Intellektuelle: Rollenbilder, Interventionsformen und Streitkulturen (1500-1800)

Intellektuelle: Rollenbilder, Interventionsformen und Streitkulturen (1500-1800)

Organisatoren
PD Dr. Rainer Bayreuther (Frankfurt/Main); Dr. Meinrad von Engelberg (Darmstadt); Prof. Dr. Hans-Jürgen Lüsebrink (Saarbrücken); Dr. Sina Rauschenbach (Halle); PD Dr. Isabella von Treskow (Potsdam); Herzog August Bibliothek
Ort
Wolfenbüttel
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.07.2006 - 07.07.2006
Url der Konferenzwebsite
Von
Meinrad v. Engelberg, Darmstadt

Der Begriff des Intellektuellen erlangte seine heutige Bedeutung im Zusammenhang mit der Dreyfus-Affäre in Frankreich um 1900. Trotz der modernen Begrifflichkeit lassen sich aber die Bedingungen, die intellektuelles Intervenieren ermöglichen und erfordern, bereits in der Frühen Neuzeit ausmachen. Diese These aus verschiedenen Fachperspektiven zu überprüfen war Anliegen eines dreitägigen Arbeitsgespräches an der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Versammelt hatten sich Vertreterinnen und Vertreter der Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte, Romanistik, Anglistik, Philosophie und Musikwissenschaft, um der Frage nachzugehen, wie nachweisliche Formen des Eingriffs in politische Konflikte bzw. ein im weitesten Sinne gesellschaftspolitisches Agieren von Gelehrten und Gebildeten in der Frühen Neuzeit sinnvoll zu erforschen sei. Der Anstoß, sich in einem breiten, systematischen Projekt den modernen Begriff des bzw. der Intellektuellen retrospektiv für die Zeit von der Renaissance bis zum 19. Jahrhundert zunutze zu machen, geht auf den 2004 verstorbenen Historiker Richard van Dülmen zurück. Im Sommer 2003 veranstaltete er die Tagung „Intellektuelle Kultur – Kultur der Intellektuellen in der Frühen Neuzeit“, aus der die interdisziplinäre Initiativgruppe hervorging, die das Wolfenbütteler Arbeitsgespräch leitete.

Zur Einführung schilderte Sina Rauschenbach (Halle/S.) die Historie und die besondere Verbindung der Initiative zur Herzog August Bibliothek. Isabella von Treskow (Potsdam) skizzierte folgende Leitfragen der Tagung: Welche analytische Energie würde die Begriffsverwendung entfalten können? Welche Personen und Personengruppen zwischen 1500 und 1800 seien überhaupt als Intellektuelle (und eben nicht nur als Gelehrte) zu charakterisieren, welche Handlungsformen könnten durch die Qualifizierung als „intellektuell“ angemessener als bisher erfasst werden? Insbesondere sollte gefragt werden, wie der für den modernen Intellektuellen konstitutive Anspruch auf Autonomie in Zeiten der Zensur, der ständisch-obrigkeitlichen Gesellschaft und einer völlig anders gearteten vorbürgerlichen „Öffentlichkeit“ zu verstehen sei. Zudem sei zu überprüfen, mit welchen Mitteln und Argumenten Intellektuelle in der Frühen Neuzeit in Debatten und anderen öffentlichen Streitfragen Einfluss zu nehmen versuchten und inwieweit Möglichkeiten nonverbaler intellektueller Interventionen im Bereich der bildenden Kunst oder der Musik bestanden bzw. inwiefern Kunst als „intellektuelles Medium“ generell wirksam gemacht werden konnte.

Die erste Sektion der Tagung, Rollenbilder und Identitätsmuster, begann mit einem Vortrag von Albert Schirrmeister (Geschichte, Berlin): Wodurch werden humanistische Literaten zu Intellektuellen? Schirrmeister verstand seinen Beitrag als Suche nach den Bedingungen, unter welchen Gelehrte des 16. Jahrhunderts zu potenziellen Intellektuellen werden konnten, und fragte, ob man das zeittypische Agieren von Gelehrten des 16. Jahrhunderts mit diesem Begriff überhaupt beschreiben könne. Am Beispiel der drei humanistischen Autoren Erasmus Stella, Robert Gaguin und Johannes Cuspinian wurde verdeutlicht, dass um 1500 lateinische Gelehrsamkeit und Nähe zur Macht bis hin zum erklärten Auftragswerk keine Gegenindizien, sondern vielmehr Voraussetzungen intellektueller Profilierung waren: Cuspinian etwa ergriff die Gelegenheit, in einer geschliffenen Rede den Adel des Reiches zur Einigkeit zu mahnen – einen Adressatenkreis, der ihm ohne Rekurs auf ciceronische Rhetorik niemals das Wort erteilt hätte.

Hans-Jürgen Lüsebrink (Romanistik, Saarbrücken) schlug in seinem Beitrag Vom Gelehrten zum „Philosophe“ den Bogen bis an das Ende des Untersuchungszeitraums. Er erkannte in dem Terminus „Philosophe“ ein zeitgenössisches Synonym für jene Rolle, die Foucault mit „Etre un peu la conscience de tous“ umschrieb und so den Intellektuellen zu einem selbsternannten Anwalt höherer Moral machte. Das vom „Savant“, dem Gelehrten, sich absetzende Selbstbewusstsein dieser Gruppe der „Philosophes“ wurde vor allem durch die Polemik ihrer erklärten Feinde, der sogenannten „Anti-Philosophes“, gestärkt. Als Beispiel stellte Lüsebrink Guillaume-Thomas Raynal, den Verfasser der kolonialismuskritischen zehnbändigen „Histoire philosophique et politique […]“ (1780) vor, der sich auf dem betont unkonventionell-bürgerlichen Autorenporträt seines Werkes als „Verteidiger der Menschlichkeit, Wahrheit und Freiheit“ inszenierte.

Ina Schabert (Anglistik, München) lenkte unter dem Titel Quer zur Wissenschaftskultur – die Frau als Intellektuelle den Blick über den Kanal auf England nach der Glorious Revolution 1688. Schabert präsentierte eine große Zahl von vielbeachteten weiblichen Interventionen in einer überaus diskursfreudigen, vom Zweiparteiensystem geprägten Gesellschaft. So wurden Mütterlichkeit in Verbindung mit dem Gebrauch der Mother language, Häuslichkeit als ideale Bedingung für unabhängige Reflexion und Natürlichkeit als Garant für Unverbildetheit zu besonders günstigen Voraussetzungen weiblicher Intellektualität erklärt. Mary Astell (1666-1731) bekannte sich ausdrücklich dazu, keine formelle Bildung genossen zu haben, und forderte dennoch den Philosophen John Norris in die Schranken. Descartes’ Theorie, dass der Geist im Unterschied zum Leib geschlechtslos sei, diente als Grundlage von Schriften mit Titeln wie „Women as good as the men“ (1677). Freilich handelte es sich um eine kurze Blütezeit, die offensichtlich vom Klima der Regentschaft der Königinnen Maria II. und Anna (1689-1714) profitierte, welches – leider nur für einige Jahrzehnte – misogyne Klischees relativieren konnte.

Die zweite Sektion des Arbeitsgesprächs beschäftigte sich unter der Überschrift Mediale Interventionsformen auch mit jenen Berufsgruppen, die sich in ihrer professionellen Tätigkeit primär künstlerischer Mittel bedienten. Konnten sie trotzdem unter bestimmten Bedingungen als Intellektuelle agieren?
Karsten Mackensen (Musikwissenschaft, Berlin) referierte unter dem Titel „non servitio operis sed imperio speculationis...“ (Boethius) über Musiker in der Frühen Neuzeit zwischen Beruf und Bekenntnis. Durch die Gegenüberstellung zweier Zeitgenossen, des humanistischen Autors und Poeta Laureatus Heinrich Glarean und des Kantors und Komponisten Ludwig Senfl, differenzierte Mackensen überzeugend zwischen dem „Cantor“ Senfl, der Musik praktisch und als Brotberuf ausübte, und dem „Musicus“ Glarean, dessen musiktheoretisches revolutionäres Werk „Dodekachordon“ (Basel 1547) in einer Reihe mit den von ihm betreuten Antiken-Editionen stand. Senfl, der sich selbst als Komponist verstand und in Glareans Buch mehrfach als gelehrtes Exemplum zitiert wird, erarbeitete sich gezielt eine Bekanntheit, die mit der Schaffung einer eigenen „Marke“ verglichen werden könnte.

Isabella von Treskow (Romanistik, Potsdam) untersuchte mit Emotion, Perzeption, Kognition. Fiktionale Literatur als Medium der Intellektuellen einen französischen Liebesroman des 17. Jahrhunderts, Catherine Bernards „Le Comte d’Amboise“, auf einen bisher nicht beachteten religionspolitischen Subtext. 1688 kurz nach der Revokation des Edikts von Nantes erschienen, könne man die amouröse Dreiecksgeschichte um unerwiderte Liebe und freiwilligen Verzicht auch als eine Parabel auf die Zwangskonversionen im Frankreich des Sonnenkönigs lesen: Treskow vertrat die These, dass das Gefühl in fiktionalen Texten durchaus im Dienste der Intellektualität stehen könne. Bernard setze sehr geschickt die gattungstypische Emotionalität des Liebesromans ein, um implizite Hinweise auf den politischen Subtext zu geben und die Leser indirekt, gerade auch durch intendiertes Erregen und Erwecken von Gefühlen, zu gesellschaftspolitischer Kritik zu ermutigen.

Die Interaktion von Bild und Text im Medium „Almanach“ untersuchte Christoph Danelzik-Brüggemann (Kunstgeschichte, Düsseldorf) mit seinem Beitrag Argumentieren mit Bildern. Lichtenberg und Forster. Er verglich zwei von Daniel Chodowiecki illustrierte Taschenkalender: Im Auftrag Georg Christoph Lichtenbergs extrapolierte der Berliner Grafiker 1778 die potenzielle Entwicklung einer Person, die sich entweder einem laster- oder tugendhaften Lebenslauf verschrieb. Raffinierter argumentierte Georg Forsters Kalender auf das Jahr 1790, in dem, während man an der Seine Weltgeschichte schrieb, als bedeutendste Tat eines deutschen Herrschers die Hilfeleistung des pfälzischen Kurfürsten für eine Frankfurter Marktfrau dokumentiert wurde, der ihre Last herabzufallen drohte.

„Bilder (fast) ohne Worte“ stellte Meinrad von Engelberg (Kunstgeschichte, Darmstadt) in seinem Beitrag Bildende Künste als Medien intellektueller Intervention vor. Während Piero della Francescas rätselhafte „Geißelung Christi“ (um 1450?) vor allem modernen Intellektuellen Anlass zu Spekulationen gebe, könne man Dürers „Vier Apostel“ (1526) als persönliche Stellungnahme im Nürnberger Konfessionsstreit und Rubens’ Entwürfe für den Antwerpener Festeinzug des Kardinalinfanten Ferdinand (1634) als intellektuell elaborierten Appell an den Herrscher zum baldigen Friedenschluss deuten. Als kritischer Grenzfall wurde Francisco de Goya diskutiert: Sein aufrüttelnder Grafikzyklus „Die Schrecken des Krieges“ (nach 1808) blieb zeitlebens unveröffentlicht, während sich der Künstler durch geschickten affirmativen Einsatz seiner Mittel im Dienste wechselnder Potentaten persönliche Vorteile zu verschaffen verstand. Gerade mit Blick auf diese doppelgesichtige Zerrissenheit betonte Engelberg, dass intellektuelle Interventionen an die potenzielle Aussagekraft der Werke, nicht aber an die Persönlichkeit des Künstlers gebunden werden sollten.

Mit der Textgattung des Librettos beschäftigte sich Rainer Bayreuther (Musikwissenschaft, Frankfurt/Main) unter dem Titel Politische Oper um 1700: Zwischen Auftragsbindung und Kritik. Am Beispiel zweier in der Hamburger städtischen Oper am Gänsemarkt aufgeführten Werke Reinhard Keisers setzte Bayreuther bei den Bezügen zwischen Bühnenhandlung und politischer Realität an: „Die österreichische Großmuth oder Carolus V.“ (1712) appellierte in Zeiten der kaiserlichen Zwangsverwaltung der Hansestadt an die traditionelle Clementia austriaca. Dieser Aspekt, der wahrscheinlich vom Auftraggeber des Stücks, dem Rat der Stadt, vorgegeben war, werde durch einen zweiten, gegenläufigen erweitert: Die Forderung nach politischem Großmut richte sich auch an den Rat der Stadt selbst, und dies könne adäquat nur als intellektuelle Intervention der Autoren des Textbuches aufgefasst werden. „Störtebecker und Jödge Michaels“ (1701) thematisierte ein Stück Hamburger Lokalgeschichte: In Zeiten heftigen Streits zwischen Rat und Bürgerschaft erschien Springinsfeld, ein „bekehrter“ ehemaliger Kumpan der Piraten, als Exponent der Versöhnung, der in der Rolle eines Hausierers Notenblätter des populären Störtebeckerliedes ins Publikum warf und hierdurch die notwendige Unterwerfung unter die Stadtregierung propagierte.

Am Ende der zweiten Sektion erklärte sich Susanne Lachenicht (Geschichte, Hamburg, zur Zeit Stipendiatin an der Herzog August Bibliothek) spontan bereit, ein ausgefallenes Referat durch einen Kurzvortrag zur Rolle der Presse im revolutionären Frankreich zu ersetzen. Entgegen dem üblicherweise unterstellten West-Ost-Gefälle erwies sich hier das Reich als die offenere, vielfältigere „Zeitungslandschaft“, während im zentralisierten Frankreich nur in der kurzen Phase zwischen 1788 und 1791 von einer faktischen Aufhebung der Zensur gesprochen werden konnte. Danach setzte das Bedürfnis nach Revolutionspropaganda der Hoffnung auf Herstellung einer Communis opinio durch Gedankenfreiheit ein rasches Ende.

Zum Abschluss des Tages wurde eine erste Zwischenbilanz gezogen: Die Beiträge hatten belegt, dass die Rückprojektion des modernen Intellektuellenbegriffs auf das 18. Jahrhundert ohne fundamentale Modifikationen möglich erschien, wobei Autonomie und Individualität (damals wie heute) eher als Anspruch und Selbstinszenierung denn als Beschreibung der Realität anzusehen seien. Für das 16. und 17. Jahrhundert müssten hingegen einige fundamental divergente Rahmenbedingungen zugrunde gelegt werden. Kontrovers diskutiert wurde das Modell des „Überschusses“, welcher intellektuelles Handeln von rein professionellem Agieren abgrenze.

Am letzten Tag begann die dritte Sektion Debatten und Streitkulturen mit einem Vortrag von Ludger Schwarte (Philosophie, Basel): Von der Möglichkeit, die Wahrheit zu sagen. Intellektuelle, Experimentalwissenschaft und Öffentlichkeit um 1700. Schwarte charakterisierte die neue Staatlichkeit des 17. Jahrhunderts durch das von Foucault entwickelte Modell der „Gouvernementalität“: Souveränität und Staatsraison stützten sich diesem Modell zufolge auf Wissen, Ordnung und Disziplin; der Staat übernahm von der Kirche das pastorale Modell der Gewissenslenkung des einzelnen Bürgers; Staatsökonomie und Meinungsmacht lösten unter Intellektuellen eine Gegenbewegung mit dem Wunsch aus, „nicht zu viel regiert zu werden“ und die Verschwisterung von Macht und Wahrheit durch eigenes Forschen aufzubrechen. Als Beispiel hierfür verwies Schwarte auf den Vortrag Nicolaus Stenos zur Natur des Gehirns (Paris 1655), in dem der geborene Däne dadurch eine Gegenöffentlichkeit konstituierte, dass er sich in scharfer Abgrenzung von den dogmatischen Anatomie-Dozenten seiner Zeit zu seinem Nichtwissen bekannte und seine Zuhörer zur „methodischen Anarchie“ aufrief.

Mit A Case of Conscience. Die englische Debatte über die Wiederzulassung der Juden im 17. Jahrhundert versuchte Sina Rauschenbach (Geschichte, Halle) darzustellen, wie eine frühneuzeitliche gelehrte in eine intellektuelle Debatte überführt werden konnte. Sie berichtete von dem Bemühen Cromwells, auf der Whitehall-Konferenz von 1655 eine Einigung mit Juristen, Kaufleuten und Theologen über die Wiederzulassung der seit 1290 aus England vertriebenen Juden zu finden. Grundlage dieser von John Dury zur „Gewissensfrage“ und zu einem kasuistischen Problem erklärten Debatte war eine theologische Spekulation, die durch mit ihr verknüpfte millenaristische Hoffnungen politische Brisanz entfaltete: Mutmaßungen über die Abkunft der Indianer von den Verlorenen Stämmen Israels verbanden sich mit der Erwartung, dass der Messias erst dann wiederkehre, wenn alle Teile der Welt (also auch Amerika und England) wieder von Juden bewohnt würden. Gesellschaftliche Relevanz gewann die Diskussion insbesondere durch das Bestreben der Engländer, den göttlichen Zorn über die erfolgte Vertreibung kurz vor Anbruch der Endzeit zu mildern.

Das für die Frühe Neuzeit zentrale religiöse Feld bestellte auch Ulrich Johannes Schneider (Philosophie, Leipzig) unter dem Titel Physikalisch-theologische Schizophrenie. Johann Jacob Scheuchzer und seine Physica sacra (1731). Dieses umfangreiche, üppig illustrierte vierbändige Werk des Schweizer Theologen, von Schneider als „Multi-Media-Predigt“ charakterisiert, schlug eine Brücke zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis auf der Höhe der Zeit (z.B. bei der ausführlichen Beschreibung von Schlangenarten oder Rekonstruktionsvorschlägen für biblische Bauwerke) und einer in heutigen Augen naiv, ja provokativ erscheinenden Wundergläubigkeit, welche z.B. die Sintflut als physikalisch nicht erklärbar und damit als um so größeres Wunder apostrophierte, über das man nur staunen und schweigen könne. Schneider erkannte in dieser „Schizophrenie“ eine rhetorische Volte, die jedoch nicht von allen Diskutanden als „intellektuell“ akzeptiert werden mochte.

Abschließend versuchte Dieter Janssen (Philosophie, Aachen), mit seinem Vortrag Die Legitimität des Krieges als Problem der frühneuzeitlichen Intellektuellen und Gelehrten zwischen diesen beiden sich überschneidenden Sozialtypen zu differenzieren. Während Francisco de Vitoria (1492-1546), Professor an der Universität Salamanca, auf die Frage nach der Gerechtigkeit der Eroberung Perus noch in klassisch scholastischer Manier die Argumente gegenüberstellte, ohne zu einer Entscheidung gelangen zu wollen, verteidigte Juan Ginés de Sepúlveda in seinem als Dialog gestalteten „Democrates alter“ (1535) ausdrücklich die Conquista mit dem Verweis auf aristotelisches Naturrecht der Unterdrückung Minderwertiger. Allein dem Erasmus von Rotterdam mochte Janssen den Titel „Intellektueller“ unanfechtbar zubilligen, der in seiner „Klage des Friedens“ (1518) den Krieg zwischen Christen als Sünde, also moralisches Versagen gekennzeichnet und die Aufrichtigkeit vorgeschobener „Kriegsgründe“ bezweifelt hatte.

Janssens Vorschlag einer Kategorisierung leitete über zur Schlussdiskussion, die um zwei Fragen kreiste: 1. Definiert der Begriff des Intellektuellen einen bestimmten Personentypus oder eine Form der sozialen Interaktion? Und 2. Ist eine gewisse Stetigkeit des Engagements zu fordern, ein scharf umrissener, auch nach heutigen Kriterien „kritischer, rational legitimierbarer“ Standpunkt, oder sollte vielmehr jede einzelne „intellektuelle Intervention“ als konstitutiv angesehen werden? Schließlich divergierten die Meinungen, ob man an der modernen Intellektuellen-Definition möglichst unverändert festhalten solle, um Differenzen zur Frühen Neuzeit deutlich herauszuarbeiten, oder ob nicht gerade der Verzicht auf Charakteristika wie „Säkularität“ oder „Subversion“ das Modell „Intellektuelle“ erst sinnvoll übertragbar mache.
Einig waren sich jedenfalls alle Teilnehmer darin, dass das Thema Tragweite besitzt und weitere interdisziplinäre Forschung verdient. – Eine Publikation der Beiträge ist geplant.