Medien und Imagepolitik im 20. Jahrhundert: Deutschland, Europa, USA

Medien und Imagepolitik im 20. Jahrhundert: Deutschland, Europa, USA

Organisatoren
Daniela Münkel (Hannover); Lu Seegers (Gießen)
Ort
Hannover
Land
Deutschland
Vom - Bis
27.09.2007 - 28.09.2007
Url der Konferenzwebsite
Von
Anja Kruke, Archiv für Sozialgeschichte, Friedrich-Ebert-Stiftung

Wie kann man den Begriff des „Images“ für die historische Analyse nutzbar machen? Unter dieser Fragestellung fand am 27. und 28. September 2007 in Hannover eine Konferenz mit dem Titel „Medien und Imagepolitik im 20. Jahrhundert: Deutschland, Europa, USA“ statt. „Image“ ist ein schillernder und vertrauter Begriff, der jedoch als Aspekt historischer Untersuchungen bislang kaum Verwendung fand.1 Dies konstatierten auch die beiden verantwortlichen Organisatorinnen der Tagung, DANIELA MÜNKEL (Hannover) und LU SEEGERS (Gießen). Bereits im Titel hatten sie mit dem Begriff der „Imagepolitik“ eine spezifische Herangehensweise signalisiert, die allerdings im Laufe der Konferenz immer wieder in Zweifel gezogen und durch weitere Facetten möglicher Definitionen ergänzt und diskutiert wurde. Am Ende, um es vorweg zu nehmen, stand dann auch keine Einigung auf eine einheitliche Definition von „Image“ als heuristischem Tool für die Geschichtswissenschaft, sondern eher die Erkenntnis, produktiv über die verschiedenen Möglichkeiten einer Nutzbarmachung diskutiert und eben verschiedene Möglichkeiten, aber auch Grenzen aufgezeigt zu haben.

In der Einführung steckten die Organisatorinnen den inhaltlich-konzeptionellen Rahmen der Tagung ab. Ausgehend von der Vorstellung, dass der Imagebegriff in Verbindung mit der Ausbreitung des Marketings in verschiedene Lebensbereiche diffundierte, wurde seine existenzielle Verbindung mit Medien betont. Vor allem der Verwendung im Bereich der Politik wurde für die Bundesrepublik nachgespürt, wo das „Image“ erst in den 1960er-Jahren Eingang fand, nachdem es bereits in den 1920er-Jahren in den USA durch Walter Lippmann als Ausdruck für eine bewusste stereotype politische Darstellung geprägt worden war.2 Da der Ausdruck über die Werbewirtschaft, die seit den 1950er-Jahren verstärkt amerikanische Literatur rezipierte, in deutsche Deutungszusammenhänge eingeflossen war und dann im Rahmen von Wahlkämpfen zu Beginn der 1960er-Jahre deutlich sichtbar wurde, stand er von Beginn an in einem negativen Interpretationsrahmen. Doch dieser Rahmen schien sich in keinerlei Hinsicht auf die Verwendung des Begriffes auszuwirken, da auch die „Aufdeckung“ von Images als stilisierte Zuschreibungen keine Folgen besaßen. Als zentrale Aspekte einer Definition wurden die Wandelbarkeit des Images, seine mediale Produktion (die Organisatorinnen sprachen abweichend auch von „Vermittlung“, was nicht den Kern treffen dürfte) und seine strategische Planung genannt. Das Image wurde als soziale Konstruktion beschrieben, die auf „Vorstellungen und Gefühle“ aufbaut und an Personen, Orte, Gegenstände und Ideen angekoppelt werden kann.
Die Vielseitigkeit der Verwendungszusammenhänge fand sich auch in der ausgreifenden Konzeption der Tagung wieder, indem verschiedene Bereiche – Politik, Konsum/Lebensstil, Populärkultur und Stadt – in einzelnen Sektionen thematisiert wurden. Bezüge zu anderen europäischen Ländern und vor allem die USA sollten dabei die transnationalen Zusammenhänge betonen und die Frage nach der Entwicklung und Ausbreitung des „Images“ aufwerfen.3

Am Anfang stand die Politik und damit eine offensichtliche Verwendung des Imagebegriffes. In vier Vorträgen wurden unterschiedliche Aspekte aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Den Anfang machten zwei Vorträge zur Imagepolitik im engeren Sinne. DANIELA MÜNKEL stellte ausgehend vom role model „John F. Kennedy“ zwei Adaptionen des Images und der daran anknüpfenden Wahlkämpfe in Großbritannien (Harold Wilson) und der Bundesrepublik (Willy Brandt) vor. Dabei wurde die Übertragung aus den amerikanischen Zusammenhängen und der damit verbundene Wandel in der politischen Kommunikation in den 1960er-Jahren betont. Dem stellte THOMAS MERGEL (Basel) anhand einer gescheiterten Imagekampagne Rainer Barzels 1972 Kriterien gegenüber, die eine Persistenz nationaler Image-Muster und Erwartungen an politische Akteure nahe legen wie „Bewährung“ und patriarchalisches Auftreten. Im zweiten Teil der Sektion folgten zwei ganz unterschiedliche Beiträge. Cornelia Rauh-Kühne (Hannover) präsentierte einen komplexen Vortrag zu Entwicklung, Kontexte und Folgen des schweizerischen Imagedebakels im Rahmen der Diskussion zur Rolle des Landes im Zweiten Weltkrieg. Sie konnte zeigen, wie eine Medienkampagne im Zusammenspiel mit der Handlungsbereitschaft amerikanischer Politiker eine Skandalisierung bereits bekannter Fakten in Gang setzte, die zunächst auf völliges Unverständnis in der Schweizer Politik stieß, zum nachhaltigen Umdenken zumindest in höher gebildeten Schichten vor allem in den USA führte und letztlich auch Auswirkungen auf die sich bereits im Wandel befindliche Erinnerungskultur ausübte. CHRISTOPH CLASSEN (Potsdam) konzentrierte sich in seinem Vortrag auf die Darstellung von Politikern in deutschen Fernsehdarstellungen bis 1990, indem er eine Typologie der Darstellungsformen entwickelte. Dabei stellte sich nicht sehr überraschend heraus, dass die Typen sich zwar durchaus wandeln, aber das Image durchweg negativ bleibt, begleitet von insgesamt unterkomplexen Vorstellungen von Politik.

In der zweiten Sektion standen Konsum und Lebensstile im Vordergrund. Den Anfang machte RAINER GRIES (Wien), der zunächst die Entwicklung des Imagebegriffs im Rahmen der Marktforschung in den Blick nahm und feststellte, dass das Image sich als Begriff zusammen mit dem Markenartikel als Kaufmuster durchgesetzt habe. Das Produktimage sei eine lang anhaltende Zuschreibung, die über Jahre und auch über versuchte Imagewechsel hinweg Bestand haben könnte. Es entstehe in einem partizipativen (aber nicht demokratischen) Vorgang ein intergenerationell geprägtes, „überzeitliches Gemeinschaftswerk“. In seinem anregenden Vortrag schlug Gries vor, ausgehend von der Vorstellung von Produkten als Medien, das heißt bestehend aus Konsum und Kommunikation (durch Kauf und Verwendung bzw. Kommunikation darüber), die verschiedenen Aspekte in europäischer Perspektive, im Längsschnitt oder vergleichend zu untersuchen. Im Anschluss daran lieferte ADELHEID VON SALDERN (Hannover) eine provokative Entgrenzung des Image-Begriffes durch die Analyse der American-ness in amerikanischen Zeitschriften der 1920er-Jahre als Vorstellungsbild oder vielmehr als Gemengelage aus verschiedenen Selbstbeschreibungen, die das Selbstverständnis der Amerikaner bündelten. Diese in sich widersprüchliche Montage eines Images setzte sich zusammen aus den Begriffen/Bereichen frontier, Nationalismus/Regionalismus, Maschinenzeitalter, Pragmatismus/Behaviourismus, Demokratie/Individuum und Puritanismus.

In der folgenden Sektion wurden verschiedene Aspekte der Populärkultur verhandelt. SIMON WENDT (Heidelberg) präsentierte die Entwicklung des Starkults in den USA zwischen den 1880er- und 1920er-Jahren. In dieser Formierungsphase stellten sich Images als Reaktion und Faktor kulturellen Wandels dar, die wiederum eng verknüpft mit den Veränderungen des Medienensembles waren, sei es durch die Entwicklung des celebrity journalism in den Journalen oder durch das Kino. In dieser Zeit wandelte sich der Blick auf das Selbst, vom „character“ zur selbstdarstellerischen „personality“ (auch heute noch befremdlich für manche Europäer), wie Wendt anhand von Filmstars, Sportlern und ereignisgebundenen Stars („moderne Helden“) zeigen konnte. LU SEEGERS unterstrich in ihrem Vortrag die Vorstellung vom Image als „Mediator“ gesellschaftlichen Wandels, indem sie die Berichterstattung über die in den 1960er-Jahren neu entstehende TV-Prominenz untersuchte. Seegers legte dar, wie sehr Ansagerinnen eine Vorreiterrolle für ein neues Rollenbild der Frau abgaben, sich aber dieses emanzipative Image ab circa. 1975 wieder in Richtung eines neuen Konservatismus bewegte.

In der Sektion zum Lebensstil fand sich der einzige interdisziplinäre Beitrag, der vom Kommunikationswissenschaftler CHRISTOPH JACKE (Münster) präsentiert wurde. Er stellte die wechselseitige Abhängigkeit von Imagepolitik und Medien im 20. Jahrhundert heraus und entwickelte ein Dreiecksverhältnis zwischen Medien, Personen (Stars) und Publikum, bei dem die Produktion – ähnlich wie auch von Gries beschrieben – nicht nur in eine Richtung verlief, sondern auch vom Publikum ausging. Das System der Produktion erwies sich dabei als omnipotent, da auch widerwillige Stars („Anti-Star-Stars“) in diesem Rahmen funktionieren. Außerdem arbeite dieses System zirkulär, und zwar synchron (Produktion) und diachron, sodass es eine Zirkularität von Innovation und Tradition „das Neue des Immergleichen“ hervorbringe. Genau diese Zirkularität, die einen Ausbruch aus der kommerziellen Vewertung unmöglich macht, so stellte DETLEF SIEGFRIED (Kopenhagen) heraus, hätte die Kommune I umgehen wollen mit ihrem situationistischen Ansatz, „subversive Medienarbeit“ zu leisten. Allerdings hätte sich das neue Image als Dauerprovokation schnell verschlissen. Gerade das Bemühen, die Öffentlichkeit des Privaten zu kontrollieren (und dadurch Geld zu verdienen), hätte zu einer immer stärkeren eigensinnigen Imageproduktion der Medien geführt, sodass schließlich die „kulturelle Avantgarde“ innerhalb eines Jahres zur „Spaßtruppe“ verkommen sei. Insbesondere die starkultartige Personalisierung der Kommune in Form einer ‚negativen Integration’ (also ein Image als Anti-Star-Stars) hätte dabei die Sprengkraft besessen, die Kommune von dem Rest der Studentenbewegung zu trennen.

Die Tagung wurde beendet mit einer Sektion zur Imagepolitik im Raum, genauer gesagt der Stadt. GEORG WAGNER-KYORA (Hannover) zeigte die komplexen Zusammenhänge der Imagepolitik für Erinnerungsorte (Baudenkmälern in der Altstadt) und dem Wiederaufbau in den 1950er-Jahren in der Hansestadt Bremen auf. Hier erwies sich insbesondere eine Gruppe von Kaufleuten mit spezifischem Selbstverständnis und Imagevorstellungen als treibende Kraft des Wiederaufbaus, der vielmehr ein Neubau der Stadt war. MEIK WOYKE (Hamburg/Bonn) widmete sich in der zeitlichen Fortschreibung dem Ausbau der Vorstädte bzw. der Suburbanisierung. Das Image des „eigenen Häuschens im Grünen“, stark mit Vorstellungen von Harmonie und Ruhe verbunden, wurde in von den Bundesregierungen, den Bausparkassen und in Werbebroschüren der Städte entsprechend beworben und gefördert, bevor die Kritik an der Suburbanisierung in den 1970er-Jahren als ökologische Verschwendung für ein Negativimage sorgte. Schließlich stellte PHILIPP SPRINGER (Berlin) die rhetorische Frage, ob die Geschichte der DDR als ein Ergebnis gescheiterter Imagepolitik zu betrachten sei. In dem einzigen Vortrag zur DDR (ein zweiter hatte aus Krankheitsgründen entfallen müssen) untersuchte er die Imagepolitik der Stadt Schwedt im Rahmen literarischer Texte, deren Produktion gefördert wurde. Im Großen und Ganzen folgte die Imagepolitik dem Zustimmungsverlauf der DDR insgesamt: Aus der optimistischen Sicht auf den Aufbau Schwedts als Industriestadt und damit verbundenen Zukunftsträumen heraus entwickelte sich im Laufe der 1970er-Jahre eine Enttäuschung, die nicht mehr aufgefangen wurde in einer positiven Wendung des Images, sondern in privaten Zuschreibungen des Stillstands mündete.

Die Diskussionen zu den einzelnen Sektionen zeugten von einem großen Interesse an den einzelnen Befunden zu den jeweiligen Images und Imagepolitiken, aber auch von grundsätzlicher konstruktiver Skepsis gegenüber dem neu entdeckten Begriff des Images. Es wurden unterschiedliche alternative Begriffe ins Feld geführt, gegen die das „Image“ zu profilieren sei; insbesondere die Unterscheidung zum Stereotyp wurde eingefordert. Mit Blick auf die Politik spielte ebenso der Begriff des Charisma eine Rolle als Gegenbegriff bzw. wurde verbunden mit der Frage, was denn die Substanz eines Images und ihren Erfolg ausmache. Die Aufzählung der definitorischen Aspekte wie zum Beispiel Wandelbarkeit bei kontinuierlichem Kern und andere führte immer wieder zu dem Punkt, dass das Zusammenspiel der unterschiedlichen Aspekte berücksichtigt werden müsse: Erfolg sei kontingent, bestimmt durch die Leistung im jeweiligen Genre (z.B. zeige Paris Hilton im Genre der puren Medienpräsenz Höchstleistungen) und von der jeweiligen Konstellation abhängig – so konnte die Kommune I nur Ende der 1960er-Jahre diesen medialen Imageerfolg haben, während Elvis Presley später wohl kein Star mehr geworden wäre. Man war sich relativ einig, dass die Rückkopplung an die öffentliche Meinung, verstanden als „Authentizität“ oder Glaubwürdigkeit eine (allerdings nicht näher bestimmbare) Schlüsselkategorie sei (Vergleiche das Beispiel Barzel).

Insbesondere die Beiträge zu den USA und den Prominenten in der Bundesrepublik weisen letztlich auf eine Spur hin, die zu Beginn der Tagung noch nicht so deutlich erkennbar war: Wenn auch keine klare Image-Definition vorgelegt werden könnte und diese auch notwendigerweise eher ungenau bleiben müsse, so sollte doch die Funktion des Images als eine soziale Konstruktion in der Selbstbeobachtung und -beschreibung von Gesellschaften als integraler Bestandteil von Untersuchungen beachtet werden. Es wäre weiter zu überlegen, inwiefern die Emergenz des Begriffes auf einen entsprechenden Wandel in den 1920er-Jahren hinweist, der sich semantisch niederschlägt und in einer neuen Form der Verständigung über Normen, Werte und Vorbilder (oder der Abgrenzung davon) ausdrückt. Gerade die Koinzidenz des sich wandelnden Selbstverständnisses der Amerikaner, der definitiven Entwicklung des Starkultus und der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Images im Rahmen einer Debatte über Öffentlichkeit, öffentliche Meinung und die Rolle von Massenmedien für eine Gesellschaft, wie sie in den USA zur gleichen Zeit stattfand, und die die Entstehung/Entwicklung der empirischen Sozialforschung, Medienpsychologie, Kommunikationswissenschaft und Marktforschung stark prägte, verweist auf eine gesellschaftliche Scharnierzeit, die in der Bundesrepublik in den 1960er-Jahren zu verorten ist als ein Ausnahmejahrzehnt, wie sich aus verschiedenen Beiträgen in der Diskussion herauskristallisierte.

Leider kamen europäische Perspektiven ebenso wie wirtschafts- oder unternehmenshistorische Aspekte zu kurz, doch soll dies nicht das Verdienst schmälern, einen ersten Versuch unternommen zu haben, den Begriff des Images zu historisieren und die Möglichkeiten und Grenzen für die geschichtswissenschaftliche Nutzung ausgelotet zu haben. Inwiefern das gelungen ist, wird auch die geplante Publikation zu dieser Tagung zeigen.

Anmerkungen:
1 Ausnahmen bestätigen die Regel: Kiecol, Daniel, Selbstbild und Image zweier europäischer Metropolen: Paris und Berlin zwischen 1900 und 1930, Frankfurt am Main 2001.
2 Lippmann, Walter, The Phantom Public, New York 1925.
3 Vgl. für das Programm die Ankündigung auf HSozKult vom 17.7.2007, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=7646>.


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