 20. Jahrhundert im Sinne einer Herrschaftsstabilisierung instrumentalisiert werden zu können.

In der folgenden Sektion richtete MARCO CLAAS (Hamburg) sein Augenmerk auf die Selbstwahrnehmung und -stilisierung der Falange als avantgardistische Bewegung und auf ihr Menschenbild, das durch die Attribute Unterordnung, Askese und Vaterlandsliebe geprägt war. Anhand der Untersuchung von überlieferten Reden, Tagebüchern und Parteizeitungen der Jahre 1933 bis 1936 konnte Claas feststellen, dass sich die Falange weitaus früher und intensiver um die Bildung einer Gemeinschaftsidentität bemühte als um die Ausarbeitung eines offiziellen Parteiprogramms. Geprägt und transportiert wurde dieses Selbstbild durch identitätsbildende Gemeinschaftserlebnisse und die Beschreibung der eigenen Identität auf Fotos, Zeichnungen und in Zeitungsartikeln. Primäres politisches Ziel war es, sich in die falangistisch-nationale „Meistererzählung“ einzuschreiben in der die Falangisten selbst die Rolle der „hombres de arma y letras“ spielten.

ANTONIO MORANT I ARIÑO (Potsdam / Valencia) referierte über die Kontakte zwischen dem BDM und der Sección Feminina, der weiblichen Sektion der Falange. Sein Interesse galt dabei insbesondere den Unterschieden in der inhaltlichen Ausgestaltung von insgesamt vierundzwanzig Studienfahrten, die in der Zeit von 1937 bis 1943 stattfanden. Während sich die spanischen Delegierten in erster Linie dafür interessierten, Aspekte des in ihren Augen leistungsfähigen und gut organisierten Deutschlands zu besuchen und sie daher vor allem Einrichtungen der Reichsjugendführung (HJ und BDM), der Reichsfrauenführung und anderer Parteiorganisationen besichtigten, interessierten sich umgekehrt die deutschen Frauen weniger für die noch nicht ausgebildete Organisation der SF, als vielmehr für Land und Leute einer verbündeten Nation und inhaltlich für die Arbeit einer faschistischen Organisation in Kriegszeiten. Als derzeitigen Zwischenstand seiner Untersuchung konnte Morant i Ariño daher festhalten, dass die auf beiden Seiten vorhandenen traditionellen Stereotypen des anderen Landes und der Menschen durch die gegenseitigen Besuche vor allem bestätigt oder diese allenfalls durch neue Eindrücke ergänzt wurden.

LISA CHARLOTTE DITTRICH (München), setzte sich in ihrem Vortrag mit dem Antiklerikalismus als europäischem Phänomen auseinander. Sie fragte nach der europäischen Dimension der religiös-säkularen Konflikte, die in der zweiten Hälfte des 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert in Frankreich, Deutschland und Spanien ausgetragen wurden. In ihrem Dissertationsprojekt versucht Dittrich, das Phänomen Antiklerikalismus zu konzeptualisieren, indem sie den verschiedenen antiklerikalen Mobilisierungen mit Hilfe eines diskursanalytischen und akteurszentrierten Ansatzes nachgeht und dabei nach den Verbindungen und Grenzen der unterschiedlichen antiklerikalen Mobilisierungen sucht. Anhand von drei Ereignissen, der Mortara-Affäre (1858), dem Ersten Vatikanischen Konzil (1869/70) und dem Skandal um die Hinrichtung Francisco Ferrers (1909), fragt sie danach, ob diese Fälle bereits Resonanz in einer europäischen antiklerikalen Teilöffentlichkeit hatten und inwiefern in diesen Zusammenhängen bereits ein Konzept von Europa nachzuweisen ist. Dittrich stellte fest, dass der europäische Kommunikationsraum zur Zeit der Ermordung Francisco Ferrers (1909) in der Tat sehr viel stärker vernetzt war als in vorangegangener Zeit. Der Protest gegen Ferrers Tod nahm eine europäische Dimension an, so dass Dittrich in diesem Zusammenhang ein kollektives Verständnis von Europa konstatierte.

Auf die Ebene der räumlichen Repräsentation Spaniens führte JÖRG MOSE (Münster). Er stellte seinen Ausführungen die Feststellung voran, dass Raumbezug immer eine der Dimensionen von Identität bildet, dabei aber der räumliche Bezug auf die Nation zunehmend von einem mehrere Ebenen umfassenden Raumbezug abgelöst wird. Theoretische Grundlage für seine Untersuchung von Landkarten, die in spanischen Schulbüchern verwendet wurden, bildet die kritische Geopolitik, die im Unterschied zur klassischen Geopolitik keine realistischen Weltbilder produziert, sondern die Repräsentationen von Raum, dessen Aufladung mit Bedeutung und die Auswirkungen daraus entstehender Raumvorstellungen auf menschliche Aktivität in politischen Zusammenhängen untersucht. Ganz in diesem Sinn zeigte Mose auf, wie bei der kartographischen Darstellung Europas, Spaniens und Kataloniens jeweils spezifische Bezugssysteme evoziert und räumliche Gliederungen vorgenommen wurden, die einer jeweiligen Aussageabsicht entsprechen. Auf eine Kartengattung, die besonders subtil bestimmte Aussageabsichten transportiert, wies Mose abschließend hin: so zeigte er, wie die alltäglich genutzten und betrachteten Karten, wie beispielsweise Wetterkarten, die dem Paradigma einer wissenschaftlich-objektiven, vermeintlich neutralen, Kartographie folgen, implizit Vorstellungen über die kulturell-politische Ordnung transportieren und somit gerade durch die Banalisierung dieser Inhalte zu ihrer Internalisierung beitragen.

Im Mittelpunkt des Vortrages von PATRICIA HERTEL (Fribourg) stand die Frage, welches Bild von der arabisch-islamischen Welt in den iberischen Nationalismen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts gebildet und wirkungsmächtig wurde. Gegenstand ihrer Untersuchungen waren nationale Mythen, die mit der islamischen Welt in Verbindung stehen. In ihrer Studie, die von kulturgeschichtlichen Ansätzen der Nationalismusforschung ausgeht, fragte Hertel nach der konkreten Darstellung und Konnotationen des „arabischen Gegenübers“ und der Gewichtung von Religion, Ethnie, Geographie, und Kultur in diesen Bildern. Ihr besonderes Interesse lag dabei auf sich überschneidenden und miteinander konkurrierenden Diskursen. Neben der Frage nach den Akteuren, den Adressaten dieser Mythen, ihren Multiplikatoren und deren Absichten, richtete Hertel ihren Blick auch auf die Frage, wie die Mythen und das in ihnen beschriebene Bild des islamischen Gegenübers in den zeitgenössischen Konflikten mit der arabischen Welt aktualisiert werden und welche Rolle sich daraus für die Bedeutung und Funktion des Islams in den iberischen Nationalismen ergibt.

Besteht das langfristige Ziel des Workshops darin, die in der deutschsprachigen Historikerzunft eher versprengte Spanienforschung zu einer deutlich konturierten, stärker wahrnehmbaren eigenen Forschungsrichtung werden zu lassen, so vermittelte die diesjährige Tagung in Kochel den Eindruck, diesem Ziel bereits deutlich näher zu sein, als dies bei anderen Gelegenheiten, z.B. dem Deutschen Historikertag, der Fall zu sein scheint.

Vom 19. bis 21. September 2008 wird der vierte „Workshop Historische Spanienforschung“ stattfinden. Um möglichst viele Nachwuchsforscher und –forscherinnen zu erreichen, die sich mit Themen der Spanischen Geschichte befassen, führen die Veranstalter auch in diesem Jahr wieder eine Umfrage zu laufenden Forschungsarbeiten aus dem Bereich der historischen Spanienforschung durch. Der Fragebogen ist unter der Adresse >>http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=7945<&lt< abzurufen.

Tagungsübersicht:

Titel
Dritter Workshop Historische Spanienforschung

Sektionen
1: Repräsentation und politische Verfahren (Kommentar: Hillard von Thiessen, Bern)

2: Außenbeziehungen in kultur- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive (Kommentar: Arndt Brendecke, München)

3: Handel und Religion (Kommentar: Christian Windler, Bern)

4: Geschichtsschreibung und politische Legitimation (Kommentar: Salvador Rus Rufino, León / Göttingen)

5: Spanien in der Epoche des Liberalismus (Kommentar: Jesús Millán, Valencia)

6: Religion, Gesellschaft und Politik (Kommentar: Martin Baumeister, München)

7: Spanischer Faschismus und Gewalt im internationalen Kontext (Kommentar: Walther L. Bernecker, Nürnberg)

8: Raum und Identität in Spanien im 19. und 20. Jahrhundert (Kommentar: Joaquín Abellán, Madrid).

Vortragende:

Thomas Weller (Münster): Ständische Partizipation und politische Kultur im frühneuzeitlichen Spanien: Zeremoniell und Verfahren der kastilischen Ständeversammlungen;

Marc-André Grebe (Bielefeld): Arsenal der Autorität? Das Kronarchiv in Simancas und seine Rolle im Imperium Philipps II.;

Katrin Zimmermann (Dresden): Die Künstler der Familie Barberini – den Spaniern ein Wohlgefallen?;

Eva Ott (Bern): Elisabetta Farnese als außenpolitische Akteurin;

Sina Rauschenbach (Berlin / Halle): Spanien für Kaufleute. Johannes von Laets „Hispania“ (1629) und „Portugallia“ (1641) im Kontext der „Elzevirschen Republiken“;

Jorun Poettering (Hamburg): Hamburger Portugalkaufleute. Die Bedeutung von Herkunft und Religion im Handelsleben des 17. Jahrhunderts;

Gerald Grommes (Trier): Netzwerke und Geschäftsstrukturen kastilischer Messe-Bankiers im 16. Jahrhundert;

Stefan Schlelein (Berlin): Lucius Marineus Siculus: Ein Italiener als Historiograph der „spanischen“ Nation am Beginn des 16. Jahrhunderts;

Martin Biersack (Regensburg): Die Rezeption Pico della Mirandolas in Spanien;

Jens Späth (München): Revolution in Europa 1820-21. Die Verfassung von Cádiz in den Königreichen Spanien, beider Sizilien und Sardinien-Piemont;

Christiana Brennecke (Berlin): Von Cádiz nach London. Spanischer Liberalismus im Spannungsfeld von nationaler Selbstbestimmung, Internationalität und Exil (1820-1833);

Birgit Aschmann (Kiel): Blutige Buße und soziale Disziplin – die Semana Santa in Sevilla;

Marco Class (Hamburg): Die Ästhetisierung von Politik und Gewalt in der Falange José Antonio Primo de Riveras;

Antonio Morant i Ariño (Potsdam / Valencia): La mirada de las otras - Der Blick der Anderen. Gegenseitige Wahrnehmungen der SF-Führerinnen und der BDM-Mädel während ihrer Kontakte und Besuche, 1937-1943;

Lisa Charlotte Dittrich (München): Die antiklerikale europäische Öffentlichkeit und ihr Spanienbild in der mental map von Europa;

Jörg Mose (Münster): Die Rolle von Karten bei der Konstruktion raumbezogener Identitäten in Spanien;

Patricia Hertel (Fribourg): Der Islam in europäischen Gründungsmythen am Beispiel Spanien.