Die „preußische Periode“ in Niedersachsen – ein Zwischenspiel?

Die „preußische Periode“ in Niedersachsen – ein Zwischenspiel?

Organisatoren
Arbeitskreis für die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen
Ort
Hannover
Land
Deutschland
Vom - Bis
04.11.2006 -
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Von
Wolfgang Brandes, Stadtarchiv Bad Fallingbostel

Rund 45 Teilnehmer konnten am 4. November 2006 bei der 16. Tagung des Arbeitskreises für die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen begrüßt werden, die im Historischen Museum Hannover stattfand. Die Tagung widmete sich der Fragestellung "Die ,preußische Periode' in Niedersachsen -- ein Zwischenspiel?" Die Dokumentation der Tagung erfolgt anhand der von den Referenten dankenswerterweise zur Verfügung gestellten Abstracts.

Hans Otte (Hannover) leitete die Tagung mit seinem Referat "Landskirchliche Identität in Preußen. Das Beispiel der hannoverschen Landeskirche" ein: Die Verwaltung der evangelischen Landeskirchen, die seit der Reformation als landesherrlich-staatliche Aufgabe galt, musste im 19. Jahrhundert mit der zunehmenden Abschichtung von Staat und Kirche von den Kirchen selbst übernommen werden. Dabei kam es im Königreich Hannover zu einer charakteristischen Verspätung. Im Unterschied zum Königreich Preußen, wo die staatliche Verwaltung zügig auf eine politische Zusammenfassung und bekenntnismäßige Union der bis dahin in Bekenntnis und Verwaltung getrennten Konsistorialgebiete drängte, blieben in Hannover die einzelnen Konsistorialgebiete selbstständig; Prüfungen, die etwa vor dem Konsistorium in Stade abgelegt wurden, galten nicht im Gebiet des Konsistoriums Hannover oder im Gebiet des Osnabrücker Konsistoriums. In den politischen Auseinandersetzungen im Gefolge der Revolution von 1848 erwies es sich aber als problematisch, dass die evangelische Landeskirche nicht selber handeln konnte; als König Georg V., der sich als "Haupt" der Landeskirche verstand, auf eigene Faust einen lutherischen Landeskatechismus einführte, kam es zu schweren politischen Unruhen, so dass Georg V. -- wenn auch widerstrebend -- einwilligte, ein Landeskonsistorium als Verwaltungsspitze und eine Landessynode als gesetzgebendes Repräsentativorgan der lutherischen Kirche zu schaffen.

Die preußische Annexion 1866 stellte den neuen kirchlichen Status kurzfristig in Frage, doch wollte Bismarck die Integration der neuen Provinz Hannover in den preußischen Staat nicht durch Auseinandersetzungen mit der evangelischen Kirche stören, also wurde in Hannover -- wie in den anderen neuen preußischen Provinzen -- die evangelischen Kirchenverwaltung nicht dem Berliner Oberkirchenrat unterstellt. Das Landeskonsistorium der "Ev.-luth. Landeskirche der Provinz Hannover", wie die Landeskirche nun hieß, musste nun rasch die verschiedenen territorialkirchlichen Traditionen der Provinz, die von den einzelnen Konsistorien repräsentiert wurden, zusammenführen und dafür eine "landeskirchliche Identität" ausbilden. Das gelang überraschend schnell. Möglich wurde es vor allem dadurch, dass die Landeskirche sich als Hüterin hannoverscher Traditionen darstellte und auf den eigenen Bekenntnisstand pochte. In "Altpreußen" war man evangelisch-uniert, hier galten lutherische und reformierte Bekenntnisse gleichberechtigt nebeneinander; in der neuen Provinz Hannover verstand man sich als lutherisch in Abgrenzung zur reformierten und zur unierten Kirche.

In dieser Perspektive war die "preußische Periode" für die Landeskirche ein Gewinn; die begrenzte Selbständigkeit der Landeskirche bot vielen Hannoveranern ein Ventil, das es ihnen leichter machte, den Verlust der politischen Selbständigkeit zu verschmerzen. Allerdings blieb gerade auf den unteren Verwaltungsebenen ein Misstrauen gegenüber der hannoverschen
Kirche; sie wurde deshalb stärker überwacht und kontrolliert als die evangelische Kirche in Altpreußen. Damit wuchs in den Leitungsgremien der hannoverschen Landeskirche die Distanz zum Staat; als 1918 die Monarchie beseitigt und 1919 die Trennung von Staat und Kirche eingeführt wurde, konnten sich die Leitungsgremien der hannoverschen Kirche relativ leicht auf die neue politische Situation einstellen.

Joachim Kuropka (Vechta) nannte seinen Beitrag "'Die Hoheitsrechte über die Kirche muss der Staat einseitig für sich in Anspruch nehmen.' Staat, Katholische Kirche und Kirchenvolk in Preußen und Oldenburg am Beispiel des Bistums Münster": Der Zeitraum zwischen 1966 und 1946 umfasst die beiden konfliktreichsten Perioden zwischen Staat und Katholischer Kirche, wobei die Verhältnisse im Bistum Münster insofern von Interesse sind, als es sich sowohl über preußisches als auch über oldenburgisches Gebiet erstreckte.

Mit den Gebietsveränderungen durch die Säkularisation stießen sowohl in der neuen Provinz Westfalen wie auch im neuen Süden Oldenburgs "zwei verschiedene Welten" zusammen, jedoch in durchaus unterschiedlicher Beurteilung: Während "die Preußen" im ehemaligen Stift Münster geradezu verhasst waren, wurde im neuen Oldenburgischen Münsterland die neue Landesherrschaft freudig begrüßt. Durch staatsrechtliche Vereinbarungen wurden die Grenzen des Bistums Münster zwischen dem Vatikan und Preußen vereinbart (1821) und 1830 in der Konvention von Oliva für den oldenburgischen Bezirk eine eigene kirchliche Behörde errichtet, deren Leiter den Titel Offizial trug (und trägt) und die Funktion eines Generalvikars des Bischofs von Münster für den oldenburgischen Teil des Bistums mit gewissen eigenen Rechten hatte. Der vakante Bischofsstuhl in Münster konnte erst 1820 besetzt werden, ebenso wie das Amt des Offizials in Vechta 1830 mit jeweils staatsloyalen Kandidaten. In der Folgeentwicklung nach dem sogenannten "Kölner Ereignis" von 1837 kam es von kirchlicher Seite zu einem Paradigmenwechsel im Staat-Kirche-Verhältnis mit dem Versuch, den Staatseinfluss zurückzudrängen und der Koordinationslehre Geltung zu verschaffen. Dies führte in den beiden Teilen des Bistums zu unterschiedlichen staatskirchenrechtlichen Regelungen, die zunächst der Kirche in Preußen größere Freiheiten zubilligten als in Oldenburg. Durch die Entwicklung seit 1866 wurden sich die Katholiken ihrer Minderheitensituation verstärkt bewusst. Durch die Kumulierung kirchlicher, politischer und kirchenpolitischer Ereignisse im Jahre 1870 (erstes Vatikanisches Konzil, Jurisdiktionsprimat des Papstes, Infallibilität), dynamisierte sich die öffentliche Mobilisierung des katholischen Volksteils einerseits, während Preußen seit 1871 seinen kirchenpolitischen Kurs durch eine Reihe von Kulturkampf-Gesetzen verschärfte, was zu einem "Krieg bis auf's Messer" führte, wobei die Konflikte im Rheinland und in Westfalen und insbesondere in Münster in einer unglaublichen Weise eskalierten bis hin zur Inhaftierung des Bischofs, seiner Flucht ins Exil nach Holland und dem Zugriff des Staates auf das kirchliche Vermögen.

Mit Massendeputationen unterstützen die Oldenburger Katholiken die Demonstrationen in Münster und wähnten sich von ihren Großherzog "liebevoll" regiert. Tatsächlich hatte im Oldenburger Kirchenstreit der Staat seine Rechte ebenso durchzusetzen versucht, es allerdings zugelassen, dass die nicht ordnungsgemäß besetzten Pfarreien durch Administratoren verwaltet wurden, während die Gemeinden in Preußen tatsächlich ohne Pfarrer blieben, so dass hier die Seelsorge zusammenbrach. Der Bischof in Münster konnte 1884 aus dem Exil zurückkehren und Kaiser Wilhelm II sprach bei einem Besuch in Münster 1907 bereits von einem "gelungenen Experiment des Zusammenlebens zweier ursprünglicher verfeindeter Konfessionen".

Ihre volle Unabhängigkeit vom Staat erlangte die Kirche durch entsprechende gesetzliche Regelungen in Preußen und in Oldenburg im Jahre 1924. Bereits acht Jahre später begann mit der im Mai 1932 an die Macht gekommenen NS-Regierung in Oldenburg ein neuer Kulturkampf, der im Konflikt um die Kruzifixe und Lutherbilder in den Schulen im Jahre 1936 eskalierte. Der 1933 auf den Bischofsstuhl in Münster gekommene Clemens August Graf von Galen, aus Südoldenburg stammend, wurde zum Symbol kirchlichen Widerstandes gegen NS-Maßnahmen. Galen war es, der bereits im Jahre 1919 den inneren Zusammenbruch Deutschlands auf die verfehlte Grundidee des preußischen Staates zurückgeführt hatte. Er sah die Ursachen des Niedergangs durch Krieg und Revolution im "preußischen Staatsgott", dem Staatsabsolutismus, begründet, der die Tendenz zur vollständigen Entmündigung und Gleichschaltung der Bürger bis hin zur "Einheitsreligion" in sich trägt.

Während durch Aufklärung und Säkularisation die Kirche als Faktor des öffentlichen Lebens ausgeschaltet schien, wuchsen ihr jedoch von der Basis her neue Kräfte zu durch die Rezeption moderner Formen von Vergesellschaftung, der Ablösung der Adelskirche durch einen aus bürgerlichen Schichten herangewachsenen Klerus, durch neue Formen der Volksfrömmigkeit und durch die seit 1870 erfolgte politische Organisation in der Zentrumspartei. Damit war dem preußischen Staatsabsolutismus ein Widerpart erstanden, den er im Kulturkampf auszuschalten suchte, was in Preußen wie in Oldenburg geschah, allerdings in Oldenburg nicht zum öffentlichen Ausbruch kam. Demgegenüber zeigte ein ähnlicher Versuch des von Galen als "Staatsallmachtsregime" betrachteten totalitären NS-Staates, seit 1933 Kirche und Religion auf Sicht auszuschalten, in Oldenburg einschneidendere Wirkungen in der Seelsorge als in Preußen.

Nicht zuletzt durch den Konflikt um die Konfessionsschule seit 1952 sind die Sympathien für ein Niedersachsen -- das im katholischen Volksteil als ausgesprochen ,braun' wahrgenommen wurde -- für eine Neugestaltung nach 1945 nicht gewachsen, eher sah man in Hannover eine -- so merkwürdig es klingt -- preußische Gefahr -- zentralistisch, bürokratisch, ideologisch-sozialistisch, ohne Verständnis für die liberalen Traditionen Oldenburgs.

Cord Eberspächer (Berlin) sprach über ein "Zweckbündnis mit Konfliktpotenzial. Oldenburg und Preußen von der Militärkonvention bis zum Ochsen¬skandal 1883": Oldenburgs Anlehnung an Preußen seit der Abtretung des Jadegebiets 1853 hatte den Charakter eines Zweckbündnisses, das im Zuge des Krieges von 1866 und der Gründung des norddeutschen Bundes das politische Überleben des Großherzogtums sicherte. Dabei wurden die Souveränitätsverluste, besonders die Aufgabe der Wehrhoheit, als durchaus schmerzlich empfunden. Die Präsenz preußischer Uniformen und das Auftreten preußischer Offiziere in der Oldenburger Öffentlichkeit führten zu diversen Konflikten.

Ein herausragendes Beispiel war der sogenannte Oldenburger "Ochsenskandal" von 1883. Nach Gerüchten über die Beleidigung oldenburgischer Rekruten als "Oldenburger Ochsen" entlud sich die öffentliche Missstimmung am 26. Oktober 1883 in einem Volksauflauf vor dem Haus des Kommandeurs des Infanterieregiments Nr. 91, Major Steinmann. Versuche der Polizei, die Versammlung aufzulösen, scheiterten, und erst einer Kompanie Infanterie gelang es, die Menge friedlich zu zerstreuen. Die populäre Missstimmung hatte besonders in dem "Oldenburger Ochsenlied" des Schauspielers Adolf Schröder ihren Ausdruck gefunden. Erste Verständigungsversuche wurden unterbunden, Reichskanzler Otto von Bismarck untersagte dem preußischen Gesandten in Oldenburg, Kompromisse auszuhandeln. Kriegsminister von Bronsart-Schellendorff plante bereits, die oldenburgische Infanterie nach Westpreußen und dafür ein preußisches Regiment nach Oldenburg zu verlegen, und Bismarck hätte nach der ersten zerbrochenen Fensterscheibe am liebsten gleich den Belagerungszustand über Oldenburg verhängt gesehen. Der Konflikt wurde erst durch ein Entschuldigungsschreiben Großherzog Nikolaus Friedrich Peters an Kaiser Wilhelm I. beigelegt.

Der "Ochsenskandal" zeigt die Schwierigkeiten auf, die der "inneren Reichseinigung" unter dem Vorzeichen der Dominanz Preußens entgegenstanden. Dieser Zwischenfall macht deutlich, dass das Kaiserreich keineswegs so homogen war, wie die preußisch orientierte Geschichtsschreibung gern suggerierte. Ähnliche Vorfälle auch in anderen Teilstaaten belegen ein fortdauerndes Selbstbewusstsein in den deutschen Einzelstaaten, das sich nicht zuletzt in Abgrenzung zu Preußen definierte.

Gerhard Schildt (Braunschweig) widmete sich einem Porträt von "Braunschweig im Schatten Preußens. Eine prekäre Selbstständigkeit": 1830 vertrieb die Revolution den braunschweigischen Herzog Carl II. Der Deutsche Bund entzog sich der Verpflichtung, zu Gunsten des Vertriebenen mit Waffengewalt einzugreifen, indem er Carl für regierungsunfähig erklärte. Das bedeutete, dass eventuelle legitime Kinder Carls den braunschweigischen Thron besteigen konnten. Carls Bruder und Nachfolger Wilhelm konnte nicht sicher sein, dass seine eigenen Söhne erbberechtigt sein würden. Er ist deshalb unvermählt geblieben. Nach der Annexion Hannovers durch Preußen im Jahre 1866 konnte sich Braunschweig nicht mehr gelegentlich an Preußen, gelegentlich an Hannover anlehnen. Preußen konnte braunschweigische Interessen fortan ohne weiteres übergehen. Der Bau der noch heute schmerzlich empfundenen Eisenbahnlinie Hannover-Stendal-Berlin unter nördlicher Umgehung des Herzogtums ist ein besonders auffallendes Ergebnis dieses Sachverhalts. Als Herzog Wilhelm 1884 ohne legitime Kinder starb und der welfische Thronerbe wegen des aufrechterhaltenen Anspruchs auf Hannover sein braunschweigisches Erbe nicht antreten konnte, musste das Herzogtum froh sein, seine Selbständigkeit zu behalten. Preußen setzte einen Hohenzollernprinzen als Regenten ein, ihm folgte als Regent ein mecklenburgischer Herzog. Beide weilten meistens außer Landes.

Die Heirat der Kaisertochter Victoria Luise mit dem Erbprinzen von Hannover ermöglichte diesem, 1913 den braunschweigischen Thron zu besteigen. Ab 1918, dem Sturz der Monarchien, hätte das Volk als neuer Souverän jedoch jederzeit eine Reichsreform vornehmen können, der die braunschweigische Selbständigkeit sicher zum Opfer gefallen wäre. Sie existierte nur noch auf Abruf. Dies blieb auch so nach 1933. Das Land Braunschweig war, außer dem Reich, mindestens drei weiteren wichtigen Instanzen unterstellt, die sich außerhalb des Landes befanden: dem Reichsstatthalter in Dessau, dem Gauleiter und dem Wehrkreiskommando XI, beide in Hannover. Die Gründung des Landes Niedersachsen durch die britische Besatzungsmacht beendete im November 1946 die oft nur noch formale Selbständigkeit des Kleinstaats.

Karl-Heinz Schneider (Hannover) referierte zum Thema "Zwischen Fürstentum und sozialdemokratischem Freistaat. Konzeptionen kleinstaatlicher Existenz zwischen 1866 und 1933 am Beispiel Schaumburg-Lippes": Die Tatsache, dass der Kleinstaat Schaumburg-Lippe nach dem Rheinbund des Wiener Kongresses noch ca. 130 Jahre weiter bestehen konnte, ist teilweise nur auf Zufälle zurückzuführen, aber auch darauf, dass in entscheidenden Phasen wichtige Fürsprecher vorhanden waren. Das galt besonders nach 1866 für Preußen. Dabei war Schaumburg-Lippe nicht nur außenpolitisch gefährdet, sondern auch innenpolitisch, weil die geringe Größe des Landes spätestens seit 1830 es verhinderte, dass wichtige innenpolitische Reformen aus eigener Kraft realisiert werden konnten.

Dank einer engen Kooperation mit Preußen konnte nicht nur die formale Selbständigkeit gewahrt werden, sondern zugleich gelang es, wesentliche innenpolitische Reformen zu realisieren. Schaumburg-Lippe konnte sogar nach 1918 weiterhin seine Selbständigkeit bewahren, obwohl der finanzielle Spielraum des Landes immer kleiner wurde. Dennoch misslang ein Anschluss an Preußen gleich zweimal während der Weimarer Republik. Dies lag nicht allein daran, dass ein konservatives Milieu den Anschluss an das "rote Preußen" verhinderte, denn in Schaumburg-Lippe war bis auf wenige Jahre immer die SPD Regierungspartei. Eine starke sozialdemokratische Anhängerschaft hatte sich schon im Kaiserreich etablieren können und bestimmte nun weiterhin die innenpolitischen Verhältnisse im Lande. Dieses sozialdemokratische Milieu dürfte in einem weitaus stärkeren Maße, als dies bislang gesehen wurde, auch dafür verantwortlich zu machen sein, dass die Bevölkerung -- und zwar nicht nur die bäuerlich-ländliche -- sich eng mit dem Kleinstaat identifizierte und dessen Ende nicht ohne Widerstand hinnehmen wollte. Für diese enge Bindung des sozialdemokratischen Milieus an den Kleinstaat spricht auch die Tatsache, dass wichtige Vertreter der Arbeiterparteien (zu denen auch die KPD trotz ihres Widerstands gegen die SPD-geführte Regierung bis 1933 zu zählen ist) führend am Wiederaufbau des Landes nach 1945 beteiligt waren.

Dietmar von Reeken (Oldenburg) wählte für seine abschließenden Überlegungen den Titel "'Das Land als Ganzes!' Heimatbewegung und Landesidentität in Niedersachsen vor und nach 1945": Niedersachsen war eine historische Erfindung des 19. Jahrhunderts und wurde mit der Landesgründung 1946 eine politische Realität. Der Vortrag schilderte die langfristige Vorgeschichte der Landesgründung, um dann zu erörtern, wie in den ersten Jahren des neuen Landes im Zusammenspiel von Heimatbewegung, Landesgeschichtsforschung und Landespolitik aktive Integrationspolitik betrieben wurde. Eine zentrale Rolle bei der Stiftung eines Landesbewusstseins spielte ein spezifisches, alle gegenlaufenden Entwicklungen bewusst ignorierendes Bild der regionalen Geschichte, das durch Vorträge und Veröffentlichungen propagiert wurde. Ob dadurch tatsächlich eine "regionale Identität" von oben geschaffen werden konnte, erscheint sehr fraglich -- Integration gelang eher durch wirtschaftliche Entwicklungen und soziale Maßnahmen als durch solche bemühten geschichtspolitischen Versuche.

Die Tagung setzte damit folgerichtig nach einem Überblick über die spezifischen Entwicklungen der 1946 zum Land Niedersachsen zusammengefassten Länder an den Schluss eine Betrachtung zur Herausbildung der Landesidentität. Die Vorträge machten deutlich, dass die "preußische Periode" in ihren unterschiedlichen Auswirkungen auf die einzelnen Ländern sehr differenziert zu betrachten ist. Zum Jubiläum "60 Jahre Land Niedersachsen", das mit großem medienwirksamen Aufwand von der Landesregierung begangen wurde, lieferte die Sitzung des Arbeitskreises aufschlussreiche Erkenntnisse zur vorhergehenden "preußischen Periode".


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