Comic und Stadt – Der urbane Raum in Schrift, Bild und Sequenz

Comic und Stadt – Der urbane Raum in Schrift, Bild und Sequenz

Organisatoren
PD Dr. Jörn Ahrens, Kulturwissenschaftliches Seminar der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Arno Meteling, Kulturwissenschaftliches Forschungskolleg „Medien und kulturelle Kommunikation“ (SFB/FK 427), Universität zu Köln
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.06.2007 - 09.06.2007
Url der Konferenzwebsite
Von
Jörn Ahrens, Graduiertenkolleg

Vom 7. bis zum 9. Juni 2007 widmete sich unter dem Titel Comic und Stadt – Der urbane Raum in Schrift, Bild und Sequenz eine Konferenz dem Verhältnis des Mediums Comic zum Stadtraum in ästhetischer, formaler und inhaltlicher Hinsicht. Organisiert wurde die Tagung vom Literatur- und Medienwissenschaftler Arno Meteling vom Kulturwissenschaftlichen Forschungskolleg „Medien und kulturelle Kommunikation“ (SFB/FK 427) der Universität zu Köln und dem Kulturwissenschaftler und Kultursoziologen Jörn Ahrens, Privatdozent am Kulturwissenschaftlichen Seminar der Humboldt-Universität zu Berlin. Gefördert mit Mitteln der Fritz Thyssen Stiftung fand die Tagung in den Sophiensaelen in Berlin-Mitte statt.

Der Grundgedanke dieser Tagung war kulturwissenschaftlich inspiriert und zielte auf eine eingehendere Untersuchung des Mediums, dem es in der akademischen Wahrnehmung nach wie vor nicht gelungen ist, wirklich durchzudringen. In Deutschland zumal ist der Comic außerdem bislang nicht ernsthaft im kulturellen Feld angekommen. Diese Situation zu melodramatisieren, würde bedeuten, mediale Romantik zu betreiben. Entsprechend lag die Zielsetzung der Tagung nicht darin, ein marginalisiertes Medium zu nobilitieren, sondern einen konstruktiven Beitrag zur interdisziplinären Implementierung einer Comic-Wissenschaft zu leisten, die formale, inhaltliche und ästhetische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Dieser Zugriff erwies sich als über die Verbindung des Mediums Comic mit dem Stadtraum gut leistbar, für die mehrere Gründe sprachen. Zunächst ergibt sie historisch Sinn, denn wie der Film entsteht der Comic an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert just dann als auch der für das 20. Jahrhundert kennzeichnende urbane Lebensraum verwirklicht wird. Comic und Stadt sind daher schon historisch eng miteinander verbunden. Diese Nähe wurde in den beiden die Konferenz einleitenden Vorträgen noch einmal medienhistorisch hervorgehoben. Wie kein anderes Medium ist der Comic mit der gezielten Erschließung eines Massenpublikums verbunden und setzt sich endgültig durch, als New Yorker Zeitungszaren wie William Hearst das neue Medium gezielt einsetzen, um neue Leserschichten jenseits der gebildeten Klassen an ihre Produkte zu binden. Bezeichnenderweise besetzen viele dieser frühen Strips auch gleich die großformatige Inszenierung des Stadtraums selbst. So spiegelt sich Jens Balzer (Berliner Zeitung) zufolge in den Arbeiten Richard Felton Outcaults (Yellow Kid), mehr noch aber in Winsor McCays Little Nemo, das zeitgenössische Bemühen um einen panoptischen Blick, der sich der neuartigen Stadtlandschaften ästhetisch und sozial bemächtigen will. Die Architektur der Stadt widersetzt sich schließlich dem von Michel Foucault als paradigmatisch für das 19. Jahrhundert herausgearbeiteten Bemühen, um die vollkommene visuelle Erfassung des sozialen Umfeldes in diversen Institutionen, deren Ausbau auch mit der Expansion der neuen Massengesellschaften zusammenhängt – so etwa das Gefängnis, das Asyl, das Irrenhaus. Die soziale Besetzung der Stadt setzt diese Bemühungen fort. Nicht nur medial konkurrieren der privilegierte Panorama-Blick, der von oben das gesamte Stadtbild erschließt und der Straßenblick des gewöhnlichen Passanten, der sich rasch an der Monumentalität der Stadt bricht. Am Beispiel eines Little Nemo-Strips zeigte Balzer eindringlich das mögliche Scheitern dieser Bemühungen. Schließlich spiegelt der Comic auch die städtische, vor allem die US-amerikanische Topographie wider; das klassische Panelsystem ist angelegt wie das Gridmuster eines Stadtplans. In dieser Perspektive legte Ole Frahm (Hamburg) dar, dass sich die Urbanität des frühen Comic Strips zu weiten Teilen weniger aus dessen Sequentialität ergibt (wie man nach Will Eisners Standardwerk Comics as Sequential Art annehmen könnte), sondern dem Arrangieren von Blickwinkeln, die innerhalb der einzelnen Panels eine eigene Statik entfalten. Das Panel für sich genommen wird damit schon zu einem narrativen Fenster zur Welt, das eine Geschichte erzählt, noch bevor es sich mit anderen Panels zur Story verknüpft.

Der Comic und die Stadt werden aber außerdem gleichermaßen von einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit dem Raum und dessen Gestaltung durchherrscht. Nachhaltig hat der Comic das Bewusstsein der modernen urbanen Kultur geprägt und seinerseits die Stadt als ein Epizentrum seiner Dramatik etabliert. Die Mythen des Alltags, darauf weist schon Roland Barthes hin, sind ohne den Comic gar nicht mehr denkbar. Superman und Batman als zwei der geläufigsten Gestalten dieser Mythologie sind dem Comic entsprungen und stellen zugleich eine klare Reaktion auf das noch relativ neue und gefährliche Lebensumfeld der Großstadt dar. Während nun der Aufbau der Tagung nach Schau- und Produktionsplätzen gleichermaßen gegliedert war, wurde rasch deutlich, dass die die Konferenz nachhaltig bewegenden Fragen sich auf keine der größeren diskutierten Comic-Kulturen wie USA, Europa oder Japan eingrenzen ließen.

Dazu gehört zu allererst das Phänomen des Retrofuturismus, das zwar auch im Film zu finden sein wird, im Comic aber eine spezifische Verdichtung gefunden hat. Zum ersten Mal tauchte es, ohne hier als Begriff genannt zu werden, am Donnerstagabend im Vortrag von Keynote-Speaker Scott Bukatman (Stanford) auf. Bukatman präsentierte eine deutlich autobiografisch geprägte Untersuchung der Inszenierung von Superhelden, womit er sich als einer der anwesenden „Aca-Fans“ (Academic Fan) outete. Das Augenmerk seines Vortrags lag jedoch nicht auf bekannten Aspekten der Dramaturgie oder Symbolisierung, sondern auf Fragen der Ästhetik und des Stils. Bukatman fokussierte die Betonung der Körpersprache von Superhelden. Deren Eigenart, Masken zu tragen, schränkt ihre mimischen Möglichkeiten bekanntlich erheblich ein, woraus die Notwendigkeit resultiert, dem Leser die Empfindungen der Charaktere auf andere Weise zu vermitteln. Die Mittel dazu findet Bukatman in einer extensiven, poetischen Körpersprache, deren Traditionslinien er auf den Stummfilm und insbesondere auf Musicalinszenierungen zurückführte. Zwar war es dem Konferenzthema leicht abträglich, dass Bukatman zur Illustration seiner These fast ausnahmslos mit Filmbeispielen, vornehmlich aus dem Disney-Animationsfilm The Incredibles (US 2004) arbeitete und nur wenig Comic-Beispiele einfließen ließ. Dennoch war speziell seine Parallelisierung der Körperführung in The Incredibles und dem Tanz Gene Kellys in Singin’ in the Rain beeindruckend. Deutlich wurde, wie sehr der Superheldencomic und der -animationsfilm sich hier von einer scheinbar ganz anderen Poesie des Körpers beeinflusst zeigen und wie auch in diesem Sinne die Virtuosität des Körpers hier zum Bestandteil einer urbanen Kultur wurde. Denn die tänzerische Geste ist ja nicht nur expressiv, sondern eignet sich auch den städtischen Raum individuell an. Dass das eigentlich nicht im Sinne der Ordnungsstruktur dieses Raumes ist, erschließt sich an der Figur des Polizisten, der Kellys Regentanz misstrauisch stoppt.

Offiziell wurde der Retrofuturismus mit dem Beitrag von Henry Jenkins (Cambridge, MA) der diesen Begriff anhand der Comics Dean Motters, speziell an dessen Serien Mister X, Terminal City und Electropolis ausarbeitete. Jenkins konnte zeigen, inwieweit die Arbeiten Motters eine nostalgische Erinnerungspolitik bezüglich vergangener Zukunftsentwürfe nicht realisierter Utopien darstellen. Der Retrofuturismus inszeniert vornehmlich urbane Zukünfte, die bereits vergangen sind, schaltet sich somit also performativ in die Selbstverständigung der Gegenwartskultur darüber ein, welches Bild sie von sich selbst vorstellen möchte und welche konjunktivischen Zukünfte heute versperrt sind. Er ordnet sich damit in eine am Konjunktiv vergangener Möglichkeiten orientierte benjaminische Geschichtsphilosophie ein, ästhetisiert und übertreibt gleichermaßen, Wunschvorstellungen.

Eine Analyse des Bezugs des klassischen Superhelden Batman zur Stadt unternahm William Uricchio (Cambridge, MA), der Batman als unablöslich von dessen urbanen Hintergrund „Gotham City“ zeigte. Gotham stellt nicht nur eine düstere Abschattung von New York City dar, sondern wird zum Projektionsraum für jede von Kriminalität bedrohte Stadt. Batman zeigt sich dabei als souveräner Beherrscher aller Blicke in der Stadt, sei es der schon in Balzers Vortrag angesprochene panoptische Blick oder auch der auf Straßenhöhe, um mit diesem urbanen Regime das Verbrechen in Zaum zu halten. Interessant jedoch ist, dass wie Uricchio anhand von Erhebungen aufwies, die Mehrheit der Batman-Leser sich gerade nicht in den Großstädten findet, sondern in kleineren Städten zuhause ist.

Dass mimetische Geschichtspolitiken sich auch in europäischen Comics und mit Jacques Tardi bei einem Zeichner, der ästhetisch keineswegs für Nostalgie steht, finden, demonstrierte Michael Cuntz (Köln). Interessant dabei ist, dass Tardis Werk leitmotivisch durch mehrere verschiedene Auseinandersetzungen mit der Stadt Paris geprägt ist. So existieren ganz unterschiedliche Zugänge des Zeichners zur Stadt zwischen der Serie Adèle de Blanc-Sec auf der einen Seite, worin ironisch Motive der populären Kultur des fin de siècle verarbeitet werden (und die darin dem Retrofuturismus Motters ähnelt) und seinen Adaptionen der Krimis von Manchette und Leo Malet. Werden im ersten Fall permanent Pariser Sehenswürdigkeiten inszeniert, so zeichnen sich letztere durch zwar originalgetreue, aber alltägliche Stadtansichten aus. Auf diese Weise wird Paris hier zur Stadt an sich und verschmilzt atmosphärisch zum universell dechiffrierbaren urbanen Ort, was die performative Bedeutung der Stadtlandschaften im Werk Tardis unterstreicht. Bemerkenswert ist außerdem der ästhetische Umgang Tardis mit seinen Szenarien, die insbesondere in der Farbgebung ihre historische Epoche jeweils widerspiegeln – so die Jugendstilfarben der belle époque der Jahrhundertwende in Adèle, die Annäherung an die Schwarz-Weiß-Kontraste des Film Noir in den Krimis nach Malet oder die zarten, an das Technicolor der 1950er-Jahre erinnernden Farben in Tödliche Spiele.

In diesen Themenkomplex lässt sich schließlich auch Björn Quirings (Frankfurt/Oder) Vortrag über den britischen Comic-Autor Alan Moore einordnen. Quiring thematisierte in erster Linie dessen Comic-Roman From Hell, eine Interpretation der Geschichte um den Londoner Serienmörder „Jack the Ripper“, die er in ein Narrativ kleidet, das nicht nur eine Verschwörungsgeschichte um die königliche Familie entwirft, sondern auch zahlreichen Zeitgenossen wie Oscar Wilde, Bernhard Shaw etc. Cameo-Auftritte verschafft. Arrangiert nach dem Vorbild eines mittelalterlichen Gedächtnistheaters nimmt From Hell unter den zahlreichen städtischen Narrativen Moores (Swamp Thing, V for Vendetta, Watchmen) eine Sonderstellung ein. Die retrofuturistischen Zügen sind hier allerdings als Wahnidee des Mörders in die Handlung integriert. So versucht „Jack the Ripper“, William Gull, der mordende Arzt Queen Victorias und Freimaurer, der aufkeimenden urbanen Moderne eine pagane Identität wiederzugeben. Auffällig wird dann seine irritierte Antizipation eines London der 1980er-Jahre dargestellt, das er hervorgebracht hat, mit dem er allerdings nichts mehr anzufangen weiß. Schade ist, dass Quiring diesen Strang nicht intensiver verfolgt und die Verbindungen zwischen Medialität, Stadtraum und Opfergeschichte in den Blick genommen hat. Denn bei Moore rückt die Stadt selbst als Protagonist ins Zentrum der Geschichte und flicht um die Schauplätze Londons herum eine vom Kabbalismus inspirierte mythologische Erzählung, die auf den Kontext von Kultur und Gewalt verweist. Hier ergibt sich auch eine Überschneidung zum Vortrag von Greg Smith (Atlanta), der Will Eisners Serie "Spirit" als formal klar durch die Vaudeville-Theater der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beeinflusst kenntlich machte. Smith lenkte die Aufmerksamkeit auf die ästhetischen Qualitäten Eisners, der den Stadtraum in besonderer Weise nicht nur als Bildraum, sondern speziell als leitend für die gesamte Panelstruktur einer Seite etablierte. Auf diese Weise erhält die Atmosphäre städtischer Interieurs bei Eisner große Dichte, ohne dass der Stadtraum besonders prominent in Szene gesetzt wird, ist er trotzdem allgegenwärtig. Die Figuren Eisners sind zwar eindrucksvoll und (ähnlich dem Befund Bukatmans) mit eindeutig theatralischen Gesten in Szene gesetzt, erscheinen aber gerade, weil sie klar dem Muster eines bestimmten Ausdruckskanons folgen, sogar in ihrer Physiognomie und ihren Gesichtern oft austauschbar und redundant. Hingegen ist in diesen Geschichten die Stadt als eigentliches Hintergrundsujet stets von unverwechselbarer Prägnanz und Akzentuierung.

Das Gegenteil von Retrofuturismus war Thomas Beckers (Berlin) narratologisch orientierte Lektüre der Nikopol Trilogie Enki Bilals. Becker forcierte eine deutlich politische Interpretation der Arbeiten Bilals und seiner futuristischen Inszenierung von Städten wie Paris, London oder Berlin. Diese situierte er im Kontext der These des Kunsthistorikers Otto K. Werckmeisters von der Ausbildung abgeschotteter „Zitadellenkulturen“. Die exzentrische Geschichte machte er lesbar als Allegorie auf aktuelle europäische Minderheiten- und Einwanderungspolitiken. Diese Lesart gelang überraschend konsistent, denn der esoterisch anmutende Zyklus Bilals legt eine politisch inspirierte Interpretation scheinbar zuallerletzt nahe.

André Suhr (Berlin) führte schließich in das Werk Marc-Antoine Mathieus ein, der in seiner Serie Julius Corentin Acquefacques eine fortlaufende Untersuchung der formalen und ästhetischen Bedingungen, Möglichkeiten und Begrenzungen des Mediums mit den Mitteln des Comics selbst durchführt. Mathieu narrativiert das Problem des Narrativs ebenso wie das der Perspektive, des sequentiellen und doch statischen Mediums Comic und seines Materials Papier. Hintergrund dieser Geschichten ist eine bürokratische Stadtgesellschaft, die, angelehnt an Max Weber, Georg Simmel und Franz Kafka, just den Visionen vom entfremdeten Großstadtleben entspricht, wie sie zur Zeit der Entstehung des Mediums kursierten. Mathieu nimmt also die kulturellen Entstehungsbedingungen des Mediums auf und macht daraus ein Untersuchungsinstrument des Mediums selbst.

Der japanische Manga ist seit sicher 15 Jahren die international erfolgreichsten Variante des Comics. Diesem Phänomen näherte sich Sebastian Deterding (Bonn) mit einer Analyse der ausgeprägten Obsession japanischer Populärkultur für apokalyptische Themen und Figuren, die er auf das Kriegsgeschehen im Zweiten Weltkrieg, vor allem auf die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, zurückführte. Von Keiji Nakazawas Barfuss durch Hiroshima bis zu Katsuhiro Otomos Akira zieht sich dieses Motiv durch die Geschichte des Manga, und auch die Godzilla-Filme schließen an dieses Phantasma natürlich an. Die Zerstörung der urbanen Welt macht demzufolge heute eine ihrer wichtigsten Mythen aus. Dem stellte Jaqueline Berndt (Yokohama) eine Sicht auf aktuelle Mangas gegenüber, die sich intensiv der Auseinandersetzung mit dem Stadtraum als Vermischung von privatem und öffentlichem Raum zuwenden und in denen das Element der Katastrophe vollständig fehlt.

Schließlich erläuterte Andreas Platthaus (FAZ), wie sehr die von Erika Fuchs in den 1950er- und 1960er-Jahren übersetzten Donald Duck-Geschichten von Carl Barks’ eine deutsche Variante der Serie entstehen ließen, die einen überaus hohen Grad an Eigenständigkeit besitzt. Platthaus konnte zeigen, wie drastisch Fuchs Barks’ Geschichten kulturell konsequent eindeutschte und ihres spezifisch amerikanischen Kontextes entkleidete; „Duckburg“ und „Entenhausen“ sind keineswegs nur verschiedene Namen für die gleiche Stadt, sondern bezeichnen kulturell äußerst verschiedene urbanisierte Universen, einmal in einem fiktionalisierten Amerika, dann in einem nur zu konkreten deutschen Umfeld.

Abschließend beleuchtete Pascal Lefèvre (Leuven) die Stadt Brüssel und ihre Rolle sowohl für die europäische Comicproduktion als auch als Sujet für Comics. Während Brüssel schon seit den 1920er-Jahren neben Paris der wichtigste Ort für die Produktion und den Vertrieb von Comics in Europa war, wurde es zunächst erstaunlich wenig als Stadtlandschaft inszeniert, etwas das vor allem mit der Orientierung auf einen Export der Geschichten ins benachbarte Frankreich zu tun hatte.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Beiträge zu dieser Konferenz gezeigt haben, welch erhebliches, noch weitgehend unausgeschöpfte Potential zum Verständnis ästhetischer, gesellschaftlicher und kulturell-symbolischer Zusammenhänge der Moderne das Medium Comic besitzt. Den Ansatzpunkt dabei auf eine Analyse des Stadtraums im Comic zu legen, erwies sich durch die Verschränkung historischer und formaler Aspekte als sinnvoll und chancenreich. Weiterhin gearbeitet werden muss allerdings an Instrumentarien für eine adäquate Analyse des Mediums. Obwohl bereits diverse Beiträge in diese Richtung vorliegen (etwa die Arbeiten Will Eisners, Scott McClouds oder Thierry Groensteens), besteht im Vergleich zu einem Medium wie dem Film nach wie vor erheblicher Nachholbedarf. Hier besteht enormer Spielraum für weitere Untersuchungen, die spezifischen Bedingungen des Mediums zu erkunden, das sich weder in die Buchtradition noch in die Eigenheiten des filmischen Bildes einfügt. Deutlich wurde auf dieser Tagung auch, dass sich, nahegelegt durch den hybriden Charakter des Mediums selbst, eine Untersuchung des Comics vor allem als interdisziplinäres Projekt anbietet. Fächer wie Kultur-, Literatur- und Medienwissenschaft, Kunstgeschichte aber auch die Soziologie können hier noch einige Pionierarbeit leisten. Schließlich zeigte sich auch, dass ein ausgesprochener Bedarf an einer interdisziplinären, vor allem internationalen Diskussion des Mediums Comic in allen seinen Aspekten besteht, der im Rahmen der Konferenz oftmals weit eher festgestellt als gestillt werden konnte. Vor allem mit Blick auf einen internationalen Diskurs existiert ein erhebliches Defizit. Obwohl das Sprachproblem vor Ort kaum ins Gewicht fiel, gab es doch erhebliche Verständigungsprobleme zwischen den Kulturen, da die Vertreter der einzelnen Kontinente sich in der Mehrzahl auch als Vertreter der zugehörigen Comic-Kulturen auswiesen. Hier besteht dringender Interaktionsbedarf, der sich unter anderem auch darin widerspiegelt, dass der Manga von zwei deutschen Vortragenden (wovon eine immerhin in Yokohama lehrt) bearbeitet wurde.

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PD Dr. Jörn Ahrens
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Kulturwissenschaftliches Seminar
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