Leben mit den Toten. Manifestationen gegenwärtiger Bestattungskultur

Leben mit den Toten. Manifestationen gegenwärtiger Bestattungskultur

Organisatoren
Eine Veranstaltung des Bezirksamtes Reinickendorf von Berlin (Kunstamt / Heimatmuseum) in Zusammenarbeit mit dem Landesarchiv Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.11.2006 - 11.11.2006
Von
Stephan Hadraschek, Abt. Öffentlichkeitsarbeit/Marketing, OTTO BERG Bestattungen GmbH & Co. KG

Mit dem Symposium sollte eine Diskussion zum Thema Bestattungs- und Friedhofskultur fortgesetzt werden, die vor einigen Jahren im Bezirk Reinickendorf begonnen hatte. Zudem wurde das Symposium genutzt, um einen nachhaltigen Dialog anzuregen, der auch zukünftig die verschiedenen Aspekte zum Thema „Sterben, Tod und Trauer“ beleuchten soll. Die zweitägige Tagung war in vier Vortragsböcke unterteilt: „Über den Tod hinaus – Friedhöfe als Begegnungs- und Erinnerungsorte“, „Raum für Tote – Tote Räume? Über die Funktion(en) eines Friedhofs“, „Der Friedhof als Lern- und Gedenkort“ und „Kunst und Tod“.

Nach der offiziellen Eröffnung durch den Direktor des Landesarchivs Berlin, Uwe Schaper und der zuständigen Kulturstadträtin, Katrin Schultze-Berndt sprach Gerd Appenzeller, Redaktionsdirektor des Berliner Tagesspiegel. Anschließend referierte Reiner Sörries (Kassel), über „die Entwicklung der Sterbe-, Bestattungs- und Friedhofskultur unter dem Einfluss der Europäisierung und Globalisierung“. Sörries verdeutlichte den Wandel unserer Bestattungs- und Friedhoftskultur der spätestens seit den 1990er-Jahren allgemein konstatiert wird. Ob der Wandel nun als „Niedergang“ oder „Chance“ bezeichnet wird, liegt im jeweiligen Auge des Betrachters. Der vielfach festgestellte Verfall friedhofskultureller Werte wurde mit unterschiedlichen Maßnahmen begegnet („Tag des Friedhofs“). Eine gründliche Ursachenforschung unterblieb jedoch fast vollständig. Eine Ursache liege zum Beispiel in der Interessensverlagerung der Menschen von einer Fürsorge für die Toten zu einer Fürsorge für die Sterbenden. Die aus England kommende und in West- wie Ost-Deutschland nahezu zeitgleich verbreitete Hospizidee entsprach dem Grundgedanken, die Selbstbestimmung des Menschen, seine Autonomie in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen. Auch die Krankheit AIDS hatte einen starken Einfluss auf die Einstellung zu Sterben und Tod. Neue Formen des Totenkults zeigen sich in der anonymen Bestattung oder der seit einigen Jahren angebotenen naturnahen Bestattung („Baumbestattung“). Die Professionalisierung und Kommerzialisierung des Bestattungswesens führte bis heute zu einer beständigen Erweiterung der Angebotspalette, um sinkende Einnahmen am Markt zu kompensieren. Der Wandel in der Bestattungs- und Friedhofskultur ist geprägt von einem Bewusstwerden des Wesentlichen – bei einem aber immer noch eher konservativen Bestattungsverhalten. Der Trend zur Individualisierung könnte jedoch durch kollektive Erscheinungsformen auch wieder unterlaufen werden („Gemeinschaftsgrabstätten“). Im Rahmen der Globalisierung würden konkrete Grabstätten an einem bestimmten Ort immer weniger Sinn ergeben. Dies solle allerdings, so Sörries, nicht als ein Verfall der Friedhofs- und Bestattungskultur verstanden werden.

Norbert Fischer (Hamburg) referierte zum Thema „Der Friedhof als Gedächtnislandschaft“ und zeigte an zahlreichen Beispielen, wie sich der Bestattungsraum „Friedhof“ als Träger von Erinnerung und Gedenken verändert hat. Als Überreste der Vergangenheit in der Landschaft finden sich neben Friedhöfen auch beispielsweise Gedenksteine und Erinnerungstafeln. Trägt man sie zusammen, ergibt sich die „Gedächtnislandschaft“ eines Ortes oder einer Region. Diese Gedächtnislandschaften können politisch konnotiert sein – wie im Gedenken an den Holocaust. Sie können auch mit besonderen Katastrophen oder mit extremen landschaftlichen Gegebenheiten verwoben sein. So führte beispielsweise die Erfahrung des bedrohlichen Meeres zu maritimen Gedächtnislandschaften an der Nordseeküste (Sturmflutmarken, Denkmäler für die „Auf See Gebliebenen“ etc.).

Kerstin Gernig (Düsseldorf) behandelte in Ihrem Beitrag unter dem Titel „Verfall oder Wandel? Erinnerungskultur im Spiegel gesellschaftlicher Veränderungen“ ebenfalls das Thema eines vermeintlichen Verfalls der westeuropäischen Bestattungskultur. Gernigs Ausgangsfrage drehte sich darum, woher wir unsere Beurteilungsmaßstäbe für die Bestattungskultur nehmen. Wer bestimmt, was gut oder schlecht ist bzw. ob sich Verfallstendenzen bemerkbar machen? Gernig betonte, dass die Bestattungskultur als wesentlicher Bestandteil der Kultur permanenten Veränderungen unterworfen war und ist. Neue Bestattungsformen wie beispielsweise die naturnahe Bestattung haben sich etabliert, andere machen den Gewerbetreibenden eher Sorgen: Die anonyme Beisetzung ist nicht mehr nur eine „Armenbestattung“, sondern hat heute bereits die bürgerliche Mitte erreicht. Doch parallel dazu gibt es Individualisierungstendenzen (besonderer Grabstein, Trauerfeier mit persönlicher Trauermusik, spezielle Trauerrede). Parallel dazu wird der konkrete Ort der Beisetzung unwichtiger, wie Beispiele der Seebestattung zeigen. Gernig machte deutlich, dass die so genannte Blüte der Bestattungskultur (19. Jahrhundert) auch nur einer bestimmten Gesellschaftsschicht vorbehalten war. Wenn man diese Ausformungen der Bestattungskultur nachträglich für allgemeingültig erklären wollte, würde man eine Norm voraussetzen, die es so nie gab. Doch, so Gernig weiter, war Bestattungskultur immer mehr als die Attribute einer Trauerfeier – es sind die Abschiedrituale, die das jeweilige Menschenbild und die Gemeinschaft der Lebenden mit den Toten verdeutlichen sollen. Von einem Verfall könnte jedoch gesprochen werden, wenn die Bestattung zur Entsorgung wird. Anzeichen dafür sind, so Gernig, wenn Verstorbene in Krankenhäusern neben der Abfallentsorgung aufgebahrt werden oder wenn bei Trauerfeiern auf jegliche Abschiedsrituale verzichtet wird. Die Streichung des Sterbegeldes als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen hat somit auch eine symbolische Bedeutung: Der Staat sorgt nicht mehr für seine verstorbenen Bürger (Streichung des Sterbegeldes etc.). In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und finanzieller Nöte führt dies unweigerlich zu steigenden Sozialbestattungen. Folglich werden spirituelle und rituelle Aspekte einer Bestattung immer weniger praktiziert.

Gerhard Schmied (Mainz) berichtete über die Ergebnisse und Erkenntnisse seiner vor einigen Jahren im Rhein-Neckar-Kreis durchgeführten Studie „Friedhofsgespräche“1. Diese „Friedhofgespräche“ bestehen aus qualitativen Interviews mit Besuchern von Friedhöfen bei der Grabpflege und mit Bediensteten. Dabei wurden von Schmied und seinen Studenten folgende Aspekte erfragt: Einstellung zum und Verhalten auf dem Friedhof, die Identität der Verstorbenen und "Kontaktaufnahme" mit den Beigesetzten sowie Vorstellungen über das eigene Ende und zu neueren Entwicklungen im Friedhofswesen. Der "rote Faden", der sowohl in der Analyse der Interviews wie in den übrigen Darlegungen immer wieder sichtbar wird, ist der Zusammenhang von Grab und Grabpflege einerseits und Familienverband andererseits. Die Ergebnisse dieses Projektes erlauben eine gewisse Verallgemeinerung und es erscheint als ein Desiderat der Forschung, dass es solche Untersuchungen nicht auch für andere Regionen und Ballungsräume (Metropolen) gibt.

Petra Hohn (Leipzig) sprach als Betroffene und erste Vorsitzende des Bundesverbandes Verwaiste Eltern in Deutschland e.V. über das schwierige Thema „Tod zur Unzeit – Verlust eines Kindes, Verlust von Geschwistern“. In ihrem Vortrag wurde deutlich, wie schwer der Umgang mit dieser Thematik in unserer Gesellschaft und wie wichtig die Arbeit des Verbandes ist. Der Tod eines Kindes stürzt Eltern in tiefste Verzweiflung. Besonders gravierend für die gesamte Gesellschaft – und weitgehend unbekannt – ist die große Anzahl der Betroffenen. Nach Angaben des VEID sterben jährlich circa 25.000 Kinder und junge Erwachsene in Deutschland. Der Bundesverband Verwaiste Eltern in Deutschland e.V. stellt mit seinen Angeboten Hilfe und Unterstützung für alle zur Verfügung, die mit dem Tod eines Kindes – gleich welchen Alters – leben müssen oder zu tun haben. Darüber hinaus sind die Verwaisten Eltern ein Netzwerk von inzwischen fast 500 Gruppen in ganz Deutschland. Als wichtig und schwierig zugleich beschrieb Hohn auch die Erinnerungs- und Trauerarbeit auf Friedhöfen.

Olaf Ihlefeldt (Stahnsdorf) referierte in seiner Funktion als Friedhofsverwalter des Südwestkirchhofs Stahnsdorf. Er verdeutlichte am „Beispiel Südwestkirchhof Stahnsdorf – Darstellung eines Friedhofes“, wie wichtig und interessant die Erhaltung eines kulturhistorisch bedeutsamen Friedhofes sein kann. Mit einer Fläche von über 200 ha ist dieser zwischen Potsdam und Teltow gelegene Bestattungsort viel zu groß für die gegenwärtigen Bestattungszahlen. Die Verbindung zur Metropole Berlin („Leichenbahn“ von 1913) existiert seit dem Mauerbau 1961 nicht mehr. Mit der Folge, dass die Bestattungszahlen signifikant abnahmen. Der Südwestkirchhof ist daher heute nicht mehr nur Begräbnisplatz (größter Waldriedhof Deutschlands), sondern eine kultur- und kunsthistorisch bedeutsame Friedhofsanlage, die mit ihrer bedeutenden Vergangenheit Besucher aus aller Welt anzieht.

Helmut Krauss (Berlin) berichtete in seiner Funktion als zuständiger Friedhofsverwalter über „Probleme der städtischen Friedhöfe Berlins – am Beispiel des Waldfriedhofes Heerstraße“. Dabei verdeutlichte er exemplarisch, mit welchen Schwierigkeiten es die städtischen Friedhöfe in einer Metropole wie Berlin zu tun haben. Krauss sprach den Wandel der Bestattungskultur an, der sich in den letzten 50 Jahren vollzogen hat. Dabei wurde ebenso die kommunale Gebührenordnung als auch das veränderte Bestattungsverhalten (unter anderem die Zunahme von Urnenbeisetzungen) thematisiert. Aufgrund eines ganzen Bündels an Problemen kam es zu der Entwicklung eines Friedhofsentwicklungsplanes (FEP), der vom Senat von Berlin am 27. Juni 2006 beschlossen wurde. Der FEP soll durch eine bezirksübergreifende, sowohl landeseigene als auch konfessionelle Friedhöfe berücksichtigende Planung, eine abgestimmte bedarfsorientierte Reduzierung der Bestattungsfläche erreichen – ohne die einzigartige Friedhofslandschaft Berlins in ihren wesentlichen Elementen zu beeinträchtigen. Den Erhalt von Friedhöfen und Friedhofskultur sieht Krauss allein durch verstärkte Bürgernähe, besserem Service und guter Öffentlichkeitsarbeit gesichert.

Oliver Krüger (Princeton) bereicherte das Symposium um seinen außereuropäischen Beitrag zum Thema „Gebettet für die Ewigkeit. Ökonomische Aspekte amerikanischer Friedhofskultur.“ Er verwies darauf, dass es in den USA lediglich 25% Kremierungen gibt (zum Vergleich: Deutschland circa. 50%). Darüber hinaus besteht ewiges Ruherecht, das heißt, es finden de facto keine Neubelegungen bestehender Gräber statt. Drei große Unternehmen haben den Markt unter sich aufgeteilt: Die Service Corporation International (SCI), die Loewen Group und Stewart Enterprisis. Sie alle besitzen eine große Anzahl Friedhöfe und Bestattungshäuser. Durch diese quasi Monopolstellung ist die Preisstruktur relativ hoch, ein wirklicher Wettbewerb besteht kaum. Krüger verdeutlichte die unterschiedliche Bestattungskultur in den USA und Deutschland bzw. Europa.

Ulrike Wallot (Freiburg) referierte über „Mögliche Problemstellungen mit Friedhofsordnungen – unter anderem mit der Grabgestaltung“. Mit diesem auch für den alltäglichen Umgang mit Friedhöfen wichtigen Aspekt beleuchtete Wallot mögliche Streitigkeiten um die zulässigen Grenzen einer individuellen Grabgestaltung – die die Verwaltungsgerichtsbarkeit verstärkt beschäftigen. Denn auf allen Friedhöfen gelten bestimmte Gestaltungsrichtlinien für Grabstellen bzw. die Art der Grabbepflanzung. Beispielsweise werden Gesteine, Farben oder Form der Grabsteine vorgegeben. Die Wahrung der Würde des Friedhofes ist grundsätzliches Prinzip, private Wünsche müssen vor dem religiösen und ästhetischen Empfinden der Gesamtheit zurücktreten.

Am Ende des ersten Tages fand eine Podiumsdiskussion zum Thema „Kirchliche und nichtkirchliche Trauerrituale“ statt. Als Diskutanten waren vertreten: Pröpstin Friederike von Kirchbach/Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Pfarrer i.R. Nikolas Weinges, Regina Malskies (Humanistischer Verband Deutschland) und Petra Hohn (Bundesverband Verwaiste Eltern e.V.). Moderiert wurde die Diskussion von Oliver Krüger (Princeton). Nach kurzen Statements wurden die Teilnehmer zu Unterschieden bzw. Ähnlichkeiten im Umgang mit Bestattungen und Trauernden befragt. Dabei stellte sich heraus, dass nach wie vor die Kirchen Ritualimpulsgeber sind, an denen sich weltliche Gruppen orientieren. Diskutiert wurde darüber hinaus die Entwicklung, dass beispielsweise nur noch 88% der evangelischen Kirchenmitglieder kirchlich bestattet werden – in Berlin sei der Anteil sogar auf rund 35% gesunken. Die weitere Diskussion mit dem Publikum zeigte, dass die überlieferten kirchlichen Rituale im Kontext des Todes weiterhin „beliebt“ seien, wenn auch Veränderungen und Modifikationen erwünscht wären.

Der zweite Tag des Symposiums begann mit einem Vortrag von Maciej Lagiewski (Breslau). Er gab einen historischen und kunsthistorischen Abriss der Geschichte des 1942 geschlossenen „Alten jüdischen Friedhofs in Breslau“. Lagiewski wies auf die deutlichen Unterschiede des Breslauer Friedhofs zu anderen jüdischen Nekropolen des alten Europa hin. Der besondere Charakter ist auf „Haskala“ zurückzuführen – eine Aufklärungsbewegung, die ihren Anfang in Deutschland nahm und das Judentum im Geiste der Assimilation zu reformieren versuchte. Der Vortrag Lagiewskis stand in engem Zusammenhang mit dem darauffolgenden Beitrag von Dagmar Denzin und Eckhard Rieke, zwei Lehrer der Thomas-Mann-Oberschule/Berlin zu ihrem „Jugendprojekt auf dem jüdischen Friedhof in Breslau“. Die Thomas-Mann-Oberschule führt jedes Jahr ein Projekt auf dem Breslauer Friedhof mit Schülern durch, die bei diesem (freiwilligen!) Einsatz nicht nur das Nachbarland besuchen, sondern gleichzeitig viel über Bestattungs- und Friedhofskultur, Denkmalschutz sowie Kunstgeschichte lernen sollen. Die Darstellung der Lehrer wurde ergänzt durch ein Video, in dem einzelne Schüler zu ihrer Motivation und Einstellung zum Thema „Tod“ befragt wurden.

Nathanja Hüttenmeister/Duisburg referierte über „Leerer Raum? Zur Geschichte des jüdischen Friedhofes in der Großen Hamburger Straße in Berlin“. Ihrem Vortrag liegt eine Studie zugrunde, die Nathanja Hüttenmeister zusammen mit Christiane E. Müller zu den beiden Friedhöfen Große Hamburger Straße und Schönhauser Allee vorgelegt haben. Im Vortrag fokussierte sie den jüdischen Friedhof in der Großen Hamburger Straße und wies darauf hin, dass die Forschung hier bisher an detaillierten Studien wenig Interesse hatte. Durch die Detailstudie erfuhren die beiden Berliner jüdischen Friedhöfe – in Mitte (Gründung im 17. Jahrhundert) und in Prenzlauer Berg (Gründung im 19. Jahrhundert) – erstmals seit Jahrzehnten verstärkte wissenschaftliche Aufmerksamkeit.

Der Vortrag von Hans-Dieter Heine/Kassel und Ingolf Wernicke (Berlin) über „Kriegsgräber – Gedenk- und Bildungsarbeit“ beschäftigte sich mit einem in der Öffentlichkeit wenig bekannten Aufgabengebiet des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.: Der Jugend- und Bildungsarbeit. Zunächst stellte Wernicke kurz die Entwicklungsgeschichte des Volksbundes dar. Anschließend referierte Heine über grundlegende Aspekte der Jugend- und Bildungsarbeit. Er betonte, dass der Volksbund mit der Jugendarbeit das Ziel verbindet, Jugendliche an die Gräber der Opfer von Krieg und Gewalt zu führen und sie für die Folgen von Krieg und Gewalt zu sensibilisieren. Zudem wies Heine darauf hin, dass die Arbeit des Volksbundes in der Öffentlichkeit immer noch zu wenig bekannt sei.

Volkmar Schneider (Berlin) referierte zum Thema „Der nicht natürliche Tod in der bildenden Kunst“. Nach einer einführenden Darstellung der Arbeit eines Rechtsmediziners kam Schneider auf sein spezielles Interesse zu sprechen, nämlich dem nicht natürlichen Tod in der bildenden Kunst. Schneider stellte die Frage, weshalb sich Künstler überhaupt mit dem Thema beschäftigen und kam zu der Erkenntnis, dass es durchaus mit einer besonderen Sensibilität zu tun haben könnte. Schneider verdeutlichte dies zum Beispiel anhand von Bildern wie die „Enthauptung Johannes’ des Täufers“ von Caravaggio und „Der Tod des Marat“ von Jacques-Louis David. Wie faszinierend Verstorbene, der tote Körper, auf Künstler wirken können, zeigte Schneider auch am Beispiel von Käthe Kollwitz, die wiederholt im Leichenschauhaus war, um dort zu zeichnen. Ebenso gab es immer wieder Künstler, die vom Tod regelrecht besessen waren – zum Beispiel Edvard Munch oder Otto Dix. Schneider betonte zudem abschließend, dass der Künstler mit seinen Werken ein (wenn auch unbewusstes) Verlangen danach hat, mit seinem Werk unsterblich zu werden.

Den Schlussvortrag über ihr „Aureus-Projekt“ hielten Sabine Theis-Krömer (Mainz) und Rupert Krömer (Mainz). Dabei handelt es sich um ein Bürgerprojekt zum Erhalt des Mainzer Hauptfriedhofs "Aureus", wie die Mainzer den Friedhof nach einem Bischof nennen. Das Projekt wurde mit der Aureusnacht“ bekannt, veranstaltet von der katholischen City-Kirche, dem Vitruv-Verlag und der Gesellschaft Nekropolis Moguntia. Das „Aureus-Projekt“ entstand – wie bei den meisten Bürgerprojekten – aus persönlicher Betroffenheit und gegen amtliche Willkür.

Der Vortrag von Stephan Hadraschek (Berlin) zum Thema „Friedhofskultur als Ausdruck der Volksgemeinschaft? Anspruch und Wirklichkeit im Nationalsozialismus“ wurde aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nicht gehalten. Die Beiträge von Christiane E. Müller (Duisburg) „Über die Funktionen eines jüdischen Friedhofs am Beispiel der Schönhauser Allee“, von Lutz Rehkopf (Hamburg) über „Öffentlichkeitsarbeit auf dem größten Parkfriedhof der Welt“ und von Wolf-Borwin Wendlandt (Berlin) über „Historische Grabdenkmäler als Spiegel der Bildhauer- und Baukunst am Beispiel Berliner Friedhöfe“ mussten wegen Krankheit entfallen.

Das Symposium verdeutlichte, wie vielfältig und interessant die Beschäftigung mit dem Thema „Bestattungskultur“ sein kann – und wie viele (wissenschaftliche) Fragen noch offen sind. Die vorausgehende Überlegung der Veranstalter, Theorie und Praxis zu verbinden, tat der gesamten Veranstaltung gut. Die parallel laufende Ausstellung „Still. Bilder zum Tod“ ergänzte das Symposium sehr gut. Ein Tagungsband ist derzeit in Planung. Die Veranstalter planen eine Fortsetzung der Tagung im Frühjahr 2008 zum Thema „Trauerkultur“.

Anmerkung:
1 Schmied, Gerhard, Friedhofsgespräche. Untersuchungen zum 'Wohnort der Toten', Opladen 2002.

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Telefon: 030/400092 70, - 71, Fax:030/40009273,
e-mail:info@heimatmuseum-reinickendorf.de

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