7. Internationaler Kongress zur Geschichte der Pflege

7. Internationaler Kongress zur Geschichte der Pflege

Organisatoren
Verein Geschichte der Pflege, Basel; Sabine Braunschweig (Präsidentin)
Ort
Basel
Land
Deutschland
Vom - Bis
17.03.2006 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Nathalie Briffod, Zürich

In den Räumlichkeiten der Universität Basel eröffnete der Verein „Geschichte der Pflege“ den 7. Internationalen Kongress zur Geschichte der Pflege zum Spannungsfeld „Pflege – Räume, Macht und Alltag“. Dieses interdisziplinäre Terrain von Geschichtswissenschaft und Pflege forderte sowohl akademische Disziplinen aus dem In- und Ausland als auch die traditionellen Berufssparten des Pflegenswesens sowie Ordensschwestern zur aktiven Teilnahme auf. Eine Workshop-Atmosphäre dem breiten Publikum anzubieten, in der kritische und innovative Forschungsinteressen im Mittelpunkt stehen und als Ansporn zu weiteren Forschungsprojekten dienen, hierfür plädierte Sabine Braunschweig, Historikerin und Präsidentin des Vereins „Geschichte der Pflege“, in ihrer einleitenden Ansprache. Die Tagung stieß offensichtlich schon im Vorfeld auf ein reges Interesse, belief sich doch die Besucherzahl auf etwa 350 - zusätzliche Tagungsteilnehmende mussten sich mit einem Platz auf der Warteliste begnügen - und es konnten auch nicht alle Referatsvorschläge berücksichtigt werden.

In ihrem einführenden Referat wies Regina Wecker, Professorin für Frauen- und Geschlechtergeschichte am Historischen Seminar der Universität Basel und Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte, auf einige geschlechterspezifische Aspekte in der häuslichen Arbeit und im Pflegewesen hin. Veränderungen in der Technik konnten zu einer Veränderung der Geschlechtstypisierung führen, wie es etwa im Druckerberuf oder bei der Telefonistin der Fall war. Bekanntlich war das weibliche Geschlecht von qualifizierter Bildung ausgeschlossen, was sich direkt in der Entlöhnung niederschlug. Die Frau galt als unmündig und blieb somit unter männlicher Obhut. Dennoch bildeten sich Ausnahmen, so die Berufe im Intensiv- und Anästhesiebereich. In diesem Pflegebereich drang das weibliche Geschlecht in eine männlich dominierte Sphäre ein und eroberte einen hohen Qualifikationsstatus.

In den parallelen Sessionen hatte das Publikum die Qual der Wahl: Das breitgefächerte Programm bot im Zeitraum von total sechs Stunden insgesamt vier zweistündige Panels mit jeweils zwei bis drei Referaten an. In einem ersten Block kamen Medikalisierung und technische Entwicklung, Oral History, Militär und Pflege sowie Macht und Pflege zur Sprache. Am Nachmittag folgte der zweite Block mit Themen wie Spezialisierung, Pflege in Institutionen, NS-Euthanasie und Quellen sowie Pflegeausbildung in der DDR. Der dritte Block schließlich beschäftigte sich mit ärztlichem Einfluss, Pflege im 19. Jahrhundert, Eugenik und Nationalsozialismus sowie neuen Pflegeausbildungen in der Schweiz_.

Die Fragen, die an diesem Kongress aufgeworfen wurden, umfassten ein breites Spektrum. Was macht beispielsweise den Pflegeberuf zu einem typischen Frauenberuf? Ein Hauptthema bildete die untergeordnete Stelle des Pflegepersonals. Hier standen Fragen zur Diskussion, die sich mit den Machtstrukturen beschäftigen, zum Beispiel: Wie wirkten sich hierarchische Mechanismen innerhalb der Pflegeinstitutionen auf die Positionen von Frauen aus? Wie weit beeinflusste die Professionalisierung die traditionelle Geschlechterverteilung? Inwiefern existierte ein Transfer von Wissen zwischen Ärzten und Kranken- bzw. Ordensschwestern? Wie wirkte sich das Machtverhältnis auf die Patienten aus?

Auch der Alltag im Pflegebereich kam eingehend zur Sprache. Welche Art von Beziehungen etwa pflegten die Krankenschwestern unter sich oder mit den Ärzten? Wie manifestiert sich der burn out im Pflegeberuf? Welche Perspektiven bietet Einheitlichkeit von Professionalisierung im Weiterbildungsprogramm an? Und welche Problemfelder zeigen sich im Umgang mit Patienten?

Methodische Ansätze und Fragestellungen wurden ebenfalls aufgegriffen. Wie sollen Historikerinnen und Historiker bei der Interpretation von Filmdokumenten vorgehen? Wie lassen sich idyllische familiäre Abbildungen in einem Cholera-Lazarett interpretieren? Welche Fallstricke muss man bei der „Oral history“ berücksichtigen, und gibt es überhaupt „wahrheitsgetreue“ Interviews?

Die Qualität der Tagungsbeiträge und ihre thematische Vielfalt führten zu anregenden Diskussionen auf hohem Niveau. Allerdings bewirkte die Parallelität der Sektionen, dass bedauerlicherweise immer nur ein kleiner Teil des Angebots wahrgenommen werden konnte. Eine Übersicht über sämtliche Beiträge wird der Kongressband „Pflege-Räume, Macht und Alltag. Beiträge zur Geschichte der Pflege“ ermöglichen, der im Herbst 2006 im Verlag Chronos erscheinen soll. Der diesjährige Kongress war ein voller Erfolg, und den Organisatorinnen gebührt ein herzlicher Dank. Gespannt darf man auf den 8. internationalen Kongress zur Geschichte der Pflege sein, der voraussichtlich im Jahr 2008 von der Sektion Historische Pflegeforschung des Deutschen Vereins für Pflegewissenschaft durchgeführt wird.

http://www.geschichte-der-pflege.ch
Redaktion
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