1806 – ein erfolgreiches Epochenjahr der bayerischen Geschichte

1806 – ein erfolgreiches Epochenjahr der bayerischen Geschichte

Organisatoren
Bayerische Akademie der Wissenschaften und Kommission für bayerische Landesgeschichte, München
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.02.2006 - 24.02.2006
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Von
Gabriele Greindl, Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Das Symposion der Kommission für bayerische Landesgeschichte – dem Jahr 1806 gewidmet – war in zweierlei Hinsicht außerordentlich erfolgreich. Zum einen zeigte sich rückblickend und aus der historischen Fachperspektive betrachtet, wie gelungen Rangerhöhung und eine neue, vom Reich unabhängige Staatssouveränität mit der politischen Integration der neuen Landesteile Franken und Schwaben verbunden werden konnten, zum anderen waren die Veranstalter in jeder Hinsicht überwältigt vom breiten Zuspruch des Publikums zur Tagung.1

Schon am Eröffnungsabend musste eigens der Herkulessaal in Anspruch genommen werden, denn mehr als tausend Zuhörer hatten sich angemeldet. Der Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Thomas Goppel, nutzte auch die Gelegenheit, bei seiner Eröffnungsrede den neuen Akademiepräsidenten Dietmar Willoweit vorzustellen und in sein Amt einzuführen. Dessen Vortrag fand nicht nur aufmerksame, sondern geradezu begeisterte Zuhörer. Auch S.K.H. Herzog Franz von Bayern, der die Schirmherrschaft der Tagung neben dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber übernommen hatte, lauschte konzentriert den Ausführungen des neuen Akademiepräsidenten.

Dietmar Willoweit legte eindrucksvoll und faktenreich dar, wie sehr sich die Verfassungsentwicklung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation bereits im 18. Jahrhundert zugunsten einer Betonung der einzelnen Territorien verschoben hatte, inwieweit hier bereits von Nation die Rede war, als man noch unter dem gemeinsamen verfassungsrechtlichen und reichsrechtlichen Dach des seit 962 bestehenden Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation lebte.

Noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hätten die Römischen Kaiser aus dem Hause Habsburg die Chance gehabt, den Reichsgedanken wesentlich zu stärken, alle die kleinen Reichsherrschaften, die Reichsritter, Reichsstädte und Reichsklöster – von denen ja vor allem Schwaben geprägt wurde – an sich zu binden und so diesen großen und gelungenen europäischen Versuch eines friedlichen Zusammenlebens von aberhundert kleinen, mit Sonderrechten behafteten Herrschaften, weiter zu stabilisieren.

Aber ganz Europa hatte mit einem massiven geistigen Umbruch zu kämpfen, wie Peter C. Hartmann im ersten Referat am Donnerstagmorgen „Europa, Frankreich und das Heilige Römische Reich um 1800“ ausführte. Nach dem Siebenjährigen Krieg war ab 1763 ein gewisse Stabilität unter den führenden Mächten eingetreten, aber diese „Balance of Power“ wurde massiv vom Vordringen der Naturwissenschaften, von den Tendenzen zur Säkularisierung und den neuen Erkenntnissen um die Natur des Menschen, sei es physischer oder psychischer Art, erschüttert.
War Frankreich vor allem antiklerikal und der deutsche Norden auf eine gewisse Nützlichkeit eingeschworen, so hatte sich im katholischen Süden, vor allem in Bayern, die Sonderform der katholischen Aufklärung etabliert. Diese sich langsam in Richtung Modernisierung ändernde staatliche Ordnung, die noch auf der Ständegesellschaft und der Reichsfriedensordnung basierte, brach abrupt 1789 mit der Französischen Revolution ab, der Abschaffung aller adeligen Privilegien und vor allem der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. 1798 fiel Mainz unter dem Ansturm der revolutionären Truppen Frankreichs und dieses Ereignis veranlasste auch Joseph Görres deutlich auszusprechen, dass damit das Heiligen Römische Reich Deutscher Nation zu Ende gegangen war, denn es waren wichtigste Funktionen des Reiches an den Mainzer Kurfürsten gebunden gewesen.

Nun stellte sich in den Koalitionskriegen und im fulminanten Aufstieg des militärisch und politisch gleichermaßen überragenden Napoleon alles anders dar. Alois Schmid, der Erste Vorsitzende der veranstaltenden Kommission für bayerische Landesgeschichte, legte in seinem Vortrag „Beyrn nicht allein ain Land, sonder ein Konigkreich“ bayerische Königspläne in Mittelalter und Früher Neuzeit dezidiert dar. Diese Diskussion sollte viele der Wortmeldungen, für die regelmäßig nach den Vorträgen Platz war, bestimmen und auch andere Redner griffen auf die Thesen von Schmid zurück.

War nun Max I. Joseph ein „König von Napoleons Gnaden“ wie Michel Kerautret aus Paris im Folgenden darlegte oder waren mit der Königswürde ab dem 1. Januar 1806 nur alte Vorstellungen in die Tat umgesetzt worden? Oder konnte man in so einer Situation sogar aus dem Reich austreten – eine grundsätzliche Frage, die Alfred Kohler aus Wien in seinem Vortrag „Österreich und die bayerische Königserhebung“ stellte. Letztlich kam man nach längeren Diskussionen im Experten-Forum zu der Ansicht, dass der bayerische Kurfürst Maximilian Joseph die Königswürde annahm und so zu König Max I. Joseph wurde. Es hatte ja nicht nur Frankreich diese Rangerhöhung in Aussicht gestellt, sondern auch der Habsburger-Kaiser selbst, wenn auch so spät, dass es weder für die bayerische Politik noch die Reichspolitik eine Rolle spielen konnte.

Die Politik Kaiser Franz II. war seit 1800 sehr stark reaktiv gewesen; man wusste in Wien genau, dass der Frieden von Luneville von 1801, der Napoleon alle eroberten linksrheinischen Gebiete zuerkannte und den weltlichen deutschen Fürsten einen Ausgleich durch Reichsstädte und geistliche Territorien anbot, die Reichsverfassung weitestgehend ausgehöhlt hatte. Kaiser Franz II. legte die Reichskrone aber auch deshalb nieder, um zu verhindern, dass Napoleon selbst Kaiser des Heiligen Römischen Reiches werden konnte. Stattdessen krönte dieser sich im Dezember 1804 zum Kaiser der Franzosen und im Mai 1805 zum König von Italien, wie Peter Schmid aus Regensburg in seinem Vortrag „1805 – das Jahr der Entscheidung“ darlegte. 1805 schloss Österreich mit England und Russland ein anti-napoleonisches Bündnis und Bayern, dem Frankreich bisher immer ein zuverlässiger Partner gewesen war – auch aufgrund einer persönlichen Sympathie von Napoleon gegenüber Kurfürst Max Joseph – musste sich nun zum politischen Handeln entschließen. Zwar zögerte vor allem der leitende Minister Graf Montgelas immer wieder, wie auch Hermann Rumschöttel in seinem Vortrag ausführte, aber letztlich siegte das Drängen Frankreichs, das in Bayern auch ein Aufmarschgebiet gegenüber dem habsburgischen Österreich sah. Bayern war der große Gewinner des Jahres 1805 – mit den Verträgen von Brünn und Preßburg hatte man ein festes Band mit Frankreich geknüpft und als Napoleon am 2. Dezember 1805 aus der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz siegreich hervorging, war dies auch ein Sieg der bayerischen Truppen und der bayerischen Politik gewesen.

Wie sah nun diese Königserhebung aus? Ferdinand Kramer hatte sich mit dieser Frage eingehend am Donnerstagabend auseinandergesetzt. Sein wichtiger archivalischer Fund ließ ihn die „Feierlichkeiten anlässlich der Königserhebung“ ausführlich beleuchten und zeigen, dass es eine völlig unspektakuläre Feier in kleinstem Rahmen war, vor allem auch ohne Napoleon, der absichtlich in einem anderen Raum vom Minister Montgelas aufgehalten worden war. Die Königserhebung von Max I. Joseph fand in Anwesenheit seiner Familie in den Appartements der Königin statt, die in etwa im Kaisersaal zu lokalisieren sind. Die genaue Ortsbestimmung ist schwierig, da man nach 1945 dem Kaisertrakt das Bild geben wollte, das er unter seinem Erbauer Kurfürst Maximilian I. im frühen 17. Jahrhundert gehabt hatte und so alle späteren Um- und Einbauten bei der Restaurierung nicht berücksichtigte.

Äußerst aufschlussreich war in diesem Zusammenhang auch der Vortrag von Hans-Michael Körner aus München, der „Die Erhebung Bayerns zum Königreich in der Erinnerungskultur des Königreichs Bayern“ beleuchtete. Rezeption und nachträgliche Erinnerung verdeutlichen oft die Tragweite der historischen Ereignisse und so wurden die Centenarfeiern 1906, die angeregt worden waren von den Gewerbetreibenden der Stadt München und die man von Preußen aus verhindern wollte, vor allem eine großartige Demonstration der Zugehörigkeit der neubayerischen Territorien zum nun 100 Jahre alten bayerischen Königreich.

Mit diesen – ehemals – neuen Territorien, die das bayerische Staatsgebiet fast verdoppelten, setzten sich die beiden Referenten des Freitagnachmittages auseinander. Wolfgang Wüst aus Erlangen ging auf „Franken unter bayerischer Krone“ ein und verfolgte eine „Staatsintegration im langen 19. Jahrhundert“, eine anfänglich murrend und notdürftig akzeptierte, aber letztlich doch geglückte Staatsintegration, während Hans Pörnbacher sich in einem zu Heiterkeit verleitenden und mit stürmischen Applaus quittierten Vortrag mit der Frage beschäftigte, was eigentlich Schwaben ist, wie geglückt die Integration der schwäbischen Reichsterritorien in den neuen bayerischen Staat vor sich ging und er kam zur Schlussfolgerung, dass erst das Königreich Bayern Schwaben wie einen „Phoenix aus der Asche“ erhoben hat, dass erst nach 1806 „Schwaben wieder Schwaben wird“.

Die große Leistung sowohl von König Max I. Joseph als auch von seinem Sohn Ludwig I., einem dezidiert anti-französisch und sehr „teutsch“ denkenden Fürsten, darf sicher in der Integration der verschiedenen Landesteile gesehen werden. Ludwig I. und seine Nachfolger bauten aber auch gezielt ihre Hauptstadt zu einer königlichen Stadt, so wie wir sie heute kennen, um. Hubert Glaser aus München zeichnete das Bild dieses neuen, königlichen München im Abschlussvortrag „München – Die Residenzstadt als Denkmal des Königreiches“ präzise, detail- und kenntnisreich nach. Auch hier war der tosende Applaus, den das immer noch große Auditorium, das bis zu später Stunde zweieinhalb Tage den Vorträgen und Fachdiskussionen interessiert gefolgt war, ein Zeichen der Anerkennung. Die Kommission für bayerische Landesgeschichte hat mit dieser gelungenen Veranstaltung zeigen können, dass sich Fachdiskurs und Teilnahme eines interessierten Publikums nicht auszuschließen brauchen. Gerade in solchen Veranstaltungen wie den gut besuchten Vortragsreihen der Akademie liegt die Möglichkeit, die wissenschaftliche Arbeit, die in der Akademie geleistet wird, einem größeren Publikum vorzustellen.

Anmerkungen:
1 Programm siehe H-Soz-u-Kult unter http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=4931


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