Traditionen, Zäsuren, Umbrüche. Inschriften des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit im historischen Kontext (11. Internationale Fachtagung für Epigraphik)

Traditionen, Zäsuren, Umbrüche. Inschriften des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit im historischen Kontext (11. Internationale Fachtagung für Epigraphik)

Organisatoren
Akademie der Wissenschaften zu Göttingen; Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald
Ort
Greifswald
Land
Deutschland
Vom - Bis
09.05.2007 - 12.05.2007
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Von
Helga Giersiepen, Arbeitsstelle Inschriften, Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften

Die Epigraphik des Mittelalters und der frühen Neuzeit hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten als Grundlagenwissenschaft etabliert, die zahlreichen Geisteswissenschaften wertvolles Quellenmaterial zur Verfügung stellt. Die deutschen und österreichischen Akademien der Wissenschaften unterhalten mit dem Editionsunternehmen „Deutsche Inschriften“ ein epigraphisches Projekt, das aufgrund der Vielgestaltigkeit seiner Forschungsobjekte seinerseits fächerübergreifend angelegt ist. Folgerichtig wurde auch für die diesjährige Fachtagung für Epigraphik, die sich mit Kontinuität und Wandel im Spiegel inschriftlicher Quellen des 15. und 16. Jh. befasste, ein interdisziplinäres Konzept gewählt: Übergreifende Fragestellungen wurden jeweils von einem Epigraphiker und von einem Historiker, Philologen, Theologen oder Kunstwissenschaftler beleuchtet. Die Vorträge werden in einem Tagungsband veröffentlicht, der im Frühjahr 2008 im Verlag Dr. Ludwig Reichert erscheinen soll.

Themenkomplex „Visualisierung und Erklärung von Glaubensinhalten im Mittelalter und in der Reformationszeit“

Berndt Hamm (Erlangen-Nürnberg): „Die Vorstellung vom himmlischen Richter in Bildbeischriften des ausgehenden Mittelalters“
Hamm untersuchte die spätmittelalterliche Gerichtsikonographie im Hinblick auf das ihr zugrunde liegende theologische Konzept. Er stellte Darstellungen vor, die dem vor allem von der evangelischen Kirchengeschichtsschreibung häufig postulierten katholischen Konzept des strafenden, verdammenden Gottes nicht entsprechen, sondern in der Tradition von Mystik und Scholastik Gott als barmherzigen Richter beim Partikulargericht zeigen. Dabei unterscheidet er einen Bildtyp mit Christus und Maria als gleichzeitigen Fürsprechern für den Verstorbenen und einen zweiten, der eine Interzessionskette über mehrere Stationen zugunsten des Verstorbenen zeigt und auf der im 12. Jh. entwickelten Vorstellung von der Heilstreppe beruht. Beide Wege der Fürbitte führen jedoch zwangsläufig zur barmherzigen Erlösung, zur Gnade Gottes.

Christine Wulf (Göttingen): „Bildbeischriften in frömmigkeitsgeschichtlichem Kontext – Funktionswandel in Inschriften auf kirchlichen Ausstattungsstücken vom hohen Mittelalter bis zum 16. Jahrhundert“
Nach Auswertung der mehr als 60 bislang erschienenen Bände der „Deutschen Inschriften“ ging Wulf auf breiter Quellenbasis der Frage nach, inwiefern sich die Funktion von Bildbeischriften im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat. Während Namen und Überschriften, die der Identifizierung dienen, bis ins 16. Jh. verbreitet bleiben, sind komplexe exegetische Tituli, die das Bild auf mehreren Ebenen deuten, nur bis zur Mitte des 13. Jh. zu finden. Dialogisch angelegte Spruchbandinschriften, die über Zitate eine Identifizierung von Szenen und Personen ermöglichen sollen, sowie deiktische Beischriften und Heiligenanrufungen sind weitgehend auf das Mittelalter beschränkt. Die unter reformatorischem Einfluss angestrebte Rückbindung des Bildes an die Bibel führt dazu, dass im 16. Jh. besonders in evangelischen Bereichen häufig die Bibelstellenangabe die identifizierende Funktion übernimmt.

Themenkomplex „Genealogie und landesherrliche Selbstdarstellung im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit“

Oliver Auge (Greifswald): „Zwischen Innovation und Tradition – Epigraphische Zeugnisse fürstlicher Selbstdarstellung in Mecklenburg und Vorpommern um 1500“
Auge stellte mehrere Beispiele für Epitaphien und Gedenksteine aus Mecklenburg und Vorpommern vor, die in teilweise erheblichem zeitlichen Abstand nach dem Tod eines Fürsten von einem Nachfolger errichtet wurden. Die Anfertigung eines Denkmals für einen glänzenden, wenn auch längst verstorbenen Herrscher impliziert dessen direkte dynastische Verbindung oder politische Parallele zum Auftraggeber. Insbesondere in Situationen, in denen die politische Gemengelage unklar war, bedienten sich Fürsten des 16. Jh. dieses Mittels, um sich selbst als wahren Erben des großen Vorgängers darzustellen oder eigene politische Ansprüche zu unterstreichen. Die Memorialabsicht ist also ebenso retro- wie prospektiv, das eigentliche Ziel der Stiftung liegt in der fürstlich-dynastischen Repräsentation.

Renate Kohn (Wien): „Konstruktion und Fiktion – Der epigraphische Niederschlag genealogischer Konzepte der österreichischen Landesfürsten“
Im späten 15. und im 16. Jh. wurden in mehreren österreichischen Kirchen und Schlössern Genealogien der Babenberger und Habsburger als Wandmalereien ausgeführt, die die Herrschergeschlechter in Form einer Aneinanderreihung der Ahnen oder eines Stammbaums präsentieren. Familiär orientierte Genealogien wie der ältere Ambraser Stammbaum umfassen alle Familienmitglieder, während politisch ausgerichtete Ahnenreihen wie die Fürstenscheiben von St. Stephan nur die regierenden Habsburger zeigen. Die Intention der Genealogien ist je nach dem Entstehungszusammenhang in einer Würdigung der Stifterfamilie (etwa des Stifts Klosterneuburg) oder in der genealogischen Selbstdarstellung des Auftraggebers zu suchen. Zielgruppe war dabei nicht die Öffentlichkeit, sondern der Kreis der im Haus verkehrenden Gäste.

Themenkomplex „Sprache und Prestige – Inschriftensprache zwischen 1517 und 1648“

Jürgen Macha (Münster): „Variation, Konvergenz und Divergenz unter dem Einfluss von Reformation und Gegenreformation“
Für das 16. Jh. lässt sich im römisch-deutschen Reich eine kulturelle und sprachliche Heterogenität bis in die Kanzleisprache hinein feststellen. Aufgrund ihrer Bindung an den kirchlichen Raum bieten sich Glockeninschriften für die Untersuchung konfessionell motivierter Präferenzen für Schreibvarietäten, Formulare und Inhalte sowie die Wahl zwischen Latein und Deutsch an. Tatsächlich lassen sich in Glockeninschriften gewisse Unterschiede zwischen katholisch oberdeutscher und lutherisch ost-mitteldeutscher Schreibung feststellen. Sowohl die Erwähnung Mariens und der Heiligen als auch die Verwendung apotropäischer Sprüche, die auf die Vorstellung einer Schutzfunktion der Glocke zurückgehen, sind Spezifika katholischer Glocken. Im evangelischen Bereich ersetzt der Funktionsname häufig den mit der Glockentaufe verbundenen Glockennamen. In beiden Konfessionen ist ein Rückgang lateinischer Inschriften im 16. Jh. feststellbar, doch bleibt der katholische Anteil an lateinischen Texten langfristig etwas höher.

Dagmar Hüpper (Münster): „Gedenken, Fürbitte und Wunsch. Wandeltendenzen gegen beharrenden Zeitgeist.“
Anhand von Braunschweiger und Nürnberger Material untersuchte Hüpper das Formular von Inschriften des Totengedenkens. Datum, Name, Todesnachricht, Charakterisierung und Individualisierung des Verstorbenen, Voten und Glaubensspruch stellen verschiedene sprachliche Handlungen dar, die jede für sich genommen eine Einzelfunktion, alle gemeinsam aber eine Gesamtfunktion ausüben. Insbesondere bei den Voten lässt sich im behandelten Material eine sprachliche Entwicklung nachvollziehen, die von dem Gnadenwunsch (ab 14. Jh.) über die Formulierung „dem Gott gnädig und barmherzig sei“ (ab etwa 1520) bis zur Hoffnung auf eine „fröhliche Auferstehung“ (ab Mitte 16. Jh.) führt. Bei der Formulierung der Todesnachricht entsprechen die Verben „entschlafen“ und „verscheiden“ im Unterschied zum älteren „sterben“ (starr werden) dem Auferstehungsgedanken.

Themenkomplex „Inschriftensammlungen des 15. bis 17. Jh. aus historischer und philologischer Sicht“

Dieter Mertens (Freiburg): „Oberrheinische Humanisten um 1500 als Sammler und Verfasser von Inschriften“
Gegenstand des Vortrags waren handschriftliche Sammlungen des späten 15. und des 16. Jh., ihre wechselseitige Abhängigkeit und ihre Wirkung. Thomas Wolf d. J., Petrus Andreas Gammarus, Konrad Peuttinger und andere sammelten italienische Inschriften und nahmen über ihre Sammlungen Einfluss auf oberrheinische Sammler. Überliefert wurde ein bestimmter Bestand an Inschriften, der von einem zum anderen Sammler weitergegeben wurde und zur „Ausbildung eines eigenen kleinen Kosmos“ führte. Die gemeinsame Motivation der Sammler bestand zum einen darin, auf Papier zu bewahren, was in Stein unterzugehen drohte. Andererseits überlieferten die Sammlungen eine in Italien verbreitete Praxis, die für nachahmenswert erachtet wurde, die Anfertigung von Inschriften nach diesem Vorbild fördern sollte und nachweisbar Einfluss auf Inschriften des 16. Jh. genommen hat .

Andreas Zajic (Wien): „Gedruckte Sammlungen mittelalterlicher und neuzeitlicher Inschriften aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Invention und Intentionen eines gelehrten Genres“
Einige der in den Blick genommenen gedruckten Inschriftensammlungen beabsichtigten eine möglichst korrekte Reproduktion tatsächlich existierender Texte und Denkmäler. Anderen hingegen lag ein vorwiegend literarisches Interesse an den Inschriften zugrunde. Letztere entwickelten sich bis zum 17. Jh. zu einem literarischen Genre. Durch ein Layout, das einen originalen Inschriftenträger vorgibt, erreichten sie eine Pseudo-Authentizität, die eine Unterscheidung zwischen Original und literarischem Produkt erschwert.

Themenkomplex „Tod und Begräbnis vor und nach der Reformation“

Susan Karant-Nunn (Tucson): „Memento mori und Gelassenheit. Kontinuität und Neuerung bei Tod und Begräbnis in der jungen evangelischen Kirche“
Ausgangspunkt des Vortrags war die Frage nach den praktischen Auswirkungen reformatorischen Gedankengutes auf den Umgang mit dem Tod. Drastische Darstellungen des Todes, die im katholischen Umfeld die Forderung nach Buße unterstreichen sollten, wurden in der evangelischen Kirche dem sola-fide-Gedanken entsprechend abgemildert. Die besondere Rolle der Märtyrer und der Bezug zwischen Toten und Lebenden, wie er im katholischen Jahrgedächtnis seinen Ausdruck fand, wurden von der evangelischen Kirche abgelehnt. Originär evangelische Elemente sind die Leichenpredigt, die Verwendung schlichter Leichentücher und die (von Luther abgelehnte) Bestattung ungetaufter Kinder in geweihtem Boden. Insgesamt wurde das Verhältnis zum Tod in der evangelischen Kirche entdramatisiert und verinnerlicht.

Franz Jäger (Halle): „Vorreformatorische Heiligenlegenden in der protestantischen Sepulkralkultur“
Gegenstand des Vortrags war das Epitaph für Laurentius Hoffmann, den 1630 verstorbenen Apotheker und Leibarzt des sächsischen Kurfürsten. Vor seinem Tode erteilte Hoffmann selbst den Auftrag für sein Epitaph in der Ulrichskirche in Halle. Obwohl der Verstorbene Lutheraner war, schöpft die Ikonographie des Epitaphs mit der Darstellung der heiligen Laurentius und Stephan aus katholischen Bildthemen. Doch wird im evangelischen Zusammenhang mit den Heiligen keine Hoffnung auf Heilsvermittlung verbunden, vielmehr stehen sie als Vorbilder für Standhaftigkeit im Glauben selbst in der Todesstunde. Die Ikonographie des Epitaphs steht also im Zeichen der Ars moriendi.

Themenkomplex „Sepulkralkultur zwischen Spätgotik und Renaissance im Rhein/Main/Mosel-Gebiet“

Ursula Thiel (Mainz): „Figürliche Epitaphien des Adels und der Geistlichkeit – Wege in die Moderne“
Im 14. und 15. Jh. dominiert im Rhein-Main-Gebiet die Grabplatte mit Umschrift und Ganzfigur, wobei eine Entwicklung zu komplexeren Gestaltungsformen nicht feststellbar ist. Adelsgrabplatten geben der Präsentation der Wappen viel Raum und tragen oft idealisierende Darstellungen des christlichen Ritters. Für die Mainzer Erzbischöfe ist eine Reihe ähnlich gestalteter Epitaphien überliefert, die die Kirchenfürsten unter Baldachinen in Architekturrahmung stehend zeigen.

Eberhard J. Nikitsch (Mainz): „Ein neuer Grabmalstyp für Kleriker – Import, Innovation oder Variation?“
Eine kleine Gruppe rhein-main-moselländischer Grabplatten und Epitaphien für Kleriker, in den 1510er und 1520er Jahren entstanden, zeigt eine figürliche Darstellung des Verstorbenen mit einer über den Körper gelegten Inschriftentafel. Als Vorbild kommen die Grabplatte bzw. das Herzepitaph für Nikolaus Cusanus in Bernkastel-Kues in Frage (1488), dessen Gestaltung wiederum an der Grabplatte des Nikolaus in Rom (S. Pietro in Vincoli) orientiert sein dürfte. Grabplatten und Epitaphien mit aufgelegter Inschriftentafel sind also weder als reiner Import noch als autochthone Neuerung des Rhein-Main-Moselgebietes, sondern als Variation zu betrachten.

Einzelvorträge:

Harald Drös (Heidelberg): „Tradition und Wandel an der Schwelle zur Neuzeit. Inschriften auf Waffen, Rüstungen und Kriegsgerät“
Aus dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit ist eine nahezu unüberschaubare Menge von Waffen, Rüstungen und Kriegsgerät mit Inschriften überliefert. Die Texte umfassen eine große Bandbreite von Besitzernamen über Bildbeischriften, Waffenreden bis zu Devisen und Mahnsprüchen. Herstellername und –ort galten als Qualitäts- und Gütesiegel, Anrufungen und Gebete sollten Schutz vor Verwundung und Tod gewähren. Obwohl viele Inschriftenarten über Jahrhunderte hinweg nachweisbar sind, lassen sich gewisse zeitliche Differenzierungen ausmachen. Typisch mittelalterlich ist etwa der Waffensegen, während antike Bildprogramme mit Beischriften humanistischen Einfluss erkennen lassen. Entwicklungen der Kriegsorganisation spiegeln sich in Seriennummern auf Helmen und Rüstungen wider.

Fr. Jerome Bertram (Oxford): „Languages used on Inscriptions in England, 1300-1700“
Während in England im kirchlichen Bereich das Lateinische für Inschriften Anwendung fand (Grabplatten, Glasfenster), wurde von Laien im 14. Jh. die französische Sprache bevorzugt (überwiegend Versinschriften in normannischem Dialekt). Erst mit dem Rückgang des französischen Einflusses, der sich etwa im 1370 vollzogenen Wechsel zum Englischen als Gerichtssprache manifestiert, wurde Englisch zunehmend auch in Inschriften verwendet. Der Wechsel zur Volkssprache vollzog sich auf dem Land früher als in den Städten. Auch die Mischung verschiedener Sprachen auf demselben Träger oder sogar in derselben Inschrift ist belegt.

Michael Brocke (Duisburg): „Die Denkmäler und Inschriften des alten jüdischen Friedhofs in Worms“
Der jüdische Friedhof in Worms überliefert 1300 Inschriften des 11. bis 18. Jh. Während die Form der Grabsteine sich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat, folgt der Text im Wesentlichen demselben Formular, das nach dem Datum (nach jüdischer Zeitrechnung) die Todesnachricht („verschied“), den Namen des Verstorbenen sowie einen Segenswunsch („Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens“) beinhaltet. Zahlreiche Texte lassen biblische Bezüge erkennen.

Ilas Bartusch (Heidelberg): „Konventionen des antiken Herrscherlobs in frühneuzeitlichen Inschriften“
Basis der Untersuchung waren mehr als 50 Inschriften an landesherrlichen Grabdenkmälern aus dem letzten Viertel des 16. und dem ersten Viertel des 17. Jh. In dieser Zeit finden antike Topoi Eingang in das inschriftliche Herrscherlob, insbesondere prudentia, iustitia und fortitudo. Die Friedfertigkeit des Herrschers wird im 16. Jh. mehrfach hervorgehoben, im 17. Jh. dann nicht mehr thematisiert. Auch Bildung und eine als christliche Tugend umgedeutete Leidensbereitschaft werden angesprochen. Angaben zur individuellen Herrschaftsausübung stellen eine ergiebige biographische Quelle dar. Neben antiken Vorlagen dürften vor allem Fürstenspiegel sowie reformatorisches Gedankengut Einfluss auf die Formulierung des Herrscherlobs genommen haben.

Forum „Epigraphik im Ostseeraum“

Ziel des Forums war es, den Tagungsteilnehmern Einblicke in die Inschriftenüberlieferung und die epigraphische Forschung der Ostseeanrainerstaaten zu gewähren.

Birgitte Bøggild Johannsen (Kopenhagen): „Epigraphy in the Danish Inventory of Churches ‚Danmarks Kirker’ – Paradigms, Potentials and Perspectives“
Bøggild Johannsen stellte das kunsthistorische Inventar der dänischen Kirchen „Danmarks Kirker“ vor, das 1933 begründet wurde und im Rahmen der Inventarisierung auch Inschriften berücksichtigt. Eine Auswertung der bereits erfassten Bestände ergibt, dass auch an einigen prominenten Standorten in Dänemark seit dem ersten Drittel des 16. Jh. für hochstehende Persönlichkeiten humanistisch geprägte Epitaphien mit neulateinischen Inschriften entstanden, die sich an italienischen Vorbildern orientieren.

Jörn Staecker (Visby): „Traditionsbewusstsein und Identitätsmerkmal – Die mittelalterlichen Grabplatten der Insel Gotland“
Der Zusammenhang zwischen Sprache und Inhalt von Inschriften und dem Selbstverständnis ihrer Auftraggeber lässt sich anhand eines Vergleichs der städtischen mit den ländlichen Inschriften auf der schwedischen Insel Gotland gut nachvollziehen. Während Visbys Stellung als Hansestadt zur Ausbildung einer europäischen Identität und einer an europäische Usancen angenäherten Inschriftenpraxis führte, behielt man auf dem Land die traditionellen Gewohnheiten in der Ikonographie, in der Schrift (Runenschrift bis ins 15. Jh.) und ihrer Anordnung bei.

Reijo Pitkaränta (Helsinki): „Die lateinischen Inschriften in den Kirchen Finnlands von 1300 bis 1700“
Zwischen 1994 und 2004 wurden im Rahmen des Projektes „Ecclesiarum Finlandiae Inscriptiones Latinae“ die lateinischen Inschriften in finnischen Kirchen erfasst. Die Inventarisierung ergab 933 lateinische Inschriften in ca. 230 Kirchen und auf 80 Friedhöfen. Der geographische Schwerpunkt der Inschriften, die zwischen 1290 und 2000 entstanden sind, liegt im Südwesten des Landes.

Natalija Ganina (Moskau): „Mittelalterliche Epigraphik in Russland – Quellen und Forschungen“
Der russische Inschriftenbestand sticht durch seine außerordentliche Sprachenvielfalt hervor (altrussisch, lateinisch, griechisch, hebräisch, kufisch, türkisch, Runen). Ganina stellte altrussische Inschriften des 10. bis 15. Jh. auf verschiedenen Trägern vor, darunter Spinnwirteln des 11. bis 13. Jh. und Lehmgefäße des 10. bis 13. Jh. Runeninschriften (3. bis 12. Jh.) überliefern neben Eigennamen und Gedenkinschriften auch Zauberformeln. Eine Besonderheit bildet die große Gruppe der Birkenrindenurkunden, deren Texte sowohl als Runen als auch in lateinischer oder altrussischer Sprache ausgeführt sind.

Die Vielzahl und Vielfalt der Vorträge erlaubte eine umfassende Sicht auf die Frage nach Kontinuität und Wandel an der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit. Die Ergebnisse der epigraphischen, historischen, philologischen, theologischen oder kunsthistorischen Untersuchungen bestätigten und ergänzten sich dabei wechselseitig und machten wieder einmal deutlich, wie wertvoll der fachübergreifende Austausch im wissenschaftlichen Bereich ist. Vor allem stellte die Tagung unter Beweis, in welch vielfältiger Weise die Auswertung von Inschriften zur Erforschung historischer Entwicklungen beiträgt.


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