Arbeit in der Wahrnehmung des Mittelalters

Arbeit in der Wahrnehmung des Mittelalters

Organisatoren
Institut für Mittelalterliche Geschichte der Philipps-Universität Marburg
Ort
Ebsdorfergrund-Rauischholzhausen
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.11.2002 - 30.11.2002
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Von
Fabian Rijkers

Internationale Tagung des Instituts für Mittelalterliche Geschichte der Philipps-Universität Marburg vom 28. bis 30. November 2002 im Schloß Rauischholzhausen

Vom 28. bis 30. November 2002 fand im Schloß Rauischholzhausen eine internationale Tagung des Instituts für Mittelalterliche Geschichte der Philipps-Universität Marburg zu dem Thema "Arbeit in der Wahrnehmung des Mittelalters" statt. Sie wurde gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung. Geladen hatte Verena Postel (Marburg), die in ihrer Begrüßung und Eröffnung der Tagung bereits einen Einblick in die diversen Bereiche des Aspektes Arbeit im Mittelalter unter besonderer Berücksichtigung des bisherigen Forschungsstandes gab.

Im Mittelalter gab es, vereinfacht gesagt, eine Bipolarität der Einstellungen zur Arbeit, die sich deutlich von der vorherrschend negativen der Antike abhob. Dass Arbeit, vor allem körperliche, bei den Griechen als banausisch und eines Freien unwürdig eingestuft wurde, lehrt vor allem ein Blick auf die Werke Platons und Aristoteles! Freies politisches Handeln und unfreies Arbeiten bildeten strikte Gegensätze, besonders körperliche Arbeit machte nach Aristoteles unfähig für Muße (schole) und darin auszubildende Tugend (arete). Im römischen Kulturkreis setzte sich diese Haltung fort, in Ciceros "de officiis" kommt die Arbeitsverachtung des römischen Patriziers deutlich zum Ausdruck. Arbeit und Wirtschaft waren in der Antike keine gesellschaftlich anerkannten Lebensideale. Allein die politische Tätigkeit und der Dienst für die Gemeinschaft, die prinzipiell ohne Vergütung blieben und die finanzielle Unabhängigkeit der Amtsträger voraussetzten, galten dem Römer als ehrenvoll. Nur gleichsam in einer Unterströmung des Denkens, wie sie bei Hesiod und Vergil greifbar wird, wurde Arbeit als göttliche Bestimmung gesehen, die zur Entfaltung der menschlichen Fähigkeiten diene.
Die christliche Sicht bedeutete daher einen bedeutsamen Wandel. In Anlehnung an die Bibel wurde Arbeit einerseits als Folge des Sündenfalls negativ stigmatisiert, galt aber andererseits auch positiv als Vollendung des Schöpfungsauftrages Gottes. Im monastischen Bereich wurde sie als Voraussetzung für Autarkie, Askese und caritas verstanden. Im 10. Jh. sah der gelehrte Bischof Rather von Verona in einer Interpretation des biblischen Gleichnisses von den Talenten, die der Mensch nutzen müsse, in der Arbeit sogar die Verwirklichung des göttlichen Planes mit Hilfe der Menschen.
Erst recht im Hochmittelalter, als wirtschaftliche und demographische Expansion differenziertere Formen von Arbeit ermöglichten und eine solche gesellschaftliche Arbeitsteilung auch als Basis der Prosperität erkannt wurde, als im Zuge der kommunalen Bewegung die in Zünften organisierten Bürger ein neues Selbstbewusstsein entwickelten, stieg das Ansehen der Arbeit. Jaques le Goff sprach 1990 von einer "valorisation du travail". Umstritten ist freilich der Zeitpunkt dieses Mentalitätswandels.
Im Hochmittelalter wurde auch die im Bewusstsein der mittelalterlichen Menschen bis ins 11. Jh. fest verankerte Trennung zwischen Arbeitenden und Nichtarbeitenden in der Gesellschaft überwunden. Das weitverbreitete Schema der gesellschaftlichen Dreiteilung, die sich in der symbolischen Identifikation der dreigliedrigen Ständegesellschaft mit den drei Söhnen Noahs niederschlug, wurde aufgehoben. Bis dahin wurden die laboratores im allgemeinen Verständnis durch den dritten Sohn Ham repräsentiert, den sündigsten der drei, der seinen beiden älteren Brüdern unterstellt war, so dass auch die Arbeiter der Geistlichkeit und dem Adel gegenüber als untergeordnet galten. Seit dem 12. Jh. jedoch bildeten die sog. artes mechanicae, etwa im Didaskalion Hugos von St. Victor, nach aristotelischem Modell einen eigenen Großbereich im Wissenschaftssystem. An den Portalen der Kathedralen von Saint-Denis, Reims und Chartres breiteten sich seit dem 13. Jh. Monatsbilder aus, die Szenen der vita activa beleuchteten, die verschiedenen im jahreszeitlichen Rhythmus wiederkehrenden Arbeiten wie Getreideernte, Weinlese, Schweineschlachtung darstellten. Sie bezeugten ein neues Selbstbewusstsein der Arbeitenden, das im Kontext des sogenannten Humanismus des 12. Jh., der Renaissance der Städte, eines Bevölkerungswachstums, ökonomischer Prosperität infolge günstiger klimatischer Bedingungen und zügigen Landesausbaus bei wachsender gesellschaftlicher Arbeitsteilung eine Sicht der Arbeit verfestigte, die eher die homoiosis theou im Wege eigener, heilswirksamer Arbeit betonte denn den Strafcharakter der Arbeit und ihren Bußeffekt als Folge des Sündenfalls. Der Wandel des Gottesbildes, die Vorstellung von Gott als Arbeiter, die im Rückgriff auf spätantik-patristische Vorbilder (Origenes, Augustin) im 12. Jh. besonders im neuplatonisch geprägten Kreis der sogenannten Schule von Chartres entwickelt wurde, trug wesentlich zu einer Neubewertung der Arbeit als Nachahmung der Schöpfungstätigkeit Gottes bei.
Da es während der Tagung nicht einfach um "die Arbeit" im Mittelalter gehen sollte, sondern um deren Wahrnehmung, führte Hans-Werner Goetz (Hamburg) zunächst in die "Wahrnehmung" als Erkenntnisobjekt der Geschichtswissenschaft ein. Gerade in den letzten Jahren, so Goetz, frage man verstärkt nach der Wahrnehmung der Zeitgenossen von dem, worüber sie berichten, dem Faktum. Dies resultiere aus einer veränderten Sichtweise den Quellen gegenüber. Das Interesse sei von den res gestae zu deren Spiegelung und von der Quelle als Zeugnis zum Verfasser als Zeitzeugen gewandert. Hierüber reflektierte Goetz, indem er den Weg vom Berichteten, dem Faktum, zur Darstellung desselben im Quellenbericht durch den mittelalterlichen Verfasser und den umgekehrten Weg des modernen Historikers, der aus dem Quellenbericht Realitäten zu erfassen versucht, skizzierte. Erläutert wurde somit das komplexe Verhältnis von Faktum, Wahrnehmung, Vorstellung und Darstellung und seine Folgerungen für das methodische Vorgehen der Geschichtswissenschaft. Die darauffolgende Anwendung auf das Thema "Arbeit im Mittelalter", die mögliche Themenfelder und Fragerichtungen aufwarf, zeigte, daß der Forschungsstand zum Thema von vielen Pauschalurteilen geprägt ist.
Genau dies bestätigte Johannes Engels (Köln) in seinem Beitrag zur Einschätzung der Arbeit in den antiken heidnischen Philosophenschulen, wobei er Sokrates, Xenophon, Platon, Aristoteles und im besonderen die Stoiker behandelte. Letztere seien deshalb ausführlich zu besprechen, da zum einen in der Stoa die meisten Diskussionen über die Einschätzung von Arbeit zu finden seien, zum anderen wichtige frühchristliche Philosophen an Positionen von Stoikern angeknüpft hätten, als sie eine christliche Philosophie bzw. Theologie der Arbeit entwarfen. Engels widerlegte die häufig zu findende Ansicht, die Antike habe die körperliche Arbeit ausschließlich gering geschätzt und zeichnete im Gegensatz dazu ein sehr differenziertes Bild der Bewertung von Arbeit durch die antike Philosophie.
Von der heidnischen Antike kam man dann zum Christentum. Martin Leutzsch (Paderborn) betrachtete in seinem Beitrag die Arbeit im Neuen Testament. Obwohl man hier ein ganzes Spektrum an Arbeiten und Berufen finden könne, würden kaum Wertungen derselben vorgenommen. Aussagen wie "Der Arbeiter ist seines Lohnes Wert" oder "Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen" seien eher die Ausnahme. Zurückzuführen sei dies im besonderen darauf, daß das NT die in der Hebräischen und im antiken Judentum vorhandenen Wahrnehmungen und Wertungen voraussetze. Arbeit komme so nur in bestimmten Hinsichten vor. Bestimmte Erwerbsarbeitsrollen würden aus religiösen Motiven abgelehnt, bekämpft oder boykottiert. Weiterhin seien die frühchristliche Missionstätigkeit und gemeindeleitende Funktionen überhaupt in Kategorien von Arbeit verstanden worden. Außerdem werde die Sicherung der Lebensgrundlage im NT weniger hinsichtlich der Produktion in den Blick genommen, sondern vielmehr in Hinblick auf die Verteilung von Gütern reflektiert. Leutzsch machte besonders darauf aufmerksam, daß das Thema Arbeit in der Moderne im Blick auf das Judentum und das Christentum immer Gegenstand ideologischer Kontroversen gewesen sei. Dies habe die heutige Wahrnehmung von Arbeit im NT zu beachten.
Nach der Mittagspause verließ man die Räumlichkeiten des Schlosses, um unter der Leitung von Ursula Braasch-Schwersmann (Marburg) eine Exkursion zur nahegelegenen Wüstung Breitenborn zu unternehmen. Diese mittelalterliche Handwerkersiedlung, gelegen an einem waldreichen Talhang, gab den Tagungsteilnehmern die Möglichkeit, die ehemals dort herrschenden Lebens- und Arbeitsbedingungen nachzuvollziehen und vermittelte so auf ihre Weise Einblicke in die mittelalterlichen Agrarverhältnisse. An Ort und Stelle wurden die geschichtlichen Zusammenhänge behandelt, die zur Veranschaulichung der Tagungsthematik beitrugen.
In das Schloß zurückgekehrt, verließ man das Terrain der Philosophie und Theologie, das noch am Morgen bestimmend gewesen war. Technik- und Wirtschaftsgeschichte standen nun auf dem Programm. Dietrich Lohrmann (Aachen) sprach zum Thema "Arbeit, Maschinen, Energie im spätmittelalterlichen Alltag der Niederlande", wobei sein Ansatz der ‚strijd tegen het water', also der Kampf gegen das Wasser war. Aus dem Terpenbau, die künstliche Erhöhung von Siedlungsplätzen und die systematische Entwässerung ausgedehnter Hochmoore, die sich daraufhin durch Oxydation absenkten, habe das Problem resultiert, daß das Grundwasser die Oberfläche von Äckern und Wiesen erreichte. Lohrmann stellte nun die Frage, ob dieser Vorgang als Folge des eigenen Eingriffs in die Umwelt auch im Mittelalter schon wahrgenommen wurde. Obwohl ausdrückliche Zeugnisse fehlen, konnte er anhand von Maßnahmen (wie z.B. Dammbau) zeigen, wie man der Herausforderung begegnete und die Wahrnehmung durch die beantragten und genehmigten Maßnahmen gespiegelt wird. Der Mensch habe begonnen, nicht nur die Windenergie (Mühlen), sondern auch die Wärmeenergie durch den Abbau von Torf nutzbar zu machen. Letzteres habe erneut zu einem Wasserproblem (Plassen und Binnenmeere) geführt. Auch hier zeige sich an den regulierenden Statuten und deren ökonomisch bedingter praktischer Unwirksamkeit die Wahrnehmung der Folgen der eigenen Arbeit.
Um einen anderen Energielieferanten, die Steinkohle, ging es in dem Beitrag von Horst Kranz (Aachen). Er zeigte das Verhältnis von Kapital und Arbeit am Beispiel des Steinkohlebergbaus der Lütticher Zisterzienser von Val-Saint Lambert. In der Wahrnehmung der Zisterzienser wie auch in der Fremder bildete die zu verrichtende Handarbeit der Mönche das zentrale Charakteristikum dieses Ordens. Vor dem Hintergrund des benediktinischen Ideals von der Handarbeit schilderte Kranz die Bewältigung einer ökonomischen Krise, die das Lütticher Zisterzienserkloster im Mittelalter an den Rand der Auflösung brachte. Die Mönche hätten mit dem Abbau von Steinkohle begonnen und sich dabei nicht mehr nur auf ihre Arbeitskraft verlassen, sondern Abbaukonzessionen verpachtet. So habe sich die klösterliche Wirtschaft den Realitäten angepasst und ihr altes Ideal von der Eigenwirtschaft aufgegeben. Nun hätten nicht mehr nur die Mönche gearbeitet, sondern auch das Kapital.
An die Beiträge von Kranz und Lohrmann knüpfte sich eine rege Debatte, die um die Frage kreiste, ob, ökonomische Sachzwänge oder die "Macht der Ideen" mittelalterliche Arbeitsverhältnisse maßgeblich bestimmt hätten.

2. Tag:

Der Morgen des zweiten Tages stand im Zeichen der Philologie und wurde von Thomas Haye (Göttingen) mit seinem Beitrag "Labor und otium im Spiegel mittellateinischer Sprichwörter und Gedichte" eröffnet. Er präsentierte Sprichwörter als eine interessante aber nicht ganz unproblematische Quelle hinsichtlich der Wahrnehmung von Arbeit im Mittelalter. Die methodische Problematik bestand zum einen in der semantischen Breite der Begriffe labor und otium, zum anderen in der unklaren zeitlichen Verwendung der Sprichwörter zwischen Antike und Mittelalter und Mittelalter und Früher Neuzeit. Problematisch schien auch der mediale Charakter der mittellateinischen Sprichwörter, im Spannungsfeld zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Am wichtigsten schien es auch wieder hier, herauszustellen, daß die Sprichwörter keine allgemein verbreitete "Mentalität des Mittelalters" spiegeln, sondern nur die spezifische Mentalität gebildeter Gruppen, wie die der Kleriker.
Vom Lateinischen wechselte man dann mit dem Beitrag von Wolfgang Haubrichs (Saarbrücken) zum Mittelhochdeutschen. Dabei wurde das Wortfeld von Arbeit und Mühe thematisiert. Haubrichs führte zunächst an, der etymologische Ursprung des ahd. arabeit bzw. des mhd. arebeit sei nicht geklärt, man habe aber behauptet, es habe in seiner Frühzeit weniger die Bedeutung des nhd. Arbeit besessen, als vielmehr die Bedeutung Mühsal und Qual. So sei es möglich gewesen, die vernichtenden Urteile der höfischen Literatur gegen körperliche Arbeit durch adlige und ritterliche Gruppen zu erklären. Andererseits finde man aber Respekt vor kriegerischer und moralischer Anstrengung. Daß eine zunehmende Wertschätzung der Arbeit einsetzte, habe man auf das Mönchtum zurückgeführt, das den Askesewert der Arbeit betonte. Haubrichs zeigte nun in seinem Beitrag die Problematik dieser Erklärungsansätze, indem er durch einige Besispielinterpretationen das Wortfeld Arbeit mit seinen Synonymen und Antonymen skizzierte.
Schließlich sprach Ludolf Kuchenbuch (Hagen), inspiriert durch die einmalige Ausführlichkeit, mit der Theophilus Presbyter seine verschiedenen Herstellungshandlungen ins Wort setzte, über die opera-Semantik bei diesem Autor. Die Erörterungen zielten dabei im wesentlichen auf das Vokabular und wurden dann in einem weiteren Schritt in Beziehung zu breiteren Fragen nach der Entwicklung der sozialen Arbeitsteilung und der Beziehung zwischen Mensch, Instrument, Stoff und Werk vom 11.-13. Jahrhundert gesetzt.
Der Nachmittag war in weiterem Sinne der Kunstgeschichte gewidmet. Zunächst referierte Gerhard Jaritz (Budapest) über den Kontext der Repräsentation bzw. über die ambivalente Verbildlichung von Arbeit im Spätmittelalter. Spätmittelalterliche Bildwerke, die Szenen aus der menschlichen Arbeitswelt wiedergaben, standen häufig in einem Kontext religiöser oder profaner visueller Botschaften. Jaritz fragte nun nach eventuellen Mustern und Wertungen (positiv oder negativ), die sich auf die Rolle der Arbeit in der Gesellschaft beziehen oder verschiedene Aspekte derselben dazu verwenden, um damit andere Lebensbereiche anzusprechen oder zu beeinflußen. Das ‚Bild von der Arbeit' schaffe beim Rezipienten Nähe durch das Zeigen eines bekannten Umfeldes und habe so besser seine Botschaft transportieren, mahnen, abschrecken oder motivieren können. Dabei habe der Grad der Öffentlichkeit und die soziale Zugehörigkeit des Publikums eine wichtige Rolle gespielt. Zu erkennende Muster der kontextgebundenen Darstellung zeigten deutlich, daß gleiche oder ähnliche Bilder sehr unterschiedliche Wertungen beinhalten und vermitteln sollten, die für die Bildbetrachter sowohl positiv als auch negativ zu verstehende Botschaften und Anweisungen visuell deutlich machten.
Ute Dercks (Düsseldorf) beschäftigte sich in ihrem Beitrag nicht mit bildlichen Darstellungen, sondern mit italienischen Portalskulpturen, wobei sie am Beispiel der Darstellungen der Monatsarbeiten an der ehemaligen Porta die Mesi des Domes zu Ferrara zeigte, daß solche Monatsarbeiten ein weites Feld für ikonographische, motiv- und stilgeschichtliche Studien bieten. Das Eindringen von Monatsdarstellungen in die Sakralraumgestaltung im Hochmittelalter sei ein sicheres Indiz für die Aufwertung vorn Arbeit.
Schließlich sprach Margaretha Palzkill (Bielefeld) in diesem Rahmen über die Arbeit der ‚Heiligen Familie' und zog hierfür spätmittelalterliche Bild- aber auch Textzeugnisse heran. Dem Zuhörer und -schauer brachte sie eine nähende Maria, einen hilfsbereiten Knaben Jesus und einen schreinernden Joseph als Vorbilder für bestimmte Tätigkeiten näher, wobei letzterer auf einigen Bildern auch Hausarbeiten versah, wie das Kochen.
Am Abend hielt Johannes Fried (Frankfurt a.M.) den Festvortrag über die Modi des Gedächtnisses, der diverse, auch unbewusste, die Erinnerung verfälschende Einflüsse auf dem langen Weg vom Ereignis zur historischen Darstellung namhaft machte. Daraus ergab sich, wie wenig Historiker ihren Quellen und dem eigenen Gedächtnis trauen können.

3. Tag:

Über die unterschiedlichen Aspekte der Fremd- aber auch der Selbstwahrnehmung ärztlicher Tätigkeit in Kontinuität und Wandel referierte Kay Peter Jankrift (Münster) zu Beginn des dritten Tages, wobei er Zeugnisse aus der Zeit des Frühmittelalters bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts für seine Betrachtungen heranzog. Er beachtete nicht nur die Wahrnehmung christlicher, sondern auch die jüdischer Ärzte und stellte Vergleiche an. Dabei wurde deutlich, daß sich kaum eine Tätigkeit der mittelalterlichen Arbeitswelt in ihrer Beurteilung durch die Zeitgenossen derart facettenreich und ambivalent darstellt.
Gerhard Dilcher (Frankfurt a.M.) sprach anschließend vom Ort der Arbeit in den Rechtsquellen des Mittelalters. Er stellte heraus, daß die Regelung von Arbeitsverhältnissen in zentralen Rechtsquellen keinesfalls im Vordergrund stand. Auch das römische und das kanonische Recht enthielten kein ‚Arbeitsrecht', während die Moraltheologie zentrale Aussagen zum Thema ‚Arbeit' getroffen habe. Aufschlußreicher sei die Untersuchung der Rechtsformen die Unfreiheit betreffend gewesen. Gerade die Organisationsformen von Gewerbe und Handel in der Stadt, habe vielfältigen Aufschluß über die normative Ordnung von Arbeitspflichten und Rechten auf den Arbeitsertrag gegeben. Eine Untersuchung unter dem Aspekt ‚Arbeit' habe es ermöglicht, die Zusammenhänge in anderer Weise zu beleuchten, als es in der traditionellen Rechtsgeschichte, die mehr von den Perspektiven der politischen Organisationen und des Gerichts komme, üblich sei.
Während einer Tagung mit dem Thema die ‚Die Arbeit in der Wahrnehmung des Mittelalters' kann das Thema Mönchtum nicht fehlen und so nahm sich als letzter Referent Klaus Schreiner (Bielefeld) der körperlichen Arbeit im benediktinisch geprägten Mönchtum des Mittelalters an, wobei er Idee und Wirklichkeit des benediktinischen Arbeitsgedankens in der Zeit des hohen und späten Mittelalters kritisch betrachtete. Schreiner zeigte, daß das von Benedikt entworfene Ideal durch die Klerikalisierung der Mönche und aristokratische Vorurteile nicht zur Norm der klösterlichen Lebenspraxis wurde. Ebenso seien die Reformbemühungen der Zisterzienser, aus der erstrebten Einheit von Arbeit und Gebet eine dauerhafte Institution zu machen, fehlgeschlagen. Insofern erscheine es auch fraglich, ob und inwiefern der benediktinische Arbeitsgedanke über das Mönchtum das Arbeitsethos der vormodernen Laiengesellschaft beeinflußt habe.

Während der Abschlußdiskussion wurde in angenehmer und entspannter Atmosphäre genau so engagiert diskutiert, wie dies schon während der gesamten Tagung der Fall gewesen war. Man einigte sich u.a. darauf, daß es notwendig sei, bei weiteren Untersuchungen stärker die ‚Stadt' in den Blick zu nehmen und Arbeit stärker im Kontext der Sozialbeziehungen, in die die Arbeitenden eingebettet waren, zu betrachten. Im besonderen Maße wurde aber durch die Tagung deutlich, daß durch das Fehlen eines konkreten mittelalterlichen Begriffes für die Arbeit und das sehr breite semantische Spektrum gerade der lateinischen Wörter dieses Sinnzusammenhangs, eine große Schwierigkeit einer Definition des Begriffes ‚Arbeit' für das Mittelalter besteht.

Die Drucklegung des Tagungsbandes ist für Ende 2003 geplant.

Fabian Rijkers

Kontakt

Für weitere Informationen steht Herr Fabian Rijkers, MA, Paderborner Mittelalter Kolleg "Kloster und Welt", Universität Paderborn, Warburger Str. 100, D-33098 Paderborn, fabian.rijkers@gmx.de