Wirtschaft und Wissen. Denkweisen und Praktiken in Mittelalter und Früher Neuzeit (6. Tagung des Irseer Arbeitskreises für vorindustrielle Wirtschafts- und Sozialgeschichte)

Wirtschaft und Wissen. Denkweisen und Praktiken in Mittelalter und Früher Neuzeit (6. Tagung des Irseer Arbeitskreises für vorindustrielle Wirtschafts- und Sozialgeschichte)

Organisatoren
Irseer Arbeitskreis für vorindustrielle Wirtschafts- und Sozialgeschichte; Mark Häberlein (Bamberg), Markwart Herzog (Irsee), Christof Jeggle (Bamberg), in Kooperation mit André Holenstein (Bern)
Ort
Irsee
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.03.2006 - 26.03.2006
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Von
Irmgard Schwanke, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Vom 24. bis 26. März 2006 traf sich der Irseer Arbeitskreis für vorindustrielle Wirtschafts- und Sozialgeschichte unter der Leitung von Mark Häberlein (Bamberg), Markwart Herzog (Irsee) und Christof Jeggle (Bamberg) zu seiner 6. Tagung zum Thema „Wirtschaft und Wissen“. Die Tagung wurde diesmal in Kooperation mit André Holenstein (Bern) durchgeführt und von der Gerda Henkel Stiftung finanziell unterstützt. Rund 40 Teilnehmer diskutierten in der Schwabenakademie Irsee angeregt zwölf Vorträge, die drei Sektionen zugeordnet waren.

1. Sektion: Handlungsnormen und Wertvorstellungen – Wissen aus der Theorie

Zunächst stellte André Holenstein (Bern) „Konzeptionelle Überlegungen zur Einführung“ an. Am Beispiel eines im Appenzeller Kalender von 1814 abgebildeten Holzschnittes, der einen Schiebkarren mit Segel zeigt, diskutierte er vielfältige Aspekte des Themas. Wissen wird in diesem Zusammenhang nicht als per se vorhanden, sondern als das Ergebnis kulturell geformter Prozesse der Wahrnehmung verstanden, in denen praktische ökonomische Erfahrungen aufgegriffen und transformiert wurden. Damit stellen sich unter anderem Fragen nach medien- und kommunikationsgeschichtlichen Hintergründen. Es muss berücksichtigt werden, dass die Überlieferung häufig bestimmte Schichten und Dinge privilegiert und somit nur einen Teil vorhandener Wissensbestände zugänglich macht. Ferner gilt es, Wechselwirkungen zwischen wissenschaftlichem und eher volkstümlichem, alltäglichem Wissen einzubeziehen und das Zusammenwirken von Wahrnehmung, Reflexion und Praktiken im Detail zu untersuchen. Dabei eröffnen sich auch kulturgeschichtliche Perspektiven auf etablierte ökonomische Theorien, die zu neuen Fragestellungen für die Analyse des Wirtschaftens führen.

„Die Reflexion über Normen kaufmännischen Handelns. Vormodernes ökonomisches Denken als Vermittlung von Praktiken und Wertvorstellungen“ lautete das Thema des Vortrags von Alexander Engel (Göttingen), in welchem er anhand von Ratgeberliteratur ökonomisches Denken vom 15. Jahrhundert bis in die Neoklassik untersuchte. In den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellte er das Spannungsfeld von Vorstellungen ökonomischer Effektivität und Gewinnmaximierung einerseits und moralischen sowie religiösen Anforderungen an die Lebensführung kaufmännischer Akteure andererseits. So fragten die analysierten Schriften beispielsweise nach dem wahren und damit gerechtfertigten Preis von Waren. Sie reflektierten konkret kaufmännisches Handeln und wiesen einen hohen Praxisbezug auf. Damit können sie als Beispiel für den engen Zusammenhang von Praktiken und theoretischen Konzepten stehen.

Mit dem Komplex von Wirtschaft und politischer Ideengeschichte beschäftigte sich Wolfgang Weber (Augsburg): „Bona oeconomia stabilitas. Bemerkungen zur Wahrnehmung und Darstellung der Wirtschaft in den opera systematica et compendiosa der Politikwissenschaft des 17. Jahrhunderts.“ Nach einer allgemeinen Einführung in die relevante politikwissenschaftliche Literatur zeigte Weber anhand zahlreicher Einzelbeispiele, in welcher Form der Bereich der Wirtschaft in den entsprechenden Schriften thematisiert wurde. Das Spektrum reichte vom verantwortungsvollen Umgang der Fürsten mit Gütern und der Frage der Notwendigkeit von Steuererhebungen über die Auseinandersetzung mit Aufruhr und seinen ökonomischen Wurzeln bis hin zu Einschätzungen des Charakters von Kaufleuten. Die Einsicht in die Bedeutung einer funktionierenden Ökonomie war in der politischen Theorie des Untersuchungszeitraums keineswegs eine Randerscheinung, sondern bereits vor der Ausbildung neuer, stärker staatswirtschaftlich ausgerichteter Konzeptionen am Ende des 17. Jahrhunderts ein Thema.

2. Sektion: Praktiken und Erfahrungen – Wissen aus der Praxis

Die Sektion wurde von Michael Herdick (Mainz) eingeleitet, der das Tagungsthema aus archäologischer Sicht diskutierte: „Warum Hagen den Hort in den Rhein warf. Völkerwanderungszeitliche und mittelalterliche Schatzfunde als Quellen zur Wirtschaftsgeschichte.“ Das Spektrum der berücksichtigten Horte reichte von Funden in Szilágysomlyó im heutigen Rumänien und dem Hort der Nibelungen über Münz- und Silberfunde im Ostseeraum, Schätze in Fuchsenhof (Niederösterreich) sowie Wiesloch bis hin zum Schatz der Herzöge von Landshut auf der Burg Burghausen. Die Schätze sind laut Herdick als Ressourcen zum Erwerb von sozialem, religiösem und wirtschaftlichem Kapital zu verstehen. Herrschaftshorte konnten etwa dem Prestigegewinn und damit der Festigung der Macht in der eigenen Gesellschaft dienen. Aus dem Vergleich der Schatzfunde in Fuchsenhof und in Wiesloch lassen sich Rückschlüsse auf die Aktionsräume der im Handwerk tätigen früheren Besitzer ziehen. Während der eine – ein Schmied – wohl vor allem sein ländliches Umfeld versorgte, agierte der andere – ein Goldschmied – in einem größeren Raum. Er hinterließ eine Vielzahl von Münzen unterschiedlichster Herkunft. Der Vortrag veranschaulichte somit, wie sich aus Hortfunden konkrete Wirtschaftspraktiken ableiten lassen.

Von der archäologischen hin zur schriftlichen Überlieferung führte der Beitrag von Kurt Weissen (Basel). Er sprach über „Traditionelles Handbuchwissen und aktuelle Information:
Pratiche di mercatura im Wissensmanagement des 15. Jahrhunderts.“ Im Widerspruch zur wirtschaftshistorischen Literatur vertrat Weissen die These, dass die von ihm untersuchten Pratiche di mercatura nicht als Nachschlagewerke für den täglichen Gebrauch in den Kontoren der Kaufleute benutzt wurden, sondern überwiegend als Lehrbücher didaktischen Zwecken dienten. Die Florentiner Handelsleute hatten keinen Bedarf an systematisch geordneten Handbüchern. Sie betrieben Wissensmanagement in Form von Briefen, in denen ihnen die notwendigen Informationen vermittelt wurden und die sie in nach Handelsplätzen sortierten Kästen ablegten. Wegen ständiger Veränderungen wäre es zu aufwändig und wenig praktikabel gewesen, das reiche Spezialwissen der Bankiers und Kaufleute zusätzlich in Handbüchern zu erfassen. Es zeigt sich auch, dass die in den Pratiche di mercatura enthaltenen Informationen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung oft bereits veraltet waren. Neben einigen bibliophilen Kopien, die Sammler anfertigen ließen, ordnete Weissen die Bücher deshalb in die praktische Ausbildung junger Kaufleute ein. Diese sollten schnell und leserlich schreiben lernen, beispielsweise durch das Kopieren von Briefen oder eben durch das Abschreiben der Pratiche di mercatura, durch das als Nebeneffekt allgemeines berufskundliches Wissen vermittelt wurde. Erst in einem weiteren Schritt wurden die jungen Männer zu Spezialisten für konkrete Märkte ausgebildet und lernten durch ältere Kollegen oder mit Hilfe der genannten Briefe beispielsweise Einzelheiten über konkrete Zahlungstermine und gebräuchliche Maße kennen.

Der Vortrag von Susanne Schötz (Fuchshain) beschäftigte sich anhand von Beispielen aus dem frühneuzeitlichen Leipziger Detailhandel mit „Erfahrungswissen, Handelspraktiken und Geschlecht.“ Der lokale Detailhandel wurde zunehmend hierarchisch zugunsten der Männer umstrukturiert, welche meist die besseren Marktzugänge hatten. Dies zeigte sich auch im Fischhandel. Die vom Rat beauftragten und zunächst alleine für den Fischdetailverkauf zuständigen Heringsweiber erfuhren um 1700 zunehmend Konkurrenz durch die Kramer. Eine Klage gegen die Eingriffe in ihren Geschäftsbereich zogen sie 1718 in Anbetracht der veränderten Machtverhältnisse zurück, ohne jedoch ihre Ansprüche aufzugeben. Vielmehr versuchten sie nun, ihr Geschäftsgebiet auszudehnen, was die Kramer wiederum zu Klagen bewegte. Die Frauen beschränkten den Verkauf nicht mehr auf die angestammten Orte und gingen dazu über, durch das so genannte Verschreiben ihre Waren eigenständig zu beschaffen. Sie wussten um ihre gegenüber der männlichen Konkurrenz schlechteren Chancen, erkämpften sich durch veränderte Handelspraktiken jedoch neue ökonomische Möglichkeiten.

Über „Wirtschaften wider besseres Wissen. Der Umgang mit spekulativen Risiken am Beispiel der Anlagestrategien des bernischen Patriziats im 18. Jahrhundert“ sprach Daniel Schläppi (Bern). Nach grundlegenden Überlegungen zum Wissen als heuristischer Kategorie stand exemplarisch die Berner Gesellschaft zu Metzgern im Mittelpunkt des Vortrags. Bei der Anlage ihres Vermögens bevorzugte die Gesellschaft traditionell auf Erfahrungswissen basierende defensive Formen, etwa Investitionen in Grundbesitz. Um 1700 begann sie jedoch ins Aktiengeschäft einzusteigen und vertraute mangels eigenen fundierten Wissens auf die Ratschläge von Banken und Beratern. Nach dem westeuropäischen Finanzcrash in den 1720er Jahren ging es vor allem darum, den Schaden möglichst in Grenzen zu halten. Die Strategien, die nun verfolgt wurden, leiteten sich wieder stärker aus etabliertem Erfahrenswissen ab. Statt auf außenstehende Fachleute baute man auf die Kompetenzen einer aus Honoratioren bestehenden Kommission, die die Krise nach bewährten Mustern zu bewältigen suchte, deren Wissen jedoch auch an Grenzen stieß.

Auf der Erfahrung, dass Frischfleisch in den Sommermonaten nur sehr begrenzt aufbewahrt werden konnte, beruhte das so genannte Reiheschlachten, wie Claudia Strieter (Münster) darlegte: „In Ansehung des ... Reiheschlachtens bey Rindvieh bleibt es bei der observanz ... – das Reiheschlachten als ökonomische Praxis der Metzger in der Frühen Neuzeit.“ Gemeint war damit, dass in der wärmeren Jahreszeit jeweils nur ein Teil der Metzger berechtigt war zu schlachten. Erst wenn sie ihre Ware verkauft hatten, kamen die nächsten Zunftmitglieder an die Reihe. Am Beispiel der Fleischversorgung der Städte Lippstadt, Soest und Detmold zeigte Strieter die sich aus dieser Praxis ergebenden Denkweisen, Strategien und Praktiken auf. Sie kamen vor allem in den Konflikten zum Ausdruck, die sich an Einzelfragen des Reiheschlachtens entzündeten. Während den Obrigkeiten in erster Linie daran gelegen war, ein ausreichendes Angebot an gutem und nicht zu teuerem Fleisch zu gewährleisten, ging es den Zünften um die Abwehr von Konkurrenz und um die Einhaltung der Selbstbeschränkung ihrer Mitglieder. Die Metzger reagierten auf die begrenzten Einkommenschancen in den Sommermonaten durch die Erschließung neuer Absatzmöglichkeiten im Umland und durch den Einstieg in lukrative Geschäfte wie den Viehhandel. Das Wissen um Absatzmöglichkeiten und Marktbedingungen führte somit nicht nur zur Risikominimierung für den Einzelnen in Form des Reiheschlachtens, sondern darüber hinaus zum Ausweichen auf weitere Wirtschaftsbereiche.

„Maßnahmen der Stadt München zur Behebung von Versorgungsengpässen im Fleischgewerbe um 1600“ untersuchte Ingo Schwab (München). Auch in München kam es zu Interessenskonflikten zwischen der städtischen Obrigkeit und den Metzgern um Fragen der Preisgestaltung, des Umgangs mit auswärtiger Konkurrenz und der Bereitstellung von ausreichenden Mengen hochwertigen Fleisches. Zudem mischte sich in der landsherrlichen Residenzstadt der Hof als Abnehmer ein. Die Konflikte häuften sich seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als aufgrund demographischer Entwicklungen Versorgungsengpässe zu befürchten waren. Die Metzger weiteten daraufhin das Bezugsgebiet aus und führten zunehmend Ochsen aus weiter entfernten Herkunftsgebieten, etwa aus Ungarn oder der Steiermark, ein. Um das erhebliche finanzielle Risiko solcher Unternehmungen zu kompensieren, forderten sie erhöhte Fleischtaxen und die Gewährung von Darlehen. Der städtische Rat stand zwischen Handwerk und Hof. Er sah auf der einen Seite die beschwerlichen und risikoreichen Bedingungen, unter denen die Metzger Fleisch importierten, hatte den Handwerkern gegenüber auf der anderen Seite jedoch auch disziplinierend gegenüberzutreten. Der Hof drängte auf die Versorgung mit gutem und günstigen Fleisch und forderte schärfere Kontrollen, etwa um zu verhindern, dass Fleisch aus der Region als ungarisches ausgegeben würde. Gemeinsam war Hof und Stadt die Vorstellung, dass man auf der Grundlage ausreichenden Wissens um die Marksituation den Fleischhandel entsprechend den Grundsätzen von allgemeinem Nutzen und Gerechtigkeit regulieren könne.

3. Sektion: Analysieren, Experimentieren, Kommunizieren – Wissen aus der Verwissenschaftlichung

Die drei letzten Vorträge der Tagung befassten sich mit Ökonomischen Gesellschaften des 18. Jahrhunderts. Marcus Popplow (Cottbus) leitete die Sektion mit einem Beitrag über „Die Aktivitäten der kurpfälzischen ‚Physikalisch-ökonomischen Gesellschaft’ im späten 18. Jahrhundert – ein praxisnaher Lernprozess der Optimierung territorialen Wirtschaftens?“ ein. Das Ziel der Ökonomischen Gesellschaften war es, Landwirtschaft und Gewerbe zu fördern. Es galt zunächst einmal, nützliches Wissen, beispielsweise mit Hilfe von Datensammlungen, Korrespondenzen und Preisfragen, zu generieren. Dieses Wissen wurde – im agrarischen Bereich etwa durch Anbauversuche – überprüft und schließlich in direkten Kontakten mit Bauern, durch die Abgabe von Saatgut sowie durch Publikationen verbreitet. In den Ökonomischen Gesellschaften zeigten sich Ansätze einer Formalisierung handlungsorientierter Wissensbestände, die im 19. Jahrhundert noch stärker institutionalisiert und verwissenschaftlicht wurden. Derartige Aspekte und Entwicklungslinien Ökonomischer Gesellschaften stellte Popplow am Beispiel der Kurzpfalz dar, wo sich die Aktivitäten von der Betonung direkter Zusammenarbeit mit Bauern, die in der Praxis allerdings begrenzt blieb, bis zur Gründung und Trägerschaft einer Kameral-Hohen-Schule entwickelten.

Unter dem Titel „Pfarrer als Vermittler ökonomischen Wissens? Die Rolle der Pfarrer in der Ökonomischen Gesellschaft Bern in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts“ beschäftigte sich Regula Wyss (Bern) mit der Scharnierfunktion von Pfarrern zwischen den überwiegend patrizischen Mitgliedern der Ökonomischen Gesellschaft einerseits und der Landbevölkerung andererseits. Pfarrer brachten für eine solche Zwischenstellung gute Voraussetzungen mit. Sie unterstanden im reformierten Bern dem Staat und waren verpflichtet, nach den Gottesdiensten obrigkeitliche Informationen zu verkünden. Zudem übten sie häufig selbst landwirtschaftliche Tätigkeiten aus und waren mit den Lebensumständen der Landbevölkerung vertraut. Wie die Fallstudie von Wyss zeigte, versuchten einzelne Pfarrer sich auch tatsächlich als Vermittler ökonomischen Wissens zu betätigen, indem sie den Gemeindemitgliedern beispielsweise aus entsprechenden Schriften vorlasen oder Feldbesuche nach dem Gottesdienst durchführten. Allerdings scheint der Erfolg dieser Bemühungen eher gering gewesen zu sein. Sehr viel häufiger fungierten die Pfarrer als Vermittler zwischen Gebildeten aus Berner Landgemeinden und der Ökonomischen Gesellschaft und beteiligten sich an Diskursen über die verschiedensten Reformthemen, indem sie Schriften einreichten. Damit traten sie in erster Linie als Sammler lokaler Informationen in Erscheinung.

Untersuchungsgegenstand des Vortrags von Gerrendina Gerber-Visser (Bern) war ebenfalls die Ökonomische Gesellschaft Bern: „Der Blick auf das ‚Volk’. Die Wahrnehmung der ländlichen Arbeitswelt in den Topographischen Beschreibungen der Ökonomischen Gesellschaft Bern 1759-1798.“ Die Ökonomische Gesellschaft rief mehrfach zur Abfassung Topographischer Beschreibungen auf. In diesen sollte umfassend über einzelne Landesteile berichtet werden, beispielsweise über die Bevölkerung, über Demographie, Sitten, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft. Die Autoren fanden sich vor allem in der Geistlichkeit und der Beamtenschaft. Am Beispiel zweier in den Topographischen Beschreibungen behandelter Themenbereiche, dem „Volkscharakter“ und der Wahrnehmung von Armut, zeigte Gerber-Visser, dass bei der Generierung von Wissen subjektive Voraussetzungen der Autoren, ihre unterschiedlichen Grundhaltungen und Menschenbilder sowie Vorurteile eine bedeutende Rolle spielten. So war die Wahrnehmung unter anderem von Topoi der Reiseliteratur und von zeitgenössischen Klimatheorien geprägt. Diese divergierenden Vorbedingungen konnten zu abweichenden Positionen in der Beurteilung von Menschen und in ökonomischen Fragen führen.

Wie in der Schlussdiskussion betont wurde, beleuchteten die Vorträge der Tagung vielfältige Aspekte des Themas „Wirtschaft und Wissen“. Sie berücksichtigten systematisiertes, reflektiertes Expertenwissen ebenso wie Erfahrungs- und Alltagswissen und die Frage der Verzahnung und Beeinflussung unterschiedlicher Wissensbestände. Für die folgende Tagung des Arbeitskreises vom 30. März bis 1. April 2007 wurde das Thema „Forschungskonzepte in der Praxis“ vereinbart, für 2008 ist vorgesehen, sich mit dem Thema „Entstehung, Kontexte und Nachwirkungen etablierter Forschungskonzepte. Wissenschaftsgeschichtliche Perspektiven der vorindustriellen Wirtschafts- und Sozialgeschichte“ zu beschäftigten.

Kontakt

Dr. Irmgard Schwanke
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Lehrstuhl für Neuere Geschichte
Fischstr. 5-7
96045 Bamberg
irmgard.schwanke@ggeo.uni-bamberg.de


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