Unternehmen und Archiv

Unternehmen und Archiv

Organisatoren
Arbeitskreis Kleinere und Mittlere Unternehmen der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte
Ort
Vechta
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.02.2007 - 23.02.2007
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Von
Roman Köster, Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Der Arbeitskreis Kleinere und Mittlere Unternehmen der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte, der seine dritte Sitzung auf Einladung der Olfry Ziegelwerke in Vechta abhielt, beschäftigte sich mit dem Thema „Unternehmen und Archiv“. Dabei stand insbesondere die Frage im Mittelpunkt, wie Unternehmen mit ihrer Geschichte und speziell mit ihren Unterlagen umgehen sollen: Selbst bei vorhandenem Interesse an der eigenen Geschichte sei längst nicht klar, wie eine Archivierung am besten durchgeführt werden soll. Selbst in kleineren Unternehmen stellt sich das Problem, dass sich nicht alles aufbewahren lässt, also eine Auswahl getroffen werden muss. Hier bot die Tagung des Arbeitskreises die Gelegenheit zu einem spannenden Erfahrungs- und Meinungsaustausch.

Thomas Mayer (Bocholt) beschrieb in seinem Vortrag den von ihm geleiteten Aufbau des Unternehmensarchivs der Borgers-Gruppe in Bocholt. Er zeigte auf, dass es bei weitem nicht ausreicht, einfach eine unternehmensinterne Richtlinie über die Archivierung aufzustellen und dann auf die hereinkommenden Akten zu warten. Vielmehr müssen die Mitarbeiter vom Sinn eines solchen Archivs überzeugt werden, damit die Überlieferungswege funktionieren; eine Aufgabe, die sich gerade in der Anfangsphase häufig als schwierig erweist. In diesem Sinn ist ein funktionierendes Unternehmensarchiv ohne eine funktionierende Unternehmenskultur nicht zu denken.

Gabriele Teichmann, Leiterin des Archivs des Bankhauses Sal. Oppenheim in Köln, zeichnete anschließend ein breites Panorama der Aufgaben und Funktionen eines Archivs in einem traditionsreichen Bankhaus. Ihr Anliegen war es insbesondere, zu zeigen, dass hier längst nicht nur Akten verwaltet werden, sondern die Unternehmensgeschichte innerhalb des Bankhauses als wichtiger Faktor der eigenen Identität fungiert - weshalb sie auch glaubhaft als Mittel der Selbstdarstellung und Imagepflege des Unternehmens dienen kann. Ihre Arbeit als Archivleiterin siedelte die Referentin deshalb an der Schnittstelle von Pflege der historischen Überlieferung und Marketing an.

Danach gab Gert Kollmer-von Oheimb-Loup, Leiter der Stiftung Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, eine Übersicht über die Bestände seines Archivs. Hier war es interessant zu sehen, dass es zumeist kleinere Unternehmen sind, die die Pflege ihrer Archivalien in die Hände einer externen Stelle geben. Die Gliederung der Archivbestände nach Branchen spiegelte denn auch die mittelständische Wirtschaftsstruktur Baden-Württembergs wider. Spannend war dabei aber auch die bildliche Demonstration des „Rohmaterials“, mit dem die Wirtschaftsarchivare bisweilen konfrontiert sind. Mitunter scheint das Berufsbild des Archivars dem des Archäologen doch recht ähnlich.

Jörg Lesczenski und Roman Köster (Frankfurt am Main) boten schlussendlich einen Erfahrungsbericht aus Sicht der Nutzer der Archive von Familienunternehmen. Ganz allgemein wurden dabei vor allem Probleme angeschnitten, die im Verlauf der Abfassung von Unternehmensgeschichten auftreten können; zu welchen Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Historikern und Unternehmern es beispielsweise kommen kann, wenn es um Details aus den Familienbiographien geht, die für die Unternehmensgeschichte relevant sein können, die man aber doch lieber nicht in der Öffentlichkeit behandelt sehen möchte. Weiter wurde thematisiert, dass ganz generell die Erwartungshaltungen von Unternehmern und Historikern an das „Endprodukt“ (also die Unternehmensgeschichte) sehr verschieden sein können. Auf der einen Seite sieht sich der Historiker an wissenschaftliche Standards gebunden, auf der anderen Seite sollen die Texte aber eben gelebte Geschichte nacherzählen, die sich nicht auf trockene Fakten und Bilanzanalysen reduzieren lässt. Zwischen Referenten und Auditorium bestand schließlich ein Konsens darüber, dass diese Probleme bei einer gewissen Verständigungsbereitschaft beider Seiten keineswegs unüberwindlich sind.

Insgesamt war es wiederum eine gelungene Sitzung des Arbeitskreises Kleine und Mittlere Unternehmen, die ihren Reiz nicht zuletzt daraus gewann, dass hier Historiker und Unternehmer ihre jeweils genuinen Erfahrungen einbringen konnten. Der freundlichen Einladung von Georg Wilhelm Freiherr von Frydag war es überdies zu verdanken, dass die Tagung – auch bezüglich des Rahmenprogramms– äußerst angenehm vonstatten ging.


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