Zwischen Neugotik und Klassizismus – Wege zu einer patriotischen Baukunst

Zwischen Neugotik und Klassizismus – Wege zu einer patriotischen Baukunst

Organisatoren
SFB 644 "Transformationen der Antike", Teilprojekt B4 (Prof. Dr. Horst Bredekamp) an der Berliner Humboldt-Universität in Kooperation mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz und dem Lehrstuhl Denkmalpflege der BTU Cottbus
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
02.03.2006 - 04.03.2006
Url der Konferenzwebsite
Von
Marie-Luise Buchinger, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum (BLDAM); Matthias Metzler, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum (BLDAM)

Die vom SFB 644 "Transformationen der Antike" Teilprojekt B4 an der Berliner Humboldt-Universität in Kooperation mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz und dem Lehrstuhl Denkmalpflege der BTU Cottbus gemeinsam durchgeführte Tagung nahm den 225. Geburtstag Karl Friedrich Schinkels zum Anlass, die Architektur und die ersten Ansätze der Denkmalpflege in der Zeit um und nach 1800 auf ihre „patriotischen“ Inhalte zu befragen. Die politische Realität jener Jahre war durch die Niederlage Preußens 1806 und die Befreiungskriege gegen Napoleon geprägt. In dieser krisengeschüttelten Zeit spielten Kunst, Architektur und historische Monumente in der politisch-gesellschaftlichen Auseinandersetzung eine wesentliche Rolle, die in den Vorträgen von unterschiedlichen Seiten beleuchtet wurde.1

Der Einführungsvortrag von Michael Niedermeier fand in der Friedrichswerderschen Kirche statt – ein Ort, der dem Thema der Tagung nicht besser hätte entsprechen können. Der von Schinkel entworfene neogotische Kirchenbau und die klassizistischen Skulpturen der Berliner Bildhauerschule bildeten nicht nur einen überaus würdigen Rahmen, sondern verwiesen zugleich auf das Hauptthema der Tagung. In seinem akribisch recherchierten und mit zahlreichen Beispielen illustrierten Vortrag konnte Niedermeier belegen, wie aus dem anfänglich vor allem genealogisch begründeten Interesse fürstlicher Herrscherhäuser an der Vergangenheit allmählich ein umfassenderes Geschichtsbewusstsein entstand. Dieses war neben der antiken zunehmend auch auf die germanische und wendische Vorgeschichte der Länder und Landschaften gerichtet, deren „Altertümer und Artefakte“ zur Entwicklung nationaler und patriotischer Vorstellungen herangezogen wurden.

Veranstaltungsort der folgenden beiden Tage war die Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt, die ein angenehmes Ambiente für die gut besuchte Tagung abgab, die, nebenbei bemerkt, auch hervorragend organisiert war: Mit wahrhaft „preußischer“ Pünktlichkeit hielten sich alle Vortragenden an den zeitlichen Rahmen, so dass reichlich Zeit zur Diskussion blieb, die dann auch rege genutzt wurde.

Am Beginn stand der Vortrag von Jörg Echternkamp, der sich dem gesellschaftlichen Wandel in der Zeit der antinapoleonischen Kriege widmete. Dabei machte Echternkamp deutlich, dass deutscher Patriotismus nicht erst in den Befreiungskriegen entstand, sondern bereits seit dem Ende des 18. Jahrhunderts von einer bürgerlichen Bildungsschicht entwickelt worden war. Dabei handelte es sich nicht nur um einen heimatgebundenen, regional begrenzten Patriotismus (beispielsweise hinsichtlich einer Reichsstadt oder eines kleinen Fürstentums), sondern schon eine auf die gesamte deutsche Nation gerichtete Regung, mithin einen durchaus positiv zu konnotierenden Nationalismus. Er unterstrich, dass es sich bei den Befreiungskriegen nicht um einen Aufstand breiter Volksmassen gehandelt habe, diese Vorstellung jedoch bald darauf ganz bewusst im Zuge einer Mythologisierung dieses Krieges propagiert wurde. Diesen Thesen sollte am Ende der Tagung Ulrich Reinisch mit seinem Vortrag teilweise widersprechen.

Wolf-Dieter Heilmeyer rekonstruierte die ursprüngliche museale Präsentation der Sammlung antiker Skulpturen und stellte ihren Zusammenhang mit dem städtebaulichen Umfeld Berlins her (Unter den Linden, Schlossbrücke, Dom). Ziel der Aufstellung war es, das Studium der Künste zu ermöglichen und hierfür den flanierenden Betrachter – wie es Schinkel gefordert hatte – erst zu erfreuen und dann zu belehren. Heilmeyer wies darauf hin, dass auch einige zeitgenössische Werke Aufstellung fanden (zum Beispiel Canovas Hebe oder – politisch weitaus brisanter – Claudets Napoleon), wodurch ein Vergleich mit den Antiken möglich wurde. Auch drei antike Torsi wurden gezeigt, die entgegen der damals üblichen Praxis nicht ergänzt wurden. Damit bewies die damalige Ausstellung ein bereits sehr modernes Konzept.

Der Vortrag von Wolfgang Brönner führte in die junge preußische Rheinprovinz, deren Annexion den preußischen Staat um eine große Zahl historischer Monumente bereichert hatte. Brönner zeigte auf, wie diese durch das preußische Königshaus und die preußische Kulturpolitik geschickt zur Herrschaftslegitimation genutzt wurden. Gegenstand waren dabei nicht nur mittelalterliche Monumente, wie die durch Schinkel und Stüler umgestaltete Burg Stolzenfels und der Kölner Dom, sondern ebenso römische Bauten, die man, wie Brönner unter anderem an den Beispielen der Porta Nigra und der Basilika in Trier erläuterte, als Zeugnisse einer „vaterländischen Vergangenheit“ interpretierte. Auch die Etablierung der provinzialrömischen Archäologie steht demnach in diesem Kontext. Insgesamt war die auf Nachhaltigkeit angelegte Kulturpolitik des preußischen Staates darauf gerichtet, den Stolz auf die vaterländischen Altertümer zu fördern und damit die zeitgenössischen Herrschaftsverhältnisse in eine Kontinuität mit der Antike und dem Mittelalter zu stellen.

Schinkels Zeitgenosse Leo von Klenze und dessen „patriotischer“ Klassizismusdeutung widmete sich Adrian von Buttlar. Am Beispiel der Walhalla bei Regensburg (als nationales Denkmal in Form eines griechischen Tempels errichtet – und das zu einer Zeit, in der eigentlich die Gotik als „deutscher Baustil“ schlechthin galt!) zeigte von Buttlar auf, wie bei von Klenze die Baukunst der Antike zur Legitimation des „Germanischen“ vereinnahmt wurde. Wenngleich Klenzes Ableitung „germanischer“ Baukunst aus der Antike (etwa in der formalen Gleichsetzung einer alpinen Hütte mit einem griechischen Tempel) schon bei seinen Zeitgenossen – darunter Friedrich von Gärtner und Gottfried Semper – auf Ablehnung stieß, so hatte sie doch folgenschwere Auswirkungen: Indem von Klenze sich gegen die anthropomorph-organische Kunstauffassung des humanistischen Lagers wendete und ihr gegenüber den in aller Schärfe ausgearbeiteten Gegensatz von Stütze und Last bevorzugte, wurde er schließlich zu einem Wegbereiter der Architektur der NS-Zeit, in der – im Begriff der „germanischen Tektonik“ – die Theorien von Klenzes wieder auflebten. Wie zwangsläufig diese Entwicklung verlief, war Gegenstand der dem Vortrag nachfolgenden Diskussion.

Um die künstlerische Tätigkeit des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (IV.) ging es im Vortrag von Rolf H. Johannsen, der seine Forschungen zu den zwischen 1814 und 1823 entstandenen (meist undatierten) Zeichnungen des Kronprinzen zu Belriguardo vorstellte. Das Projekt, eine ideale Residenz für ein ideales Königtum, wurde nicht verwirklicht. Dass die künstlerische Tätigkeit des Kronprinzen durchaus den Stellenwert einer privaten Liebhaberei überstieg, belegte Johannsen durch dessen ernsthafte Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen französischen Architekturtheoretikern Pierre François Léonard Fontaine und Jean-Nicolas-Louis Durand, die sich nicht nur in persönlichen Kontakten, sondern auch in den Grundrissen der Entwürfe zeigt. Wie weit Friedrich Wilhelm auf der Höhe des Schaffens seiner Zeit stand und dass er als entwerfender Architekt durchaus ernst zu nehmen ist, bezeugen nicht zuletzt die formalen Ähnlichkeiten, die Schinkels Berliner Schauspielhaus und Altes Museum – beide später als die Entwürfe des Kronprinzen zu datieren – mit den Zeichnungen zu Belriguardo aufweisen.

Im folgenden Themenkomplex standen Tätigkeit und Selbstverständnis der preußischen Bauverwaltung im Vordergrund, wobei es um Fragen wie die beginnende Wertschätzung mittelalterlicher Monumente, den Handlungsspielraum staatlicher Baubeamter und die Entwicklung der Denkmalpflege ging.

Reinhard Strecke arbeitete die Rolle von Oberbaudeputation (1809 gegründet) und Bauakademie im zeitgenössischen Baubetrieb heraus, der zunehmend von ökonomischer Vernunft und Sparsamkeit sowie einer rasch voranschreitenden Verwissenschaftlichung bestimmt wurde (beispielsweise die Vereinheitlichung von Fachbegriffen und Maßeinheiten). Nicht mehr die Praxis war es, an der sich die Baubeamten orientierten, sondern die Mathematik, die sich sozusagen zwischen Neugotik und Klassizismus – die beiden Stile, die den ästhetischen Bezugsrahmen abgaben – schob. Strecke illustrierte dies anschaulich an Hand einer Festdekoration, die die Oberbaudeputation zum Einzug des Königs in Berlin nach den siegreich beendeten Befreiungskriegen entworfen hatte. Darauf war zwischen den Architekten Vitruv und Erwin von Steinbach der Mathematiker Archimedes dargestellt und damit in die Reihe der Vorväter der Baukunst aufgenommen. In dem Vortrag wurde Schinkel in seinen vielfältigen Verflechtungen mit rivalisierenden Ideologien und Institutionen – und den darin agierenden Personen – präsentiert und seine Zeit in ihrer ganzen Vielschichtigkeit dargestellt, in der das Gegensatzpaar Neugotik und Klassizismus nur eines von vielen war, das von anderen – wie dem von Nutz- und Repräsentationsstil – überlagert wurde.

Welche Rolle das erwachende Nationalbewusstsein bei der Institutionalisierung der Denkmalpflege spielte – dieser Frage ging Axel Klausmeier nach. Er führte aus, dass sich das Bewusstsein für die Schutzwürdigkeit historischer Bauwerke angesichts der großen materiellen Verluste durch den Eroberungskrieg des französischen Heeres sowie die Aufhebung der Klöster und Stifte entwickelt hatte. Denkmale wurden zunehmend als Geschichtszeugnisse und somit materielle Beweisstücke der eigenen Geschichte angesehen (1829 Aufruf zur Rettung des Mainzer Domes). In Verbindung mit einem antinapoleonischen Nationalismus war diese Entwicklung somit von Beginn an patriotisch eingefärbt. Schinkel – dessen Engagement für die Denkmäler genau in diese krisengeschüttelte Zeit fällt – war seit 1809 in der Oberbaudeputation unter anderem für die „Altertümer“ zuständig. Er wird von Klausmeier als „konzeptionell denkender Wegbereiter der Denkmalpflege“ gewürdigt, der sich bereits 1815 für die systematische Erfassung und Auflistung der Denkmale einsetzte und der –wenn er beispielsweise vor zeitgeistbedingten Urteilen warnte – sich als überraschend vorausblickend erwies.

Ausgehend von einer 1776 durch das preußische Generaldirektorium gestellten Preisfrage zur Dauerhaftigkeit mittelalterlichen Mauerwerks warf Christof Baier in seinem Vortrag einen Blick auf den Wandel des Mittelalterbildes, der sich innerhalb der preußischen Bauverwaltung vollzog. Zunächst galt die Wertschätzung, welche die Bauverwaltung den „alten“ Gebäuden entgegenbrachte, ausschließlich ihrem soliden Ziegelmaterial, das man aus Abbrüchen gewann und – im Interesse des angestrebten dauerhaften, ökonomischen Bauens – in Neubauten wieder verwendete. Erst um 1800 – einhergehend mit dem erwachenden Nationalbewusstsein – setzte eine umfassende Neubewertung gotischer Baukunst ein, die nun als gleichwertig mit der Antike (Gotik als „vaterländische Antike“) und Zeugnis einer großen nationalen Vergangenheit angesehen wurde. Deutlicher als am Beispiel von David Gilly und seinem Sohn Friedrich kann sich dieser Umschwung – hier zugespitzt als Generationenkonflikt – kaum präsentieren: Will Vater Gilly die mittelalterliche Marienburg noch abreißen lassen, um Material für Neubauten zu gewinnen, ist der Sohn angesichts der großartigen gotischen Konstruktion von einer patriotischen Mittelalterbegeisterung ergriffen und will das gesamte Bauwerk für die Nachwelt retten. Auch in zeitgenössischen Bauten, wie dem Landirrenhaus Neuruppin und der Eisenhütte Gleiwitz, fand die Gotikbegeisterung nunmehr ihren Niederschlag.

Einen weiteren Schwerpunkt der Tagung bildeten schließlich einzelne Entwürfe und Themenkomplexe aus dem vielseitigen architektonischen und malerischen Werk Schinkels. Dabei fehlte auch nicht ein Abstecher ins benachbarte Polen.

Annette Dorgerloh analysierte eingehend das 1817 von Schinkel für Kronprinz Friedrich Wilhelm (IV.) geschaffene Gemälde „Triumphbogen“ und dessen zeitgeschichtlichen Kontext. Dabei ging sie auf die vielschichtige und – wie auch die anschließende Diskussion zeigte – zu widerstreitenden Deutungen Anlass gebende Kombination verschiedener Bauideen und Motive mit einem aufwändigen ikonographischen Programm ein, das die Vorfahren des Kronprinzen in eine Kaisergenealogie von Cäsar über Friedrich II. von Hohenstauffen bis Maximilian I. einbettete.

Klaus Jan Philipp gab einen detaillierten Einblick in den Planungsprozess der Grabkapelle auf dem Württemberg, die 1824 für die früh verstorbene Königin Katharina Pawlowna errichtet worden war. Dabei erläuterte er, wie – unter anderem beeinflusst durch die Kritik von Sulpiz Boisserée und das Schaffen von Friedrich Weinbrenner – die anfänglichen Planungen einer neogotischen Grabkapelle verworfen und an ihrer Stelle der antikisierende Entwurf von Giovanni Salucci ausgeführt wurde. Philipp verdeutlichte, dass dies jedoch keine Entscheidung gegen die Gotik als „vaterländischen Stil“ war, sondern letztlich die antike Formensprache als angemessener für das Totengedenken angesehen wurde. Bislang ließen sich keine Verbindungen zum nach Entwürfen von Schinkel errichteten Luisen-Tempel in Berlin herstellen.

Schinkel als Maler fantastischer Stadtlandschaften und Architekturen war der Gegenstand des Vortrags von Bernhard Maaz. Ihre sozialutopische Dimension arbeitete er an Hand von Schinkels bekanntem, 1815 entstandenen Gemälde einer gotischen Kathedrale vor einem Gewitterhimmel heraus: Im dort dargestellten Zug des von seinem Volk umgebenen Königs in eine mächtige, von einem Regenbogen überstrahlte Kathedrale kristallisiert sich Schinkels Traum eines idealen Staates, in dem ein aufgeklärter Regent und ein freies Volk eine Einheit bilden. Maaz verdeutlichte Schinkels Utopie im Vergleich mit einem 1822 von Heinrich Anton Dähling gemalten Einzug eines Fürsten in eine mittelalterliche Stadt. In der kleinteilig aus architektonischen Versatzstücken bestehenden und von mannigfachen Anekdoten bereicherten Darstellung, die zudem durch eine deutliche soziale Abstufung der Menschen geprägt wird, sah er den restaurativen Wunsch nach der Einigung Deutschlands unter einer feudalen Zentralmacht verkörpert. Dählings Bild sowie auch Gemälde von Karl Wilhelm Kolbe, Carl Hasenpflug und weiteren Künstlern sind dabei auch Ausdruck der nach 1815 grundlegend gewandelten politischen Situation. In der restaurativen Atmosphäre nach den Karlsbader Beschlüssen wurden Weltsicht und Utopien Schinkels nicht mehr erreicht.

Jörg Trempler befasste sich mit den zahlreichen Entwürfen für Brunnen in Schinkels Schaffen, die jedoch größtenteils unausgeführt blieben. Dabei ging er – vor dem Hintergrund der Befreiungskriege und bezogen auf das Pariser Vorbild des "Régéneration"-Brunnens anlässlich der Louvre-Eröffnung 1793 – auf die symbolischen Deutungen des Brunnens als Quelle geistiger Inspiration und patriotischer Begeisterung ein. In der anschließenden Diskussion wurde auf Fragen der Materialwahl und technischen Umsetzung damaliger Brunnenprojekte eingegangen.

In seinem Vortrag zur Musealisierung und Inszenierung patriotischer Sammlungen in polnischen Adelsresidenzen gab Adam Labuda einen eindrucksvollen Einblick in das Wirken der polnischen Adelsfamilien Czartoryski und Działynski. Diese hatten in der Zeit zwischen dem Verlust der Eigenstaatlichkeit Polens 1795 und dem niedergeschlagenen antirussischen Aufstand 1830/31 ihre Adelssitze in Puławy und Kurnik durch Architekturen und Parkgestaltungen sowie Sammlungen von Kunstgegenständen, Büchern und Erinnerungsstücken zu Stätten eines altständisch orientierten nationalen Gedächtnisses und der Bewahrung des nationalen Gedankens ausgestaltet.

Am Beispiel der von Pückler bzw. Lenné gestalteten Parks in Muskau und Wolfshagen wurde schließlich die Gartengestaltung der Schinkelzeit durch Detlef Karg gewürdigt. Ausgehend von einer eingehenden Analyse des Bedeutungsgehalts der einzelnen Gestaltungselemente und ihres zeithistorischen Hintergrunds ließen sich der nationalpatriotische und königstreue Gehalt der beiden Parkgestaltungen feststellen, wobei Karg mit der Begrifflichkeit „nationalpatriotisch“ die schon bei Echternkamp aufscheinende Frage „Patriotismus versus Nationalismus?“ zu einer positiv besetzten Wendung kombinierte.

In seinem engagierten Abschlussvortrag führte Ulrich Reinisch den Zuhörer nochmals mitten in die Wirren und die politisch-ideologischen Auseinandersetzungen im Preußen der napoleonischen Besatzungszeit. An Hand des Projekts eines Doms als Denkmal der Befreiung (1814/15) – dem vor dem Hintergrund der antinapoleonischen Bewegung und der damit einhergehenden „Sakralisierung“ des Vaterlandes ein starker symbolischer Gehalt aneignete – führte Reinisch aus, wie sich der Dualismus von Gotik und Klassizismus in Schinkels Entwürfen auflöste. Dabei ging Schinkel weit über den königlichen Auftrag hinaus, indem er den Dom als religiöses, historisches und lebendiges Monument konzipierte, das auch Ort von Volksfesten sein und letztlich als Nationaldenkmal im Dienste der Konsolidierung der Nation wirken sollte. Reinisch erläuterte, wie in der Zeit der Befreiungskriege politische Ereignisse und künstlerische Äußerungen aufeinander wirkten und welche Rolle damals bereits den Medien zukam.

Damit war der Bogen geschlagen zu Jörg Echternkamps Vortrag am Vortag: War es dort um die „Mythologisierung“ der Befreiungskriege gegangen, so hatte nun Reinisch – mit seinem eher propagandatheoretisch orientierten Ansatz – die Mittel vorgeführt, mit denen künstlerische Äußerungen zu einer solchen „Mythologisierung“ ihren Beitrag leisten können. In den Vorträgen wurde deutlich, dass der Dualismus zwischen Neugotik und Klassizismus nur einen jener vielfältigen Diskurse bildete, in deren Spannungsfeld die Kunst und Architektur jener Zeit zu sehen sind. Dabei wurden beide Stilrichtungen einerseits für verschiedenste Herrschaftslegitimationen, andererseits aber auch als Symbole nationaler Freiheitsvorstellungen in Dienst genommen. Festgehalten werden kann, dass es der Tagung gelungen ist, Licht auf zahlreiche Aspekte dieser spannenden Umbruchszeit zu werfen, in der Schinkel eine zentrale Rolle spielte. Seine Bedeutung als Maler wurde ebenso beleuchtet wie die als Architekt und als Mitbegründer der Denkmalpflege. Verdienst der Tagung ist es dabei, Schinkel innerhalb der vielfältigen politischen und institutionellen Verflechtungen dargestellt zu haben, als Mensch, der Stellung bezog in einer Zeit, in der – wie Reinisch treffend charakterisierte – alle Ideologien, zu deren „Abarbeitung“ man dann fast zwei Jahrhunderte brauchte, im Keim schon angelegt waren.

Anmerkungen:
1 Programm siehe bei H-Soz-u-Kult unter: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=4953


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