Forschungskonzepte in der Praxis (VII. Irseer Arbeitskreis für vorindustrielle Wirtschafts- und Sozialgeschichte)

Forschungskonzepte in der Praxis (VII. Irseer Arbeitskreis für vorindustrielle Wirtschafts- und Sozialgeschichte)

Organisatoren
Mark Häberlein; Markwart Herzog; Christof Jeggle; Irseer Arbeitskreis für vorindustrielle Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Ort
Irsee
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.03.2007 - 01.04.2007
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Von
Christof Jeggle, Lehrstuhl für Neuere Geschichte, Otto-Friedrich-Universität Bamberg


Der Irseer Arbeitskreis für vorindustrielle Wirtschafts- und Sozialgeschichte traf sich unter der Leitung von Mark Häberlein (Bamberg), Markwart Herzog (Irsee), Christof Jeggle (Bamberg) vom 30. März bis zum 1. April 2007 in der Schwabenakademie Irsee zu seiner siebten Tagung zum Thema „Forschungskonzepte in der Praxis“. Die Tagung wurde durch die Gerda Henkel Stiftung gefördert. Ein international zusammengesetztes Panel von Vortragenden präsentierte 13 Beiträge, in denen die jeweiligen Forschungskonzepte anhand exemplarischer Studien vorgestellt wurden. Den Vorträgen folgten intensive Diskussionen der 28 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Zur Einführung diskutierte Christof Jeggle (Bamberg) einige Aspekte der „Forschungskonzepte in der Praxis der vorindustriellen Wirtschafts- und Sozialgeschichte“ anhand wirtschaftswissenschaftlicher sowie kultur- und sozialwissenschaftlicher Ansätze. Insbesondere die Neue Institutionenökonomie regt zu vielen neuen Fragestellungen an; dennoch dürfe nicht übersehen werden, dass sie eine Erweiterung des neoklassischen Ansatzes anstrebt und keine eigenständige Kultur- oder Sozialtheorie entwickelt. Während die Neue Institutionenökonomie in der Forschung sehr präsent ist, haben die Ansätze der neueren Wirtschaftssoziologie noch kaum Aufmerksamkeit seitens der historischen Forschung gefunden, obwohl sie mit ihrer sozial- und kulturwissenschaftlichen Ausrichtung häufig besser zu historischen Erkenntnisinteressen passen würden. Als Beispiele wurden Verwandtschaftsbeziehungen, Geschlechterverhältnisse, zivilrechtliche Normen, Qualitätsstandards, das Verhältnis von Diskursen und Praktiken des Wirtschaftens, die Erforschung von Märkten als Formen sozialer Organisation sowie das Verhältnis von Kulturgütern und Wirtschaft vorgestellt.

Die Sektion „Mikrohistorische Perspektiven“ eröffnete Margareth Lanzinger (Wien) mit ihrem Beitrag „Krisenmanagement im ‚Hauswesen’ zwischen Praxis und Rhetorik. Verwandtschaftsehen unter dem Mikroskop“. Eine vergleichende Untersuchung von Dispensansuchen für Verwandtenehen aus dem mittleren Alpenraum im 19. Jahrhundert ergab, dass der Ausfall einer Person das betroffene „Hauswesen“ in Schwierigkeiten bringen konnte. Eine Lösungsstrategie war die Heirat von nahen Verwandten oder Verschwägerten – was nach kanonischem Recht verboten war. Für bestimmte Ausnahmefälle bestand die Möglichkeit einer Dispens, also der Aufhebung des Ehehindernisses. Ausgehend von drei Fallgeschichten wurden die Praktiken des Dispensverfahrens und Möglichkeiten einer mikrohistorischen Interpretation vorgestellt, die Fallgeschichten in einen breiteren Kontext einbindet und sich auch quantifizierender Verfahren bedienen kann. Dabei zeigten sich erhebliche regionale Differenzen, die in den Kontext unterschiedlicher Praktiken von Verwandtschaftsbeziehungen gestellt wurden. Weitere Aspekte waren der strategische Charakter der Bittschreiben, der eng mit den Rechtsnormen korrespondierte, sowie unterschiedliche Entscheidungspraktiken, die von den jeweiligen kirchlichen Amtsinhabern wie Päpsten und Bischöfen geprägt wurden.

Christian Kuhn (Bamberg) widmete sich „Briefen als Kommunikationsmedium von Kaufleuten am Beispiel der Nürnberger Tucher im 16. Jahrhundert. Neue Perspektiven nach der ‚pragmatischen Wende’“. In mikrohistorischer Perspektive wurden hier Briefe interpretiert, die Söhne an ihre Väter während der mehrjährigen Auslandslehre zu schreiben hatten. Aus einem Vergleich mit zeitgenössischer Erziehungs-, Jugend- und Gebrauchsliteratur ging hervor, dass die Briefe von einem breiteren Erziehungsdiskurs geprägt waren. Die vergleichende Lektüre der Briefe und von Formularbüchern, Erziehungsromanen und Flugblattliteratur ließ erkennen, dass die oft situativ und emotional wirkenden Darstellungen in den Briefen von Topoi geprägt waren, in der Absicht bestimmte symbolische Assoziationen bei den Vätern hinsichtlich des Verhaltens der Söhne zu wecken. Die Briefe zwischen den Generationen bildeten eine Kommunikationsform, die den Vätern in der hierarchischen Erziehungssituation Kontrolle ermöglichte, den Söhnen aber auch Spielräume der Selbstdarstellung eröffnete, die es zuließen, den Erwartungen der Väter gerecht zu werden.

Die folgende Sektion beschäftigte sich mit den „Ökonomischen Theorien in der Praxis“. An die New Economic History knüpfte Ulf Christian Ewert (Chemnitz) mit seinem Vortrag „Wirtschaftsgeschichte als Experiment. Multi-Agenten-Simulation als Methode zur Erforschung der ökonomischen Folgen mittelalterlicher Sterblichkeitskrisen“ an. Ausgehend von der Überlegung, dass historische Entscheidungen eigentlich nur vor dem Hintergrund möglicher Alternativen bewertet werden können, wurde der Umgang mit der Hungerkrise von 1436 – 1440 in Lille mittels einer Multi-Agenten-Simulation untersucht. Dabei konnten die Intensität der Krise, aber auch die Handlungsoptionen unterschiedlicher Personengruppen variiert und in unterschiedlichen Konstellationen untersucht werden. Die Ergebnisse zeigten, dass auch kurze Hungerkrisen langfristige Folgen für Bevölkerung und städtische Märkte hatten. Die Politik der städtischen Obrigkeit mit aufeinander abgestimmten Interventionen in verschiedenen Märkten entschärfte zwar die Krise, dennoch nahm die soziale Polarisierung innerhalb der Stadtbevölkerung zu. Modellierung und Simulation erlauben das Durchspielen historischer Möglichkeiten, allerdings muss die Problematik der Vereinfachung und der Prämissen bei der Modellbildung beachtet werden.

Unter dem Titel „Die ‚New Institutional Economics’ als Zugang zu einer vergleichenden Geschichte frühneuzeitlicher Textilregionen“ untersuchte Marcel Boldorf (Berlin) in einem ersten Beispiel strukturelle Merkmale der Transaktionskosten im Verlagssystem der schlesischen Leinenproduktion des 18. Jahrhunderts. In einem zweiten vergleichenden Beispiel erklärte er anhand der Transaktionskosten, weshalb in Irland kein Verlagssystem entstand. Dabei wurden die spezifischen Kostenfaktoren hervorgehoben, unter denen sich Verlagssysteme etablieren konnten.

Mit seinem Beitrag „Informationsfluss, Verträge, Verfügungsrechte: Institutionelle Abläufe auf den Bozner Messen“ knüpfte auch Andrea Bonoldi (Trento) an die Neue Institutionenökonomie an, allerdings unter dem Gesichtspunkt des historischen Wandels von Institutionen. Nach einführenden Überlegungen zum Verhältnis von Neuer Institutionenökonomie und historischer Forschung wurde der institutionelle Wandel am Beispiel des Merkantilmagistrats, des im 17. Jahrhundert gegründeten Handelsgerichts der Bozner Messen, aufgezeigt. Als spezialisiertes, schnell entscheidendes Gericht konnte der Merkantilmagistrat die Risiken des internationalen Messehandels kalkulierbarer gestalten. Institutionalisierte Formen medialer Vermittlung relevanter Informationen zu den Messen trugen zur Transparenz des Marktgeschehens bei. Die Funktionsweise des Handelsgerichts wurde anhand erster Forschungsergebnisse über Verfahren, an denen jüdische Kaufleute beteiligt waren, verdeutlicht. Abschließend betrachtete Bonoldi den institutionellen Wandel der Bozner Messen in einer langfristigen Perspektive.

Am Beginn der Sektion „Kaufleute und Herrschaft“ stand die Studie von Katia Occhi (Trento) zum „Timber Trade between the South-eastern Alps and the Republic of Venice (16th – 17th century)“. Grundlage des Referats war die Verbindung einer „storia istituzionale“ auf der Grundlage der Überlieferung der Oberösterreichischen Regierung in Innsbruck mit einer mikrohistorischen Untersuchung italienischer Notariatsakten der Republik Venedig, denen sich die Perspektive von Händlern, Handwerkern und Gemeinden entnehmen lässt. Der Holzhandel zwischen den Alpenregionen und dem Veneto war, angesichts flößbarer Flussverbindungen, ein lukratives Geschäft, bei dem die lokalen Obrigkeiten darauf achteten, dass sich die Abholzungen nicht negativ auswirkten und die Salinen sicher versorgt werden konnten. Zugleich waren Holzzölle eine wichtige Einnahme der Obrigkeiten. Anhand einer Fallstudie zum Flussbecken Cismon-Brenta wurden die vielschichtigen Netzwerke und Zusammenhänge des Holzhandels und der Holzverarbeitung durch Sägewerke vorgestellt. Venedig war der wichtigste Absatzmarkt und verkaufte das Holz unter anderem an die Johanniter auf Malta. Zugleich stellten Venezianer über den Geldmarkt das für den langfristig agierenden Holzhandel notwendige Kapital zur Verfügung. Entgegen dem allgemeinen Wirtschaftstrend konnte der Holzhandel Ende des 16. und im frühen 17. Jahrhundert erheblich expandieren.

Ausgehend von Überlegungen des Ethnologen Georg Elwert untersuchte Heinrich Lang (Bamberg) „Das Geschäft mit der Gewalt. Die ‚condottieri’ als Akteure auf dem Gewaltmarkt zwischen Ökonomie und Politik im Italien des 14. bis 16. Jahrhunderts.“ Nach einer Einführung in Elwerts Konzept der „Gewaltmärkte“ folgte eine Analyse der Rolle der „condottieri“ im spätmittelalterlichen Italien. Instabile Grenzen und wechselnde Herrschaftsträger führten zu „gewaltoffenen“ Räumen, die Söldnerkapitäne im eigenen Interesse zu nutzen versuchten, um eigene Territorien zu erwerben. Der Markt lief auf zwei Ebenen: Stadtstaaten und Fürsten warben um Söldnerkompanien und Gewaltunternehmer, denen wiederum Söldner ihre Leistungen anboten. Diese Konstellationen wurden in der Praxis politischer Konflikte verfolgt. Ergänzend führte Lang die Aktivitäten von Kaufmann-Bankiers als Geldgeber militärischer Konflikte vor, die mit einflussreichen Netzwerken im Hintergrund Konflikte finanzierten und daraus erheblichen ökonomischen wie politischen Gewinn ziehen konnten. Die Verbindungen zwischen den Akteuren auf den Gewaltmärkten stellten Mittelsmänner, Agenten und Makler her.

Neben den Praktiken des Wirtschaftens standen „Diskurse über das Wirtschaften“ zur Diskussion. Matthias Steinbrink (München) ging der Frage nach „Wie autark war der Adel? Otto Brunner, das ‚Ganze Haus’ und der Markt“. Ausgehend von einer Diskussion von Brunners Rezeption der Hausväterliteratur und seines Konzepts des „Ganzen Hauses“ entwickelte Steinbrink eine Interpretation der Hausväterliteratur als pragmatisch ausgerichtete Wirtschaftsratgeber. Während der Versuch an Brunner anzuknüpfen in der Diskussion kritisch aufgenommen wurde, zeigte die Lektüre der Hausväterliteratur, dass trotz der Betonung der Eigenversorgung dort auch Märkte als Teil adeliger Wirtschaft thematisiert wurden. Diesem Befund folgten Beispiele für die Wirtschaftstätigkeit des frühneuzeitlichen Adels, deren systematische Erforschung als Desiderat gekennzeichnet wurde. Abschließend thematisierte Steinbrink anhand der theoretischen und empirischen Befunde die Einbindung adligen Wirtschaftens in Marktbeziehungen und das Verhältnis von Praktiken und theoretischer Reflektion.

Die Geschichte ökonomischer Ideen sei immer noch geprägt von einer teleologischen Fortschrittsgeschichte, die sich auf wenige Autoren konzentriere, so Justus Nipperdey (München), der sich in seinem Beitrag „Der Geldmangel-Diskurs des 17. Jahrhunderts und die ‚Sprache der politischen Ökonomie’“ Traktaten über das Problem des Geldmangels widmete. Als methodische Grundlage griff er auf das Konzept politischer Sprachen von Quentin Skinner und John Pocock zurück und modifizierte dieses dahingehend, dass die Verwendung bestimmter Sprachformen in den Traktaten als Indikator für die Verbreitung bestimmter wirtschaftsanalytischer Ideen angesehen werden kann. Auf diese Weise wird das ökonomische Thema des Geldmangels greifbar, bevor es eine etablierte Sprache der Politischen Ökonomie gegeben hat. Die Auswahl von qualitativ eher zweit- bis drittrangigen Texten soll Anhaltspunkte für die Ausbreitung von Ideen über deren bekannte Vertreter hinaus geben. Während der erste, 1664 unter einem Pseudonym erschienene, sehr umfangreiche Traktat im Vokabular der Luxuskritik, der Tugend der ‚alten Teutschen’ und der Idee der Justitia als Handlungsfeld der Politik argumentierte, finden sich in den Traktaten der 1680er Jahre neben den moralischen Argumenten auch erste Ansätze einer Sprache der Ökonomie. Auf dieser Grundlage können neue Einsichten und Fragestellungen zur Geschichte des ökonomischen Denkens vor 1700 gewonnen werden.

Die abschließende Sektion thematisierte „Verwandtschaftsbeziehungen in kommerziellen Netzwerken“. Cinzia Lorandini (Trento) präsentierte mit „A Family Business in the 17th and 18th Centuries: The Case of the Salvadori Firm in Trento“ den Fall einer Unternehmerfamilie, die über mehrere Generationen hinweg ihr Unternehmen mit wechselnden Geschäftskonzepten erfolgreich entwickeln konnte. Am Beginn stand ein Überblick über die Unternehmungen der Salvadori, von denen 1664 zwei Brüder von Mori nach Trient eingewandert waren und einen breit angelegten Warenhandel aufzogen hatten. Dieser Handel wurde zwar fortgeführt, doch nach 1693 dominierten die Produktion und der Vertrieb von Schnupftabak und seit 1740 die Herstellung von Seide, die im Verlag organisiert war. Die hochwertige Seide wurde überwiegend an Textilhersteller nach Krefeld verkauft. Diese Fähigkeit, das Familienunternehmen erfolgreich über mehrere Generationswechsel hinweg und in sich ändernden Geschäftsfeldern zu betreiben, analysierte Lorandini in kritischer Auseinandersetzung mit dem ‚Family Firm Model’, wobei sie ökonomische Theoreme elegant auf die empirischen Befunde bezog. Neben den inneren Dynamiken wurden die Partnerschaften sowie die Netzwerke und damit die soziale Einbindung der Salvadori-Unternehmen untersucht.

In ihrem Beitrag „Reconstructing Middlemen: Comparative Approaches towards a History of Early Modern Distribution“ unternahm Miki Sugiura (Tokio) den Versuch, Zwischenhändler in einer vergleichenden, systematischen Perspektive zu untersuchen. Dazu präsentierte sie die bisherigen Ansätze zur Erforschung von Zwischenhändlern, die es ermöglichen, unterschiedliche Formen von Distributionsketten sowie die Netzwerke und Verwandtschaftsbeziehungen der Kaufleute zu erforschen. Einfache Kategorisierungen wie schematische räumliche Zuordnungen oder Stufenmodelle zur Unterscheidung verschiedener Formen des Handels würden den historischen Realitäten des Zwischenhandels nicht gerecht. Am Beispiel der Niederlande wurde gezeigt, wie sich eine Schicht von Zwischenhändlern etablierte, die stark nach spezifischen Gütern differenziert mit Importwaren handelte und dabei zugleich lokalen, regionalen und überregionalen Handel betrieb. Diese Entwicklung wurde am Beispiel der „Wijnkoper“, die einen besonderen Aufschwung nahmen, verdeutlicht. Im Vergleich zu englischen Distributionssystemen mit spezialisierten Faktoren in London und Gemischtwarenhandlungen in den Städten und im ländlichen Raum seien die niederländischen Zwischenhändler stärker spezialisiert gewesen und ließen sich nicht eindeutig regionalen oder lokalen Kontexten zuordnen. So hätten selbst ländliche Textilhandlungen ihre Ware aus den unterschiedlichsten Quellen und nicht von einem bestimmten Zwischenhändler bezogen.

Gabriele Marcussen-Gwiazda (Frankfurt am Main) ging unter dem Titel „Der Markt für Luxuswaren in Frankfurt am Main im 17. Jahrhundert: die Juweliere“ den Fragen nach, welchen Anteil Juweliere am Markt für Luxuswaren hatten, welche wirtschaftlichen Interessen sie verfolgten und ob sie mit den Goldsmith-Bankern in London verglichen werden können. Ihr Protagonist Daniel de Briers kaufte etwa aussortierte Bilder aus der Kunstkammer der Habsburger – die Verbindung von Juwelen- und Kunsthandel war nicht ungewöhnlich. Er gründete 1620 mit Partnern eine Gesellschaft für den Handel mit hochwertigen Bijouteriewaren, die Höfe im mitteleuropäischen Raum gegen beträchtliche Summen mit zum Teil sehr aufwändigen Schmuckstücken belieferte. Unter systematischen Gesichtspunkten lässt sich der von Goa in Indien ausgehende und ganz Europa umspannende Juwelenhandel als ortloser Markt, der nicht an einen festen Ort gebunden war, beschreiben. Es gab jedoch auch Überlegungen, ein verpfändetes burgundisches Prunkschwert in umgekehrter Richtung nach Ostindien zu verkaufen. Die niederländischen Kaufleute waren Glaubensflüchtlinge, die innovative Techniken im Handel und in der Arbeitsorganisation nach Frankfurt mitbrachten. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur Calvinisten, sondern auch Lutheraner wie Daniel de Briers kamen. Bei der Integration in die Frankfurter Gesellschaft führten bei letzteren weniger religiöse Gründe zu Problemen als der in ihrem Reichtum begründete Lebensstil. Durch diese Zuwanderung konnte Frankfurt Anschluss an den Weltmarkt halten, wie an einigen weiteren Beispielen verdeutlicht wurde.

Auf der Tagung konnten einige Tendenzen beobachtet werden. Makroperspektiven, die teleologisch auf die Moderne hin ausgerichtet sind, werden inzwischen nicht einmal mehr als negative Referenz verwendet, vielmehr haben sich relationale Ansätze durchgesetzt. Faktoren und Aspekte, die aufeinander bezogen werden, variieren je nach Erkenntnisinteresse, wobei Verwandtschaftsbeziehungen besondere Aufmerksamkeit finden. Differenzierte Bezüge zwischen Akteuren und Akteurinnen, Gegenständen und Orten ermöglichen zum Teil überraschende Einblicke in Praktiken des Wirtschaftens in ihren spezifischen sozialen Kontexten. In dieser relationalen Perspektive gegenseitiger Wahrnehmung und sozialer Interaktion lassen sich lange diskutierte Konzepte wie die durch Clifford Geertz vermittelte Referenz auf Max Webers Konzept von Kultur als Verstrickung in Netzen von Bedeutungen praktisch einlösen.

Die Tagung wurde von den Teilnehmenden sehr positiv bewertet. Im Titel des abschließenden Vortrags zum Juwelenhandel klingt bereits das Thema des kommenden Irseer Arbeitskreises 2008 an, für den ein Call for Papers mit dem Titel „Kunstwerke und Luxusgegenstände in Mittelalter und Früher Neuzeit: Produktion – Handel – Formen der Aneignung“ im Juni 2007 ausgeschrieben wurde [http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=7467] und auf unerwartet große Resonanz stieß.


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