Symposium Bremen - Nordamerika

Symposium Bremen - Nordamerika

Organisatoren
Arbeitsbereich Nordamerikanische Geschichte, Institut für Geschichte, Universität Bremen
Ort
Bremen
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.07.2006 -
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Von
Heike Bungert, Universität Köln

Am 19.7.2006 fand an der Universität Bremen ein vom Fachbereich 8, der Carl-Schurz-Gesellschaft und dem Bremen United States Center gesponsertes und von Professor Heike Bungert (Vertretungsprofessur für Nordamerikanische Geschichte) organisiertes Symposium zum Thema Bremen und die Vereinigten Staaten statt. Bremen und Nordamerika sind durch lange freundschaftliche Beziehungen miteinander verbunden, was in der Routine alltäglicher Spannungen oft aus dem Blickfeld gerät. Bremen war der erste deutsche Staat nach Preußen, der die USA anerkannte, und Handelsverträge förderten den regen Warenaustausch zwischen beiden Partnern. Dabei wurden zwei Drittel des amerikanischen Exporthandels über Bremen und Hamburg abgewickelt, und die Importe aus Nordamerika, anfangs insbesondere Walfischtran und Tabak, später vor allem Baumwolle, stellten meist über die Hälfte der Bremer Einfuhren. Auch heute ist Nordamerika der zweitgrößte Markt für Waren, die aus Deutschland über Bremen verschifft werden, während Nordamerika an vierter Stelle der durch Bremen laufenden deutschen Importe liegt.

Neben den wirtschaftlichen Beziehungen spielte auch die Migration nach Nordamerika für Bremen eine große Rolle, da die Schifffahrt in steigendem Ausmaß Migranten und Remigranten beförderte. So wanderten insgesamt sieben Millionen Deutsche und Osteuropäer über Bremen und Bremerhaven nach Nordamerika aus. Schließlich bildete Bremen nach dem Zweiten Weltkrieg eine amerikanische Enklave in der britischen Besatzungszone, und alle amerikanischen Versorgungsgüter rollten durch Bremerhaven. Daher schien es höchste Zeit, das Thema einmal wissenschaftlich zu beleuchten, zumal sich einige ExpertInnen zeitgleich in Bremen befanden.

Das Symposium „Bremen und Nordamerika“ brachte zudem erstmalig WissenschaftlerInnen aus den drei genannten Bereichen zusammen, aus den Wirtschaftswissenschaften, der Migrationsgeschichte und der Geschichte der internationalen Beziehungen. Drei Vorträge befassten sich mit den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Bremen und insbesondere den Vereinigten Staaten. Prof. Dr. Hans Kloft, Universität Bremen, analysierte Ludwig Beutin und sein Buch Bremen und Nordamerika von 1953. Einerseits schilderte Kloft die wichtigsten Erkenntnisse Beutins, insbesondere das Problem der Konzentration Bremens auf den Transithandel unter relativer Vernachlässigung des Aufbaus einer produzierenden Industrie, andererseits stellte er Beutins Thesen in den Kontext der Wirtschaftsgeschichte. Hans E. W. Hoffmann präsentierte demgegenüber die gegenwärtige Situation und die Bemühungen des 2003 auf Initiative von Senat, Handelskammer und Bremer Investitions-Gesellschaft mbH gegründeten Bremen United States Center, die wirtschaftlichen, aber auch die politischen und kulturellen Beziehungen zwischen Bremen und den Vereinigten Staaten zu fördern. Den Brückenschlag zwischen Wirtschaft und Migrationsgeschichte lieferte Professor Welf Werner, International University Bremen. Er versuchte, volkswirtschaftliche Globalisierungs- und Außenwirtschaftstheorien, insbesondere das Faktor-Proportionen-Theorem, mit dem lokalen Phänomen der Migration aus und über Bremen zu verbinden. Als Möglichkeit dazu kristallisierten sich institutionelle Voraussetzungen, Wettbewerb der Standorte, Informationsübermittlung sowie Bildung von Netzwerken heraus.

Migrationsgeschichte im eigentlichen Sinn bildete – im Einklang mit den Forschungsinteressen an der Bremer Universität – den Schwerpunkt des Symposiums. Hier ging es zum einen um die Bremer Seite, zum anderen um die Adaptation von Bremern und Norddeutschen in den USA. Dr. Horst Rössler, Bremen, verband Wirtschafts- und Migrationsgeschichte mit seiner Analyse des Elbe-Weser-Dreiecks als Wanderungsraum, indem er die wirtschaftlichen Gründe für die Aus- und Saisonmigration untersuchte. Er bettete die Nordamerika-Migration in die Tradition der saisonalen Hollandgänger des 17. und 18. Jahrhunderts, der Grönlandfahrer sowie der permanenten Migration nach Großbritannien, insbesondere in die englische Zuckerindustrie. Durch die Etappenwanderung nach England erwirtschafteten viele Migranten die notwendigen finanziellen Mittel, um in die Vereinigten Staaten weiterzuwandern. Nicole Kvale, M.A., University of Wisconsin in Madison, schilderte den Weg der Auswanderer über Bremen in Form von Sonderzügen oder Auswandererwagen regulärer Züge. Sie wies außerdem auf die scharfe medizinische und hygienische Kontrolle der Durchwanderer aus Osteuropa hin. Besonders spannend war Kvales Hinweis auf Spezialzüge für Remigranten, der eine bessere Erforschung dieses vernachlässigten Themas erlauben sollte. Auch Dr. Simone Eick, Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven, konzentrierte sich auf die Rolle Bremens und Bremerhavens als Durchwanderungsorte. Sie stellte die Konzeption des neuen Auswanderungsmuseums in Bremerhaven vor, von der architektonischen Idee des Gebäudes über den biographisch-emotionalen Ansatz bis zu den verschiedenen Ausstellungsräumen. Vor allem wies sie auf die sich entwickelnde Rolle des Deutschen Auswandererhauses als Sammelort für Lebensgeschichten und den beginnenden Aufbau einer klassischen Museumssammlung hin. Prof. Dr. Wolfgang Helbich, Ruhr-Universität Bochum, der freundlicherweise kurzfristig einsprang, erläuterte einerseits den Wert von Auswandererbriefen für die Erforschung des eigentlichen Wanderungsprozesses. Andererseits schilderte er die generelle Quellenproblematik von Auswandererbriefen und widersprach der Behandlung der Briefe als eigene Gattung. Schließlich präsentierte er dem Publikum die Auswandererbriefesammlung in der Forschungsbibliothek Gotha.

Der zweite Teil des migrationshistorischen Schwerpunkts befasste sich mit der Adaptation und Akkulturation der MigrantInnen in den Vereinigten Staaten. Rössler hatte in seinem Vortrag bereits auf den Aufbau von „Little Germanies“ in London, Liverpool und New York hingewiesen. Prof. Dr. Heike Bungert, Universität Bremen, erläuterte nach einer theoretischen Einführung über die Bedeutung von Festen für Ethnizitätsbildung die Rolle von plattdeutschen Volksfesten beim Aufbau einer deutschamerikanischen Identität. Sie wies insbesondere auf das Paradoxon hin, dass gerade regionale Volksfeste – neben ihrer Funktion als Sammelort für MigrantInnen aus derselben Region – durch ihre Attraktivität für Deutsche aus allen Regionen zur Bildung einer deutschamerikanischen Ethnizität beitrugen. Professor Giles Hoyt, Indiana University/Purdue University Indianapolis, nahm sich des Fallbeispiels der Migration aus Süd-Oldenburg nach Oldenburg, Indiana, an. Er schilderte den konservativen, wohlhabenden, deutsch dominierten und etwas überalterten Charakter des durch katholische Klöster beeinflussten Ortes in Indiana.

Der dritte Teil des Symposiums schließlich befasste sich mit der Rolle der Amerikaner in Bremen und Bremerhaven. Anna Maria Pedron, M.A., International University Bremen, beschäftigte sich mit den deutsch-amerikanischen Begegnungen während der Besatzungszeit in Bremen. Sie hob insbesondere auf die besondere Lage Bremens als amerikanische Enklave innerhalb der britischen Besatzungszone ab und schilderte die Freiräume, die dies den Bremerinnen und Bremern bescherte. Pedron unterstrich die sehr frühe Kooperation von Bremern und Amerikanern gegen die Briten. Dr. Rüdiger Ritter, Universität Bremen und Museum der 50er Jahre Bremerhaven, präsentierte abschließend die vier Phasen der deutsch-amerikanischen Beziehungen in Bremerhaven mit Wendepunkten während der Blink-Affäre 1954, Ende der 1960er Jahre mit dem wachsenden Selbstbewusstsein der Deutschen und Ende der 1980er Jahre mit dem allmählichen Abzug der Amerikaner. Er konzentrierte sich auf die deutsch-amerikanischen Kulturkontakte in Form von Tauschhandel, Jugend- und Sportvereinen, dem Amerikahaus, vor allem aber in Form von Jazzkneipen.

Das Symposium stellte eine erste Annäherung an das Thema dar. Es bewies erstens, wie viel Forschung zum Thema Bremen/Norddeutschland und Nordamerika betrieben wird und wie fruchtbar der Austausch zwischen Wirtschafts-, MigrationsspezialistenInnen und HistorikerInnen der internationalen Beziehungen ist. Zweitens zeigte das Symposium, wie viele Themen noch der Bearbeitung harren, so eine Untersuchung der Wirtschaftsbeziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg, die Erforschung der Kulturkontakte vor dem Zweiten Weltkrieg sowie die Beziehungen zwischen Bremen und Kanada. Drittens demonstrierte das Symposium die Bedeutung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten für den Stadtstaat Bremen.


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