Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europäische Reisemarkierungen

Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europäische Reisemarkierungen

Organisatoren
Hartmut Kühne; Lehrstuhl für Christliche Archäologie, Denkmalkunde und Kulturgeschichte der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin; Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin; Museum Europäischer Kulturen der Staatlichen Museen zu Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.11.2006 - 25.11.2006
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Von
Jörg Poettgen und Hartmut Kühne

Am 24. und 25. November 2006 fand am Berliner Kulturforum ein Symposion in memoriam Kurt Köster (1912-1986) statt. Kurt Köster, Direktor der Deutschen Bibliothek in Frankfurt und Nestor der europäischen Pilgerzeichenforschung, war am 17. Juli 1986 verstorben, so dass mit diesem Symposion seines zwanzigsten Todestages gedacht wurde. Es war mit der Eröffnung einer Ausstellung unter dem gleichen Titel verbunden, die noch bis zum 11. Februar 2007 im Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin zu sehen ist.

Unter dem Titel „Das Zeichen am Hut im Mittelalter. Europäische Reisemarkierungen“ hatte federführend Dr. Hartmut Kühne vom Lehrstuhl für Christliche Archäologie, Denkmalkunde und Kulturgeschichte der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin eingeladen. Beteiligt waren ferner das genannte Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin, das erstmals Teile seiner Pilgerzeichensammlung in dieser Ausstellung präsentiert, ergänzt von zusätzlichen Exponaten zum Wallfahrtswesen aus einem weiteren Berliner Museum, dem Museum Europäischer Kulturen der Staatlichen Museen zu Berlin. Die Bedeutung dieser institutionenübergreifenden Veranstaltung wurde dadurch sichtbar, dass zur Eröffnung von Ausstellung und Symposion für die beteiligten Häuser Prof. Dr. Christoph Markschies, der Präsident der Humboldt-Universität, und stellvertretend für den verhinderten Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Prof. Dr. Klaus-Peter Schuster, der Direktor des Museums Europäischer Kulturen, Prof. Dr. Konrad Vanja, begrüßende und einführende Worte fanden. Eigens aus Nürnberg angereist war Prof. Dr. Ulrich Grossmann, Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, das Kösters Pilgerzeichenarchiv betreut.

Der im Titel angesprochenen europäischen Dimension des Themas wurde auch die Zusammensetzung des Symposions gerecht, da neben den deutschen Teilnehmern Pilgerzeichenforscher – in geographischer Ordnung – aus Polen (Dr. Marcin Majewski, Museum Stargard), Tschechien (Dr. Helena Koenigsmarkova, Direktorin des Kunstgewerbemuseums Prag), Ungarn (Dr. Elek Benkö, Akademie der Wissenschaften Budapest), Frankreich (Dr. Denis Bruna, Versailles Ecole des Beaux-Arts) und den Niederlanden (Prof. Dr. Jos Koldeweij, Radboud Universiteit Nijmegen) erschienen waren.

Bei der feierlichen Eröffnung am Freitagabend führten Dr. Hartmut Kühne und Lothar Lambacher in die Thematik von Symposion und Ausstellung ein. Dabei ergab sich die reizvolle Konstellation, dass bei der vorhergehenden Ausstellung über die Kuppelreliquiare aus dem Welfenschatz der nämliche Inhalt der Reliquienverehrung wie bei den Pilgerzeichen dargestellt wurde, einmal in der Form der kostbaren Pretiosen für Kirche und Adel, zum anderen in der wohlfeilen Blei-Zinn-Legierung für den einfachen Pilger. Dass letztere erst mit Kurt Köster durch seine Studien über ihre Abgüsse auf Glocken die gebührende Aufmerksamkeit gefunden hatten, lag wohl auch mit daran, dass vorhandene Originale als irgendwann von irgendwem erworbene Konvolute lange Zeit unausgepackt in Museumsdepots schlummerten. Das Zustandekommen der Ausstellung verdankt sich daher indirekt den vom Lehrstuhl für Christliche Archäologie, Denkmalkunde und Kulturgeschichte ausgehenden Bemühungen um eine im WWW frei zugänglich Datenbank der Pilgerzeichen, wofür auch im Magazin des Berliner Kunstgewerbemuseums recherchiert wurde. Die hier weithin unbearbeitet und unbekannt lagernde Sammlung von ursprünglich ca. 250 Einzelobjekten hat Dr. Hartmut Kühne gemeinsam mit einigen Studenten der Humboldt-Universität bearbeitet. Als Ergebnis bildete eine Auswahl dieser Zeichen den hauptsächlichen Bestandteil der Ausstellung und wurde damit ebenso erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert. Eingebettet wurde diese Kollektion durch thematisch gestaltete Schautafeln zu Geschichte und Verbreitung der Pilgerzeichen, ergänzt durch Objekte zum Pilgerwesen - insgesamt eine dichte und konzentrierte Illustration dieses speziellen Themas. Sehr zu hoffen ist, dass auch die beiden ursprünglich zusammengehörigen großen Pilgerzeichensammlungen im Prager Kunstgewerbemuseum und im Prager Nationalmuseum in ähnlicher Weise der Öffentlichkeit vorgestellt würden – eine Aussicht, die durch die dem Symposion überbrachten Grußworte von Dr. Helene Koenigsmarkova mit Hoffnung erfüllt wurde.

Das Symposion stellte zunächst Person und Wirken von Kurt Köster in den Mittelpunkt (Prof. Dr. Wolfgang Brückner, Julius-Maximilians Universität Würzburg) sowie am Beispiel der Santiago-Wallfahrt den spirituellen Hintergrund der europäischen Wallfahrt im Mittelalter (Dr. Robert Plötz, Deutsche Jakobusgesellschaft).

Im praktischen Teil zeigte Jörg Poettgen (Deutsches Glockenmuseum) am Beispiel Kösters und der rheinischen Glockenlandschaft den „Beitrag der Glockenkunde zur Pilgerzeichenforschung“ auf. Die dort bei den Glocken festgestellte Verbreitung der spätmittelalterlichen Nahwallfahrten wurde dann durch neue und um die archäologischen Funde erweiterten Untersuchungen von Carina Brumme, M.A. (Humboldt-Universität zu Berlin) ergänzt. In gleicher Weise bestätigten Brummes Ausführungen auch die von Dr. Andreas Haasis-Berner aufgeworfene These des Wandels von Fern- zur Nahwallfahrt in der Mitte des 14. Jahrhunderts.

Als konkretisierende Einzelbeispiele berichteten im weiteren Katrin Nagel M.A. (Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald) über „Pilgerzeichenfunde in Mecklenburg-Vorpommern“, Dr. Jörg Ansorge (Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern) über aktuelle Grabungsergebnisse mit z. T. noch nicht identifizierten Objekten aus Stralsund. Dr. Cornelia Oefelein, Kremmen, stellte bei ihren Glockeninventarisationen auf den Türmen in Nordbrandenburg fest, dass selbst die in der Fachliteratur aufgeführten Pilgerzeichen weder vollständig aufgeführt noch immer richtig identifiziert sind. Als spontane Zugabe zur Tagesordnung berichtete Dr. Denis Bruna, Versailles Ecole des Beaux-Arts, von den wichtigsten archäologischen Pilgerzeichenfunden der letzten 10 Jahre in Frankreich, wobei besonders die Entdeckung einer Pilgerzeichenwerkstatt am Mont St.-Michele mit etwa 250 Gussmodeln großes Interesse fand. Ebenso ergriff Prof. Dr. Jos Koldeweij, Radbout Universiteit Nijmegen, das Wort und berichtete über eine parallele Ausstellung im Brüggemuseum, Brügge, mit dem beziehungsreichen Titel „Geloof und Geluk“ (Glaube und Glück), bei der auch neue Funde von „Zierrat und Devotionalien im mittelalterlichen Flandern“ vorgestellt wurden. Hierbei nutzte er zudem die Gelegenheit, auf die intensive Pilgerzeichenforschung in den Niederlanden hinzuweisen, die durch die dortigen zahlreichen Pilgerzeichenfunde entstanden ist. Auch fand aus Anlass der Ausstellung in Brügge vom 26. – 28. Oktober 2006 ebenfalls ein wissenschaftlicher Kongress statt.

Die Parallelität zu den Niederlanden wurde des weiteren deutlich, als Christoph Henseler, Technische Universität Berlin, die seit 2002 bestehende „Pilgerzeichendatenbank“ vorstellte, die aus der Berliner Pilgerzeichenforschung der letzten Jahre entstanden war (http://www.pilgerzeichen.de). Sie ist noch im Aufbau begriffen und wird hinsichtlich der Datensätze und Dienste ständig erweitert. Dem gegenüber befindet sich die Datenbank der Radbout-Universität in Nijmegen mit einem Datenbestand von etwa 5000 Zeichen in einem fortgeschrittenen Zustand (http://www.let.kun.nl/ckd/kunera/). Zukünftig wird eine enge Verzahnung beider Datenbanken angestrebt.

Gerade im direkten Vergleich zu den Niederlanden ist die „Pilgerzeichengemeinde“ in den deutschen Regionen noch recht klein. Umso wichtiger sind Veranstaltungen wie das Berliner Symposion, auf dem für die weitere Arbeit zahlreiche neue Kontakte entstanden.


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