Adlige – Stifter – Mönche. Zum Verhältnis zwischen Klöstern und mittelalterlichem Adel

Adlige – Stifter – Mönche. Zum Verhältnis zwischen Klöstern und mittelalterlichem Adel

Organisatoren
Nathalie Kruppa, Max-Planck-Institut für Geschichte
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
23.06.2006 - 24.06.2006
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Von
Nathalie Kruppa, Max-Planck-Institut für Geschichte

Im Max-Planck-Institut für Geschichte fand am 23. und 24. Juni 2006 eine von Nathalie Kruppa vorbereitete Tagung zum Thema „Adlige – Stifter – Mönche. Zum Verhältnis zwischen Klöstern und mittelalterlichem Adel“ statt, zu der überwiegend junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingeladen waren. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beschäftigten sich mit verschiedenen Aspekten dieses umfassenden Themenbereiches. Die Ergebnisse dieser Tagung sollen noch dieses Jahr in den „Veröffentlichungen des Max-Planck-Institutes“ in Druck gehen.

Nach einer Begrüßung durch Nathalie Kruppa folgte der erste Vortrag von Eva-Maria Butz (Dortmund), der auch chronologisch der früheste war und sich mit der späten Karolingerzeit beschäftigte. Butz stellte anhand des Verbrüderungsbuches von Remiremont Beispiele von individueller Memoria vor, dessen Einträge das Netzwerk der karolingischen Adligen widerspiegeln. Sie stellte den zeitlichen Zusammenhang – Lossagung Lothringens vom Ost- zugunsten des Westfrankenreichs – der Eintragung dar und identifizierte die Personen, die sich hinter diesen „verstecken“. Hier sind die unter den Karolingern aufgestiegenen Adelssippen zu sehen, die königsnah waren und selbst königsfähig wurden, was sich auch an dem Ort der Eintragung – im Anschluß an das karolingische Herrschergedenken – widerspiegelt. Damit positionierte das Kloster sich selbst und suchte für sich, nach dem Ende der Karolinger, eine gesicherte Zukunft.

Anhand von drei ausgewählten Beispielen zeigte Jürgen Dendorfer (München) die unterschiedlichen, auf den ersten Blick nicht erkennbaren, Verbindungen zwischen adligen Familien und Klöstern im 12. Jahrhundert, anhand deren er die adlige Gruppenbildung herausarbeitete. Dabei beobachtete er die Verfügungen zugunsten des Gedächtnisses der Mathilde von Istrien, geb. Sulzbach (+ vor 1164), der Memorialschenkungen Elisabeths von Ortenberg (+ 1206) zugunsten ihres verstorbenen Mannes Rapoto I. von Ortenberg (+ 1186) sowie das Testament des Pfalzgrafen Friedrich von Wittelsbach (+ 1198). In allen drei Fällen konnte Dendorfer beobachten, daß zugunsten der bedachten Person nicht nur ein, sondern stets mehrere Klöster und Stifte bedacht wurden. Es wurden nicht nur solche ausgewählt, deren Verbindungen zu der Stifterfamilie als Gründer oder Vögte unverkennbar waren und die als Familienklöster gelten können, sondern auch geistliche Institutionen, die von Verwandten, Freunden oder Getreuen (cognati, amici, fideles) bevogtet waren. Indem deren Stellung durch die Schenkung gestärkt wurde, verstärkte sich auch ihre Bindung an den Schenker. Ausnahme waren die Klöster, die als ausgesprochene Familienklöster galten, hierhin stifteten außer den Kernfamilien nur solche Personen, die persönlich eng mit der Familie verbunden waren. Insgesamt scheinen die cognatischen Beziehungen eine große Rolle gespielt haben, ein historisches Bewußtsein war hingegen kaum ausgeprägt, wie an den Wechseln der Hausklöster zu beobachten ist.

Diana Zunker (Mainz) zeigte am Beispiel von drei westfälischen Adelsfamilien des 12./13. Jahrhunderts deren Verhältnis zu Klöstern ihres Herrschaftsraumes. Am Beispiel der Grafen von Schwalenberg führte sie vor, wie eine Familie zu unfreiwilligen Mitstiftern bei einer Klostergründung werden konnte. Durch verpfändetes Gut, das der Pfandnehmer Widukind von Rheda dem Kloster Marienfeld schenkte, wurden die Schwalenberger Mitstifter des Klosters; sie versuchten aber in den nächsten Jahren, das Gut zurückzuerhalten. Am Beispiel des Grafen Otto II. von Tecklenburg stellte Zunker wiederum die individuelle Memoria eines Adligen vor, die sich auf zwei Zeitpunkte, die 20er und 40er Jahre des 13. Jahrhunderts, konzentriert und auf persönliche wie familiäre Krisen zu reagieren scheint. Die Edelherren von der Lippe wiederum waren eine Familie, die ihr Verhältnis zur Kirche gezielt ausbaute. Sie sammelten bewußt Klostervogteien in ihrer Hand, ferner wurden die Kinder Bernhards II., des nachmaligen Abtes von Dünnamünde und Bischofs von Selonien, gezielt auf Bischofsamt und Abbatiat vorbereitet. Sie machten auch gezielte Memorialschenkungen, in denen alle Familienmitglieder namentlich erwähnt wurden und unterstützen Kirchenbauten (sowohl Kloster- wie auch Pfarrkirchen), so daß man von „lippischen“ Kirchen sprechen konnte.

In ein ganz anderes Gefilde führte im Abendvortrag Caspar Ehlers (Göttingen) die Zuhörer. Sein Vortrag behandelte den Zusammenhang zwischen den frühen Klostergründungen des frühmittelalterlichen sächsischen Adels und dem folgenden Ausbau der kirchlichen Strukturen, der Diözesen, der in zwei Phasen, um 800 und nochmals in der Ottonenzeit, stattfand. Dabei ließ sich beobachten, daß die Klostergründungen vielfach ziemlich genau die Grenzen der späteren Diözesen oder zumindest der Hochstifte umfaßten. Sie lagen in räumlichen Zusammenhängen und weisen auf Adelsgruppen als Stifter hin. Die zahlreichen Kanonissenstifte in Sachsen deutet Ehlers als dem Ausbau der Herrschaftsbasis der stiftenden Familien dienend. Der Osten Sachsens blieb allerdings von den Gründungen unbeteiligt, hier herrschten aber die ottonischen Könige unmittelbar. Ferner ist auffällig, daß die meisten der Klöster eher an Verkehrswegen im südlichen Sachsen und – bis auf das Bistum Halberstadt – die Diözesen nördlich und südlich der West-Ostverbindungen (Hellweg) lagen.

Am folgenden Tag führte Stefan Pätzold (Bochum) in die Welt der mittelalterlichen Texte am Beispiel der Genealogia Wettinensis und der Chronica Montis Sereni, beides Texte, die sich mit der Frühgeschichte der Wettiner befassen und die Erinnerung an die Familie geprägt haben. Pätzold fragte nach der Datierung der Texte, ihren Autoren und dem zeithistorischen Zusammenhang ihrer Entstehung; dabei setzte er sich mit den Überlegungen von Harald Winkel auseinander. Beide Texte sind im Stift Lauterberg/Petersberg, dem wettinischen Hauskloster, vermutlich im zweiten und dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts, entstanden. Die Auftraggeber waren aber zwei verschiedene; während Pätzold für die Genealogia einen Wettiner, hier Friedrich II. von Brehna, vermutet, ist die Chronica seiner Ansicht nach von dem Lauterberger Kanoniker Heinrich von Röpen niedergeschrieben worden. Während die Genealogia für einen stiftsfremden Zweck niedergeschrieben wurde, ist die Chronik keine Stifterchronik, sondern eine Stiftschronik, in der auch kritisch mit den Wettinern umgegangen wird. Beide Texte enthalten „Hausüberlieferung“ der Wettiner, sind aber an sich keine.

Das Verhältnis zwischen verschiedenen Klöstern und den Landgrafen von Thüringen führte Stefan Tebruck (Jena) vor. Die Landgrafen importierten aus dem Westen die moderne Form der Frömmigkeit, das persönliche Gebetsbuch (Landgrafen- und Elisabethpsalter), bauten aber bewußt in Reinhardsbrunn eine zentrale Memorialstätte mit Familiengrablege auf. Erst Landgraf Hermann I. und seine Frau Sophia vollzogen den Traditionsbruch, indem sie in Eisenach ein neues Kloster gründeten und dieses zu ihrer Grabstätte bestimmten. Bei ihren Söhnen Ludwig IV., Heinrich Raspe IV. und Konrad wird die Zuwendung zu neuen Formen der Frömmigkeit deutlich, so zu den Bettelorden, der Kreuzzugsbewegung und den Ritterorden. Mit dem Tod Heinrichs Raspe brachen die neueren Gedenkstätten zusammen, auch konnten die in Thüringen gelegenen Klöster nicht von der Kanonisation Elisabeths profitieren. Einzig Reinhardsbrunn blieb, mit Unterstützung der Wettiner, eine langfristige Gedenkstätte (Grabdenkmäler des 14. Jahrhunderts) und versuchte, ein Gegengewicht zu Marburg mit einer Förderung des Gedenkens an Ludwig IV. aufzubauen.

Einen einzelnen Adligen und seine unterschiedlichen Gedenkarten stellte Nathalie Kruppa (Göttingen) vor: Adolf IV. von Schaumburg. Nachdem er die holsteinischen Güter seiner Familie zurückerobert hatte, betätigte er sich als Kloster- und Städtegründer, wobei er bei den Klostergründungen die Bettelorden, vor allem die Franziskaner, sowie Zisterzienserinnen bevorzugte. Das besondere an Adolf war aber sein Eintritt in den Franziskanerorden einschließlich Priesterweihe und sein anschließendes Wirken als Reformer und Missionar in Livland. Dies führte letztendlich zu einer Verehrung des ehemaligen Grafen im Franziskanerorden als Heiligen. Der Vergleich mit dem ebenfalls als heilig verehrten Gottfried von Cappenberg zeigte jedoch, daß eine solche Entwicklung im Mittelalter zwar nicht häufig, aber auch nicht singulär war. Eine weitere Erinnerungsform an Adolf IV. präsentierte Kruppa aus dem Hamburg des 15. Jahrhunderts, wo zur Zeit des Übergangs Hamburgs und Holsteins unter die dänische Krone die Erinnerung an den ehemaligen Stadtherrn mit zwei Bildtafeln geweckt wurde – was als Beispiel für politische Memoria dienen kann.

In das Verhältnis zwischen den schlesischen Zisterzienserklöstern und den schlesischen Herzögen aus dem Hause der Piasten führte Przemyslaw Wiszewski (Breslau) ein. Dabei bezog er sich auf drei Ebenen der Beziehungen, der klösterlichen Historiographie, der Geistlichen im Dienste der Herzöge und letztendlich der Klöster als Memorial- und Begräbnisstätten, vor allem am Beispiel der wichtigen, ältesten und größten Abtei Leubus. Anhand der Funktion der Zisterzienser als Urkundenschreiber der Herzöge zeigte Wiszewski das sich wandelnde Verhältnis und Verständnis zwischen den Mönchen des Klosters und den verschiedenen Herzögen im 13. Jahrhundert. Ferner war Leubus eine der Grablegen der schlesischen Herzöge; neben dem Stiftergrab Boleslaus des Langen wurde die Grablegetradition zu Beginn des 14. Jahrhunderts durch Heinrich von Glogau wiedererweckt, der hier eine Grablege für seinen Familienzweig vorsah. In der gleichen Zeit begann die reiche historiographische Zeit des Klosters, wohl im Auftrag desselben Herzogs, der an die früheren Traditionen seines Hauses anschließen wollte. Dabei errichtete er nicht nur ein Grab für seinen Bruder, sondern auch eines für den Klosterstifter: beide entsprachen sich stilistisch und ikonographisch. Das Kloster diente also als Erinnerungsort für die schlesischen Piasten, sollte aber auch ihre Wichtigkeit für Gesamtpolen zeigen.

Im letzten Vortrag stellte Carola Fey (Gießen) die Begräbnisstätten mittelrheinischer Adliger vor, namentlich der wittelsbachischen Pfalzgrafen bei Rhein und der Grafen von Sponheim in den Linien Hintere und Vordere Grafschaft. Dabei zeigte sie wie die sich Grabstätten und damit die Gedenkorte mit dem Wechsel der Residenz veränderten. So gaben nach 1300 die Pfalzgrafen die Grabstätten in Zisterzienserklöstern auf und bauten ihre Residenz Neustadt zu einem neuen memorialen Mittelpunkt aus. Aber auch dieses blieb es nicht lange, sondern nach zwei Generationen verlagerte König Ruprecht die Grablege der Familie in die Heilig-Geist-Kirche in Heidelberg, seine neue Residenzstadt. Ähnliches läßt sich auch bei den Grafen von Sponheim beobachten. Zunächst hatte die Familie ein Hauskloster, wohl mit Begräbnisstätte. Nach der Trennung der Linien bestimmte die „Hintere Grafschaft“ ein neues Kloster zu ihrer zentralen Memorial- und Begräbnisstätte, während die „Vordere Grafschaft“ zunächst dem alten Familienkloster treu blieb, im 14. Jahrhundert aber ihre Mitglieder in verschiedenen Klöstern und Kirchen bestattete und keine traditionelle, konzentrierte Gedächtnisstätte mehr aufbaute. In allen Beispielen fiel die Hinwendung zu Städten als Residenz- und Gedenkorte im 14. Jahrhundert auf.

Die Abschlußdiskussion widmete sich der Frage nach dem „Hauskloster“. Denn, das wurde in den meisten Vorträgen deutlich, das „Hauskloster“ einer Familie als fester und zentraler Gedenkort, wie es die Forschung impliziert, gab es nicht. Es gab zwar Klöster, bei denen sich die Gedenkstiftungen und Begräbnisse einer Familie konzentrierten, diese waren aber nicht stabil. Einerseits konnten und wurden die Seelgerätstiftungen der einzelnen Mitglieder gestreut, d.h. auch andere geistliche Kommunitäten bekamen entsprechende Stiftungen, andererseits wurde auch das vermeintliche Familien- oder Hauskloster nach wenigen Generationen zugunsten eines neuen aufgegeben. So trat die Frage nach dem Begriff „Hauskloster“ und seiner Definition auf. Man fragte sich, ob ein neuer Begriff, wie „Schwerpunktkloster“, zwar nicht eleganter, aber doch genauer in der Aussage wäre. Die meisten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollen in ihren Forschungen weiter auf diesen Punkt achten, so daß hierzu neue Ergebnisse zu erwarten sind.

Die Tagung zeigte, daß das Thema der Adelsforschung keinesfalls abgeschlossen ist. Die breite räumliche Streuung der Vorträge wies auf ähnliche Entwicklungen hin, die weiterhin zu erforschen wünschenswert wäre. Neue Fragestellungen, vergleichende Betrachtungsweisen und Ausweitung der Quellen auch auf nichtschriftliche Überlieferung bieten zudem neue Aspekte bei der Untersuchung von Adelsgeschlechtern. Interdisziplinäre Gespräche würden helfen, die Erkenntnisse zu vertiefen. Eine Fortsetzung im Rahmen weiterer Tagungen oder Gesprächsrunden wäre daher sicher ergiebig.


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