Geschlechtergesellschaften, Zunft-Trinkstuben ... (Pforzheim, 16.-18.11.2001)

Geschlechtergesellschaften, Zunft-Trinkstuben ... (Pforzheim, 16.-18.11.2001)

Organisatoren
Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung
Ort
Pforzheim
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.11.2001 - 18.11.2001
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Von
Prof. Dr. Gerhard Fouquet

'Geschlechtergesellschaften, Zunft-Trinkstuben und Bruderschaften' 40. Jahrestagung des 'Suedwestdeutschen Arbeitskreises fuer Stadtgeschichtsforschung'
Der 'Suedwestdeutsche Arbeitskreis fuer Stadtgeschichtsforschung' widmete seine 40. Arbeitstagung, die von der 'Loeblichen Singergesellschaft von 1501 Pforzheim' sowie von der Stadt Pforzheim unterstuetzt wurde, dem sozial- und kulturgeschichtlichen Phaenomen der 'Trinkstube'. Die Trinkstube als Ausformung der durch Eid oder Geloebnis konstituierten Einung wurde dabei im zeitlichen Nacheinander der staerker korporativ bzw. herrschaftlich-obrigkeitlich gebundenen staedtischen Gesellschaft des 13. bis 17. Jhs. als ein 'sozialer Ort' ersten Ranges fuer Patriziat, staedtische Fuehrungsgruppen und politische Zunft diskutiert. Die insgesamt zehn Vortraege waren nach dem einfuehrenden Problemaufriss des wissenschaftlichen Tagungsleiters Prof. Dr. Gerhard Fouquet, Kiel, und dem oeffentlichen Abendvortrag von Olaf Schulze, Pforzheim, ueber die Geschichte der Pforzheimer Singergesellschaft in drei Sektionen gebuendelt.

Thema der ersten Sektion unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Matheus, Mainz, bildeten die Geschlechtergesellschaften, die Trinkstuben des Stadtadels mittlerer und groesserer Staedte. Dr. Sonja Duennebeil, Wien, stellte in ihrem Beitrag 'Gesellschaften als Mittel der Repraesentation staedtischer Fuehrungsschichten' die Bedeutung des Rituals in Umzuegen, kirchlichen Prozessionen und Tanz jener patrizischen Gesellschaften heraus, unterstrich, dass bei den Aktivitaeten der Gesellschaften zwischen 'Innen' und 'Aussen' zu unterscheiden sei. Gaesten ist eine Brueckenfunktion in der Innen- und Aussenwahrnehmung zugekommen. Dr. Christoph Heiermann, Dresden, konzentrierte sich in seinem Vortrag auf die Konstanzer Gesellschaft 'Zur Katz' und auf die Grenzen sozialer Exklusivierungstendenzen innerhalb der patrizischen Trinkstuben. In der Konstanzer 'Katz' jedenfalls gab es im Spaetmittelalter eine auffaellig hohe Fluktuation zwischen Zuenften und Geschlechtern, der erst im 16. Jh. in der Entwicklung hin zum 'Tugendadel' strikte soziale Grenzen gezogen worden seien. Ueberdies hat man waehrend des 15. Jhs. in der 'Katz' Personen ohne Buergerrecht und Niederadlige aus der Umgebung aufgenommen, genauso wie Katz-Gesellen Mitgliedschaften in Adelsgesellschaften der Bodenseeregion erwarben. Die Konstanzer Patriziergesellschaft habe den Rahmen staedtischer Gemaessheit ueberschritten, denn die Mitglieder der 'Katz' orientierten sich an den ueberstaedtischen Netzwerken der grossen Handelsgesellschaften wie an den regionalen Netzwerken staedtischer und laendlicher Fuehrungsgruppen. Dr. Stefan Selzer, Halle, zeigte die soziale Funktion der 'Artushoefe im Ostseeraum' vornehmlich anhand von Kommunikation und Konflikt auf, wobei er fuer eine 'komplementaere Sichtweise' plaedierte, fuer eine methodische Bewegungsrichtung, die "von Aussen nach Innen und von den Motiven der Gruppe zu den Motiven der Individuen" verlaufe. Die Artushoefe der preussischen Staedte waren Zentren des Informationsaustausches, sie waren soziale Orte, deren Besuch auch und gerade im Konflikt eine Investition in soziale, politische und wirtschaftlichen Informationen bedeutete. HD Dr. Joerg Rogge, Mainz, beschaeftigte sich in seinem Vortrag 'Geschlechtergesellschaften, Trinkstuben und Ehre. Bemerkungen zur Gruppenbildung und den Lebensordnungen in den Fuehrungsschichten mittelalterlicher Staedte' mit dem durch die Stubenordnung repraesentierten Ehrdiskurs jener Geschlechter, der durch den Ankauf von eigenen Haeusern verfestigt und institutionalisiert worden sei. Die Bestimmungen ueber die Aufnahme in eine patrizische Trinkstube als Mitglied oder als Gast wurden durch die Ordnungen festgelegt, die distinktive Funktion aber hat in der Praxis die Tuer uebernommen: Sie habe die Abschliessung wie den kontrollierten Zugang erlaubt.

Die zweite Sektion unter der Leitung von Prof. Dr. Knut Schulz, Berlin, stand unter den Vorzeichen der politischen Zuenfte und ihrer speziellen Trinkstuben. Prof. Dr. Rainer S. Elkar, Muenchen, setzte sich in seinem Beitrag 'Kommunikative Distanz - Ueberlegungen zwischen Handwerk und Obrigkeit in Sueddeutschland waehrend der Fruehen Neuzeit' mit der Zurueckdraengung der Zunftstuben in den oberschwaebischen Reichsstaedten seit der Mitte des 16. Jhs. auseinander. Er bewertete diese Entwicklung trotz aller Ueberwindung der sozialen Distanz durch Klientel und Netzwerk als Ausschaltung der politischen Kommunikation zwischen dem Handwerk und den sich als Obrigkeit ausbildenden Ratsgeschlechtern. PD Dr. Katharina Simon-Muscheid, Bern, fuehrte 'Zuenftische Trinkstuben und Bruderschaften in Basel' als Beispiele fuer gesellschaftliche und spirituelle Netzwerke vor. Sie zeigte, dass die von den politischen Zuenften zu scheidenden Zunfttrinkstuben Orte sowohl der Kommunikation und Geselligkeit als auch der verstaerkten sozialen Kontrolle waren. Bei der Analyse der Bruderschaftsstatuten und Mitgliederlisten des Basler Kirchspiels St. Leonhard konnte sie deutlich machen, dass Zuenftler neben der Partizipation an der durch ihr Gewerbe vorgegebenen Bruderschaft gleichzeitig in die spirituellen Netzwerke ihrer Pfarre eingebunden waren. Nach dem Vortrag von Dr. Peter Geffcken, Muenchen, der auf die Binnendifferenzierung der Augsburger Herren- und Kaufleutetrinkstuben zwischen 1368 und 1548 einging, berichtete Prof. Dr. Albrecht Cordes, Frankfurt am Main, ueber 'Stubengesellschaften in Doerfern und Kleinstaedten im alemannischen Raum', wobei er in einem zeitlichen Bogen vom 14. bis zum beginnenden 19. Jh. kaum einen graduellen Unterschied in den sozialen und politischen Funktionen der Stubengesellschaften zwischen den sogenannten Ein-Zunft-Kleinstaedten und den Doerfern ausmachen konnte. Die Differenz zwischen Stadt und Dorf sei "so viel eher eine Praemisse als ein Ergebnis der Forschung".

Die dritte Sektion widmete sich unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Ranft, Halle, den Trinkstuben als gebauter sozialer Wirklichkeit, den aeusseren Gehaeusen von Vergemeinschaftung in Mittelalter und Frueher Neuzeit. PD Dr. Wolfgang Schmid, Trier, wies mit dem 'Herrenbruennchen in Trier' auf eine spezielle Ratsherrentrinkstube in der Fruehen Neuzeit hin: Der ueber einer Quelle, dem Ausgangspunkt der Wasserleitung zur Versorgung des Hauptmarktes, im 16. Jh. errichtete Bau und sein Wappenschmuck diente allein der politischen Repraesentation des Rates im Sinne von 'Fuersorge' und 'Guter Polizei', da die Ratsherren lediglich am Tag nach der Ratswahl darin ein grosses Festmahl begingen. Abschliessend bot Prof. Dr. Bernd Roeck, Zuerich, auf der Basis eines von ihm als unbefriedigend bezeichneten Forschungsstandes einen Ueberblick ueber 'Zuercher Zunfthaeuser' vom 14. bis zum 18. Jh. Er zeigte in der Bau- und Kunstgeschichte der Haeuser Entwicklungslinien des Ueberganges vom 'Privaten' zum 'Oeffentlichen' auf, verwies ueberdies auf charakteristische Eigenheiten der Ikonographie der Zunfthaeuser, u. a. auf das Fehlen jeglicher Reichssymbolik, die gerade in der spaetmittelalterlichen Reichsstadt Zuerich von groesster Wichtigkeit gewesen sei.

Prof. Dr. Gerhard Fouquet


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