Napoleonische Expansionspolitik. Okkupation oder Integration?

Napoleonische Expansionspolitik. Okkupation oder Integration?

Organisatoren
Deutsches Historisches Institut Rom, Deutsches Historisches Institut Paris
Ort
Rom
Land
Italy
Vom - Bis
28.03.2007 - 30.03.2007
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Von
Patrick Bernhard, Zeitgeschichte, DHI Rom

Welche langfristig vereinheitlichenden Folgen zeitigte die Napoleonische Expansionspolitik in den von Frankreich annektierten Ländern Europas, wo hingegen traf das imperiale Ausgreifen umgehend auf Abgrenzung und Widerstand? Im Spannungsfeld dieser beiden grundlegenden Fragen bewegte sich eine Tagung, zu der die Deutschen Historischen Institute von Rom und Paris 23 Forscherinnen und Forscher aus sechs Ländern Ende März nach Rom eingeladen hatten. Die von Guido Braun, Gabriele Clemens, Lutz Klinkhammer und Alexander Koller organisierte und von der DFG mitfinanzierte dreitägige Konferenz beschäftigte sich dabei nicht nur mit den Auswirkungen des französischen Besatzungsregimes auf klassische Sektoren wie Verwaltung, Wirtschaft und Justiz. Auch Kultur und Umwelt kamen zu ihrem Recht.

Das Tagungsprogramm spiegelte damit die inzwischen weit ausdifferenzierte Forschungslandschaft zur Napoleonischen Zeit wider, deren Entwicklung Stuart Woolf in seinem Einleitungsreferat Revue passieren ließ. Er wies zunächst darauf hin, dass die frühere französische Forschung die Epoche sehr stark über die Person Napoleon erklärt und zugleich als Höhepunkt französischer „Gloire“ verklärt habe, während aus italienischer und borussischer Perspektive die Okkupationszeit lange Zeit eher als kurzfristige und folgenlose Unterbrechung der eigenen nationalen Entwicklungslinien interpretiert worden sei.
Vergleichend und transfergeschichtlich ausgerichtete Studien, die nach langfristigen Wirkungen dieser Jahre und der dabei gemachten Erfahrungen fragten, seien dagegen erst verhältnismäßig spät aufgekommen. Uneinigkeit bestehe in der Forschung deshalb noch in der Frage, in welchem Maß Frankreich die besetzten Staaten durchdrang und integrierend wirkte, wobei Woolf mit Blick auf den Titel des Kongresses davor warnte, das Empire als eine Vorwegnahme der Europäischen Einigung zu verstehen. Der in Venedig lehrende britische Historiker plädierte abschließend dafür, bei der Frage nach den längerfristigen Wirkungen mindestens die Zeit bis zur Revolution von 1848/49 in den Blick zu nehmen.

Wie die überwiegend vergleichenden Länderbeiträge zur ersten, von Lutz Klinkhammer und Guido Braun geleiteten Sektion „Raum und Politik“ sehr deutlich zeigten, konnte von einer einheitlichen Integrationspraxis des französischen Zentralstaats nicht die Rede sein. Dazu waren zunächst die Ausgangsbedingungen in den linksrheinischen Gebieten und der Schweiz (Gabriele Clemens), im Piemont und in Ligurien (Michael Broers), in Süditalien (John Davis), in Tirol und Illyrien (Reinhard Stauber) und im Kirchenstaat (Massimo Cattaneo) viel zu unterschiedlich. Im zentralistisch-absolutistischen Piemont beispielsweise ging die Übernahme der Verwaltungselite für den französischen Zentralstaat leicht vonstatten, im traditionell von selbstbewussten Großkaufleuten geprägten Genua dagegen gestaltete sich dieser Vorgang ausgesprochen schwierig, weil die dortigen städtischen Magistrate ehrenamtlichen Charakter trugen. Weil es der genuesischen Verwaltung laut Broers an Professionalität fehlte, waren die Aufstiegschancen für Einheimische im Gegensatz zu Piemont, das regelrechte französische Mandarine produzierte, letztlich sehr begrenzt.
Beinahe noch größere Unterschiede ergab der vergleichende Blick auf Tirol und Illyrien. Im ersteren Fall trafen französisch-bayerische Herrschaftsansprüche auf den Eigensinn einer traditionsreichen Region, an denen die gebietsmäßigen und administrativen Neuordnungspläne der Besatzer teilweise sogar scheiterten. Ganz anders im Fall Illyrien: Der künstliche Satellitenstaat an der Adria überdauerte den Fall Napoleons, eben weil eigene Traditionen fehlten, wie Wolfgang Schieder in seinem Kommentar unterstrich. Aus diesem Grund versuchten kroatische Kreise in den 1830er-Jahren, den Napoleonischen Kunststaat bewusst zur eigenen „Nation Building“ zu benutzen.
Vergleichbare Entwicklungen lassen sich aber auch in anderen Besatzungsgebieten beobachten. Lokale Eliten unterstützten französische Reforminitiativen und hielten auch nach 1815 immer dann an den „Errungenschaften der Revolution“ fest – so der verallgemeinerbare Befund –, wenn sie sich mit den eigenen Vorstellungen und Zielsetzungen deckten. So waren etwa die lokalen Eliten in Neapel durchaus sehr findig darin, die Reformprojekte des Empire den Eigeninteressen dienstbar zu machen. Das gilt in besonderem Maße für die Einführung des Code Civil, der es örtlichen Juristen erlaubte, sich als „Hohepriester“ des französischen Rechts zu profilieren. Aber auch im Rheinland verteidigte man schließlich hartnäckig das französische Justizwesen, weil in den Augen der beteiligten Akteure das preußische System einen Rückschritt bedeutet hätte. Erst im Abstand mehrerer Jahrzehnte überformte sich die Erinnerung an die französische Zeit: Nun wurde sie vorrangig als „Fremdherrschaft“ wahrgenommen.
Ein zweiter limitierender Faktor für die französischen Integrationsbemühungen stellte die Napoleonische Kriegsführung dar: Unter den Bedingungen ständiger militärischer Aggression in Europa blieben die entsprechenden Bemühungen begrenzt. Schließlich machten die Repressionen der französischen Besatzer gegenüber Widerstand die eigenen Aufbaubemühungen wieder zunichte, was sich besonders eklatant am Beispiel des Kirchenstaats zeigte. In der Metropole Rom wurden Deserteure wie Aufständische in großer Zahl hingerichtet.
Trotz der offenkundigen Verschiedenheit der Napoleonischen Herrschaft in den okkupierten Gebieten – von einem (einheitlichen) Empire kann deshalb nicht gesprochen werden – stellte Schieder in seinem Sektionskommentar drei gemeinsame Charakteristika aller besetzten Gebiete heraus: Erstens habe Napoleon in keinem der artifiziellen Staaten und annektierten Territorien eine echte Autonomie geduldet. Zweitens seien die örtlichen Eliten in der Regel nicht als agierende, sondern lediglich als reagierende Kräfte aufgetreten. Drittens habe eine habituelle Clan-Loyalität die Möglichkeit zur Expansion des Empire eröffnet.

Besonders nachhaltige Wirkungen zeitigte die französische Besatzungszeit auch in den Bereichen Militär, Justiz und Polizei, wie die zweite Sektion „Gesellschaftliche Transformationen und Wahrnehmungsmuster, Kriegsgesellschaft“ deutlich machte, die Gabriele Clemens leitete. So konnte Lutz Klinkhammer am Beispiel des Rheinlandes und Piemonts aufzeigen, dass in diesen beiden Regionen neben dem metrischen System auch die französische Rechtsordnung und die dazugehörigen Strafverfolgungsbehörden fest etabliert wurden. Beide Einrichtungen sollten nach den Vorstellungen der Besatzer die entscheidenden Instrumente zur Durchsetzung der neuen Gesellschaftsordnung sein. In der Theorie gründete diese auf einer Justiz, die frei von Willkür war. In der Praxis ging die Einführung des französischen Strafrechts (trotz gewisser Verbesserungen wie der Einschränkung der Todesstrafe) jedoch nicht mit sonderlicher juristischer Milde einher. Ganz im Gegenteil: Entgegen aller aufklärerischen Rhetorik nahm die Repression – nicht zuletzt aufgrund eines deutlich verstärkten Polizeiapparats – unter französischer Besatzung teilweise sogar zu. Gewalt erfuhr die außerstädtische Bevölkerung im Piemont und im Rheinland im Alltagsleben vor allem über die tagtäglichen Kontrollen, die die Gendarmerie ausübte.
Diese war es auch, die die Umsetzung der von den Franzosen eingeführten allgemeinen Wehrpflicht erzwang, wie Alexander Grab in seinem Beitrag veranschaulichte. Die „levée en masse“ galt zwar bereits Zeitgenossen als eine der zukunftsträchtigsten Neuerungen der Napoleonischen Epoche. Zugleich war sie in den Besatzungsgesellschaften, die bis dahin in der Regel nur Söldnerheere kannten, aber auch extrem umstritten. Es kam zu massenhaften Desertionen, die von den französischen Sicherheitskräften wiederum mit brutaler Repression beantwortet wurden.
Nach Grab war die allgemeine Wehrpflicht jedoch nicht nur die autoritäre Zwangsmaßnahme eines Militärstaats, sondern besaß auch modernisierende und sogar egalitäre Elemente. So hatten nun weitgehend alle männlichen Bürger Wehrdienst zu leisten. Über die Einführung und Aufrechterhaltung der Wehrpflicht wurde zudem der staatliche Machtapparat in ganz entscheidender Weise gestärkt. Zum Unterhalt der Armee stellte Frankreich etwa das Steuersystem auf ganz neue Grundlagen. Das war letztlich auch ein ganz entscheidender Grund dafür, warum beinahe alle französisch besetzten Gebiete Europas nach dem Fall des Korsen die allgemeine Wehrpflicht beibehielten.
Schließlich entfaltete nach Grab der Aufbau von Massenheeren eine nicht unbeträchtliche nationalisierende Wirkung: Im egalisierend wirkenden Wehrdienst seien Piemontesen zu Italienern und Westfalen zu Deutschen geworden. Dieser These wollten allerdings nicht alle Tagungsteilnehmer in der anschließenden lebhaften Diskussion beipflichten und hoben stattdessen stärker auf das Moment der Kontinuität zum Ancien Régime ab. Anna Maria Rao griff in ihrem Kommentar diese Frage noch einmal auf und wies darauf hin, dass ungeachtet derartiger Einwände bereits die institutionelle Trennung von Militär, Justiz und Polizei ein hervorstechendes Merkmal des modernen Staates gewesen sei.

Die Frage nach dem Mischungsverhältnis von Kontinuität und Neuerung durchzog auch die von Thierry Lentz geleitete dritte Sektion „Kulturelle Praxis und Inszenierungen“. Aus dem reich illustrierten Vortrag von Rolf Reichardt zu den antinapoleonischen Karikaturen wurde deutlich, dass der französische Herrscher von vielen Zeitgenossen primär als Zerstörer des Überkommenen, nämlich als „Weltenfresser“, dargestellt und wahrgenommen wurde. Seine Gegner hatten damit erfolgreich das von Napoleon selbst geprägte Bild eines Imperators als Herr über den Globus gegen ihn gewendet. Schließlich wurde das Weltenmotiv sogar zum Symbol für den Sieg der „Heiligen Allianz“ umgemünzt, die damit die Befreiung vom französischen „Joch“ feierte.
Zu einem vergleichbaren Ergebnis kam auch Costanza D’Elia in ihrem Beitrag zur Napoleonischen Ikonografie. Zentral war hier der Rückgriff auf christliche Motive in der Selbstdarstellung Napoleons, zugleich wurde die Neuartigkeit der Herrschaftsgewalt hervorgehoben. D’Elia sprach in diesem Zusammenhang denn auch von einem „Dualismus“ im Napoleonbild. Der Vortrag von Bénédicte Savoy bestätigte das in gewisser Weise: Napoleon ließ zahlreiche Kunstwerke aus ganz Europa nach Frankreich verbringen, wo er diese dann – noch ganz in der Tradition der Fürsten des Ancien Régime – in Kunstkabinetten sowohl zum eigenen Vergnügen als auch aus Prestigegründen ausstellen ließ. In den von Frankreich besetzten Ländern führte der „Napoleonische Kunstraub“ nach 1815 dagegen zu einer denkmalspflegerischen Modernisierung: Das bis dahin umstrittene Konzept des Museums für breitere Bevölkerungskreise setzte sich durch, weil das Verantwortungsbewusstsein für das eigene Kulturerbe durch die Erfahrung mit dem zwangsweisen französischen „Kulturtransfer“ geweckt worden war; es kam damit zu einer „Nationalisierung“ der Kultur.
Dass Napoleon auch hinsichtlich des von ihm inszenierten Staatskults letztlich in der Tradition des Ancien Régime stand, wies Volker Sellin nach. Wie bereits vor 1789 diente dieser der Befestigung des Regimes; er war ein zentraler Bestandteil der Napoleonischen Herrschaftstechnik und sollte in den von Frankreich besetzten Gebieten die dortigen Einwohner zu treuen Untertanen des Empire machen. Ungeachtet der von Napoleon betriebenen laizistischen Politik griff der Staatskult stark auf die christliche Festkultur zurück – der französische Herrscher, der an Mariae Himmelfahrt Geburtstag hatte, sollte als von Gott gewollte Obrigkeit in Erscheinung treten. Die Umsetzung des Staatskults zur Machtsicherung trug dann allerdings wiederum moderne Züge: So wurde der Ablauf der Feste in den annektierten Gebieten vom französischen Polizeiapparat bis in alle Einzelheiten überwacht, Widerstand ahndete der Staat mit Deportationen. Der Staatskult besaß nach Sellin ebenfalls ausgesprochen langfristige Folgen: Er wirkte nicht nur in Frankreich selbst bis heute nach, sondern strahlte auch in andere Staaten aus. So bediente sich nicht zuletzt die liberale Bewegung in Deutschland (etwa in Hambach) des politischen Festes.
Luigi Mascilli Migliorini machte in seinem Vortrag über die Napoleonische Memorialistik darauf aufmerksam, dass nur Jesus mehr Biografen hatte als Napoleon. Bei genauerem Hinsehen, so Mascilli Migliorini weiter, zeige sich jedoch, dass wissenschaftlichen Standards genügende Arbeiten relativ dünn gesät seien; auf etliche Publikationen nahm Napoleon noch selbst Einfluss, andere fühlten sich mehr dem belletristischen Genre verpflichtet. Vor allem aber war die Memorialistik im 19. und auch im 20. Jahrhundert sehr stark politisch aufgeladen: Das Leben des Korsen wurde vor dem Hintergrund der Restauration, der Revolution von 1848/49 und des zweiten französischen Empire jeweils ganz anders „gelesen“. Aber auch einige jüngere wissenschaftliche Arbeiten weisen nach Migliorini Schwächen auf: Sie konzentrieren sich zu sehr auf die Person des Korsen und betten seine Herrschaft nur ungenügend in den historischen Kontext ein. Dem Plädoyer des Referenten für eine „Entnapoleonisierung“ der Biografien Napoleons fügte Sektionsleiter Thierry Lentz hinzu, dass die Wissenschaft zwar Abstand zu nehmen habe von jedweder mythischen Überhöhung. Zugleich müsse aber auch der Mensch Napoleon gewürdigt werden.
Michel Espagne unterstrich in seinem zusammenfassenden Kommentar, wie entscheidend die kulturelle Dimension der Napoleonischen Herrschaft für die Entschlüsselung der Zeit sei; das Empire müsse auch als ästhetisches Objekt von der Forschung ernst genommen werden. Kunst und Kultur hätten ganz entscheidenden Anteil an der Ausbildung des Napoleonischen Charismas gehabt; in diesem Zusammenhang müsse letztlich der französische Kunstraub gesehen werden. Die nachhaltigste Wirkung seiner Herrschaft im Bereich der Kultur stellte für Espagne die Ausbildung einer transnationalen Kommunikation dar. Diese habe nicht nur den Tod des Korsen überdauert, sondern sogar auf den außereuropäischen Raum ausgestrahlt.

Die vierte und letzte Sektion unter dem Vorsitz von Alexander Koller widmete sich dem Komplex Wirtschaft und Umwelt. Mit Blick auf die Zünfte in den annektierten Gebieten und die Frage nach den Umsetzungschancen der Napoleonischen Gewerbepolitik kam Heinz-Gerhard Haupt zu dem Ergebnis, dass dort, wo die Zünfte in starkem Maß politische und soziale Nebenfunktionen wie die Armenfürsorge erfüllten und bereits vor der französischen Okkupation Gegenstand von Reformen geworden waren, der Widerstand gegen die Napoleonische Gewerbepolitik am größten war und es dort am ehesten gelang, die bestehenden Verbote zu umgehen. In den Gebieten, in denen die Zünfte dagegen schwach verankert und ihre Existenzberechtigung bereits zuvor in Zweifel gezogen worden war, ging ihre Aufhebung in der Regel ohne Probleme vonstatten. Allerdings, das unterstrich Haupt, kam es selbst dort, wo die Aufhebung des Zunftzwangs auch über das Jahr 1815 fortbestand, zu keinem tief greifenden Strukturwandel. Das wirtschaftliche Gefüge wies vielmehr eine erstaunliche Stabilität auf.
Der Frage, warum im Gegensatz dazu das französische Finanzsystem beim linksrheinischen Bürgertum auf so hohe Zustimmung stieß, dass es auch nach 1815 Bestand hatte, ging Hans-Peter Ullmann im folgenden Vortrag nach. Der Kölner Historiker stellte heraus, dass zwar insgesamt die steuerliche Belastung unter französischer Herrschaft zunahm, besser gestellte Schichten davon jedoch weniger betroffen waren. Das lag daran, dass ab 1798 die direkten Abgaben sanken und lediglich die Verbrauchssteuern stiegen, die anteilsmäßig einen geringen Anteil am Einkommen bürgerlicher Schichten ausmachten. Zudem garantierte das Napoleonische Steuersystem im Gegensatz zum Ancien Régime Rechtssicherheit. Schließlich räumten die Franzosen Vertretern des Bürgertums gewisse Mitwirkungsrechte im Finanzsystem ein.
Ein bislang von der Forschung kaum beachtetes Thema behandelte abschließend Wolfram Siemann: die Napoleonische Umweltpolitik. Der in München lehrende Historiker fasste darunter eine nachhaltige Holzwirtschaft, Reinhaltungsmaßnahmen im Bereich Gewerbe und Industrie sowie die Indienstnahme der Natur für die Napoleonische Selbstinszenierung. Wie Siemann einleitend erklärte, reagierte Napoleon mit seinen Schutzbestimmungen im Bereich der Waldwirtschaft auf den bis dahin beispiellosen Raubbau, der im Gefolge der Französischen Revolution am französischen Forst betrieben worden war. Flächendeckende Kontrollen, exakte Berechnungen und Messungen durch die eigens ausgebaute Forstverwaltung sollten sicherstellen, dass der Waldbestand für die kommenden Generationen erhalten blieb. Zukunftsweisend war auch das 1810 verabschiedete Luftreinhaltungsgesetz. Das schrieb nicht nur eine Genehmigungspflicht und eine vorherige Begutachtung des betroffenen Unternehmens durch Sachverständige vor. Auch die Öffentlichkeit sollte im Genehmigungsverfahren gehört werden. Damit setzte Frankreich Maßstäbe, die später für andere europäische Staaten vorbildlich wurden.
Seinen abschließenden Kommentar zu den drei vorangegangenen Vorträgen stellte Christof Dipper ganz unter den Leitgedanken der Moderne. In dieser Perspektive biete sich, so Dipper, ein durchaus ambivalentes Bild: Während sich auf der einen Seite mit Zentralisierung, Verwissenschaftlichung und Risikosteuerung der Beginn der finanzpolitischen und – mit Abstrichen – auch der ökologischen Moderne abzeichne, weise auf der anderen Seite das rigide staatliche Vorgehen gegen die Zünfte nicht in die Zukunft. Die Beseitigung von Institutionen der Daseinsvorsorge müsse man wohl sogar eher als unmodern bezeichnen. Das führte Dipper zu der generellen Feststellung, dass die Moderne nicht in allen Bereichen zur gleichen Zeit beginne. Gerade die nicht nach vorne weisenden Seiten der Napoleonischen Epoche – etwa die massive Ausplünderung der französischen Verbündeten – müssten seinem Dafürhalten nach in Zukunft noch stärker betont werden.

Welches abschließende Fazit lässt sich aus der Konferenz ziehen? Die in vier Sprachen abgehaltene Tagung hat eindrucksvoll belegt, wie wichtig es ist, den Blick nicht nur von Paris aus auf die Peripherie zu wenden, sondern auch umgekehrt – und zwar in vergleichender Perspektive – vom „Rand“ auf das Zentrum zu sehen. Nur so werden die Ambivalenzen und Grenzen, die die Napoleonische Expansionspolitik zwischen Okkupation und Integration kennzeichnete, letztlich wirklich deutlich.

Kontakt

Dr. Lutz Klinkhammer
Deutsches Historisches Institut Rom
www.dhi-roma.it
Dr.Dr. Guido Braun
Deutsches Historisches Institut Paris
www.dhi-paris.fr


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