Workshop zur Geschichte der Konzentrationslager

Workshop zur Geschichte der Konzentrationslager

Organisatoren
Eine von DoktorandInnen selbstorganisierte Tagung in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung in Niedersachsen, der Hansche-Stiftung, der Stiftung Erinnerung und der Heinrich-Böll-Stiftung
Ort
Hustedt (bei Bergen-Belsen)
Land
Deutschland
Vom - Bis
17.10.2002 - 20.10.2002
Url der Konferenzwebsite
Von
Christine Wolters, Hannover

In diesem Herbst fand der 9. Workshop zur Geschichte der Konzentrationslager in Hustedt nahe der Gedenkstätte Bergen-Belsen statt. Die jährlich durchgeführte interdisziplinäre Tagung richtet sich vor allem an junge Wissenschaftler, die noch nicht im Forschungsbetrieb etabliert sind und zumeist an ihrer Dissertation arbeiten bzw. sich mit dem Thema "Geschichte der Konzentrationslager" im weiteren Sinne beschäftigen. Als solche wird sie von einer wechselnden Gruppe aus dem Kreis der teilnehmenden DoktorandInnen organisiert.

Den Schwerpunkt der diesjährigen Veranstaltung bildete der Themenkomplex "Täterforschung". Weitere Themen waren die Entwicklung der Konzentrationslager gegen Ende des Krieges und die Situation der überlebenden Häftlinge nach 1945. Die beiden ersten Berichte der Tagung beschäftigten sich mit übergreifenden Forschungsprojekten.

Carina Baganz (Berlin) stellte die "Lager-Enzyklopädie" des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin vor, ein Projekt, mit dem vor allem zwei Ziele verfolgt werden: Die "Lager-Enzyklopädie" soll einerseits eine den wissenschaftlichen Ansprüchen genügende, mehrbändige Gesamtdarstellung des nationalsozialistischen Verfolgungsapparates einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Andererseits soll die Publikation allen Bereichen der politischen Bildung, dem Schulunterricht, der Wissenschaft sowie der Gedenkkultur nutzbar gemacht werden. Durch die gemeinsame Herausgeberschaft von Dr. Barbara Distel, Leiterin der Gedenkstätte Dachau, und Prof. Dr. Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung, wird eine enge Kooperation von akademischer wissenschaftlicher Forschung und der Kompetenz und Erfahrung der Gedenkstätten gewährleistet werden. Die Publikation der Ergebnisse soll in zwei Schritten erfolgen: im Metropol Verlag Berlin werden in einer Reihe ausführliche wissenschaftliche Beiträge erscheinen. Die Verbreitung über das Fachpublikum hinaus soll durch eine weitere Ausgabe in enzyklopädischer Form erfolgen.

John Cramer (Bayreuth) stellte unter dem Titel "Das SS-Personal des KZ Bergen-Belsen - ein Rekonstruktionsversuch" ein von ihm im Auftrag der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung durchgeführte gruppenbiographische Untersuchung vor. Cramer hat hierzu Informationen zu etwa 480 Personen recherchiert und ausgewertet. Die von ihm erfassten personenbezogenen Daten geben Auskunft über den sozialen und familiären Hintergrund der untersuchten Gruppe, ihre berufliche Ausbildung und politische Betätigung in der nationalsozialistischen Bewegung, ihren militärischen Werdegang, ihre Tätigkeit im Konzentrationslager sowie ihren Verbleib nach 1945. Ziel der Arbeit ist die Erstellung einer kollektiv-biographischen Sozialstatistik als Querschnitt durch alle Funktionsebenen.

Der Beitrag von Marc Buggeln (Bremen) beschäftigte sich mit dem SS-Kommandanten des Arbeitserziehungslagers Bremen-Farge, Heinrich Schauwacker. Schauwacker begann früh eine von Gewalt geprägte Karriere. Nach dem Verlust des Vaters und Pflegevaters im Ersten Weltkrieg schloss er sich 12jährig dem Stahlhelm an und trat nach seiner Malerlehre der SA bei. In den 1930er Jahren arbeitete Schauwacker für die Feuerwehr, bevor er sich zum Eintritt in die Gestapo entschloss und von 1941 bis 1943 als Angehöriger der Einsatzgruppen an den Massenvernichtungsaktionen in der Sowjetunion beteiligt war. An der Entwicklung Schauwackers untersuchte Buggeln die Rolle der Gewalt bei der SA und ihre Auswirkungen auf die Herstellung der Gemeinschaft gewaltbereiter Männer anderer nationalsozialistischer Organisationen, wie beispielsweise den Einsatzgruppen. Insbesondere wurde der Frage nachgegangen, welche Rolle die früheren Gewalterfahrungen der Täter bei der Karriere spielten und welche Erklärungsansätze zu Motiven und Handlungsmustern uns aus wissenschaftlicher Perspektive sinnvolle Schlüsse ermöglichen.

Ebenso wie Buggeln stellte Christel Trouvé (Berlin) mit der Biographie des SS-Blockführers Richard Bugdalle einen brutalen und gewaltbereiten Täter vor. Trouvé, die sich im Rahmen ihrer Dissertation mit der Geschichte des Sachsenhausener Außenlagers Klinkerwerk Oranienburg (1938-1945) befasst, recherchierte die Biographie Bugdalles besonders mit Blick auf seinen schnellen Aufstieg innerhalb der Konzentrationslager-SS. Eine scheinbar abrupte Unterbrechung erfuhr seine Karriere jedoch 1942, als er, 35jährig, zur SS-Division "Prinz Eugen" an die Front versetzt wurde. Trouvé sieht in dieser Wende der Laufbahn des Richard Bugdalle das Resultat des Funktionswandels des Konzentrationslagers zu Beginn der zweiten Hälfte des Krieges. Männer vom Typus des im Namen der Ideologie mordenden "Wächters der Ordnung", so Trouvé, benötigte man an der Front, aber nicht mehr im Konzentrationslager, wo die Häftlinge zu einem kriegswichtigen ökonomischen Faktor geworden waren.

Im Mittelpunkt des von Judith Hahn (Berlin) vorgestellten Dissertationsvorhabens zum Sanitätswesen der SS stehen die Biographien von Prof. Dr. Ernst Robert Grawitz, Reichsarzt SS, Prof. Karl Gebhardt, Oberster Chirurg der Waffen-SS, und Dr. Karl Genzken, Leiter des Sanitätswesens der Waffen-SS. Grawitz, Gebhardt und Genzken waren sowohl die ranghöchsten Ärzte der SS als auch Angehörige einer medizinischen Fachelite. Anhand der Biographien dieser Schlüsselfiguren möchte Hahn der Frage nachgehen, wie Mediziner zu Tätern (u.a. bei der Organisierung und Durchführung von Menschenversuchen in Konzentrationslagern) wurden, welche Netzwerke sie bildeten und welche Handlungsspielräume ihnen zur Verfügung standen. Hahn hat bereits mit ihrer Magisterarbeit eine biographische Studie zu Karl Gebhardt vorgelegt hat. In ihrem Beitrag zum diesjährigen Workshop hat sie sich vor allem den Theorien Giddens und Bourdieus gewidmet und damit wichtige Impulse für die Diskussion theoretischer Aspekte der Biographieforschung allgemein gegeben.

Anknüpfend an den Beitrag Hahns behandelte Ralph Gabriel (Berlin) in seinem Referat vor allem den methodologischen Zugang zur Erforschung von "Täterbiographien". Er beschäftigt sich in seinem Dissertationsvorhaben "Baumeister des Schwarzen Ordens" (Arbeitstitel) mit der Bautätigkeit der SS, insbesondere im Zusammenhang mit der Errichtung der Konzentrationslager. "Die Rekonstruktion der Biographien von Architekten, Bauingenieuren und Bauleitern" gelänge "nur um den Preis einer Totalisierung der Persönlichkeit, die Typisierung der Biographien (z.B. Täter, Mitwisser, Zuschauer, Ideologen, Karrieristen) nur durch eine massive Abstraktion der Individuen", so Gabriels These. Die handelnden Personen ließen sich darüber hinaus nicht von der Struktur trennen, in der dieses Handeln organisiert wurde. Eine Organisationsgeschichte des SS-Bauwesens sei, zwar möglich, aber unergiebig. Neben der Untersuchung der Frage danach, wie sich Biographien als Konstruktion des Habitus angemessen beschreiben lassen, ist also auch die Beantwortung der Frage nach der Struktur des Feldes, in dem sich die handelnden Personen bewegen konnten, notwendig, um zu tiefergehenden Aussagen zu gelangen.

Johannes Schwartz (Berlin) stellte in seinem Vortrag "SS-Aufseherinnen in Ravensbrück" anhand von vier Fallbeispielen die individuellen Handlungsspielräume der Aufseherinnen dar. Schwartz kommt zu dem Befund, dass die individuellen Handlungsspielräume von der Beziehung der Aufseherinnen zu ihren Vorgesetzten, den Konkurrentinnen und den Untergebenen im KZ-Alltag sowie ihren persönlichen Fähigkeiten und Kompetenzen abhingen, während die allgemeinen Handlungsspielräume von der KZ-Kommandantur sowie den übergeordneten SS-Stellen eingegrenzt wurden. So können nur Entscheidungen, die Aufseherinnen im Einzelfall getroffen hätten, Aufschluss über deren ideologische Vorstellungen geben. Zumeist kamen sie nicht mit ideologisch vorgefassten, konkreten "Gefangenenbildern" in das Lagern, sondern mit allgemeinen Auffassungen von Ordnung, Disziplin und Arbeitsmoral. In Einzelfällen lassen sich sogar Einflüsse von Häftlingen, die Funktionen in der Häftlingsverwaltung ausübten, auf die SS-Aufseherinnen erkennen. Bei keiner der in seiner Studie untersuchten Frauen, so Schwartz, kann allerdings davon ausgegangenen werden, dass sie bereit gewesen seien, ihre Wahrnehmungen vom Leben im Konzentrationslager dahingehend zu hinterfragen, dass sie ihre eigene Verantwortung am Leid der Häftlinge erkannt hätten.

Unter dem Titel "Alois Magg - Häftling, Kapo und Zivilarbeiter in nationalsozialistischen Konzentrationslagern" stellte Dirk Riedel (Augsburg) die wechselvolle Biographie des 1935 erstmals im Konzentrationslager inhaftierten sozialdemokratischen Arbeiters zur Diskussion. Magg, der während seiner KZ-Haft auch als Kapo in Arbeitskommandos im Kanal- und Straßenbau Häftlinge eingesetzt war, wurde nach Kriegsende beschuldigt, ihm unterstellte Mithäftlinge misshandelt zu haben. Er befand sich im Lager in einer "absoluten Zwangssituation", so Riedels These und musste ständig um sein Leben fürchten. Um etwas für sich oder nahe stehende Mithäftlinge tun zu können, haben sich die Funktionshäftlinge immer auf eine begrenzte Kollaboration mit der SS einlassen müssen. Die Urteile der Mithäftlinge gehen daher, je nach ihrer Stellung zum jeweiligen Funktionshäftling weit auseinander. Beachtet werden muss jedoch auch, dass einigen Funktionshäftlingen die Abgrenzung zu den von der SS gesetzten Machtstrukturen besser gelang als anderen, die sich zum Teil sehr weitgehend darauf einließen.

Der zweite Tag des Workshops wurde durch eine zusammenfassende Diskussion übergreifender Fragestellungen zur Täterforschung sowie zum Täterbegriff abgeschlossen. Der juristische Täterbegriff stellte sich als weitgehend unbrauchbar für die historische Forschung heraus. Er verlange den Nachweis einer individuellen Schuld und führte dazu, wenige als Täter und viele lediglich als Mitläufer einzuordnen (Katrin Stoll, Bielefeld). Es sei daher notwendig, eigene Begriffsbestimmungen zu finden. Ausgehend von einem genau definierten historischen Tatbegriff ließen sich eindeutig Beteiligte und Täter bezeichnen. Hierbei ist es die Aufgabe jedes Historikers, im Zusammenhang mit dem konkreten Untersuchungsgegenstand diese Definition vorzunehmen (Stefan Keßler). Die historische Forschung ist dieser Forderung in den vergangenen Jahren durch detailgenaue Rekonstruktionen von Ereignissen nachgekommen (Christoph Kopke). Zudem stelle sich die Frage, ob jemand Täter sei, für den Historiker nur am Rande. Wichtiger sei vielmehr zu untersuchen, warum er die Tat begangen habe (Rolf Schmolling). Es sollte uns darüber hinaus ein Anliegen sein, zu einem Verständnis von historischen Ereignissen und den Handlungen und Motiven der Beteiligten kommen, die über den abgegrenzten zeitlichen Ausschnitt des Nationalsozialismus hinausreichen (John Cramer). Die Erforschung der Biographien von Tätern des Nationalsozialismus sollte nicht auf einen Untersuchungszeitraum bis 1945 beschränkt werden. Um Biographien und deren Kontinuitäten vollständig zu erfassen, ist es notwendig, sie in einen zeitlichen Gesamtzusammenhang zu stellen (Christoph Kopke).

Einen Perspektivwechsel von den Tätern zu den Opfern vollzog Katrin Greiser (Weimar), die Berichte deutscher kommunistischer Häftlinge zur Räumung des Konzentrationslagers Buchenwald untersuchte. In ihrem mit dem Zitat "Die Masse von ihnen stellte kein kampffähiges Element dar" überschriebenen Referat beleuchtete sie kritisch die Darstellungen der kommunistischen Überlebenden. Deren Überlieferungen dienten, nachdem sie in den 1940er und 1950er Jahren in der SBZ und der DDR zunehmend unter parteiinternen Druck gerieten, mehr der Begründung einer deutschen antifaschistischen Tradition denn einer Beschreibung der Ereignisse. Nach 1990 fand ein Paradigmenwechsel statt, wie Greiser deutlich machte: "Im Zentrum der Überlieferung steht seither die angebliche Rettung jüdischer Gefangener." Die historische Forschung hat aufgezeigt, dass es nicht als Erfolg des Widerstandes zu werten ist, dass sich zur Befreiung noch 21.000 Häftlinge im KZ Buchenwald befanden, da das Lager von der SS nicht vollständig geräumt werden sollte. Die Überlieferung der Kommunisten suggeriert Einigkeit und Aktivität, so Greisers These. "In Wirklichkeit herrschten Panik oder Fatalismus".

Die Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald war auch Thema des Beitrags "(K)eine Rückkehr in die Normalität von Monika Neuhofer (Salzburg). Als Literaturwissenschaftlerin näherte sich Neuhofer über die Texte des ehemaligen Buchenwald-Häftlings Jorge Semprún der Zeit unmittelbar nach der Befreiung des Lagers an. Sie versuchte in ihrem Vortrag, die Ereignisse im April und Mai 1945 in den einzelnen Texten zu verfolgen, Konstanten und Veränderungen festzustellen und diese hermeneutisch im jeweiligen Text- und Schreibzusammenhang zu plausibilisieren. Die KZ-Erfahrung Semprúns stellen Kern und Ausgangspunkt seines Schreibens dar. In jedem seiner Texte betrachtete er die Vergangenheit unter einem anderen Aspekt und mit der zeitlichen Distanz notwendigerweise auch aus einer wechselnden Perspektive. "So wirft der Autor zu Beginn der sechziger Jahre, als er noch aktives Mitglied der Spanischen KP ist, zum Teil ein anderes Licht auf das in Buchenwald Erlebte als in den neunziger Jahren, als er sich vom Kommunismus bereits weit entfernt hat", so Neuhofer. Sie warf dazu die Frage auf, welcher Stellenwert dieser Art von Texten in der Literaturwissenschaft und der historischen Forschung zukommt und welche Möglichkeiten der wissenschaftlichen Verwertung als Quelle sich ergeben.

Der Themenkomplex Befreiung aus dem Konzentrationslager wurde von Stefan Keßler (Berlin) mit seinem Beitrag "Der Umgang der Nachkriegsbehörden mit den Displaced Persons" abgeschlossen. Die Gruppe der Displaced Persons umfasste im Mai 1945 in den drei westlichen Besatzungszonen etwa 13 Millionen Ausländer. Es handelte sich dabei sowohl um ehemalige KZ-Häftlinge als auch Zwangsarbeiter, ehemalige Kriegsgefangene und andere Personen. Sie waren, wie alle Nichtdeutschen, der "Ausländerpolitik" der Alliierten unterworfen. Deren Militärbehörden waren bestrebt, die DPs in überschaubaren Gruppen zusammenzufassen und zur baldigen Rückkehr in ihre Herkunftsstaaten zu veranlassen, so berichtete Keßler. Nach Beginn des Kalten Krieges gaben die Westmächte jedoch bald ihre strikte Repatriierungspolitik auf und bemühten sich um eine Ansiedlung der Betroffenen in geeigneten Drittstaaten. Mit dem Übergang der Verantwortung für die danach noch in Deutschland Verbliebenen wurde in der inzwischen gegründeten Bundesrepublik das Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer (HAG) erlassen, das den DPs einige Rechte einräumte. "Ernsthafte Anstrengungen deutscher Stellen zur Kompensation des Leides und zur Integration in die Nachkriegsgesellschaft hat es jedoch nicht gegeben", konstatierte Keßler.

Die Tagung fand mit zwei Beiträgen zum Thema Strafverfolgung von Tätern ihren Abschluss. Katerina Kocova (Liberec) stellte in ihrem Referat über die Außerordentlichen Volksgerichte in Böhmen ein bisher kaum erforschtes Kapitel der Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen dar. Die Verurteilung der Täter erfolgte aufgrund des am 19. Juni 1945 erlassenen Dekrets Nr. 16 des Präsidenten der tschechischen Republik, in dem sowohl die zu verfolgenden Kriegsverbrechen definiert wurden, als auch der offizielle Auftrag zur Bildung der Volksgerichte erging. In Böhmen bestanden insgesamt 24 solcher Gerichte. Die Grundlage von Kocovas Dissertation bilden die seit einigen Jahren zugänglichen Akten der Außerordentlichen Volksgerichte in Liberec, Litomerice, Ceska Lipa und Most. In ihrem Vortrag widmete Kocova sich insbesondere den Prozessen, die in Litomerice stattfanden und in denen u.a. SS-Männer und Kommandanten des KZ Theresienstadt verurteilt wurden. Diese seien auch im Ausland mit großem Interesse verfolgt worden, so Kocova.

In seinem zweiten Vortrag auf der diesjährigen Tagung berichtete John Cramer über sein Dissertationsprojekt "Der erste Belsen-Prozess - Perspektiven und Forschungsansätze". Der Prozess, der im Herbst 1945 in Lüneburg stattfand, war der erste, in dem sich ehemalige SS-Angehörige, Aufseherinnen und Funktionshäftlinge eines Konzentrationslagers für die von ihnen begangenen Verbrechen vor einem alliierten Gericht verantworten mussten. Cramer betrachtete in seinem Referat ausgewählte Aspekte des Prozesses, so beispielsweise die Geschehnisse im Vorfeld des Verfahrens, den Ablauf der Verhandlung, die Ursachen, Begleitumstände und Auswirkungen des Prozesses aus verschiedenen Perspektiven. Obwohl die Alliierten bereits 1943 in einer gemeinsamen Erklärung die Grundsätze für eine Ahndung nationalsozialistischer Verbrechen festlegten, verlief die Vorbereitung des Belsen-Prozesses im Sommer 1945 schleppend. Unsicherheiten bezüglich der Rechtsgrundlage und Mangel an ausgebildetem Personal bei der Beweisaufnahme bildeten, wie Cramer erläuterte, die Hauptprobleme in dieser Phase. Trotzdem gelang es dem Gericht, "einen vergleichsweise umfassenden Überblick über die personellen und funktionalen Strukturen des Lagers" zu gewinnen, so Cramer. Trotz einer umfangreichen Presseberichterstattung wurde dem Prozess, der öffentlich stattfand, jedoch nur ein geringes Interesse von Seiten der lokalen Bevölkerung zuteil. Neben den drängenden Versorgungsproblemen, wie Lebensmittelknappheit und Wohnungsnot, die die Menschen hauptsächlich beschäftigten, waren viele zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage, ihre Mitschuld an den nationalsozialistischen Verbrechen zu erkennen.

Abgerundet wurde die Tagung durch eine Exkursion in die Gedenkstätte Bergen-Belsen. Der Leiter der Gedenkstätte, Dr. Thomas Rahe, führte die Teilnehmer durch die Dauerausstellung und über das Freigelände und gab die Möglichkeit zur Diskussion des musealen und pädagogischen Konzeptes der Gedenkstätte.

Am Rande der Tagung wurden die bereits erschienen Tagungsbände "Konzentrationslager. Geschichte und Erinnerung" (2000) sowie "Abgeschlossene Kapitel? Zur Geschichte der Konzentrationslager und der NS-Prozesse" (2001) vorgestellt. Außerdem wurde die Herausgabe der Beiträge der diesjährigen Tagung in einem Sammelband beschlossen.

Der Workshop zur Geschichte der Konzentrationslager hat sich zu einem wichtigen Diskussionsforum zu diesem Thema entwickelt, an dem zunehmend auch Forschende aus dem Ausland, wie z.B. Österreich und Tschechien teilnehmen. Dieser Entwicklung hin zu einer engeren Zusammenarbeit im europäischen Rahmen wird mit der Wahl Ebensees als nächsten Tagungsort Rechung getragen.

Kontakt

Silvija Kavcic:
email: <s.kavcic@berlin.de>
Tel.: (030) 612 73 50

Uli Fritz
email: <UFritz@gedenkstaette-flossenbuerg.de>
Tel.: (09603) 921984

Nicole Warmbold
email: <nicole.warmbold@firemail.de>
Tel.: (0172) 366 80 53