Freud und Leid der Medici-Frauen – Ihre rites de passage im diachronen Vergleich

Freud und Leid der Medici-Frauen – Ihre rites de passage im diachronen Vergleich

Organisatoren
MEFISTO (Medici-Frauen Interdisziplinär: Soziale Rollen, kultureller Transfer, mäzenatisches Oeuvre); Institut für Europäische Geschichte Mainz (IEG); Kunsthistorisches Institut der Johannes Gutenberg Universität Mainz
Ort
Mainz
Land
Deutschland
Vom - Bis
29.09.2006 - 30.09.2006
Url der Konferenzwebsite
Von
Peter Seelmann, Institut für Europäische Geschichte

Vom 29.-30. September 2006 veranstaltete das DFG-geförderte, interdisziplinäre Netzwerk in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt das erste von vier geplanten Arbeitstreffen. Unter dem Titel „Freud und Leid der Medici-Frauen – Ihre rites de passage im diachronen Vergleich“ wurden die biografischen Höhepunkte im Leben verschiedener Medici-Frauen thematisiert, d.h. solcher Frauen, die entweder aus dieser Familie entstammten oder in sie einheirateten.

Eröffnet wurde die Tagung in den Räumlichkeiten des Instituts für Europäische Geschichte durch den geschäftsführenden Direktor Prof. Heinz Duchhardt, der auch den ersten Tagungsnachmittag moderierte. Nach dessen Begrüßungsansprache, in der nicht nur die europäische Dimension mediceischer Heiratsverbindungen unterstrichen wurde, sondern auch das besondere Interesse des Instituts an der interdisziplinären Arbeit des MEFISTO-Netzwerks insbesondere im Hinblick auf die institutseigene Italienforschung, führte Dr. Christina Strunck als Initiatorin und Sprecherin von MEFISTO in das Projekt ein:

Dem seit 2005 bestehenden internationalen Netzwerk, gehören 14 HistorikerInnen und KunsthistorikerInnen an, die in Deutschland, Italien, Frankreich, der Schweiz und den USA tätig sind. Ziel der Forschungsgruppe sei es, zu verstehen, welche Rolle die Mediceerinnen im „höfischen Kulturtransfer spielten, welche in Kunstwerken formulierten Erwartungen an sie herangetragen wurden, wie sie sich mit solchen Rollenmodellen auseinandersetzten und welche Absichten sie mit ihren eigenen mäzenatischen Aktivitäten verfolgten.“ In einer vergleichenden Studie zur Kunstpatronage der Medici-Frauen vom 15.-18. Jahrhundert sollen Kunstobjekte weniger hinsichtlich ihrer ästhetischen Phänomene untersucht werden, als vielmehr auf ihre politische, soziale und kulturelle Rolle sowie ihre Wirkung in ihrer Entstehungszeit. Neben dem hier beschriebenen Arbeitstreffen sind während des Förderungszeitraums drei weitere Treffen geplant, die das religiöse Mäzenat der Medici-Frauen, die Orte ihrer weltlichen Repräsentation sowie ihre Rolle im höfischen Kulturtransfer thematisieren werden.

Auftakt dieses ersten Gruppentreffens bildete MARTIN PETERS (Mainz) mit der Frage „Können Ehen Frieden stiften? Europäische Friedens- und Heiratsverträge in der Frühen Neuzeit" . In einem einleitenden Überblick erläuterte er die Bedeutung europäischer Friedens- und Heiratsverträge für die Friedenssicherung. Indem er Zeugnisse von Gelehrten und Diplomaten wie Erasmus von Rotterdam, Sir William Cecil, Christoph Besold oder Bernhard von Rohr einander gegenüberstellte, zeigte er, wie unterschiedlich dieses Problem schon damals bewertet wurde. Aus wissenschaftlicher Sicht müsse jedoch die eingangs gestellte Frage, die Peters im Rahmen des am IEG angesiedelten Projekts „Europäische Friedensverträge der Vormoderne – Online“ eingehend untersucht hat, eher negativ beantwortet werden: Wenngleich Heiratsartikel wie Artikel 33 des 1659 geschlossenen Pyrenäenfriedens immer wieder Bestandteil von Friedensverträgen waren und Eheschließungen als dynastische Instrumente europäischer Sicherheitspolitik, grenzüberschreitender Kooperation sowie Steuerung und Sicherung von Herrschaft verstanden worden seien, belegen die zahlreichen Kriege des 15.-18. Jahrhunderts, wie wenig nachhaltig dynastische Eheverbindungen wirkten. In einem zweiten Schritt gab Peters Einblick in den aktuellen Forschungsstand. Dabei unterstrich er den großen Quellenwert von Heiratsverträgen für weite Felder der historischen Forschung wie für die Frauen- und Genderforschung, die Hofforschung, die politische Ideengeschichte oder Rechtsgeschichte und kritisierte die immer noch unzureichende Edition vieler Verträge. Äußerst sinnvoll für die historische Auswertung von Heiratsverträgen sei eine Systematisierung, wie sie von der historischen Forschung bereits vorgeschlagen wurde. Folgende Kategorien wurden hierfür genannt: 1. Zuwachs der Hausmacht; 2. Herstellung von Bündnissen; 3. Besiegelung von Friedensschlüssen; 4. Signal politischer Paradigmenwechsel.

In „Bräute, Mütter, Töchter. Überlegungen zu einer weiblichen Dynastiegeschichte der Medici“ knüpfte MATTHIAS SCHNETTGER (Mainz) bewusst an die traditionelle Dynastiegeschichte an, setzte jedoch einen wesentlichen, neuen Akzent, indem er Strukturen der Medicifamilie in Hinblick auf deren weibliche Mitglieder beleuchtete. Mit Überlegungen zu der Rolle der Mediceerinnen für den Fortbestand, den Aufstieg und das Aussterben der Dynastie sowie als Regentinnen, stellte der Referent vier funktionalistische Aspekte in den Mittelpunkt seines Referats. Dabei unterscheidet er zwischen Töchtern und Ehefrauen der Medici. In überzeugender Weise zeigte der Referent u.a., wie konsequent die Kaufmanns- und Bankiersfamilie Heiratsverbindungen zunächst mit dem italienischen Adel, dann, seit dem Ponitfikat Leos X., mit fürstennahen Familien einging, um in den europäischen Fürstenstand aufzusteigen. Morganatische Ehen seien zwar geschlossen worden, allerdings erst dann, wenn der Fortbestand der Dynastie gesichert war. 1565 waren die Medici endgültig im Kreis der europäischen Fürstenfamilien etabliert, was sich in der Heirat zwischen Francesco I. und Johanna von Habsburg manifestiert: erstmals heiratete ein Medici eine legitime Tochter eines regierenden Fürsten. Fortan, bis zum Aussterben des Mannesstammes, wofür mitunter eine verfehlte Heiratspolitik verantwortlich war, haben sich die regierenden Medici fast ausschließlich mit Frauen der Habsburgerdynastie oder aus dem französischen Königshaus verbunden. Offenbar sei eine neutrale Stellung zwischen den beiden führenden, katholischen Fürstenhäusern von Europa angestrebt worden. Frauen, so resümierte Schnettger am Ende seines Vortrags, seien zwar Dynastieangehörige „zweiter Klasse“ gewesen, aber für den Bestand der Dynastie unentbehrlich. Deshalb kam ihnen in der Heiratspolitik eine erstklassige Bedeutung zu. Schnettger demonstrierte, wie ertragreich es sein kann, sich der weiblichen Dynastiegeschichte zuzuwenden.

LUDOLF PELIZAEUS (Mainz) beschloss mit seinem Vortrag „Der Einfluss der Herzoginnen Margherita d’Austria und Eleonora di Toledo im Florenz des 16. Jahrhunderts“ den ersten Konferenztag. Er stellte die Gattinnen Alessandros und Cosimos de’ Medici vergleichend einander gegenüber, indem er ihre Rollen im Allianzsystem, in der Familie, in der Religion sowie am Hof und in der Mode analysierte. Margherita, deren Heirat mit Alessandro von ihrem Vater Kaiser Karl V. gewünscht worden sei, um einerseits die Beziehungen zum päpstlichen Stuhl zu verbessern und andererseits die Medici in das habsburgische System einzubinden, habe ob ihrer Jugend und der kurzen Zeit an der Seite ihres schon bald ermordeten Mannes kaum Gelegenheit gehabt, nachhaltig Einfluss auf den Florentiner Hof auszuüben. Im Gegensatz hierzu sei es Eleonora di Toledo gelungen, stilbildend in Florenz zu wirken, wenngleich sie als „dritte Wahl“ Cosimos I. zunächst Zurückhaltung habe üben müssen. Dank ihrer Anmut, ihrer Persönlichkeit und ihres Geschäftssinnes sei es ihr schließlich gelungen, bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Besonders trete dies bei der Kleidung hervor, weshalb der Aspekt „Mode“ in Pelizaeus’ Vortrag besondere Beachtung fand. Indem der Referent Kleider und Accessoires verschiedener Portraits verglich, die überwiegend Bildnisse der beiden besagten Mediceerinnen zeigten, kam er zu dem Schluss, dass Eleonora di Toledo einen eigenen modischen Stil in der Arnostadt habe etablieren können, was Margherita d’Austria nicht gelang. Nach der Ermordung ihres Mannes habe die Habsburgerin ihre Kleidung dem Geschmack ihrer spanischen Verwandten angepasst.

Die Vorträge des zweiten Tags fanden am kunsthistorischen Institut der Johannes Gutenberg Universität Mainz statt. Nach der Begrüßung durch dessen geschäftsführende Leiterin Prof. Elisabeth Oy-Marra, die selbst Mitglied des Forschungsnetzwerkes ist, bildete CHRISTIAN WIELAND (Freiburg) treffender Weise mit seinem Referat „Festouvertüre ohne Oper: der ‚ingresso’ der Johanna von Österreich“ den Auftakt der Vormittagsvorträge. In ihm wurden verschiedene Maßnahmen herausgearbeitet, welche Cosimo I. ergriff, um den Makel der nichtfürstlichen Herkunft seiner Familie zu überwinden und die Florentiner Monarchie sowohl nach innen als nach außen zu legitimieren. Zu diesen Maßnahmen habe auch die Verheiratung Francescos de Medici, Sohn Cosimos I., mit der Kaisertochter Johanna von Österreich gehört. Entsprechend habe Cosimo I. den überaus aufwendigen Einzug der Braut, dessen Analyse Kernstück des Referats war, zur Inszenierung der Medici-Dynastie und der eigenen Person genutzt. Adressaten des Triumphzugs seien nicht nur ausländischen Gäste und Diplomaten sowie der einheimische Adel gewesen, sondern auch die Braut selbst. Folglich habe Johanna als Person im Bildprogramm, welches das Brautpaar, deren Familien und deren Herrschaften glorifizierte, kaum eine Rolle gespielt, sondern sei lediglich Anlass für die Repräsentation des Hauses Österreich gewesen. Als Parvenü habe Cosimo besonderen Wert darauf gelegt, die Würde der Medici und deren Gleichberechtigung mit den Habsburgern zu untermauern. Dazu sei die Kaiserkrönung Karls V. durch den Medicipapst Clemens VII. als Skulpturengruppe in Szene gesetzt worden. Höhepunkt des Brautzugs, der gewissermaßen doppelt an und im ‚Palazzo ducale’ endete, sei bezeichnenderweise die Glorifizierung Cosimos, d.h. des Schwiegervaters gewesen. – Man möchte dies fast als Menetekel dafür verstehen, dass Johanna mit ihrer Eheschließung zwar nominell die erste Dame der Toskana geworden war, ihre Position jedoch von den Geliebten ihres Schwiegervaters und ihres Gatten streitig gemacht wurde.

Einer dieser Rivalinnen widmete sich ILARIA HOPPE (Berlin) mit ihrem Vortrag „Der Aufstieg einer Mätresse. Die Hochzeit von Großherzog Francesco I. de’Medici und der Signora Bianca Cappello von 1579“ . Der sagenhafte Aufstieg Bianca Cappellos durch die Heirat mit ihrem Geliebten bot Stoff für eine Vielzahl von Romanen und populärwissenschaftlichen Publikationen, die ein Bild dieser Frau schufen, das es der Referentin zu korrigieren galt. Zunächst führte sie in das Leben der Venezianerin ein, wobei sie Aussagen verschiedener Autoren, wie R. Galluzzi, G. Pieraccini oder F. Odorici kritisch einander gegenüberstellte. Die Ehe zwischen Francesco I. und Bianca Cappello wurde bereits zwei Monate nach Ableben Johannas heimlich geschlossen. Nach Ablauf des Trauerjahrs sei das Paar bestrebt gewesen, seine Verbindung offiziell zu machen und aufzuwerten. Entsprechend ließ sich Cosimo die Ehe durch Kaiser und spanischen König bestätigen, inszenierte einen prächtigen Hochzeitszug durch Florenz und konnte nach diplomatischen Verhandlungen mit Venedig für seine Gattin den Ehrentitel „Tochter der Republik“ gewinnen, den ihr die Lagunenstadt in Verbindung mit einem Krönungsakt verlieh. In einem zweiten Teil des Referats beschäftigte Hoppe die Repräsentation Bianca Cappellos vor und nach der Eheschließung mit Francesco I. Neben dem Fassadenschmuck ihres Palastes in der Via Maggio (Florenz) interpretierte sie überzeugend verschiedene Portraits auf Gemälden und Münzen und kam zu dem Schluss, dass offenbar bereits vor der Heirat ein Modell der Repräsentation entwickelt worden sei, das auf eine Verteidigung und Aufwertung Bianca Cappellos abzielte mit Verweis auf ihre Unschuld und Schönheit. Dieses Konzept sei auch nach Eheschließung beibehalten worden, da weder die üblicherweise an Fürstinnen herangetragenen Tugenden von Keuschheit und Fruchtbarkeit noch die Preisung dynastischer Verbindungen haben Anwendung finden können.

In „Die Tugenden der Christine von Lothringen – Selbstsicht und Fremdwahrnehmung (1589-1636)“ ging CHRISTINA STRUNCK (Rom) gleichermaßen Schrift- und Bildquellen zu den „rites de passage“ und der Selbstdarstellung Christines von Lothringen nach und zeichnete so ein sehr differenziertes Bild von der Großherzogin und ihren sich ändernden Rollen. Nach einer kurzen biografischen Einführung begann Struncks ausführliche Betrachtung mit dem festlichen Einzug der Lothringerin in Florenz am 30. April 1589 (Palmsonntag). Durch die Wahl des Zeitpunktes sei dieser mit dem Einzug Christi in Jerusalem in Bezug gesetzt und so die Hoffnung auf eine neue tugendhafte Blüte der Stadt zum Ausdruck gebracht worden. Christines neues Leben als Großherzogin von Florenz sei durch eine Krönung inszeniert worden, die in Anspielung auf die Taufe in einer dem Florentiner Baptisterium ähnlichen ephemeren Architektur vor den Stadttoren stattfand. Neben solchen Erlösungs- und Purifikationsmotiven, welche die gesamten Hochzeitsfeierlichkeiten dominierten, brachten zahlreiche politische Anspielungen das gegenwärtige Verhältnis der Medici zum französischen Königshaus und zu den Habsburgern zum Ausdruck. Das Motiv der Verkündigung an Maria fand bei der eigentlichen Hochzeit ebenso wie bei der Geburt des Thronfolgers und dessen fast 2 Jahre späteren Tauffeier Verwendung. Auf diese Art seien Rollenklischees bedient worden, mit denen Christine unter Betonung ihrer noblen Herkunft zunächst als mariengleiche, heilsbringende Jungfrau, dann in ihrer Eigenschaft als Mutter dargestellt worden sei. Seit 1592 habe sich die Rolle der Großherzogin zu wandeln begonnen: Ferdinando de’ Medici bezog sie immer häufiger aktiv in Entscheidungen ein. Nach dem Tod des Gatten und ihres kranken Sohnes Cosimo II. übernahm sie (gemeinsam mit dessen Gattin Maria Magdalena von Österreich) bis zur Volljährigkeit Ferdinandos II. die Regentschaft. Entsprechend ihrer neuen Rolle haben die beiden Regentinnen „starke Frauen“ in einer um 1624 gestalteten Loggia des Palazzo Pitti darstellen lassen. Ein erneuter Rollenwechsel habe sich nach Christines Rückzug aus den Regierungsgeschäften in dem für die Villa „La Quiete“ entworfenen Bildprogramm von Allessandro Adimari manifestiert, das ebenso wie ihr 1630 aufgesetztes Testament als Vermächtnis zu verstehen sei. Ihr letzter „rite de passage“ war ihrem eigenen Wunsch entsprechend bescheiden; das gesparte Geld kam als Mitgiften armen Mädchen zugute, um Christines memoria dauerhaft im Volksgedächtnis zu verankern.

Diese Sorge um die Mitgiften armer Mädchen hatte bei den Medici eine Tradition, die RUBEN REBMANN (Rom) unter dem Titel „Die Hochzeiten der anderen: Die Großherzoginnen und die Mitgiftstiftungen des Ferdinando de’Medici“ thematisierte. Die Tatsache, dass Begüterte Mitgiften für die Töchter armer Mitbürger stifteten, sei nicht neu gewesen, aber Umfang der bereitgestellten Mittel, flächenmäßige Wirksamkeit und die mit der regelmäßigen Vergabe einhergehende Zeremonie heben die drei durch die Großherzöge Ferdinand I. und Cosimo II. eingerichteten, mediceischen Stiftungen über die sonst üblichen Mitgiftstiftungen heraus. Während die beiden testamentarisch verfügten Stiftungen erst mit dem Ableben der Großherzöge Wirksamkeit erlangten, wurde die 1592 zur Einweihung des Hospitals S. Paolo dei Convalescenti eingerichtete Stiftung sofort wirksam und seit 1595 regelmäßig zu Pfingsten ausgeschüttet. Die feierliche Vergabe der Mitgiften ging mit als „Processioni delle fanciulle“ bezeichneten Umzügen der begünstigten Mädchen einher, bei denen die Medicifrauen eine führende Rolle einnahmen. Rebmann rekonstruierte Ablauf und Funktionen dieser in der Forschung kaum beachteten Zeremonien während der ersten 50 Jahre unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Großherzoginnen. Neben schriftlichen Quellen zog er Bildquellen heran, vornehmlich vier lünettenförmige Gemälde eines anonymen Meisters aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die sich in den Depots des Florentiner Polo Museale befinden und die beschriebenen Prozessionen visualisieren. Rebmann erklärte mittels des von ihm neu interpretierten Bildmaterials, dass sich die Pfingstzeremonie von den Zeremonien zu den Gedenktagen der Großherzöge unterschieden und entsprechend auch die Rolle der teilnehmenden Großherzogin variiert habe: Während sich die Fürstin bei der Pfingstzeremonie als Landesmutter repräsentierte, habe bei den zu den Todestagen stattfindenden Zeremonien der Memorialaspekt im Vordergrund gestanden, wobei die Großherzogin ihrer Pflicht als Witwe nachkam. Diese Rollen seien durch den Willen der verstorbenen Großherzöge festgelegt gewesen und ließen keine individuelle Gestaltung zu. Die Fürstin habe lediglich der Zeremonie fernbleiben und sich vertreten lassen können; eine Möglichkeit, die Christine von Lothringen durchaus wahrnahm, wie der Referent anhand des Hofdiariums nachweisen konnte.

ELISABETH OY-MARRA(Mainz) knüpfte mit ihrem Vortrag Der „Witwenstand Maria de’Medicis“ an historische Forschungen zum Witwenstand von Fürstinnen der frühen Neuzeit an. Anstatt jedoch politischen und sozialen Handlungsspielräumen nachzuspüren, widmete sie sich als Kunsthistorikerin der generellen Frage, welche Konsequenzen der Witwenstand für die Repräsentation einer Fürstin mit sich brachte und erörterte konkret die visuellen Strategien, die Maria de’Medici verfolgte, um ihre Rolle als Königin und Regentin zu unterstreichen. Oy-Marra zeigte, dass Maria nach dem Tod Heinrichs IV. ihre Rolle als Mäzenin zunächst nur punktuell wahrnahm. Obwohl Maria in den ersten Jahren ihre Witwenschaft regelrecht inszeniert habe, schenkte sie erstaunlicherweise Projekten wenig Interesse, die der Memoria ihres Mannes dienten, wie beispielsweise dessen Grabmal oder der Fertigstellung seines von Giambologna entworfenen Reiterstandbildes. Vielmehr habe sich die Königin religiösen Stiftungen sowie dem Ausbau und der Ausgestaltung ihres Witwensitzes, des Palais du Luxembourg, gewidmet. Wesentliche Bildquellen für Oy-Marras Betrachtung bildeten dementsprechend der allegorische Rubenszyklus aus dem Jahre 1622 und die 1627 von verschiedenen florentinischen Künstlern ausgeführten Historienbilder für das Cabinet doré. Beide Bildfolgen dienten der Legitimation. Während beim Rubenszyklus die noch zu Lebzeiten Heinrichs IV. stattgefundene Krönung Marias als legitimatorischer Akt eine zentrale Rolle gespielt habe, sei im Cabinet doré Marias kaiserliche Abstammung mütterlicherseits und die Verbindung des Hauses Medici mit der französischen Krone hervorgehoben worden. Seit ihrem Exil habe sich die Rolle Marias als Mäzenin verändert: die propagandistische Überhöhung der Königinmutter, die oft wenig Rücksicht auf das regierende Königspaar nahm, sei Ende der 1620er zurückgetreten. Wie auch ihr Portrait von Anthonis van Dyck belegt, habe sich Maria de’Medici nunmehr, ebenso wie andere Mitglieder ihrer Familie, als kunstverständige Sammlerin zu erkennen gegeben.

Entgegen ihrer Ankündigung verzichtete SUSAN TIPTON (München) auf ihren Vortrag „Maguerite Luise d’Orleans, eine Schachfigur in den politischen Planspielen Ludwigs XIV., ‚Aussteigerin’, Mutter der letzten Medici“ und widmete sich im Abschlussvortrag hingegen deren Tochter Anna Maria Luisa von der Pfalz. Im Zentrum ihrer Betrachtung standen dabei die Gemälde von Antonio Bellucci und Antonio Pellegrini, die einst in Schloss Bensberg einen großen Gemäldezyklus bildeten, von dem heute nur noch Ölskizzen erhalten sind. Tipton diskutierte dabei u.a. die Frage, inwieweit für den Bensberger Zyklus Rubens’ Medicizyklus inhaltlich rezipiert worden sei.

RESÜMEE: Diese erste Tagung des Netzwerks MEFISTO war ein gelungener Auftakt zu den insgesamt vier geplanten Arbeitstreffen der Gruppe. Das Leitmotiv der Tagung „rites de passage“ wurde dabei von den Referenten sehr unterschiedlich interpretiert, wodurch ein weiter Bogen gespannt wurde, der von der Heiratspolitik über die Funktionen der Frauen innerhalb der Dynastie bis hin zur Betrachtung von Lebensabschnitten und Übergangsriten im engeren Sinne reichte. Der Blick auf die „rites de passage“ der Medici-Frauen hat einen neuen Zugang zu deren Biografien, Rollen und Repräsentationsstrategien eröffnet. Der besondere Wert dieser Sichtweise liegt darin, dass die „rites de passage“ einerseits real neue Lebensabschnitte markieren und andererseits durch die damit verbundenen Zeremonien, Rollenentwürfe und –erwartungen subjektiv ins Bild gesetzt werden. In diesem Spannungsfeld zwischen Geschehen, Akteuren und Beobachtern konnten differenzierte Einsichten hinsichtlich einzelner Biographien gewonnen werden ebenso wie über dynastisches Kalkül und herrschaftliche Repräsentationsstrategien. Entsprechend bleibt zu hoffen, dass die Ergebnisse dieses Arbeitstreffens bald in publizierter Form vorliegen und die Mitglieder des MEFISTO-Netzwerks mit gleichem Elan weiterarbeiten werden.


Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger