Die Stadt im Spiegel – die Stadt als Spiegel.

Die Stadt im Spiegel – die Stadt als Spiegel.

Organisatoren
VW-Stiftung
Ort
Hannover
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.11.2002 - 02.11.2002
Url der Konferenzwebsite
Von
Adelheid von Saldern, Universität Hannover

Städtische Repräsentations- und Imagepolitik im 20. Jahrhundert

Anlass für diese Tagung war das von der VW-Stiftung finanzierte Projekt über Stadtrepräsentationen in Diktaturen (30er und 60er Jahre). Die Tagungsleiterin, Adelheid von Saldern, eröffnete die Konferenz, zu der Vertreterinnen und Vertreter aus fünf Fachdisziplinen gekommen waren, mit einem Einleitungsreferat. Sie ging zunächst auf die Konstruktion der Stadt als Gesamtakteur mit einem (angeblichen) Gesamtinteresse ein. Anschließend thematisierte sie die verschiedenen Gelegenheiten für Stadtrepräsentationen und Stadtimagepolitik und den Einsatz diverser Mittel. In diesem Zusammenhang misst sie den Stadtjubiläen und anderen stadtbezogenen Feiern im 20. Jahrhundert eine besondere Bedeutung zu, weswegen diese im Forschungsprojekt im Mittelpunkt stehen. In Bezug auf die Zweck- und Zielsetzungen wies von Saldern auf die Relevanz von Städtekonkurrenzen (auch in Diktaturen) und auf die nach innen gerichteten Konsensstrategien hin. Im Anschluss stellte sie zwei Themenkreise und Aspekte heraus:
a) die mediengestützte Inszenierung von selektierten Stadtgeschichten (vgl. Sektion 1) und
b) die Stadtbauten, Denkmäler sowie Infrastruktureinrichtungen, soweit diese im Kontext von Stadtprofilierungsstrategien standen (vgl. Sektion 2). Als themenübergreifende Aspekte nannte von Saldern die mit Stadtrepräsentationen verbundenen Inklusionen und Exklusionen sowie die jeweiligen Bezüge zu Region, Staat, Nation etc. Schließlich thematisierte sie die städtische Repräsentations- und Imagepolitik im 20. Jahrhundert hinsichtlich ihrer Kontinuitäten und Brüche sowie unter der Fragestellung ihrer Wirkkraft und unter dem Gesichtspunkt der mit ihr verbundenen diversen Aneignungsmöglichkeiten.

In der ersten von Clemens Zimmermann moderierten Sektion ging es um die mediengestützten Stadtfeiern. Katrin Minner referierte über die Ortsjubiläen im „Dritten Reich“. Sie legte an konkreten Beispielen dar, wie stark diese Feste in breiten Bevölkerungskreisen verankert waren und dass die Versuche zur direkten Politisierung solcher Feste auf Grenzen stießen, was jedoch der Herrschaftsstabilisierung durchaus zugute kommen konnte. Elfie Rembold sprach über Guben und Leipzig in den sechziger Jahren. An Hand der städtischen Festkultur arbeitete sie die Unterschiede in den Geschichtskulturen und Referenzsystemen der beiden so ungleichen Städte heraus.

In der von Daniela Münkel moderierten zweiten Sektion referierte Habbo Knoch über Nobelhotels um 1900. Er interpretierte solche Hotels selbst als „Stadt“ und als Modelle einer modernen sozialen Ordnung. Zum Teil blieben die Nobelhotels auf den städtischen Sozialraum bezogen (etwa als Imageträger) zum Teil verorteten sie sich selbst in einem transstädtischen und transnationalen Kontext. Daran schlossen sich die Ausführungen von Alice von Plato an. Am Beispiel des überdimensionierten Denkmals des Marx-Kopfes in Karl-Marx-Stadt zeigte sie, wie sich die EinwohnerInnen und die Stadtakteure einen ehemaligen Fremdkörper aneigneten – nicht zuletzt durch Witze - und wie nach 1989 das Denkmal Teil einer Stadtimagepolitik wurde („Stadt mit Köpfchen“).

Die Vorträge am Vor- und Nachmittag wurden von Hans Dieter Schmid und Georg Wagner-Kyora kommentiert.
Den Einzelvorträgen folgte eine interdisziplinär zusammengestellte Diskussionsrunde (Bauhistoriker Sid Auffarth, Stadtsoziologe Hartmut Häußermann, Historiker Heinz Reif und Kunsthistoriker Thomas Topfstedt, moderiert von der Soziologin Marianne Rodenstein). Auf dem Hintergrund historischer Entwicklungen ging es hierbei hauptsächlich um die heutige Stadtrepräsentations- und
-imagepolitik. Der Hauptteil der Diskussion drehte sich um den gravierenden Funktionswandel städtischer Profil- und Imagepolitik im 20. Jahrhundert durch die in den letzten zwanzig Jahren von außen kommenden Großinvestoren, consultants und developers.

Am darauffolgenden Tag fand ein Workshop über Stadtgeschichte im 20. Jahrhundert statt. Thematisch verknüpft wurden Tagung und Workshop dadurch, dass das Thema “Stadtrepräsentationen, Stadtimagepolitik und Stadtidentitäten“ in eine Stadtgeschichte des 20. Jahrhunderts in der einen oder anderen Weise integriert werden sollte.

In dem von Walter Siebel (Soziologie), Hannes Siegrist (Historiker), Gert Kähler (Bau- und Architekturhistoriker) und Christoph Bernhardt (Historiker) geleiteten Workshop wurde darüber diskutiert, ob man sich bei der Konzeption einer Stadtgeschichte im 20. Jahrhundert von theoretischen Grundüberlegungen leiten lassen solle. Unter solchem Aspekt wurde über "Fordismus-Postfordismus“, über den "Regulationsansatz“ sowie über das "Sozialplanungs- und Sozialrationalisierungskonzept“ diskutiert. Einverständnis herrschte darüber, dass Mitte der siebziger Jahre auch für die Stadtgeschichte eine Zäsur anzusetzen ist. Als zentral wurde die Frage angesehen, was die Stadtgesellschaft in Anbetracht des sozialen und kulturellen Wandels zusammenhielt, welche Selbst- und Fremdwahrnehmungen der Städte zu verzeichnen waren und worin das "kulturelle Kapital“ einer Stadt bestanden habe. Wie wurde Stadt gedacht und wie wurde sie produziert, welche Wertvorstellungen verbanden sich mit ihr. Zu berücksichtigen seien die Ungleichmäßigkeiten in den Entwicklungen sowie die wechselseitige Beziehungsgeschichte der Stadt zum Land und zur Region. Zu reflektieren seien ferner das Transstädtische (etwa hinsichtlich der großen Entscheidungen; Stichwort: Kommunalfinanzen) sowie die transnationalen Vernetzungen. An Schlüsselthemen wurden genannt: Verräumlichungs- (spatial turn) und Enträumlichungsprozesse (letztere vor allem durch die fortschreitende Suburbanisierung und Globalisierung einerseits und durch die Medialisierung städtischer Öffentlichkeit andererseits), Vergesellschaftung und Individualisierung sowie die vielfältigen Probleme, die sich mit diversen Ressourcen und deren Verknappung verbinden.

Dass Stadtgeschichte nicht mehr ohne Blick auf Migrationen, kulturelle Minderheiten und Geschlechterbeziehungen geschrieben werden kann, und dass die Erfahrungen der diversen Sozialgruppen mit der „Stadt“ nicht vernachlässigt werden dürfen, war ebenfalls unumstritten. Skepsis wurde geäußert, ob es überhaupt noch Städtisches bzw. Stadtspezifisches gäbe. Demgegenüber wurde hervorgehoben, dass auch in urbanisierten und globalisierten Gesellschaften die Stadt einen Sozialraum darstelle, in dem gesamtgesellschaftliche Entwicklungen früh und in besonders verdichteter Form in Erscheinung traten. Schließlich wurde diskutiert, inwieweit bei der Auswahl von Schlüsselthemen von heutigen Problemkreisen ausgegangen werden sollte, vor allem vom Phänomen der „schrumpfenden Stadt“ im Industriezeitalter.

Eine Fortsetzung der Diskussion ist geplant.

Geworben wurde für die Mitgliedschaft in der neugegründeten Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung, GSU (Vorsitz: Heinz Reif) – www.stadtgeschichte.tu-berlin.de.

www.stadtgeschichte.tu-berlin.de
Redaktion
Veröffentlicht am
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Deutsch
Sprache des Berichts