Medien der Wissensvermittlung

Medien der Wissensvermittlung

Organisatoren
Proff. Dres. Georges Descoeudres, Michele C. Ferrari, Elvira Glaser, Jürg Glauser, Marc-René Jung, Christian Kiening, Roger Sablonier, PD Dr. Susanna Bliggenstorfer, Dr.Thomas Meier, Dr. Martina Stercken
Ort
Zürich
Land
Switzerland
Vom - Bis
18.01.2003 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Michael Jucker, Martina Stercken

5. Tagung «Zürcher Mediävistik», Universität Zürich, 18. Januar 2003

Das Kompetenzzentrum «Zürcher Mediävistik», ein interfakultäres und interdisziplinäres Forum von Mediävistinnen und Mediävisten der Universität Zürich, hat zum fünften Mal eine Tagung veranstaltet. In diesem Jahr war sie Medien der Wissensvermittlung gewidmet. In fünf Referaten wurden einige wesentliche Aspekte der breiten Themenstellung behandelt. Die ersten beiden Beiträge galten methodischen Fragen nach der Erschliessbarkeit mittelalterlichen Medienwandels und dem Problem der Strukturierung von Wissen im Mittelalter: Ludolf Kuchenbuch (Hagen) reflektierte den Gebrauch von Begriffen wie Performanz, Text und Medialisierung sowie die gängigen Vorstellungen von einem Medienwechsel im Verlaufe des Mittelalters. Er vertrat die These, dass Medien in einem lang andauernden Prozess nicht verdrängt, sondern sukzessive anders sozial codiert wurden. Um diese Entwicklung nachzuvollziehen, müsse man wie ein Krebs seit- und rückwärts schreitend, aber in die Gegenwart blickend, moderne Begriffe über Bord werfen und den Kontrastraum 'Mittelalter' historisch-semantisch durchforsten, um Anhaltspunkte der Mediengeschichte festmachen und die Genese der Medien als "instrumentelle Verselbständigung" des Menschen aufzeigen zu können. Christel Meier-Staubach (Münster) hingegen ging es um den Einfluss mittelalterlicher Erkenntnistheorien auf das Wissensmedium der Enzyklopädie. Sie machte deutlich, dass neben aristotelischen Kategorien und Erfahrungsbegriffen auch die mystische Philosophie, die galenische Lehre und Überlegungen zur Wahrheit die Darstellungsordnung stark beeinflussten. Darüber hinaus konnte sie zeigen, dass sich wissenschaftstheoretische Anordnungen gattungsimmanent nicht erst in der Frühen Neuzeit entwickelten.

Im zweiten Teil der Veranstaltung stellten jüngere Zürcher Forscherinnen und Forscher Fallstudien zu einzelnen Fragen medialer Wissensvermittlung vor. Der Islamwissenschaftler Andreas Kaplony demonstrierte anhand von schriftlichen und bildlichen Dokumenten aus dem 3.-8. Jahrhundert die Überlieferungsgeschichte von Wissen über den Händleralltag auf der Seidenstrasse. Die Unterschiedlichkeit westlicher und östlicher Sichtweisen wurde dabei ebenso hervorgehoben wie die Bindung der Vermittlung von Wissen an eine bestimmte Form. Die Germanistin Romy Günthart befasste sich am Beispiel deutschsprachiger Andachtsbücher um 1500 mit Auswirkungen der Einführung des Buchdrucks. Ihr Beitrag liess nachvollziehen, dass der Medienwandel keineswegs schlagartig verlief, sondern noch lange Zeit ein Ineinandergreifen von gedrucktem Text und handschriftlicher Ausstattung bedeutete. Ihre Analyse von lateinischen und deutschen Andachtsbüchern konnte ferner zeigen, dass Wissen und Meditationshilfe nicht nur über Texte transportiert wurde, sondern bei dieser Quellengattung insbesondere auch Rezipienten bzw. Rezipientinnen selbst mediale Funktionen besitzen. Der Historiker Simon Teuscher schliesslich widmete seinen Vortrag der Verwaltung bäuerlicher Erinnerung. An Kundschaften aus dem Gebiet der heutigen Deutsch- und Westschweiz zwischen 1200 und 1500 ging er der Entwicklung von Befragungstechniken und Aufschreibesystemen, ebenso aber dem sozialen Profil der in diesen Quellen erwähnten Zeugen nach. Vor diesem Hintergund schätzte Teuscher die Äusserungsformen der Bauern weniger als Ausdruck von Volkskultur als vielmehr von veränderten Rechtsgewohnheiten ein. Um aber zu zeigen, dass die Konstitutierung von Rechtsgewohnheiten als Wissensgegenstand ein wesentlicher sozialer und politischer Vorgang gewesen ist, seien weitere Untersuchungen zum medialen Gebrauch von Kundschaften in gerichtlichen Verfahren notwendig.

Die rege Diskussion zur den Vorträgen kreiste in erster Linie um die Brauchbarkeit moderner Begrifflichkeit in der Auseinandersetzung mit historischen Medien sowie um Kontext und Verfahren von Wissensvermittlung. Nur am Rande wurde hingegen die zeitgenössische Einschätzung von Wissen thematisiert.


Redaktion
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