Medien und Terrorismus

Medien und Terrorismus

Organisatoren
Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen, Institut für Publizistik der Universität Mainz
Ort
Mainz
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.07.2006 -
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Von
Sonja Glaab, Institut für Publizistik, Universität Mainz

Thema der Tagung "Medien und Terrorismus", die am 15. Juli 2006 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz stattfand, war die in der Forschung und in der öffentlichen Diskussion häufig postulierte Symbiose zwischen Massenmedien und Terrorismus 1. Der Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen und das Institut für Publizistik der Universität Mainz hatten zu der Veranstaltung Forscher aus den Geschichts- und Sozialwissenschaften eingeladen sowie Journalisten, die aus eigener Anschauung über den Umgang der Medien mit dem Phänomen Terrorismus berichteten. Die Fragestellungen der einzelnen Vorträge und der Podiumsdiskussion waren dementsprechend unterschiedlich und reichten von normativen und ethisch begründeten Problemstellungen bis hin zur Präsentation von Ergebnissen (historischer) Terrorismus- und Kommunikationsforschung.

Nach einer Einführung in die Thematik durch die Organisatoren der Tagung, Sonja Glaab (Institut für Publizistik, Universität Mainz) und Björn Kilian (BSH), begann das Programm mit einem Vortrag von Sonja Glaab zum Verhältnis der deutschen sozialrevolutionären Terroristen zu den bundesdeutschen Medien in den 1970ern. Die Referentin ging der Frage nach, welche Rolle die Medien für die deutschen Terroristen spielten und inwieweit das Verhalten der Journalisten und insbesondere deren Berichterstattung den Erwartungen der Terroristen gerecht wurden. Die Studie basierte vor allem auf Erinnerungsliteratur der Terroristen sowie Daten aus qualitativen und quantitativen Inhaltsanalysen der damaligen Zeitungsberichterstattung. Der Vortrag "When it bleeds, it leads the headlines... – Zur eindimensionalen Medien-Perzeption des Terrorismus" von Dr. David Th. Schiller schlug die Brücke zwischen dem Terrorismus der 1970er Jahre - und damit einer Zeit ohne Internet, Satellit und Privatfernsehen - und dem heutigen Terrorismus. Schiller, langjähriger Mitarbeiter der amerikanischen Rand Corporation und Control Risks London, zeigte, dass das Phänomen Terrorismus "nichts Neues" sei. Verändert habe sich die Medientechnik und mit ihr die mediale Reichweite, die effektivere und intensivere Nutzung der Medien durch die Terroristen sowie die mediale Aufbereitung des Themas Terrorismus. Die anschlags- und personenorientierte Berichterstattung der Massenmedien folge zunehmend den Regeln des Infotainments.

Jun. Prof. Dr. Michaela Maier und Karin Stengel (Universität Koblenz-Landau) untersuchten auf der Grundlage der Nachrichtenwerttheorie, welche Kriterien sowohl für die Nachrichtenauswahl durch Fernsehjournalisten als auch für die Rekonstruktion der Beiträge durch die Rezipienten relevant sind. Die Studie basierte auf einer quantitativen Inhaltsanalyse der Nachrichtenberichterstattung über internationale Krisen im deutschen Fernsehen, auf den Ergebnissen einer Journalistenbefragung sowie Gruppendiskussionen mit deutschen, amerikanischen, afghanischen und türkischen Bürgern. Die Referentinnen verwiesen auf die herausragende Rolle, den der Faktor Visualität für die Berichterstattung über internationale Krisen spiele. Auch der Vortrag von Nicole Haußecker und Prof. Dr. Wolfgang Frindte (Universität Jena) beschäftigte sich mit der Fernsehnachrichtenberichterstattung über Terrorismus. Die Referenten gingen an einem konkreten Beispiel - den Terroranschlägen in Kenia 2002 - der Frage nach, welche Nachrichtenfaktoren in diesem Zusammenhang eine Rolle spielten und inwieweit die Berichterstattung mit Emotionen und mit islamischen Feindbildern arbeitete. Ihre Analyse zeigt, dass sich die Berichterstattung über Terrorismus trotz der kritischen Stimmen an der Berichterstattung zum 11. September kaum veränderte.

Im Mittelpunkt des Vortrags von Dr. Christian Schicha (Universität Marburg) "Der 11. September - Symbolische Politikvermittlung in den Medien" standen die Symbole der Anschläge des 11. September. Nach einleitenden Bemerkungen zur symbolischen Politikinszenierung diskutierte der Referent die Bedeutung von Symbolen am Beispiel der Terroranschläge vom 11. September 2001. Rolf Tophoven (Institut für Terrorismusforschung & Sicherheitspolitik, Essen) ging in seinem Vortrag "Der "virtuelle Dschihad" - die Relevanz des Internet für den militanten islamistischen Terrorismus" auf die aktuellen Kommunikationsstrategien der Dschihadisten ein. Er verdeutlichte die Vorteile, die das Internet den militanten islamistischen Terroristen bietet und die Probleme, die sich aus der intensiven Mediennutzung der Terroristen ergeben. Im Internet, der "Universität des Dschihad", stehen den Terroristen alle Informationen zur Verfügung, die sie für ihre Aktionen benötigen. Den Abschluss der Vorträge bildete der Beitrag "Angst, Entfremdung, Vertrauensverlust - Die Diffusion von Terrormeldungen und die Wirkung von Terroranschlägen auf die öffentliche Meinung" von Dr. Nikolaus Jackob (Universität Mainz). Jackob zeigte anhand von Befragungsdaten auf, wie schnell sich Meldungen zu terroristischen Aktionen in der Bevölkerung verbreiten und wie sie auf die Emotionen der Rezipienten, das Denken der Menschen gegenüber ethnischen bzw. religiösen Minderheiten sowie auf das Vertrauen der Bürger in ihren Staat und in ihre Mitmenschen wirken.

In der sich anschließenden Podiumsdiskussion debattierten Dr. Nikolaus Jackob (Universität Mainz), Olaf Nossen (ZDF), Dr. David Th. Schiller (Journalist) und Björn Kilian (BSH) über die Verantwortung der Medien im Umgang mit Nachrichten über und Nachrichten von Terroristen. Ein Leitfaden, ob und wenn ja wie Journalisten über Terrorismus berichten sollten, existiert noch nicht und konnte auch in der einstündigen Podiumsdiskussion nicht erarbeitet werden. Aber die Zuschauer hatten die Gelegenheit, sich ein Bild von den Problemen zu machen, die das Berichten versus das Nichtberichten bzw. das emotionale versus das nüchterne Darstellen von terroristischen Aktionen mit sich bringt.

Insgesamt bot die Tagung einen sehr vielseitigen, umfassenden und äußerst differenzierten Einblick in die Thematik "Medien und Terrorismus". Sie legte aber auch offen, dass in diesem Bereich weiterer Forschungsbedarf besteht und dass gerade die in der Tagung berücksichtigte Kombination aus Ergebnissen der Wissenschaft und Erfahrungen der Praxis einen fruchtbaren Ansatz für die künftige Beschäftigung mit diesem Themenbereich bietet.

Die Ergebnisse der Veranstaltung werden voraussichtlich unter Glaab, Sonja (Hrsg.): Medien und Terrorismus (Wissenschaft & Sicherheit, Bd. 3). Berlin: Berliner Wissenschaftsverlag 2007 veröffentlicht.

1 Vgl. u.a. Waldmann, Peter: Terrorismus: Provokation der Macht. München: Gerling-Akad.-Verlag 1998.

Kontakt

Sonja Glaab
Institut für Publizistik
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Colonel Kleinmann-Weg 2
55099 Mainz

Tel: +49 6131 392 5222
Mail: glaab@uni-mainz.de
www.uni-mainz.de/~glaab


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Deutsch
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