Böhmen und das Deutsche Reich. Ideen- und Kulturtransfer im Vergleich (13.-16. Jahrhundert)

Böhmen und das Deutsche Reich. Ideen- und Kulturtransfer im Vergleich (13.-16. Jahrhundert)

Organisatoren
Historisches Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität München; Historisches Seminar der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster; Historisches Institut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.09.2007 - 12.09.2007
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Von
Miriam Hahn, München

Bei der Untersuchung von Kulturlandschaften sieht sich der Forscher vor ein grundlegendes Problem gestellt: Kulturlandschaften lassen sich nicht durch geografische und politische Grenzen einschränken, sie sind ein Regionen übergreifendes Phänomen und müssen daher auch über Landesgrenzen hinweg in den Blick genommen werden. Die Untersuchung solch eines kulturellen Austausches über politische Grenzen hinweg machte sich die Tagung „Böhmen und das Deutsch Reich. Ideen- und Kulturtransfer im Vergleich (13.-16. Jahrhundert)“ zum Ziel, die vom 10.-12. September 2007 in München stattfand. Der Fokus lag auf dem Zusammenspiel historisch-politischer und kultureller Entwicklungen in Böhmen und dem Deutschen Reich im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. Die verantwortlichen Organisatoren, Eva Schlotheuber (Münster), Hubertus Seibert (München) und Robert Šimůnek (Prag) wollten vor allem Nachwuchswissenschaftlern aus beiden Ländern ein Forum für wissenschaftlichen Austausch und Kommunikation bieten. Die Veranstaltung bildete somit den Auftakt zu künftig in zweijährigem Rhythmus veranstalteten Tagungen, die alternierend in Prag, Münster und München stattfinden sollen. Finanzielle Unterstützung fanden die Organisatoren bei der Fritz Thyssen Stiftung sowie beim Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds.

Die erste Sektion „Herrschaft und kultureller Austausch“ eröffnete der Beitrag von S. ADAM HINDIN (Cambridge MA/USA), der am Beispiel von Prag und Brünn (Brno) mittels eines Vergleichs deutscher und tschechischer Pfarrkirchen im spätmittelalterlichen Böhmen und Mähren die ethnische Bedeutung der sakralen Baukunst verdeutlichte. Während des 12. und frühen 13. Jahrhunderts unterhielten tschechische und deutsche Bevölkerungsgruppen in der Regel jeweils eigene Kirchen, die sich durch ihr äußeres Erscheinungsbild voneinander abgrenzten und somit von den Zeitgenossen leicht als einer deutschen Gemeinde oder einer tschechischen Gemeinde angehörend unterschieden werden konnten. Im 14. Jahrhundert ging man dazu über, die Pfarrkirchen gemeinsam zu nutzen, jedoch mit architektonisch getrennten sakralen Bereichen. Hindin vermutet, dass die sakrale Architektur im multiethnischen Böhmen als Unterscheidungsmerkmal diente und zudem identitätsstiftenden Charakter hatte. In der Diskussion wurde die Vermutung geäußert, dass die architektonischen Unterschiede nicht nur sprachlich-national begründet waren, sondern dass auch die unterschiedlichen ständisch-sozialen Verhältnisse der Auftraggeber und Nutzer eine Rolle spielten.

Inhaltlich anknüpfend, referierte RICHARD NĚMEC (Berlin) über das Thema „Kulturlandschaft als Staatsidee: Die Rolle der Architektur als identitätstragendes Medium in der Bildung der luxemburgischen Herrschaftskonzeption“. Anhand eines Vergleichs der Prager Burg und der Burg Lauf, die beide die architektonische Handschrift Karls IV. trugen, zeigte er deren Instrumentalisierung zur Herrschaftsbildung und Herrschaftssicherung. Beide Burgen wiesen ein einheitliches Bauschema mit einer ähnlichen Anordnung privater und repräsentativer Räume auf, da Anordnung und räumliche Ausstattung maßgeblich durch die repräsentativen Funktionen der Räume bestimmt waren. Besonders der Wappensaal in Lauf mit seinen 120 Wappen – die Němec als Abbild einer idealisierten Hofgesellschaft Karls IV. deutete – war nicht zuletzt eine eindrucksvolle Machtdemonstration gegenüber den Kurfürsten und den Ständen des Reiches. Architektur und Ausstattung wurden somit zu einem zentralen Mittel der symbolischen Kommunikation, die vor allem bei Abwesenheit des Königs, in absentia regis, die herrscherliche Autorität gewährleisten sollten.

LENKA MRÁČKOVÁ (Prag) beschloss die erste Sektion mit einem musikwissenschaftlichen Vortrag über Johannes Tourout und seine Kompositionen in böhmischen Musikhandschriften (ca. 1470-1500). Anhand Tourouts polyphonen Kompositionen, die er nach dem franco-flämischen Stil kreierte, verfolgte Mráčková einen deutsch-böhmischen Kulturtransfer besonderer Art. Denn die von Tourout in den 60er Jahren des 15. Jahrhunderts am Hofe Kaiser Friedrichs III. komponierten Stücke wurden von den böhmischen Utraquisten rezipiert und ihre ursprünglich weltlichen deutsch- oder französischsprachigen Liedtexte teilweise durch geistliche lateinische Liedtexte ersetzt, um sie für liturgische Zwecke im hussitischen Böhmen zu nutzen.

Zum Auftakt der zweiten Sektion „Schriftlichkeit und Repräsentation im Vergleich“ referierte JIŘÍ ROHÁČEK_ (Prag) in Zusammenarbeit mit FRANZ BORNSCHLEGEL (München) zum Thema „Innovation – Tradition – Korrelation. Die Inschriften Böhmens und des Deutschen Reiches“. Roháčeks Beschäftigung mit der deutschen Sprache in den Inschriften des 13.-16. Jahrhunderts brachte zu Tage, dass sich in dem mehrsprachigen böhmischen Raum kaum deutsche Inschriften nachweisen lassen, während sich im spätmittelalterlichen Reich die deutschsprachigen Inschriften immer mehr durchsetzten. Als Grund für den auffälligen Befund vermutet er die schwierigen politischen Verhältnisse während der Hussitenzeit, die einer Verwendung des Deutschen nicht entgegen kamen. Ergänzend dazu widmete sich Bornschlegel vergleichend der Schriftentwicklung auf Grabmälern des 14.-16. Jahrhunderts. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Zeitgenossen prinzipiell auf ein großes Spektrum an Schriftarten zurückgreifen konnten. Sie wählten die bevorzugte Schriftform dann offenbar gemäß ihrer ständischen oder sozialen Gruppenzugehörigkeit aus. Akzeptanz wie Ablehnung neuer Schrifttypen hing dabei von der Identifikation bzw. Nichtidentifikation mit eben jener Gruppe ab, die diese Schriftform als ihrer Geisteshaltung adäquat propagierte.

Einen weiteren Bereich der Schriftlichkeit präsentierte ROMAN LAVIČKA (Prag), der in seinem Vortrag die Aussagekraft von Jahreszahlen an spätmittelalterlichen Baudenkmälern beleuchtete. Dabei machte er auf die Schwierigkeiten der Einordnung von Jahreszahlen aufmerksam. Sie bezifferten oft nicht die Fertigstellung des Gesamtbauwerks, sondern den Beginn des Baus, das Alter einzelner Teiletappen, oder – in Verbindung mit einem Wappen oder Namen – den Zeitpunkt einer Stiftung. Auch sind spätere unabsichtliche Veränderungen der Jahreszahlen bei Renovierungen, sowie Zahlenverwechslungen zwischen gotischen und neuzeitlichen Ziffern keine Seltenheit.

Die methodischen Schwierigkeiten bei der Auswertung mittelalterlicher Testamente erläuterte ROBERT ŠIMŮNEK (Prag). Im Gegensatz zu den vielfach normierten bürgerlichen Testamenten, mit denen der Testator seine weltlichen und geistlichen Angelegenheiten ordnete, erweisen sich adelige Testamente als recht uneinheitlich. Da sie nur Teildispositionen darstellen und keine umfassenden Verfügungen, lassen sie interessante Fragen nach Frömmigkeit, Begräbniskultur, Verwandtschaftsbeziehungen und Besitzverhältnisse unbeantwortet.

Den Abschluss des ersten Tages bildete der Abendvortrag von JÍŘÍ FAJT über die Kunst der Reichsstadt Nürnberg und deren Funktionalisierung zur Herrschaftsrepräsentation unter den Luxemburgern. Dabei wurde erneut das geschickte Spiel Karls IV. mit der symbolischen Kommunikation offenkundig, da er Stiftungstätigkeit und Mäzenatentum zur Verherrlichung und Autorisierung seiner Herrschaftsidee fast planmäßig nutzte. Hierzu bediente er sich der Nürnberger Kunstwerkstätten, die sich durch ihren besonderen Stil von den übrigen Bauhütten des Reiches absetzten und daher zur Prägung eines eigenen karolinischen Kunstcharakters geeignet waren. Die Rezeption der Nürnberger Kunstformen im Reich erfolgte durch kaisernahe Persönlichkeiten und verdeutlicht so die systematische Instrumentalisierung der Kunst als herrscherliches Machtmittel.

Die Vortragsreihe des zweiten Tages eröffnete UWE TRESP (Leipzig) mit einer Präsentation seiner Studien über die Grafen Schlick, die sich im 15. und 16. Jahrhundert durch flexible Strategien der Selbstbehauptung einen Platz zwischen Königtum und inner- sowie außerböhmischen Nachbarn zu sichern suchten. Die königsnahe Familie Schlick, die aus dem Egerer Bürgertum stammte, erlangte im Jahre 1434 die westböhmische Grafschaft Elbogen als Pfandbesitz und somit die Zugehörigkeit zur böhmischen Adelswelt. Aufgrund ihrer guten Beziehungen ins Reich nahmen sie eine Mittlerrolle ein und wurden zu einem wichtigen Faktor der Kommunikation und des Kulturtransfers zwischen Böhmen und dem Reich. Doch ihre rechtliche Zwischenstellung und ihre königlichen Sonderprivilegien ließen sie dem böhmischen Adel als suspekt und „nicht integrierbar“ erscheinen. Als sich die Machtkonstellation zwischen König und Adel in Böhmen zugunsten des Adels verschob, geriet die herrschaftliche Stellung der Familie in eine Krise. Die Schlick sahen sich gezwungen, Strategien zur Herrschaftssicherung zu entwickeln und griffen dabei intensiv auf das Medium Schriftlichkeit zurück. Mit Hilfe verbriefter Ansprüche einerseits und langjährig gepflegten Verbindungen ins Reich andererseits gelang es ihnen jedoch, ihre Sonderstellung zwischen den Mächten zu behaupten.

Das Thema politische Instrumentalisierung von Schriftlichkeit griff auch MARTIN WAGENDORFER (München) mit einem Vergleich der „Historia Bohemica“ und der „Historia Austrialis“ des Eneas Silvius Piccolomini auf, den beiden frühesten humanistischen Landesgeschichten nördlich der Alpen. Dabei konnte Wagendorfer völlig neue Ergebnisse präsentieren: Mit Hilfe einer genauen Handschriftenanalyse widerlegte er die bisherige Annahme, der Schluss der „Historia Bohemica“ habe ursprünglich die „Historia Austrialis“ abgeschlossen. Wagendorfer zufolge wurde der angebliche Schlussteil vermutlich durch einen späteren Bearbeiter der „Historia Bohemica“ entnommen und der unvollendet gebliebenen „Historia Austrialis“ hinzugefügt. Da beide Schlussabschnitte jedoch nicht völlig identisch sind, muss dem Bearbeiter entweder eine frühere Redaktionsstufe der „Historia Bohemica“ vorgelegen haben oder er selbst griff verändernd in den Text ein, um ihn dem Stil der „Historia Austrialis“ anzupassen. Diese Erkenntnis veranlasste Wagendorfer dazu, die Forschungsmeinung, Piccolominis Verfasserintention der „Historia Austrialis wäre zugleich die der „Historia Bohemica“ eine Analyse und Bekämpfung der Hussiten gewesen, als fraglich anzusehen. Denn betrachtet man den „eigentlichen“ Text der „Historia Austrialis“, so spielen die Hussiten praktisch keine Rolle.

Den nächsten Beitrag leistete GEORG VOGELER (München/Lecce), der die tschechischen Berna-Register – ein Register außerordentlicher königlicher Steuern in Böhmen –, mit Steuerbüchern deutscher Territorien verglich. Viele deutsche Territorien fanden im Spätmittelalter eine Möglichkeit die Abgaben der Bevölkerung mit Hilfe von tabellenförmig organisierten Büchern zu registrieren und so ihre Untertanen einheitlich wahrzunehmen. Der Vergleich mit den Berna-Registern zeigte hier erhebliche Unterschiede in Sprache und Struktur der Texte. Sie waren weit weniger schematisiert und lassen somit die Unterschiede in der Praxis der schriftlichen Steuerverwaltung des Deutschen Reiches und des Königreichs Böhmen erkennen.

Einer weiteren seriellen Quellengattung wandte sich EVA DOLEŽALOVÁ (Prag) zu. Mittels einer Auswertung der Prager Ordinationslisten überprüfte sie bekannte Forschungsthesen und klärte zentrale Fragen zur Geschichte der Geistlichkeit vor wie auch nach der hussitischen Bewegung. Die vorrevolutionäre Periode war von einem großen Überschuss an Klerikern ohne Pfründe gekennzeichnet. Mit dem Sieg der Hussiten änderte sich ihre Situation jedoch nicht dahingehend, dass ihnen nun geistliche Pfründen übertragen worden wären. Das Streben nach Pfründen scheint für diese Gruppe der „Unzufriedenen“ nicht ausschlaggebend für ihre Teilnahme an der Revolution gewesen zu sein. Auch gelang es ihr, die Annahme, Säkularisierung und Laisierung seien prägende Tendenzen der böhmischen Reformation gewesen, durch ihre Studien zu relativieren. Unmittelbar nach der hussitischen Revolution existierte zwar ein Mangel an Geistlichen, dieser wurde aber durch Probleme der Kirchenverwaltung verursacht. Zudem wurde die Abnahme an geweihten Klerikern von der Bevölkerung aufgrund des Prestigeverlustes des geistlichen Standes nicht als negativ empfunden.

Den Kulturtransfer in den schwierigen Zeiten der Hussitenkriege beleuchtete PAVEL SOUKUP (Prag) anhand einer Analyse hussitischer Predigten um 1400. Die Reformprediger griffen zur Begründung ihrer kirchenkritischen Thesen sowohl auf traditionelle theologische Nachschlagewerke wie auch auf die scholastischen Argumente anerkannter Pariser Theologen vor allem des 13. Jahrhunderts zurück. In ihren Augen war die Scholastik somit durchaus geeignet, die eigene Ausdeutung religiöser Inhalte zu verifizieren. Die Predigt selbst nahm in der hussitischen Bewegung eine zentrale Stellung ein, da sie eine adäquate Möglichkeit zur Verkündung der eigenen Interpretation der Wahrheit Christi darstellte. Aus diesem Grund war die freie Predigt für die hussitische Bewegung von enormer Bedeutung im Kampf um den öffentlichen Raum. Mit ihrem Anspruch auf ungehinderte Verkündigung religiöser Wahrheit stießen die Prediger jedoch auf den erbitterten Widerstand der Kirchenhierarchie, die die Kontrolle der Predigttätigkeit zur Aufrechterhaltung ihrer Lehrautorität zu wahren suchte

Von den hussitischen Predigern zum Alltag der Hussitenkriege leitete MICHAELA BLEICHER (Freising) über, indem sie den Krieg im bayrisch-böhmischen Grenzgebiet zwischen den Jahren 1421-1427 mittels eine Analyse der Straubinger Landschreiberrechnungen nachzeichnete. Im Gegensatz zu den auf Reichsebene geführten Kreuzzügen waren die auf Landesebene ausgetragenen täglichen Kleinkriege wesentlich weniger religiös motiviert. Ihre Struktur ähnelte vielmehr den Fehden, die Verhandlungen mit dem Gegner und Lösegeldforderungen für Gefangene zuließen. Die grenznahe Bevölkerung konnte anfangs mit der finanziellen und personellen Unterstützung ihres Landesherrn rechnen, diese nahm aber mit der Dauer der Konflikte stetig ab. Grenznahe Adelige nahmen bei den Auseinandersetzungen eine Schlüsselrolle ein, da sie eigene Ziele verfolgten, die sich nicht selten am besten durch häufige Seitenwechsel erreichen ließen. Teilweise zogen sogar Hussiten und Christen Seite an Seite in den Krieg, um zu plündern. Die grenznahen Konflikte wurden deshalb auch nach den friedlichen Übereinkünften im Rahmen des Basler Konzils nicht beigelegt.

Die dritte Sektion „Architektur und Wandmalerei“ leitete der Kunsthistoriker JAN ROYT (Prag) mit einem Vortrag über das Mäzenatentum des Prager Bischofs Johann IV. von Drazic (1301-1343) ein. Nach dessen erzwungenem Aufenthalt am Papsthof in Avignon brachte er südfranzösische Lebensformen, Kunst und Kultur nach Böhmen mit. Durch den Ausbau seiner Bischofsresidenz und der Bischofsstadt Raudnitz an der Elbe (Roudnice nad Labem) nach französischem Stil und durch französische Baumeister, wurde er zum Mittler dieser Kunsteinflüssen nach Böhmen und nahm eine wichtige Rolle bei der allmähliche Verschmelzung böhmischer Kunst mit den neuen französischen und italienischen Richtungen ein. Bischof Johann IV. stellte in seiner Heimat neben Johann von Luxemburg eine der wichtigsten Stifterpersönlichkeiten seiner Zeit dar und war auf diese Weise maßgeblich an Kunst- und Kulturtransfer beteiligt.

MAGDALENA HAMSÍKOVÁ (Prag) verfolgte anhand des Wirken Lucas’ Cranachs des Älteren (1472-1553) und seiner Werkstatt die Wege des Kulturtransfers über protestantisch-katholische Konflikte hinweg. Ihr Interessensschwerpunkt lag auf der Rezeption und Ausbreitung der Cranachschen Vorlagen in Böhmen, die besonders früh und intensiv einsetzten. Dabei lassen sich zwei Phasen unterscheiden. Zum einen der Wienaufenthalt Cranachs, bei dem er enge Verbindungen zum böhmischen Humanistenkreis um Maximilian I. pflegte, die für die erste Vermittlung seiner Kunst nach Böhmen sorgten. Zum anderen Cranachs Zeit in Wittenberg, in der er für katholische Auftraggeber, aber auch für Martin Luther arbeitete. Durch die guten Böhmisch-Wittenbergischen Beziehungen gelangten auch seine Vorlagen dieser Schaffensphase nach Böhmen und können uns als Indikator der Verbreitung reformatorischen Gedankengutes dienen.

Als Abschluss der Tagung stellte FRANTIŠEK ZÁRUBA (Prag) die Burgen König Wenzels IV. vor. Wenzel setzte beim Bau seiner befestigten Residenzen in geographischer und gestalterischer Hinsicht erkennbar andere Schwerpunkte als sein Vater Karl IV. Seine Burgen charakterisiert ein moderner Festungsbau, und sie lassen wiederum ein einheitliches Baumuster mit europäischen Einflüssen erkennen.

Die Diskussionen während der Tagung zeigten einmal mehr, dass sich tschechische und deutsche Wissenschaftler verschiedener Disziplinen mit ganz ähnlichen Fragestellungen und Problemen befassen. So wurden übergreifende Entwicklungen deutlich – aber auch, dass es in der Erforschung des Kulturtransfers zwischen Böhmen und dem Deutschen Reich noch einige Forschungsdesiderate gibt. Eine Anregung ging dahin, die Wittenbergisch-Böhmischen Verbindungen genauer zu untersuchen, um das Ausmaß des Kulturaustausches in dieser Region besser erfassen zu können, eine Aufgabe, die vielleicht in der nächsten Tagung angegangen wird. Die Publikation der Beiträge ist für das Jahr 2008 geplant.

Konferenzübersicht:

Böhmen und das Deutsche Reich. Ideen- und Kulturtransfer im Vergleich (13.-16. Jahrhundert)

Robert Šimůnek, Prag - Hubertus Seibert, München: Begrüßung und Einleitung

Sektion I: Herrschaft und kultureller Austausch
Moderation: Hubertus Seibert, München

S. Adam Hindin, Cambridge, MA/USA: Ecclesiastical Architecture’s Ethnic Dimension: ‘German‘ and ‘Czech‘ Parish Churches in Later Medieval Bohemia and Moravia

Richard Němec, Berlin: Kulturlandschaft als Staatsidee: Die Rolle der Architektur als identitätstragendes Medium in der Bildung der luxemburgischen Herrschaftskonzeption

Lenka Mráčková, Prag: Johannes Tourout und seine Kompositionen in böhmischen Musikhandschriften (ca. 1470–1500). Zur musikalischen Kultur am Hof Kaiser Friedrichs III. und ihre Rezeption in den böhmischen Ländern

Sektion II: Schriftlichkeit und Repräsentation im Vergleich
Moderation: Eva Schlotheuber, Münster

Franz Bornschlegel, München - Jiří Roháček, Prag: Innovation – Tradition – Korrelation. Die Inschriften Böhmens und des deutschen Reiches
Roman Lavička, Prag: Jahreszahlen an mittelalterlichen Baudenkmälern als Quelle
Robert Šimůnek, Prag: Was in den Testamenten „fehlt“. Donationes pro anima und adlige Wahrnehmung des Fegefeuers als Beispiel

Öffentlicher Abendvortrag:
Jiři Fajt, Leipzig: Die Stadt als Bühne kaiserlicher Repräsentation. Die Kunst Nürnbergs unter den Luxemburgern und ihre Rezeption im Reich
Moderation: Jan Royt, Prag

Uwe Tresp, Leipzig: Zwischen guten Freunden und bösen Neidern. Die Beziehungen der Grafen Schlick zu ihren Nachbarn in Böhmen und im Reich im Zusammenhang mit ihren Standeserhöhungen (15. und Anfang 16. Jh.)

Martin Wagendorfer, München: Humanistisches über Böhmen und Österreich – Eneas Silvius Piccolominis Historia Bohemica und Historia Austrialis

Georg Vogeler, München/Lecce: Die tschechischen Berna-Register als „Steuerbücher deutscher Territorien“?

Eva Doležalová, Prag: Die Ordinationsliste als Quelle zur Geschichte der Geistlichkeit vor der Reformation

Pavel Soukup, Prag: Die Predigt als Mittel religiöser Erneuerung: Böhmen um 1400

Michaela Bleicher, Freising: Das Herzogtum Niederbayern-Straubing in den Hussitenkriegen: Kriegsalltag im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet

Sektion III: Architektur und Wandmalerei
Moderation: Jiři Fajt, Leipzig

Jan Royt, Prag: Der Prager Bischof Johann IV. von Drazic als Besteller der Kunstwerke

Magdalena Hamsíková, Prag: Die Einflüsse von Lucas Cranach d. Ä. und seiner Werkstatt auf die tschechische Malerei der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

František Záruba, Prag: König Wenzel IV. und die Burgen seiner Zeit
Eva Schlotheuber, Münster: Zusammenfassung