ArbeiterInnenbewegung und Rechtsextremismus / Labour and Right-Wing Extremism / Mouvement ouvrier et extrême droite

ArbeiterInnenbewegung und Rechtsextremismus / Labour and Right-Wing Extremism / Mouvement ouvrier et extrême droite

Organisatoren
42. Linzer Konferenz, veranstaltet von der Internationalen Tagung der HistorikerInnen der Arbeiter- und anderer sozialer Bewegungen und der Kammer für Arbeiter und Angestellte Oberösterreich, mit freundlicher Unterstützung von Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Oberösterreichischer Landesregierung, Stadt Linz und Friedrich Ebert-Stiftung Bonn
Ort
Linz
Land
Austria
Vom - Bis
14.09.2006 - 17.09.2006
Url der Konferenzwebsite
Von
Jürgen Hofmann (Berlin)

Das vor dem Hintergrund der Geschichte des 20. Jahrhunderts sowie jüngster Ereignisse hochaktuelle Thema hatte 75 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Linz geführt. Die Konferenzteilnehmer hatten sich die im CFP definierte Aufgabe gestellt, angesichts der „Revitalisierung rechtsextremer Ideologien, Bewegungen und Organisationen in der Gegenwart ..., sich historischer Erfahrungen zu vergewissern und nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen historischen und aktuellen Erscheinungen des Rechtsextremismus zu fragen“. Obwohl die Literatur zum Rechtsextremismus auch für Spezialisten kaum noch zu überschauen ist, darf das Thema der Konferenz als eher unterbelichtet gelten.

Jürgen Hofmann (Berlin) ging in seinem einleitenden Referat auf die historischen Wurzeln und aktuellen Erscheinungen des Rechtsextremismus sowie seine internationale Dimension ein und betonte, dass Rechtsextremismus kein genuines Produkt der Arbeiterbewegung ist. Michael Schneider (Bonn) machte am Beispiel des „Dritten Reiches“ die Gemengelage von Dissens und Konsens zum deutschen Nationalsozialismus in der Arbeiterschaft deutlich. Die faschistischen Gewerkschaften als Instrument des Mussolini-Regimes behandelte Luigi Ganapini (Milano). Laszlo Marjanucz (Szeged) skizzierte den wechselnden politischen Einfluss, den Sozialdemokratie und Pfeilkreuzler in Südungarn auf die Bevölkerung nahmen. Den Einfluss faschistischer Organisationen auf die Arbeiterbewegung in den USA und in Großbritannien während der Zwischenkriegszeit des vorigen Jahrhunderts untersuchte Nigel Copsey (Teesside) in seinem Beitrag. Gerhard Botz (Wien) demonstrierte am Beispiel der sich wandelnden Berufs- und Sozialstruktur der NSDAP-Mitgliedschaft das Eindringen des Nationalsozialismus in die österreichische Gesellschaft.

Ein zweiter Komplex von Referaten widmete sich dem Verhältnis von Rechtsextremismus und Arbeiterschaft in weißen Siedlerländern. Lorenzo Veracini (Canberra) erörterte an verschiedenen Beispielen die Spezifik, die sich in Siedlergesellschaften für das Thema ergibt, während Wessel Visser (Stellenbosch) dem Zusammenhang von Arbeitermilieu und Rechtsextremismus im südafrikanischen Kontext nachging. Die zwei grundlegenden Trends der extremen Rechten im Argentinien des 20. Jahrhunderts standen im Zentrum des Beitrags von Daniel Lvovich und Mariela Rubinzal (Buenos Aires).

Ein dritter Komplex beschäftigte sich mit Erscheinungen des Rechtsextremismus in Westeuropa nach 1945. Fabian Virchow (Marburg) verwies darauf, dass die extreme Rechte in Deutschland in jüngster Zeit die soziale Frage für sich wieder entdeckt hat, mit fremdenfeindlichen Stereotypen verknüpft und um Einfluss in der Gesellschaft buhlt. Dem Front National und seinem wachsenden Einfluss seit 1990 war der Beitrag von Sylvian Crépon (Paris/Brüssel) gewidmet. Lampros Flitouris (Ioannina) ging auf die rechtsextremen Tendenzen im gegenwärtigen Griechenland ein.

In einem vierten Komplex beschäftigten sich Karl-Heinz Gräfe (Freital b. Dresden) und Mariana Hausleitner (München) mit der Wiedergeburt des Rechtsextremismus in osteuropäischen Transformationsgesellschaften. Während Gräfe wichtige Tendenzen und Zusammenhänge am Beispiel verschiedener Länder Osteuropas umriss, skizzierte Hausleitner die Rezeption des historischen Rechtsextremismus in Rumänien nach 1990.

Eine Podiumsdiskussion an der Kunstuniversität Linz in Kooperation mit der Gesellschaft für Kulturpolitik Oberösterreich und dem Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte der Universität Linz ergänzte das Konferenzprogramm. Marcus Meier (Marburg), Horst Helas (Berlin), Christian Schacherreiter (Linz) sowie die Künstler Andre Zogholy und Chris Müller debattierten unter der Moderation von Wiltrud Hackl (ORF Oberösterreich) über Probleme des neuen Nationalismus und Möglichkeiten wirksamer Gegenstrategien.

Die Tagung ist von einer Vorbereitungsgruppe unter der Leitung von Jürgen Hofmann (Berlin) wissen¬schaftlich konzipiert worden. Ihr gehörten weiters Thomas Hellmuth (Linz), Michael Schneider (Bonn) und Berthold Unfried (Wien) an. Organisiert wurde die Konferenz seitens der ITH von Eva Himmelstoss. Die Beiträge werden in einem Tagungsband publiziert.

Obwohl Rechtsextremismus nicht der Arbeiterbewegung selbst entspringt, stellt sich doch immer wieder die Frage, warum er insbesondere in Krisen- und Umbruchsituationen Teile der Arbeiterschaft beeinflussen und zeitweise sogar an sich binden kann. Die unterschwellige Langzeitwirkung nationalistischer und rassistischer Vorbehalte sowie reaktionärer Indoktrinationen, die im Alltagsbewusstsein überdauern, dürften hier ebenso eine Rolle spielen wie Perspektiv- und Orientierungslosigkeit sowie Abstiegsängste. Die Möglichkeiten rechtsextremer Regime, über soziale Demagogie hinaus in soziale Beziehungen regulierend einzugreifen, dürfen dabei ebenfalls nicht aus dem Blickfeld geraten. Referate und Diskussion machten deutlich, dass der Rechtsextremismus eine der gesellschaftspolitischen Strömungen des 20. Jahrhunderts ist, die nachhaltig in das angebrochene Jahrhundert hineinwirken und deshalb auch nicht als historisch abgeschlossenes Phänomen behandelt werden können. Die Bandbreite und die unterschiedlichen Ausprägungen rechtsextremer Ideologien und Bewegungen erschweren oft ihre politische und soziale Zuordnung. Politische Aufmerksamkeit und Widerstand sind aber in jedem Falle geboten, sollen sich dramatische Erfahrungen des letzten Jahrhunderts nicht in anderer Variation wiederholen.

Kontakt

Mag. Eva Himmelstoss
ITH - International Conference of Labour and Social History
Altes Rathaus, Wipplinger Str. 8, A-1010 Wien, Österreich
E-Mail: ith@doew.at
Web: www.ith.or.at


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Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Deutsch
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