Extreme Rechte: Die NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern

Extreme Rechte: Die NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern

Organisatoren
HAIT - Dresden
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.03.2007 - 22.03.2007
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Von
Matthias Rekow

Wie erklären sich die Erfolge der NPD und anderer Rechtsaußenparteien in Deutschland und Europa? Welche Strategien wenden Parteien der extremen Rechten an? Mit welchen Themen gewinnen sie die Gunst der Wähler? Diese und andere Fragen standen im Mittelpunkt einer vom Dresdner Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in Kooperation mit Politikwissenschaftlern der TU Chemnitz und der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald initiierten Tagung. Vorgestellt und kontrovers diskutiert wurden neuere Forschungen, aktuelle Projekte sowie noch unabgeschlossene empirische Studien. Ein regionaler Schwerpunkt lag auf den Ländern Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, in denen die NPD 2004 und 2006 in die Landesparlamente einziehen konnte.

Erfolgsbedingungen

In die (west-)europäische Dimension der Thematik führte der Pariser Politikwissenschaftler Patrick Moreau ein. Die Stärke einiger Rechtsaußenparteien, die jüngst durch die Formierung einer Fraktion der „Euro-Rechten“ im Europäischen Parlament dokumentiert worden ist, führte er auf den Rückgang der Parteienidentifikation, den sozial-ökonomischen Modernisierungsprozess und die mangelnde Fähigkeit der politischen Systeme zurück, auf Veränderungen rasch und nachhaltig zu reagieren. Das Aufkommen der extremen Rechten sei ein Symptom für die Krise der großen etablierten bürgerlichen und linken Parteien. Sven Schönfelder (Universität Marburg) bestätigte die wachsende Zustimmung zu Parteien der extremen Rechten auch für Deutschland. Er bezifferte das rechtspopulistische Einstellungspotential in der deutschen Gesellschaft auf 19,4 Prozent (West: 18,4 ; Ost: 24,5 ). Ostdeutsche Befragte, Frauen (!), ältere und erwerbslose Menschen, Personen aus eher ländlichen Regionen sowie Personen mit niedrigem Bildungsniveau und geringem Nettoeinkommen wiesen eine überdurchschnittliche Neigung auf. Erwerbsstatus und subjektive Bedrohung des Arbeitsplatzes spielten dagegen keine herausgehobene Rolle.

Anhand der Wahlkampfthemen von Rechtsaußenparteien analysierte Henrik Steglich (Hannah-Arendt-Institut) die Ursachen für deren Erfolg und Misserfolg. Eine günstige Agenda stelle eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Wahlerfolg dar. In der Hinwendung der NPD zu Globalisierungskritik und Sozialprotest sah er eine Art „master frame“, in den sich alte, aktuelle und neue Themen und Ideologieelemente mühelos integrieren ließen. Die regionale Varianz bei der NPD-Wahl in Sachsen führte Tim Spier (Universität Düsseldorf) in einer Aggregatdaten-Analyse auf die unterschiedliche Ausprägung der lokalen Parteiorganisation und der rechtsextremen Subkultur zurück. Ein hoher Anteil an Arbeitern, jüngeren Menschen und Männern an den Beschäftigten begünstige die Wahl der NPD ebenso wie eine wirtschaftlich schwierige Situation in den betreffenden Regionen. Zudem schneide die NPD in den Städten im Allgemeinen schlechter ab als in ländlichen Gebieten.

Strategien

„Ist die NPD ein Akteur mit voller Strategiefähigkeit?“, fragte Lazaros Miliopoulos (Universität Bonn) und systematisierte deren Strategie und Strategiepotentiale. Erklärtes Ziel der NPD sei die Erringung einer Machtposition im bundesdeutschen Parteiensystem. Diese Zielstrategie wurde in verschiedene Einzelstrategien unterteilt: 1. Netzwerk-, Bündnisstrategien; 2. Kommunikationsstrategien; 3. Organisationsstrategien in Bezug auf den Parteiapparat. Zu diesen zählte er u.a. die Vernetzung mit freien Kameradschaften, die Nutzung thematischen Brachen rechts von der CDU/CSU und die Erringung, Bewahrung und den Ausbau parlamentarischer Positionen. Mit ihren Erlebnisberichten aus den Parlamenten in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen illustrierten Benjamin Fischer (Universität Greifswald) und Franziska Brech (Dresden) das Vorgehen der NPD in den Landes- und Kommunalpolitik beider Länder. Kommunale Verankerung (Regionalisierungsstrategie), der Spagat zwischen Biedermannimage und Extremismus (Professionalisierungsstrategie) sowie eine populistische Themenagenda (Kommunikationsstrategie) prägten das Bild.

Vernetzung

In einer vergleichenden Betrachtung traditioneller Organisationsstrukturen und „freier Kameradschaften“ identifizierte Martin Thein (TU Dresden) den organisatorischen Erneuerungsprozess als eine Voraussetzung für den Aufschwung des Neonationalsozialismus. Die Bemühungen der NPD, das neonationalsozialistische Personenpotential der „freien Kameradschaften“ zu nutzen, seien dafür ein Beleg. Von der Netzwerk-/Bündnisstrategie profitieren letztlich beide: Neonationalsozialisten operierten unter dem Schutzmantel des Parteienprivilegs der NPD; zugleich lieferten sie dieser neben einem zahlenmäßigen Zuwachs eine personelle Verjüngung und über regionale und lokale Verankerung eine neue elektorale Perspektive. Wie Julia Gerlach (TU Chemnitz) darlegte, spielten die Verbote rechtsextremistischer Vereine in den 1990er-Jahren beim Wandel der NPD eine wichtige Rolle. So wurde der innerparteiliche Wandel der NPD (endogene Wirkung) beschleunigt und ihr Einfluss bzw. Status (exogene Wirkung) als Bindeglied und Sammlungsbecken gestärkt. Die mit den Vereinsverboten der 90er Jahre angestrebten politischen Ziele seien nicht erreicht worden. In einer für die demokratische Gesellschaft wenig verheißungsvollen Milieustudie schilderte Dierk Borstel (Universität Greifswald) anschließend die Vernetzung der NPD mit der neonationalsozialistischen Kameradschaftsszene in einer ländlichen Region Mecklenburg-Vorpommerns.

Intellektualisierungsbemühungen?

Vor allem die Unterschiede der NPD zu erfolgreicheren europäischen Rechtsaußenparteien in Ideologie und Programmatik arbeitete der Dresdner Politikwissenschaftler Uwe Backes heraus. Die NPD wolle eine Sammlungsbewegung werden, erweise sich bislang jedoch als sektiererische Kaderpartei ohne breite Integrations- und Bündnisfähigkeit. Dazu tragen ihre religiöse Indifferenz und ihre fehlende wirtschaftsliberale Orientierung bei. Vor allem die sozialrevolutionäre Programmatik, die unversöhnliche und unverblümte Systemfeindschaft und die NS-Affinität unterschieden die NPD deutlich von den in Westeuropa bei Wahlen erfolgreichen Formationen. Die von Backes benannten Charakteristika sah Florian Hartleb (TU Chemnitz) in seiner Analyse des NPD-Parteiorgans „Deutschen Stimme“ bestätigt. Durch ideengeschichtliche Verknüpfungen der „Anti-Haltung“ der NPD und Bemühungen, den intellektualisierten Rechtsextremismus für sich zu vereinnahmen, entwickle sich die Zeitschrift mehr und mehr zu einem rechtsextremistischen Theorieorgan. Das Verhältnis der NPD-Intellektuellen zur so genannten „Neuen Rechten“ beschrieb Armin Pfahl-Traugher (Fachhochschule des Bundes), die er als diejenige geistige Strömung kennzeichnete, die sich an den Jungkonservativen der Weimarer Republik orientiere und die mangelnde Diskurs- und Theoriefähigkeit der extremen Rechten beheben will. Im Punkt der Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates stehen sich zwei Lager, Mimikrier („Institut für Staatspolitik“) und Hardliner („Dresdner Schule“), gegenüber. Sie konnten jedoch den öffentlichen Diskurs nie in ihrem Sinne antreiben. Eine wichtige Differenz: Die von der NPD vollmundig proklamierte „Dresdner Schule“ übe sich weitgehend in politischer Mimikry-Abstinenz.

Die um begriffliche Klarheit bemühten kontroversen Diskussionen konzentrierten sich auf Fragen der Modernität, Strategiefähigkeit, Parlamentsarbeit und den Wandel der NPD sowie auf die vehemente Hinterfragung des Konzeptes der „streitbaren Demokratie“ und der Intellektualisierungsbestrebungen der „Neuen Rechten“. Gleichzeitig verdeutlichten diese die Notwendigkeit, Formen der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus zu entwickeln, die einer offenen, pluralistischen und demokratischen Gesellschaft entsprechen. Alarmismus, vorauseilender Aktionismus und Ignoranz haben sich nicht bewährt. Vereins- und Parteienverbote sind perspektivisch auf ihren Erfolg und Nutzen zu prüfen – neue, kreative Ideen, die Stärkung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Kultur erscheinen notwendig. Im Fazit lässt sich feststellen, dass den Veranstaltern es gelungen ist, mit der Unterschiedlichkeit der Herangehensweisen und Konzepte, mit thematischen Verzahnungen und Überschneidungen kon- und instruktiv umzugehen – gegenseitige Anregungen zu laufenden Forschungsprojekten und die engagierten Diskussionen gaben davon ein anschauliches Bild.

Kontakt

Matthias Rekow
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01129 Dresden
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